Propaganda als Waffe -  Willi Münzenberg

Propaganda als Waffe (eBook)

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2021 | 1. Auflage
136 Seiten
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978-3-7534-8955-1 (ISBN)
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Willi Münzenberg: Propaganda als Waffe | Neu editierte 2021er-Ausgabe: Das lange vermisste Werk endlich wieder lieferbar! | Immer, wenn zwei verfeindete Parteien sich unversöhnlich gegenüberstehen, wächst die Bedeutung von Propaganda. Nicht ohne Grund sagt man: »Das erste Opfer des Krieges ist die Wahrheit«. | Nach wie vor toben zahlreiche Kriege weltweit, politische Auseinandersetzungen verschärfen sich. Kulturen und Lebensentwürfe prallen aufeinander, religiöse Fanatiker eifern; die Polarisierung in den Gesellschaften nimmt zu, befeuert von Internet-Plattformen aller Art. Ihre letzte Hochphase - vor der aktuellen - erlebte Propaganda im Kalten Krieg, die mächtigste aber gegen Ende der Weimarer Republik und während der Nazi-Diktatur. | Willi Münzenbergs Analysen, am Beispiel der Meinungs-Manipulationen durch die Nationalsozialisten, sind heute erhellender denn je.

Willi Münzenberg (1889-1940), der Autor dieses Buches, war als Leiter des Münzenberg-Konzerns Ende der 1920er Jahre publizistischer Gegenspieler der hitlertreuen Hugenberg-Presse; es gibt kaum einen profunderen Kenner der Mechanismen von Propaganda.

§ 2: Der kleine Mann
und sein Retter

»NUR MIT DER GLÄUBIGEN INBRUNST eines unverdorbenen und unverbildeten Menschen war es möglich, einen Staat aus den Angeln zu heben, denn das Herz und die Tugenden wogen immer schwerer als das blasse äußere Wissen«, rief Hitler in einer Rede auf dem Nürnberger Parteitag des Jahres 1934 seinen Anhängern zu, denen er in diesen Worten eines der Geheimnisse seiner Propagandamethoden preisgab, indem er den Massen, die er im Auftrag mächtiger Hintermänner eingefangen hatte, zugleich schmeichelte, während sie unter sich die gleichen Massen als »töricht und denkträge« behandelten.

Die Hitlerpropaganda sucht den Werdegang des Dritten Reiches so darzustellen, als ob das Volk geschlossen dem »Führer« gefolgt wäre und noch immer geschlossen hinter ihm stände. Der Versuch, diese Illusion eines einheitlich fühlenden und handelnden Volkes zu schaffen, das es dem »Führer« freiwillig und freudig überlässt, zu denken und zu befehlen, wurde von der Hitlerpropaganda mit raffiniertesten Mitteln unternommen, und in diesem Sinn rief Göring in seiner Rede am 16. März 1937 aus, Hitler habe um Deutschland und Deutschland um Hitler eine stählerne Mauer geschaffen, »der Führer aber kann mit uns machen, was er immer auch will.«

Die Hitlerpropaganda ging systematisch vor, um bestimmte Schichten des deutschen Volkes für ihre Zwecke einzufangen und sich ihrer bedienen zu können. In seinem Buch ›Mein Kampf‹ hat Hitler offen erklärt, wie er sich Anhänger zu erwerben suchte und diese Opfer seiner Propaganda einschätzt. Es kam der Hitlerpropaganda seit Beginn auf die breiten Massen an, in der Voraussetzung, dass »die breite Masse den Sieg des Stärkeren und die Vernichtung des Schwachen oder seine bedingungslose Unterwerfung wünsche«, »das Volk sehe im rücksichtslosen Angriff auf einen Widersacher den Beweis der eigenen Kraft.« (›Mein Kampf‹, S. 37) Um diese Massen zu gewinnen, müsse man »der Schwäche und der Bestialität gleichermaßen Rechnung tragen« (ebenda, S. 650).

Diese Feststellungen Hitlers liefern einen der wichtigsten Schlüssel zu den Methoden der Massengewinnung durch die Hitlerpropaganda, die darauf ausging, ihre Anhänger besonders in solchen Schichten zu suchen, die durch keine politische Schule gegangen waren und kein Klassenbewusstsein besaßen, vielmehr, schwankend und unsicher in ihrer politischen Meinungsbildung, besorgt um ihre wirtschaftliche Existenz, losgerissen von kritiklos übernommenen nationalistischen Traditionen, die nach dem Kriegsausgang ihren Inhalt verloren hatten, zögerten, sich Parteien anzuvertrauen, in denen man sie nur Feinde jeglicher Ordnung zu sehen gelehrt hatte. Die Parteien, die die Weimarer Republik repräsentierten, zeigten sich aber selbst nicht stark genug, um jene breiten Schichten an sich zu fesseln, ihnen Vertrauen und Stärke einzuflößen. Diese Massen wurden von großen Schichten des deutschen Kleinbürgertums gebildet, das seit dem unglücklichen Ausgang der Revolution des Jahres 1848 keine aktive politische Rolle mehr gespielt hat, aber die soziale Basis des Bismarck’schen Reiches bildete, sich im Glanz der 21 deutschen Fürstentümer sonnte und das Reich für alle Zeiten begründet hielt.

Die sozialdemokratische Partei der Vorkriegszeit, aber auch die sozialistische und kommunistische Bewegung in der Zeit der Weimarer Republik hatten in jene Schichten nicht mit einem solchen Erfolg einzudringen vermocht, dass man von ihrer Politisierung hätte reden können; große Teile dieser Schichten hielten sich beharrlich sogar von jeder politischen Betätigung fern, interessierten sich vielfach nicht einmal für Politik oder waren früher den Schlagworten der alldeutschen Bewegung erlegen.

Bei den Wahlen kam diese Orientierung, besonders der städtischen Mittelschichten, klar zum Ausdruck. Sie erschienen nämlich nicht an der Wahlurne, sondern bildeten das große Korps der Nichtwähler, das einst ein vielerörterter Gegenstand von Leitartikeln und Untersuchungen ehemaliger bürgerlicher Politiker war; gerade in rechts stehenden Kreisen wurde über die »Trägheit« dieser Schichten immer wieder bewegte Klage geführt und die Frage erörtert, wie man diese Schichten aus ihrer politischen Lethargie heraustrommeln könnte. Der Ruf nach dem »Trommler« ist im Reich schon sehr früh erhoben worden. Das große Korps der Nichtwähler, das mindestens zehn Millionen Wahlberechtigte umfasste, fiel zur überwiegenden Mehrheit der Hitlerpropaganda zum Opfer, seine politische Unwissenheit und Unerfahrenheit schufen notwendige Voraussetzungen für diese Rolle, waren der Humus für die Samen der Hitlerpropaganda, nur hier konnten sie gedeihen.

Die Wahlresultate des Jahres 1932 bestätigten diese Feststellung. In den Septemberwahlen 1930 hatten es die Nationalsozialisten auf 6 380 000 Stimmen gebracht, in den Juliwahlen 1932 verdoppelten sie ihre Wählerzahl, aber diese Steigerung vollzog sich keineswegs auf Kosten der Arbeiterparteien und sogar auch nur zu einem gewissen Prozentsatz auf Kosten der bürgerlichen Parteien. Trotz der zügellosen Hitlerpropaganda, die sich im Jahre 1932 bereits der schärfsten terroristischen Formen bediente, trotz des brutalen Terrors der SA auf dem Lande und in den kleineren Städten behaupteten die Arbeiterparteien nicht nur ihre Wählerziffern, sondern die Kommunistische Partei hatte noch große Erfolge aufzuweisen.

Hitlers Wähler waren in ihrem Gros die früheren apolitischen oder, wie die Hitlerpropaganda sie zu nennen pflegt, »unverbildeten« Nichtwähler, die sich von Hitler gefangen nehmen ließen, weil seine Propaganda es darauf anlegte, in ihnen die Illusion zu erwecken, dass es auf sie ankomme, alles nur von ihrer Kraft abhänge und sie die Herren werden müssten. Die Hitlerpropaganda betörte diese Schichten durch solche Illusionen und schuf ihnen die Einbildung der Kraft in einem Augenblick, da sie sich verloren fühlten.

Dass sie nur wie Narren am Seile geführt wurden, drang nicht in ihr Bewusstsein, da die Hitlerpropaganda alles daransetzte, um in ihnen die Illusion der eigenen Kraft zu nähren. Diese Methode der Hitlerpropaganda sah es vor allem auch auf Verwirrung ab und erreichte es, dass sogar in gewissen sozialistischen Kreisen ernsthaft diskutiert wurde, ob der Nationalsozialismus die politische Bewegung des Kleinbürgertums sei, während es in Wirklichkeit der Hitlerpropaganda nur darauf ankam, in diesen Massen die Illusion der Mitbestimmung, die Illusion der Herrenschicht zu erwecken.

Der Zusammenbruch des Reiches, die klägliche Kapitulation der Fürsten, die eine hundertjährige Herrschaft wie einen alten Lappen preisgaben, die Auflösung der alten Armee, die gerade für große kleinbürgerliche Massen der Inbegriff der Macht gewesen war, der Versailler Vertrag, vor allem aber die Gefahr des Ruins der wirtschaftlichen Existenz durch die Entwertung der Mark, durch die wirtschaftliche Krise und ihre Folgen machten Millionen Menschen für Abenteurer reif, die ihnen die Illusionen der Wiederkehr des alten Glanzes, der alten Herrlichkeit vorgaukelten. Hitler als Mann der Reichswehr und Schwerindustrie wie der Junker kannte die Ziele des neudeutschen Imperialismus, und diese Kenntnisse gaben ihm eine gewisse Sicherheit, um seinen Anhängern sein »Programm« als einzige Rettungsmöglichkeit immer wieder vor Augen zu führen, ein anderes war es nur, dass diese »Rettung« sich Hitler und seinen politischen Hintermännern nicht so darstellte wie dem »kleinen Mann«, den die Hitlerpropaganda absichtlich über das Wesen dieser »Rettung« im Dunkeln ließ.

Beim Fehlen einer demokratischen Tradition in diesen Schichten musste es nicht aussichtslos erscheinen, sie erneut in autoritäre Abhängigkeit zu bringen, wenn man ihnen die »starke Hand« zeigte. Bei der dauernd labilen Lage, bei dem bis in seine Grundlagen erschütterten kapitalistischen System wurde in ihnen sogar noch die Illusion erweckt, als ob sie selbst berufen wären, einen neuen Staat zu schaffen, in dem sie selbst als die Erneuerer des alten Glanzes erschienen, in dessen Widerschein sie sich einst gesonnt hatten; mit ihm sollten vor allem ihre Ersparnisse aufgewertet zurückkehren, ihre aufbewahrte Papiermark wieder Goldeswert erhalten und die Rente die Sicherheit des Lebensabends garantieren. Am 1. September 1933 redete Hitler in Nürnberg seinen Anhängern ein, er habe ihnen »suggestiv den Glauben eingepresst, einst die Retter des Vaterlandes zu werden«.

Solche Illusionen konnten in politisch aufgeklärten Massen, besonders in der Arbeiterschaft, nicht aufkommen, auf sie vermochte auch kein Zaubertrick zu wirken. Die Hitlerpropaganda war sich früh über diese Tatsache klargeworden und sich immer der Schwierigkeiten bewusst, in Arbeiterkreisen Anhänger zu finden, sodass ihr am Ende ihres Propagandafeldzuges innerhalb Deutschlands, nachdem sie an die Macht herangelassen war, kein anderes Mittel zur »Gewinnung« der Arbeiterklasse übrig blieb als Provokation, Terror,...

Erscheint lt. Verlag 27.5.2021
Sprache deutsch
Themenwelt Sozialwissenschaften Politik / Verwaltung
ISBN-10 3-7534-8955-7 / 3753489557
ISBN-13 978-3-7534-8955-1 / 9783753489551
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