Die Deutsche Evangelische Kirche und der Russlandfeldzug -  Dietrich Kuessner

Die Deutsche Evangelische Kirche und der Russlandfeldzug (eBook)

Eine Arbeitshilfe

Peter Bürger (Herausgeber)

(Autor)

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2021 | 1. Auflage
252 Seiten
Books on Demand (Verlag)
978-3-7534-7455-7 (ISBN)
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Der am 22. Juni 1941 begonnene Rasse- und Vernichtungskrieg gegen die Sowjetunion wurde von den Christen im nationalsozialistischen Deutschland mitgetragen. Man versicherte dem Führer Adolf Hitler: "Die Deutsche Evangelische Kirche ist mit allen ihren Gebeten bei Ihnen und bei unseren unvergleichlichen Soldaten, die nun mit so gewaltigen Schlägen daran gehen, den Pestherd zu beseitigen." Mehr als 20 Millionen Menschen fielen dem antibolschewistischen Mordunternehmen "Barbarossa" zum Opfer. Die hier neu edierte Arbeitshilfe des evangelischen Theologen Dietrich Kuessner aus dem Jahr 1991, ein bedeutsames Pionierwerk, belegt mit zahlreichen Quellentexten die geistliche Kriegsassistenz. Eine gemeinsame Erklärung der Evangelischen Kirche in Deutschland und des ostdeutschen Bundes der Evangelischen Kirchen zum 50. Jahrestag des deutschen Überfalls auf die UdSSR enthielt eine Friedensvision unter Einschluss Rußlands: "Die Beziehungen zwischen den Völkern der Sowjetunion und dem deutschen Volk sind jetzt und in Zukunft eingebunden in die weitere gesamteuropäische Entwicklung." Dreißig Jahre später wissen wir unvergleichlich mehr über die Verbrechen der deutschen Waffenträger des Ostfeldzugs. Die Kirchen sind zum 80. Jahresgedenken herausgefordert, den neuen Kalten Kriegern der Gegenwart entgegenzutreten. Kirche & Weltkrieg - Band 7

Dietrich Kuessner, geb. 1934 in Ostpreußen, evangelischer Theologe und Historiker. Bereits Vater und Großvater waren Geistliche. Gegen Ende des Zweiten Weltkrieges flüchtete die Familie angesichts der heranrückenden Roten Armee nach Westen. - Nach Besuch des Predigerseminars in Braunschweig Vikar in Melverode und Schöningen; Dezember 1962 Ordination. 1963-1999 Pfarrer in den Gemeinden Offleben und Reinsdorf-Hohnsleben. Anschließend Ruhestand. "Zu einer heftigen Auseinandersetzung mit der Landeskirche kam es, als Kuessner sich 1998 als Bundestagskandidat für die Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS) aufstellen ließ. Einem Ausschluss aus der Landessynode und einem Disziplinarverfahren konnte er wirksam entgegentreten (...). Seit Jahrzehnten beschäftigt sich Kuessner intensiv mit verschiedenen Aspekten der Geschichte der Stadt Braunschweig und des Landes Braunschweig unter besonderer Berücksichtigung der Rolle der Evangelisch-lutherischen Landeskirche in Braunschweig vor, während und nach der Zeit des Nationalsozialismus" (Wikipedia.org, 25.06.2019).

3. DER KREUZZUG HITLERS GEGEN DIE SOWJETUNION


Die Niederwerfung der Sowjetunion ist das eigentliche politische Ziel des Krieges. Für Hitler war der 1939 begonnene europäische Krieg von vornherein ein Weltkrieg. Er zielte auf die Sowjetunion. Hitler betrachtet den Krieg als „heilige Mission“ und deklariert ihn zum „Kreuzzug gegen den Bolschewismus“. Zwar hatte Hitler vor dem Reichstag nach dem Frankreichfeldzug am 19. Juli 1940 erklärt: „Das deutsch-russische Verhältnis ist festgelegt“, er habe mit Russland eine „nüchterne Interessenfestsetzung“ vorgenommen, „um einmal für immer klarzulegen, was Deutschland glaubt, für seine Zukunft als Interessengebiet ansehen zu müssen, und was umgekehrt Russland für seine Existenz als wichtig hält“, aber bereits seit Juni 1940 plant Hitler den Überfall auf die Sowjetunion. In der Weisung Nr. 42 vom 18.12.1940 bekundet Hitler die Absicht, noch „vor Beendigung des Krieges gegen England Sowjetrussland in einem schnellen Feldzug niederzuwerfen“.

Der Überfall

Als Termin für den Beginn des Überfalls ist der Mai 1941 gedacht, der aber wegen des Balkanfeldzuges verschoben werden muß. Am Sonntag, dem 22. Juni 1941, beginnt Hitler – wieder wie schon gegen Polen ohne Kriegserklärung – den Krieg gegen die Sowjetunion. Am Abend vorher, Sonnabend, den 21. Juni erklärt der ahnungslose deutsche Botschafter von Schulenburg in Moskau dem sowjetischen Außenminister Molotow die Loyalität der deutschen Reichsregierung. Hitler begründet seinen Russlandfeldzug in einer „Proklamation an das deutsche Volk“ am 22. Juni 1941 mit einer englisch-sowjetischen Verschwörung, mit angeblichen Forderungen der Sowjetunion auf dem Balkangebiet, mit dem erfundenen Aufmarsch von 160 russischen Divisionen an der Grenze und mit erlogenen Grenzverletzungen, auf die Hitler später auch nie wieder zurückkommt. Er schließt seine Proklamation mit: „Möge uns der Herrgott gerade in diesem Kampf helfen.“

Mit mehr als drei Millionen Soldaten und 3.580 Panzern rücken die deutschen Truppen vor.

Fast ein Blitzsieg

Der Beginn des Krieges sieht mit der Eroberung des Baltikums, Weißrusslands, der Ukraine wieder wie ein „Blitzkrieg“ aus. Die Städte Bialystock, Minsk und Smolensk, die Festung Brest-Litowsk werden im Sturm erobert. In der Kesselschlacht von Kiew werden 650.000 „Gefangene gemacht“. Ende August steht das deutsche Heer 650 Kilometer tief im russischen Gebiet. Am 8. Oktober 1941 verbreitet der Rundfunk die Sondermeldung: „Der Endsieg, der die entscheidenden Schlachten im Osten einleitete, ist da.“ Am 10. Oktober 1941 meldet „Der Völkische Beobachter“ als Schlagzeile: „Die große Stunde hat geschlagen: der Ostfeldzug ist beendet,“ und er berichtet, daß Stalins Armeen vom Erdboden verschwunden seien. In Berlin kursiert das Gerücht, Moskau sei gefallen.

Der Kreuzzug als Vernichtungskrieg

Der Russlandfeldzug ist grundsätzlich anders als der Krieg gegen Polen und gegen Frankreich. Er zielt von Anfang an auf die Vernichtung des Gegners und die Beseitigung der slawischen Bevölkerung. Im März 1941 erklärt Hitler vor 250 deutschen Generälen: „Wir müssen vom Standpunkt des soldatischen Kameradentums abrücken. Der Kommunist ist vorher kein Kamerad und nachher kein Kamerad. Es handelt sich um einen Vernichtungskampf … gegen Russland: Vernichtung der bolschewistischen Kommissare und der kommunistischen Intelligenz … Die Führer müssen von sich das Opfer verlangen, ihre Bedenken zu überwinden“5. Kein General widerspricht. Seit dem Putsch Hitlers gegen die von Röhm geführte SA im Juni 1934 gilt Hitler als „oberster Gerichtsherr“. Von ihm habe kein unrechter Befehl kommen können, sagt noch 1961 einer der Generale von damals aus. Vom 12. Mai 1941 stammt der berüchtigte Kommissarbefehl, wonach politische Hoheitsträger und Kommissare sofort zu erschießen seien. Am 13. Mai 1941 wird im Erlaß über die Ausübung der Kriegsgerichtsbarkeit geregelt, daß militärische Verbrechen nicht verfolgt werden. Gegen ganze Ortschaften können „kollektive Gewaltmaßnahmen durchgeführt“ werden. Hitler führt keinen Krieg im üblichen Sinne, sondern einen Ausrottungsfeldzug gegen die slawische Bevölkerung. Vor Beginn des Feldzuges rechnet der Wirtschaftsstab Ost, Gruppe Landwirtschaft, mit 10 Millionen Toten allein in der westlichen Sowjetunion. Aus dem Hauptquartier vermerkt der Parteisekretär Martin Bormann am 16. Juni 1941 als Geheime Reichssache u.a. „Der Riesenraum müsse natürlich so rasch wie möglich befriedet werden; dies geschehe am besten dadurch, daß man Jeden, der nur schief schaue, totschieße“6.

Die deutschen Soldaten, die praktisch freie Hand zum Töten der russischen Zivilbevölkerung haben, hinterlassen bereits im ersten halben Jahr eine furchtbare, mörderische Spur. In der Stadt Shitomir werden vom 4.7.-5.9.1941 30.000 Russen, Juden, erschossen. Als die deutschen Truppen die Stadt Charkow Ende Oktober eingenommen haben, werden 250 Bürger der Stadt auf Straßen und Plätzen aufgehängt. Deutsche Soldaten fotografieren immer wieder die aufgehängten Leichen und tragen die Fotos mit sich. Am 23. Oktober 1941 werden 19.000 Juden auf einen offenen Platz in der Nähe des Hafens von Odessa zusammengetrieben und von den rumänischen Verbündeten zusammengeschossen und die Toten auf der Stelle verbrannt. Das Einsatzkommando V der Einsatzgruppe C mordet bis zum 20. Oktober 1941 insgesamt 15.110 Russen in Dnjepropetrowsk. Die Befehlshaber des Einsatzkommandos IV,1 der Einsatzgruppe C melden ihrem Vorgesetzten in Berlin: „Als Vergeltungsmaßnahme für die Brandstiftung in Kiew wurden sämtliche Juden verhaftet und am 28. und 29.9. insgesamt 33.771 Juden exekutiert.“ Heute werden die Besucher an die Gedenkstätte bei der Schlucht Babi Yar geführt. … „Eine besonders starke seelische Belastung der mit der Durchführung beauftragten Männer des Einsatzkommandos V stellte die am 18.10.1941 vorgenommene Liquidation von 300 geisteskranken Juden der Kiewer Irrenanstalt dar“, heißt es in der Ereignismeldung UdSSR Nr. 132.7 Der Wehrmachtsbefehlshaber Ostland berichtet am 19.11.1941 stolz, die Gesamtzahl der Gefangenen betrage 10.940, „davon erschossen 10.431.“ Die Wirkung auf die kämpfende Truppe ist verrohend. Der 22jährige Hugo O. aus Cannstatt schreibt nach Hause: „Selbstverständlich ziehen wir den toten Russen die Filzstiefel usw. aus, und wenn das nicht geht, lassen wir die Lebendigen die Klamotten ausziehen und knallen sie dann über den Haufen. In dieser Beziehung sind wir ganz kalt geworden.“ Die sowjetische Regierung verläßt am 16. Oktober 1941 die Hauptstadt Moskau. Mehr als 1.2 Millionen sowjetische Soldaten sind bereits in Kriegsgefangenschaft geraten. Der Moskauer Metropolit Sergius weicht nach Uljanowsk an der Wolga aus.

Der unerwartete Winterkrieg

Aber der Ablauf der Ereignisse entspricht bereits seit September nicht den illusionären Vorstellungen Hitlers. Der hatte auf einen „Blitzsieg“ gesetzt und auf die Winterausrüstung der Soldaten verzichtet. Die Operation „Barbarossa“ sollte im November beendet sein. Bis Ende Juli soll nach Plan die Rote Armee in Einzelteile aufgelöst sein und Anfang August die deutschen Truppen den entscheidenden zweiten Schlag gegen Moskau und Leningrad führen, die dem Erdboden gleichgemacht werden sollen. Den Angriff auf Moskau befiehlt Hitler nun am 2. Oktober unter dem Namen Operation „Taifun“. Wieder ist der Anfangserfolg groß, aber im November verlangsamt sich der Vormarsch unprogrammäßig, und am 1. Dezember 1941 kommt die Offensive 27 km vor Moskau endgültig zum Stehen. Die deutschen Truppen ziehen sich zurück. Hitler und seine Generäle hatten die Weite des Raumes, die Nachschubmöglichkeiten bei den andersartigen Straßenverhältnissen, die Beweglichkeit der sowjetischen Truppen auf eigenem Boden, die Fähigkeit, rasch neue Divisionen aufzustellen, und die Wirksamkeit des Partisanenkrieges weit unterschätzt. Die Überlebenschancen schätzen die Soldaten vorne an der Front bereits ganz nüchtern miserabel ein. Der Cannstätter Hugo O. schreibt an seinen Vater am 1. November 1941: „Ich schreibe dir ganz nüchtern die Möglichkeiten, wie ich sie taxiere, in Prozenten auf. Zeig das aber bloß der Mutti nicht, sonst wird sie ganz besonders nervös und Du hast dann das Kreuz mit ihr! In einem Monat bin ich schätzungsweise, wenn es so weitergeht wie bis jetzt, zu 10 Prozent Möglichkeiten tot, zu 5 Prozent Möglichkeiten gefangen, zu 30 Prozent Möglichkeiten schwer verwundet, zu 40 Prozent Möglichkeiten krank oder mit erfrorenen Füßen im Lazarett, zu 10 Prozent leichter erkrankt oder verwundet im Lazarett. Bleiben 5 Prozent Möglichkeiten. Diese Aufstellung ist durchaus sachlich und mag Dir einen Anhalt geben, wie ich die Lage für mich taxiere. Das ist ein Wort unter Männern. Frauen und andere weiche Gemüter geht...

Erscheint lt. Verlag 25.5.2021
Sprache deutsch
Themenwelt Sozialwissenschaften Politik / Verwaltung
ISBN-10 3-7534-7455-X / 375347455X
ISBN-13 978-3-7534-7455-7 / 9783753474557
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