Der hungrige Planet (eBook)

Wie können wir Wohlstand mehren, ohne die Erde auszuplündern -

(Autor)

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2021 | 1. Auflage
Siedler (Verlag)
978-3-641-28504-3 (ISBN)

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Der hungrige Planet -  Paul Collier
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Unbequeme Thesen, die für eine intensive Debatte sorgen
Wir leben auf einem hungrigen Planeten - hungrig nach Rohstoffen für ein ständiges Wirtschaftswachstum und hungrig nach Nahrungsmitteln für die wachsende Weltbevölkerung. Klimaerwärmung und Raubbau an der Natur zerstören unsere Lebensgrundlagen. In diesem Buch fragt Paul Collier nach dem vermeintlich unüberbrückbaren Widerspruch zwischen Ökologie und Ökonomie und zeigt, wie wir den Hunger nach Wachstum stillen können, ohne unseren Planeten auszuplündern. Unter unserem verschwenderischen Umgang mit Rohstoffen leiden vor allem die Entwicklungsländer, die von Umweltzerstörung, Nahrungsmittelkrisen und Klimawandel besonders stark betroffen sind. Wie können wir den ärmsten Ländern helfen, die ständig wachsende Weltbevölkerung versorgen und unsere Lebensgrundlagen dennoch schützen? Paul Collier zeigt, wie wir unsere ökologischen und ökonomischen Interessen in Einklang bringen können. Denn nur wenn wir die Nutzung der natürlichen Ressourcen regulieren und uns Innovationen nicht verschließen, werden die Länder der untersten Milliarde der Armut entkommen und auch in den Industrieländern Wohlstand und Umwelt bewahrt.

Paul Collier, geboren 1949 in Sheffield, ist einer der wichtigsten Wirtschaftswissenschaftler der Gegenwart. Er war Leiter der Forschungsabteilung der Weltbank und lehrt als Professor für Ökonomie an der Universität Oxford. Seit vielen Jahren forscht er über die ärmsten Länder der Erde und untersucht den Zusammenhang zwischen Armut, Kriegen und Migration. Sein Buch »Die unterste Milliarde« (2008) sorgte international für große Aufmerksamkeit und wurde mehrfach ausgezeichnet, u.a. mit dem Lionel Gelber Prize und der Corine. Im Siedler Verlag erschienen außerdem »Gefährliche Wahl« (2009), »Der hungrige Planet« (2011), »Exodus« (2014) - eines der wichtigsten Bücher zur Migrationsfrage - sowie »Gestrandet« (2017, mit Alexander Betts). Sein Buch »Sozialer Kapitalismus!« wurde 2019 mit dem Deutschen Wirtschaftsbuchpreis ausgezeichnet. Zuletzt erschien »Das Ende der Gier« (2021, mit John Kay).

Vorwort


ICH WUCHS AUF, BEVOR WIR NATUR entdeckten. Heute ist weithin anerkannt, dass wir mit der Natur schlecht umgehen. Das Thema wird in Blogs und auf Kongressen diskutiert, und »Umweltwissenschaften« sind zu einem wichtigen Teil der Lehrpläne geworden. Als ich zur Schule ging, hieß das Fach noch »Naturkunde«, und wir schliefen die meiste Zeit. Während andere sich in ihrem Studium mit Umweltproblemen beschäftigten, entdeckte ich die Tragödie globaler Armut und gescheiterter Lebensläufe. Die Chancen, die sich mir eröffneten, hatten meine Eltern nicht. In der weltweiten Armut erkannte ich denselben Mangel an Chancen im größeren Maßstab.

Umweltschutz wirkte damals wie der Luxus von Menschen, die ihren Wohlstand für gottgegeben hielten. Die Wiederherstellung des natürlichen Gleichgewichts und die Bekämpfung der globalen Armut sind jedoch zu den beiden entscheidenden Herausforderungen unserer Zeit geworden. Beide Ziele haben ihre Verfechter, die sich oft feindlich gegenüberstehen. Manche Umweltschützer in der entwickelten Welt sehen es mit Argwohn, dass der Wohlstand sich weltweit verbreitet, und sagen, das Wirtschaftswachstum werde den Planeten zerstören. Umgekehrt betrachten in den ärmeren Ländern der Welt – der untersten Milliarde – viele Menschen den Umweltschutz mit Argwohn und deuten ihn als Versuch der reicheren Länder, ihnen den Wohlstand vorzuenthalten. Auch ich habe inzwischen, mit Verspätung, die Bedeutung der Natur erkannt. Dieses Buch spiegelt meinen Versuch wider, das Ziel des globalen Wohlstands mit einer ethischen Haltung gegenüber der Natur zu verbinden. Der Ökonom Nicholas Stern sagt zu Recht, dass diese beiden Ziele einander bedingen. Wenn wir weiterhin zulassen, dass das natürliche Gleichgewicht unserer Umwelt zerstört wird, verhindert das die Beseitigung der globalen Armut. Wenn aber ein Teil der Welt weiterhin marginalisiert wird, wird das die Zusammenarbeit verhindern, von der die Wiederherstellung des natürlichen Gleichgewichts auf unserem Planeten abhängt. Und die beiden Ziele sind durch etwas noch Wichtigeres verbunden als die Gefahr dieses doppelten Scheiterns. Die Natur ist das wichtigste Gut der ärmsten Länder; wenn man verantwortungsvoll mit ihr umgeht, wird sie den Aufstieg dieser Länder zum Wohlstand befördern. Doch das Streben nach Wohlstand erhöht die Gefahr, dass die Natur ausgeplündert wird. Das natürliche Gleichgewicht – der verantwortungsvolle Umgang mit der Natur – kann Wohlstand bringen, aber Wohlstand allein kann kein natürliches Gleichgewicht herstellen.

Die Spannung zwischen Wohlstand und Plünderung liegt inzwischen offen zutage. Die reißende Nachfrage nach Rohstoffen hat die Preise von Rohstoffen und Nahrungsmitteln in beispiellose Höhen getrieben. Erst eine globale Finanzkrise hat sie wieder etwas gesenkt. Umgekehrt hat der Preisanstieg einen neuen Wettlauf um Afrika eröffnet und Kapital auf den Kontinent gepumpt. China, der Gigant unter den Schwellenländern, betritt ohne den historischen Ballast des Kolonialismus die Weltbühne; tatsächlich haben viele Länder der untersten Milliarde China lange Zeit als Verbündeten angesehen. Doch aus Sicht der reichen Länder ist Chinas Engagement in Afrika nicht nur eine unerwünschte Konkurrenz. Sie droht auch internationale Bemühungen, nach Jahrzehnten der Korruption und Ausbeutung den Umgang mit Rohstoffindustrien zu reformieren, zu untergraben. Der chinesische Präsident hat Afrika mit der Botschaft »Wir stellen keine unbequemen Fragen« bereist. Wird China also die unterste Milliarde endlich von den zähen Überresten des Kolonialismus befreien oder diese Länder in eine dunkle Vergangenheit zurückstoßen?

Während die Schwellenländer im Ausland Ressourcen aufkaufen, stoßen ihre Industrien im Inland CO₂ aus. Über die nächsten 20 Jahre will China jedes Jahr mehr Kraftwerke bauen als England insgesamt besitzt. Das CO₂ droht den Planeten zu überhitzen. Doch die Bedrohung ist auch zur Einnahmequelle geworden. Durch den im Kyoto-Protokoll festgelegten Mechanismus für umweltverträgliche Entwicklung (Clean Development Mechanism, CDM) erhalten chinesische Firmen Geld dafür, dass sie nicht noch mehr CO₂ ausstoßen – ein Mechanismus, der an Schutzgeldzahlungen erinnert. Aus Sicht der Schwellenländer ist die verspätete Sorge der reichen Gesellschaften wegen der Verschmutzung aber Heuchelei. Sie machen nur das, was die reichen Länder schon lange tun. Wenn die reichen Länder wollen, dass sie sich anders verhalten, müssen die reichen Länder die Kosten tragen.

Die zunehmende Knappheit natürlicher Ressourcen und der Klimawandel haben in reichen Gesellschaften eine Weltuntergangsstimmung erzeugt. Das ist Musik in den Ohren der Romantiker, die glauben, wir müssten unser Verhältnis zur Natur radikal verändern und den Konsum zurückfahren. Der globale industrielle Kapitalismus ist endlich am Ende und erstickt an seinen eigenen Widersprüchen. Von Prinz Charles bis zu Demonstranten auf den Straßen propagieren sie eine Zukunft, in der die Menschheit wieder im Einklang mit der Natur lebt. Der Lebensstil der Zukunft wird organisch, ganzheitlich, autark, lokal und überschaubar sein. Wir sollen nicht nur unser Leben völlig ändern, wir sollen auch unsere Schuld bekennen, indem wir den Rest der Welt dafür entschädigen, dass wir die Natur geplündert und den Planeten überhitzt haben.

Die Gegenposition zu den Romantikern ist eine ignorante Vogel- Strauß-Haltung. Wenn es einen Kampf um Ressourcen geben wird, so wird es vor allem darum gehen, ihn zu gewinnen. Wer bei den Ländern der untersten Milliarde auf gute Regierungsführung pocht, überlässt den Chinesen das Feld. Die Einschränkung unseres CO₂-Ausstoßes bedroht unseren Lebensstil unnötig. Vielleicht verschlechtert sich das Klima ja gar nicht, und die Zukunft kann ohnehin für sich selbst sorgen. Beide, Romantiker und Ignoranten, haben zur Hälfte recht.

Die Romantiker haben darin recht, dass unser Umgang mit der Natur sehr schlecht ist und unsere Praktiken nicht zu rechtfertigen sind. Ihre Gegner haben darin recht, dass viel von dem, was über die Natur gesagt wird, lächerlich frömmelnd ist und die reichen Länder als Bösewichte und den Rest der Welt als ihre Opfer darstellt. Solche Selbstgeißelung ist unnötig und kontraproduktiv, denn sie macht Gesellschaften, die unverzichtbare Partner bei Lösungen des Problems sein werden, zu passiven Empfängern unserer Großzügigkeit.

Doch beide Gruppen haben auch zur Hälfte unrecht. Beide können uns ins Unglück führen, wenn auch auf verschiedenen Wegen. Unter Leitung der Romantiker würde die Welt verhungern, unter Leitung der Ignoranten würde sie verdorren. Die Romantiker sind eine ernste Bedrohung für die globale Landwirtschaft. Die Ignoranten sind Komplizen bei der Plünderung unserer natürlichen Ressourcen. Die Entscheidungen, die wir jetzt fällen, müssen jedoch auf dem Verantwortungsgefühl gegenüber den Armen wie auch gegenüber der Zukunft beruhen, nicht auf purem Eigeninteresse. Kurz gesagt, Der hungrige Planet ist für Menschen geschrieben, die weder von frommem Ekel für die moderne Welt erfüllt, noch moralisch abgestumpft sind. Diese Menschen reagieren zunehmend ungeduldig auf die Flut an Moralpredigten über unsere Pflicht, die Natur in dem Zustand zu erhalten, in dem wir sie vorgefunden haben, sie erkennen aber auch, dass ein unbekümmertes Ignorieren der Natur große Risiken birgt.

Die Natur ist wichtig, und wir gehen schlecht mit ihr um. Das trifft die Bewohner der ärmsten Länder am stärksten. Für sie bietet die Ausgangslage zugleich eine Chance und eine Bedrohung von gewaltigem Ausmaß. Mein Thema ist nicht, wie die Natur als Wert an sich bewahrt werden kann, sondern wie sie dazu dienen kann, Gesellschaften aus der Armut zu führen, ohne allen anderen übergroße Lasten aufzubürden. Mein Leitstern für das, was vernünftigerweise von uns erwartet werden kann, ist jene gesunde Mischung aus Mitgefühl und Eigeninteresse, mit der wohl die meisten von uns versuchen, ihr Leben zu führen.

Die Chance, die die Natur den Ländern der untersten Milliarde bietet, liegt im enormen Wert ihrer natürlichen Ressourcen. Während des Rohstoffbooms der Jahre 2005 bis 2008 wurde auf dem Gebiet der ärmsten Länder der Erde allein Öl im Wert von rund einer Billion Dollar gefördert. Das Sprudeln des neuen Geldes hätte die Transformation dieser Länder finanzieren können. Einen ähnlichen, aber schwächeren Boom hatte es bereits in den siebziger Jahren gegeben. Wie inzwischen viele schmerzhaft erkannt haben, wurde damals eine Chance vertan: Die Einkünfte aus natürlichen Ressourcen wurden geplündert, teils durch ausländische Firmen, teils durch korrupte Politiker und auch durch öffentliche Kurzsichtigkeit. Mitunter nahm die Plünderung zerstörerische Ausmaße an und verwandelte die Chance in eine Katastrophe. Wie ich zeigen werde, ist selbst der Boom der Jahre 2005 bis 2008 nur ein Bruchteil der Einkünfte, die man mit Rohstoffen erzielen könnte. Die zentrale Frage ist, ob sich genug geändert hat, damit diese Mittel nicht verschwendet werden.

Der Rohstoffboom von 2005 bis 2008 war zwar eine gewaltige Chance, aber auch ein zweischneidiges Schwert, denn der Preisanstieg bei den Grundnahrungsmitteln traf die verletzlichsten Menschen auf der Welt. Slumbewohner in den großen Küstenstädten kauften ihre Lebensmittel zu Preisen, die vom Weltmarkt bestimmt wurden. Schon vor dem Preisanstieg waren solche Haushalte kaum über die Runden gekommen, weil sie die Hälfte ihrer Einkünfte für Lebensmittel ausgaben. Im Lauf der Jahrhunderte ist von hungrigen Slumbewohner immer wieder politischer Protest ausgegangen. Wenn die...

Erscheint lt. Verlag 7.6.2021
Übersetzer Martin Richter
Sprache deutsch
Original-Titel The Plundered Planet
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Geschichte / Politik Politik / Gesellschaft
Sozialwissenschaften Politik / Verwaltung
Schlagworte Armut • eBooks • Nachhaltigkeit • Wachstum • Wirtschaft
ISBN-10 3-641-28504-6 / 3641285046
ISBN-13 978-3-641-28504-3 / 9783641285043
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