Ohne Alkohol: Die beste Entscheidung meines Lebens (eBook)

Erkenntnisse, die ich gern früher gehabt hätte
eBook Download: EPUB
2021
192 Seiten
Kailash (Verlag)
978-3-641-28114-4 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Ohne Alkohol: Die beste Entscheidung meines Lebens - Nathalie Stüben
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Ein Leben ohne Alkohol bedeutet keinen Verzicht. Es bedeutet Freiheit.
'Ein spannendes, glänzend geschriebenes, sehr persönliches, mutiges und optimistisches Buch.'
Prof. Dr. Michael Soyka, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie und Alkoholismusforscher

Deutschland ist eine Alkohol-Nation: Rund ein Viertel der erwachsenen Bevölkerung in Deutschland trinkt regelmäßig bis zum Rausch, ca. 1,6 Millionen sind abhängig.
Ein breites gesellschaftliches Problem - und doch fühlen sich Betroffene oft orientierungslos und alleingelassen. Habe ich überhaupt ein Alkoholproblem, wenn ich nicht täglich trinke? Wieso muss ich mich als Alkoholiker bezeichnen, wenn ich aufgehört habe? Kann ich auch ohne Reha und Anonyme Alkoholiker den Absprung finden? Und ist ein Leben ohne Alkohol nicht langweilig und freudlos?
»Ein Leben ohne Alkohol ist schöner und intensiver, als ich es mir je hätte vorstellen können«, sagt Nathalie Stüben, die selbst betroffen war. Die Journalistin räumt nicht nur mit Irrtümern auf, sondern erzählt auch schonungslos von ihren eigenen Erfahrungen. Sie nimmt Betroffenen Scham- und Schuldgefühle und vermittelt Gefährdeten an der Grenze zur Abhängigkeit Klarheit. Vor allem aber ist es ihr Anliegen, das Thema Alkoholabhängigkeit aus der Schmuddelecke zu holen und die Art und Weise zu verändern, mit der in Deutschland über Alkohol diskutiert wird.



Nathalie Stüben, geboren 1985, besuchte die Deutsche Journalistenschule in München. Sie schrieb und fotografierte u. a. für die Süddeutsche Zeitung, die dpa und verschiedene Frauenzeitschriften. Zuletzt arbeitete sie als Radio- und Fernsehjournalistin für den Bayerischen Rundfunk. Im Jahr 2019 startete sie ihren Podcast »Ohne Alkohol mit Nathalie«, 2021 ihren einen eigenen YouTube-Kanal. Die Autorin lebt mit ihrer Familie in Rosenheim.

Anja

Ich bin im Saarland aufgewachsen, direkt an der französischen Grenze. Alkohol gehört dort zum Leben und zum Savoir-vivre. Den ersten Kontakt hatte ich mit 3 Jahren. Wir waren in Südfrankreich im Urlaub, und es grassierte »Montezumas Rache«, dieser Durchfall, der auf Reisen auftritt. Es waren keine Kohletabletten zur Durchfallbekämpfung mehr zu bekommen … Aber Rotwein stopft, hat man damals gedacht. Die Geschichte wird heute noch gerne in meiner Familie erzählt. Außerdem gab es damals das Elternheft. Ich erinnere mich noch genau an ein Foto. Ein blonder, circa dreijähriger Junge stemmt einen riesengroßen Bierkrug. Headline: Lasst sie trinken. Und meine Eltern haben das geglaubt.

Weiß oder rot?

»Schau mal, Natha, wenn du den Korken festhältst und stattdessen die Flasche drehst«, sagt mein Vater und richtet seinen Blick auf die Glasflasche in seinen Händen, „dann löst er sich viel leichter.« Plopp. Wir stehen in unserer Küche und bereiten die Champagnerflöten zum Anstoßen vor.

»Außerdem springt er dir so nicht weg, du kannst ihn sofort wieder auf den Flaschenhals drücken, und es schäumt nichts raus. Reine Physik.« Er strahlt, wie er immer strahlt, wenn er sein Allgemeinwissen im Alltag anwenden kann. Dann drückt er mir eine neue Flasche in die Hand.

»Probier’s mal aus.« Ich entferne das Silberpapier, halte den Korken mit der linken Hand fest und drehe die Flasche mit der rechten. Plopp – keine Sauerei.

»Cool«, sage ich und umarme ihn kurz. Er riecht nach Pfeifentabak und seinem warmen, holzigen Zitrusduft. Ich liebe diesen Geruch. Zusammen füllen wir die Gläser auf und bringen sie ins Wohnzimmer. Unsere Familie ist da, um irgendetwas zu feiern. Weihnachten, einen Geburtstag, einen tollen Auftrag, eine bestandene Prüfung oder vielleicht auch nur den Beginn der Federweißer-Zeit. Ich weiß es nicht mehr. Ich weiß nur, dass ich mich alle paar Wochen in Schale geschmissen habe und es kaum erwarten konnte, dass die Gäste kamen.

Im Wohnzimmer wirft meine Omi ihren Stock zur Seite und schlägt die Hände vor der Brust zusammen: »Wie schön, dass ich euch heute alle beisammen habe! Naaaathi, komm, lass dich mal umarmen, du Tausendsassa.« Ich knuddele sie und höre, wie meine andere Oma über den Marmorboden reingestöckelt kommt. Sie trägt Minirock und Pelzmantel, mein Opa Anzug und Krawatte, immer mit Krawattennadel. Daran muss er beim Essen seine Serviette befestigen, um sich nicht vollzukleckern. Er kleckert sich trotzdem voll – und zwar immer genau auf die Krawatte, was meine Pelzmanteloma in den Wahnsinn treibt: »Paul, die war teuer!« Auch mein Lieblingsonkel kommt grundsätzlich im Anzug. Sobald er mich sieht, grinst er, beugt sich runter und sagt: »Na, Kröte?« Ich antworte: »Na, Krabbe?« Dann lachen wir beide. Mein Vater reicht auch ihm ein Glas, zündet die letzten Kerzen an und zielt mit einer Fernbedienung auf die Musikanlage, um französische Chansons abzuspielen. Dann guckt er Richtung Wendeltreppe, und seine Augen fangen an zu leuchten. Meine Mutter steigt die Stufen hinab, strahlend schön. Für einen Moment unterbrechen alle ihre Gespräche und schauen sie an. Sie läuft mit ausgebreiteten Armen auf uns zu, um alle zu drücken. Danach wirft sie einen letzten Blick auf den Esstisch. Das Besteck ist auf Hochglanz poliert, Blumen und Kerzen passen zum Porzellan. Der ganze Raum gleicht einem Kunstwerk. So sagen meine Eltern ihren Gästen: Herzlich willkommen, wir freuen uns, dass ihr euch auf den Weg gemacht habt. Und das tun sie. Sie sind fantastische Gastgeber, alte Schule. Es macht ihnen Spaß. Pling. Auf das Leben. »Schön, dass ihr da seid, Ihr Lieben. Setzt euch doch. Weiß oder rot?« Pling.

Nach dem Essen donnert das Lachen meines Großvaters durchs Wohnzimmer, mein Onkel zündet sich eine Zigarre an und beginnt, vom strategischen Genie Otto von Bismarcks zu schwärmen. Meine Mutter verfüttert ihre Fleischreste an unseren kleinen weißen Hund und sagt: »Aber nur heute, Vicky, eigentlich bekommst du ja nichts vom Tisch.« Dann muss sie über sich selbst lachen, weil Vicky eigentlich andauernd was vom Tisch bekommt. Meine Pelzmanteloma ist bei ihrem zweiten Aquavit und erzählt von »schlanken, sehr netten Menschen«, als gäbe es da einen Kausalzusammenhang. Ich fange zu der Zeit an, Tänze oder Turnübungen vorzuführen. Danach geht mein Bruder mit einem Zylinder rum und sammelt Münzen für die nächste Süßigkeitentüte ein. Alle klatschen, und Vicky quietscht, als wollte sie sagen, was ich bei solchen Feiern fühlte: Ich liebte sie. Ich liebte, wenn wir alle zusammen waren, und ich liebte diese besondere Stimmung bei uns. Diese Gabe meiner Eltern, aus jedem dieser Treffen etwas Besonderes, Festliches zu machen.

Mein Handy hat die Funktion, aus alten Bildern automatisch kurze Filmchen zusammenzustellen. Manchmal macht es das mit Fotografien von bestimmten Personen, manchmal generiert es einen Rückblick auf bestimmte Tage. Mein digitales Bildarchiv reicht weit über zwanzig Jahre zurück. Dadurch erscheinen hin und wieder auch Fotos von solchen Feiern. Darauf erkenne ich heute natürlich hier und da glasige Augen und rote Wangen. Aber ich kann mich nicht daran erinnern, dass irgendwer sich groß verändert hätte, geschweige denn aggressiv oder streitlustig geworden wäre. Ich weiß nur noch, dass ich traurig wurde, wenn der Abend vorbei war und die Gäste gingen. Dass ich meine Eltern beim Aufräumen beobachtete und mir dachte: Wenn ich groß bin, will ich sein wie sie. So glücklich, so großzügig und großherzig, so chic und stilvoll. Dann habe ich auch so einen netten Mann wie meinen Papi, der arbeiten geht, während ich mich um unser schönes Haus und die Kinder kümmere. Der mich abends mit Küsschen begrüßt und sich dann ein bisschen an den Flügel setzt. Dann machen wir auch Rundreisen und Kreuzfahrten und Wochenendtrips. Dann sitzen wir auch beim Abendessen, riechen konzentriert an unseren Weingläsern, stoßen an und sagen Sätze wie: »Mausi, der schmeckt noch ein bisschen runder als der Rosso gestern.«

Alkohol war im Leben meiner Eltern nie Hauptakteur, aber er war ständig dabei. Bei jedem Abendessen, in jedem Urlaub, auf jeder Feier. Wie eine Requisite, ohne die das Setting nicht komplett ist. Kinder lernen durch Beobachten, sie ahmen nach, was sie sehen. Und ich lernte von klein auf: Alkohol gehört zum Erwachsensein dazu. Genauer gesagt lernte ich das wohl vor allem im Alter zwischen vier und acht. Zu diesem Ergebnis kam eine Studie, die im Januar 2020 im Alcohol and Alcoholism Journal erschien. Ihr zufolge begünstigte mein Elternhaus, dass ich frühzeitig anfangen würde, Alkohol zu trinken, und dass ich das fortan häufig tun würde. In meinem Fall kann ich zu diesem Studienergebnis nur sagen: Volltreffer.

Accessoire der Erwachsenen

Dass ich so früh anfing zu trinken, erschien mir selbst allerdings wie mein eigener Wille. Ich konnte es kaum erwarten, weil ich kaum erwarten konnte, erwachsen zu sein. Keine Ahnung, warum ich es damit so eilig hatte, aber meine Mutter erzählt mir heute noch, dass ich mit zehn Jahren alle meine Kuscheltiere auf den Speicher brachte und verkündete: »Ich bin jetzt kein Kind mehr.«

Mit elf rasierte ich mir heimlich die Beine, mit zwölf bettelte ich sie an, mit mir einen BH in 65 A zu suchen – für Brüste, die noch gar nicht existierten. Wenig später trank ich zum ersten Mal Wein, zusammen mit meinen Eltern. Etwas früh für ihren Geschmack, aber sie waren der Ansicht: Sie macht’s ja eh. Dann lieber mit uns zusammen und dann lieber etwas qualitativ Hochwertiges.

Er schmeckte mir. Wobei ich mir nicht vorstellen kann, dass er mir wirklich schmeckte. Ich glaube eher, dass dieses Bild von mir mit Weinglas in der Hand dermaßen positiv aufgeladen war, dass ich diesen natürlichen Ekel verdrängte. Ich sehnte mich so sehr danach, etwas darzustellen und sexy zu sein, gleichzeitig tiefgründig und Teil einer coolen Clique. Also zog ich Absatzschuhe an, überschlug meine Beine, nahm den Stiel zwischen die Finger, trank und philosophierte über den Sinn des Lebens – entweder mit meinen Freundinnen oder mit schnieken Typen, die ein paar Jahre älter waren als ich und mich dann noch in einen Club schmuggelten. Wo ich ziemlich schnell den zweiten und dritten Stiel zwischen den Fingern hielt. Das ging bei mir Hand in Hand. Denn ich vertrug auf Anhieb viel – und die Party, der Exzess, Grenzen austesten und überschreiten, das war schon auch mein Ding.

Am nächsten Tag hingen meine Freundinnen und ich am Telefon und feierten unsere Kater. Und unsere Filmrisse. Was waren wir cool. Was war das witzig.

»Ey, Nathi, du hast dann auch noch mit Bobbi rumgeknutscht, das weißt du nicht mehr?«

»Nein! Was? Moment, da ist ein Erinnerungsfetzen. Das war Bobbi? Hahahahaha.«

Ich verband mit Alkohol zu dem Zeitpunkt nur Gutes. Er war nicht nur eine Selbstverständlichkeit, er war mein Accessoire, mein Statussymbol. Dass ich da, ohne zu zögern, eine der schädlichsten Drogen der Welt in mich reinkippte, war mir nicht klar. Meinen Eltern auch nicht. Sie dachten in erster Linie, dass sie mich in eine Kulturtechnik einführten. Mit dem, was wir hierzulande als »Drogen« bezeichnen, haben sie nichts am Hut. Und doch war das, was ich von ihnen lernte, nichts anderes als Drogenkonsum.

Wie kommt es, dass solche Sätze in unseren Ohren so brutal klingen? Wie kommt es, dass hierzulande kaum jemand aufschreckt, wenn er die Szene zu Beginn des Kapitels liest? Aber dass alle geschockt wären, wenn mein Vater mir beigebracht...

Erscheint lt. Verlag 1.10.2021
Zusatzinfo mit Illustrationen
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Geschichte / Politik Politik / Gesellschaft
Sozialwissenschaften Politik / Verwaltung
Schlagworte Abstinenz • Alkoholabhängigkeit • alkohol Bücher • alkoholfrei • Alkoholismus • Alkoholproblem • Alkoholsucht • Delirium • dry January • eBooks • Endlich ohne Alkohol • Entziehungskur • Fasten • Fastenzeit • Fettleber • Frauen und Alkohol • Gesundheit • Gewohnheiten ändern • Journalistin • Konsum • Neuerscheinungen 2021 • Ohne Alkohol mit Nathalie • Persönlichkeitsentwicklung • Ratgeber • Selbstdisziplin • Selbstliebe • Sober curiosity • sober october • Sucht • Sucht Alkohol • trocken werden
ISBN-10 3-641-28114-8 / 3641281148
ISBN-13 978-3-641-28114-4 / 9783641281144
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