Du kannst etwas verändern! (eBook)

Wie erfolgreicher, gewaltfreier Protest funktioniert

(Autor)

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2021
Goldmann Verlag
978-3-641-27993-6 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Du kannst etwas verändern! - Amika George
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Das Handbuch für erfolgreichen Aktivismus
Zu jung, um Dinge wirklich zu verändern? Die Britin Amika George zeigt, dass das nicht stimmen muss. Entsetzt darüber, wie viele Mädchen oft mehrere Tage nicht zur Schule gehen, weil sie sich keine Menstruationsprodukte leisten können, startete sie die Kampagne »#FreePeriods« und sagte der Periodenarmut den Kampf an. In ihrem Aktivismus-Handbuch beschreibt die Studentin wie erfolgreicher, gewaltfreier Protest gelingt und gibt praktische Tipps, unter anderem für die passende Social-Media-Nutzung oder das Organisieren von Demonstrationen. Inspirierend und mitreißend beweist Amika George, dass es immer möglich ist, sich für eine gerechtere Gesellschaft einzusetzen - egal in welchem Alter.

Amika George startete mit 17 Jahren, von ihrem Kinderzimmer aus, die Kampagne »#FreePeriods«, nachdem sie gehört hatte, wie oft Mädchen der Schule fernbleiben, weil sie keinen Zugang zu Periodenartikeln haben. Im Jahr 2019 überzeugte ihre Kampagne die britische Regierung erfolgreich, ab Januar 2020 an allen englischen Schulen und Hochschulen kostenlose Menstruationsprodukte anzubieten. Die Aktivistin studiert Geschichte an der Universität Cambridge.

Einleitung

Frühjahr 2017

Es war morgens vor der Schule, ich saß am Küchentisch, aß mein Frühstück und scrollte auf meinem Handy durch den Newsfeed. Mädchen aus ärmeren Verhältnissen können sich keine Periodenprodukte leisten und schwänzen deshalb die Schule, lautete die Topmeldung auf BBC News.1

Ich war neugierig geworden; im Einleitungstext war die Rede von einer Hilfsorganisation namens Freedom4Girls, die junge Mädchen in Afrika mit Binden versorgte. Man war an die Verantwortlichen herangetreten und hatte sie gebeten, ihre Bestände stattdessen vor Ort, hier im Vereinigten Königreich, zu verteilen. Interessiert klickte ich auf den Link und las den Artikel. Lehrer:innen einer Schule in Leeds war aufgefallen, dass einige Schülerinnen regelmäßig dem Unterricht fernblieben. Diese Mädchen, britische Staatsbürgerinnen wohlgemerkt und Mädchen wie ich, taten dies, weil sie sich keine Binden oder Tampons leisten konnten. Viele von ihnen kamen aus Familien, die noch nicht mal genügend Geld für Lebensmittel hatten. Die Verfasserin des Textes hatte junge Frauen im Teenageralter interviewt, die angaben, manchmal den Slip mit Toilettenpapier zu umwickeln, in der Hoffnung, damit möglichst sauber und trocken durch den Schultag zu kommen. Aber viele verpassten auch Monat für Monat mehrere Unterrichtstage, weil sie nicht riskieren wollten, ihre Schuluniform vollzubluten. Eine von ihnen sagte, sie habe sich zu sehr geschämt, um sich irgendjemandem anzuvertrauen, und es lieber verheimlicht. Erst nach vielen Monaten habe sie all ihren Mut zusammengenommen und sich Hilfe geholt. Eine andere gestand, sie sei völlig überfordert gewesen, als sie ihre Menstruation das erste Mal bekam. Sie hatte nicht die geringste Vorstellung, was da mit ihrem Körper geschah, und fing an, Monat für Monat die Schule zu schwänzen. Sie fühlte sich völlig alleingelassen.

Ich lehnte mich auf meinem Stuhl zurück und dachte über das eben Gelesene nach. Ich kochte innerlich vor Wut. Natürlich war mir nicht neu, dass sich Mädchen in vielen Ländern der Erde keine Hygieneprodukte leisten können. Tatsächlich hatte ich erst vor wenigen Wochen einen Artikel darüber im Time-Magazin gelesen. Darin ging es um Period Poverty (Periodenarmut) in Indien und was es für das Leben eines jungen Mädchens bedeutet, wenn es wegen einer so natürlichen Sache wie der monatlichen Blutung nicht die Schule besuchen kann. Ich weiß noch, wie traurig es mich stimmte zu lesen, dass in dem Land, in dem meine Großeltern geboren und aufgewachsen waren, 113 Millionen Mädchen zwischen 12 und 14 Jahren auf eine ordentliche Bildung verzichten, nur weil sie sich aus reiner Scham nicht mit den nötigen Hygieneartikeln versorgen können. Das Thema Menstruation ist dort ein absolutes Tabu. Manche Schulen, vor allem in ländlichen Regionen, sind noch nicht einmal mit absperrbaren und ausreichend hygienischen Toiletten ausgestattet. Oft gibt es kein fließendes Wasser und keine Mülleimer, um Binden sauber zu entsorgen. Ich weiß noch, wie es mich schüttelte, als ich las, dass diese Mädchen Blätter benutzen, um das Blut aufzufangen. Blätter! Ich war fassungslos. Für ein menstruierendes Mädchen, das sich keine Hygieneartikel leisten kann, ist so eine Schule nicht der richtige Ort.

Als meine Grandma an diesem Abend vorbeikam, sprach ich sie auf dieses Thema an. Ich wollte wissen, wie es für sie damals in Indien als Jugendliche gewesen war. Meine schockierte Miene, als sie mir erzählte, dass sie sich selbst Binden nähen musste, aus einem ordentlich gefalteten Stück Stoff, das sie sich mit einem Gürtel um die Hüften schnallte, brachte sie zum Lachen. Damals hatte es noch keine Wegwerfbinden gegeben. Wir sprachen auch über die Scham, die in ihrem Heimatland kulturell tief verwurzelt war und noch immer ist: Die monatliche Blutung wird als schmutzig und unrein betrachtet.

Hier aber ging es um etwas anderes. In dem Artikel war von Mädchen in England die Rede. Einem der reichsten Länder der Erde. Auch hierzulande führt lähmende Armut dazu, dass junge Mädchen nicht die Bildung erhalten, die ihnen von Rechts wegen zusteht. Die britische Regierung wird regelmäßig mit Lob überhäuft, weil Menschenrechte verteidigt werden und Bedürftige auf Unterstützung zählen können. Dass aber junge Menschen im Vereinigten Königreich wegen ihrer Monatsblutung nicht am Unterricht teilnehmen können, empfand ich als himmelschreiende Ungerechtigkeit. Mir fehlten die Worte. Ganz gleich, wie ich es drehte und wendete, es war nicht fair. Warum sollte eine so natürliche Sache auch nur ein Mädchen in diesem Land daran hindern, die Schule zu besuchen, sein gesamtes Potenzial zu entfalten und die eigenen Träume zu verwirklichen?

Ich fand es nicht in Ordnung, irgendjemanden wegen einer natürlichen biologischen Gegebenheit zu benachteiligen. Wie wollten wir jemals so etwas wie Gendergerechtigkeit erreichen, wenn eins unserer Grundbedürfnisse nicht anerkannt wird, geschweige denn uns nicht die entsprechenden Hygieneartikel zur Verfügung gestellt werden? Und wie konnte es sein, dass diejenigen, die nicht das nötige Geld dafür hatten, keine staatliche Unterstützung bekamen? In meinen Augen kam das beinahe einem Ausschluss aus der Gemeinschaft gleich; als würden diese Mädchen nicht zählen.

Bis zu diesem Moment hatte ich nie auch nur einen Gedanken daran verschwendet, wie es wäre, im Bedarfsfall keine Binden oder Tampons zur Verfügung zu haben. Ich war nicht auf den Gedanken gekommen, weil ich zu meinem großen Glück, immer einen Vorrat von mehreren Packungen in meiner Kommode habe. Ich weiß natürlich genau, wie stressig und peinlich es ist, wenn man in der Schule seine Tage bekommt und keinen Tampon dabeihat. Aber im Notfall kann man jederzeit eine Freundin fragen, ob sie zufällig Tampons oder Binden im Spind oder im Rucksack hat. Für Mädchen wie mich gibt es immer eine schnelle Lösung, und wenn ich dann von der Schule nach Hause komme, bin ich mit allem Nötigen versorgt. Wie oft aber können diese Schüler:innen ihre Freund:innen um Binden bitten, ehe sie zugeben müssen, dass sie sich selbst keine kaufen können? Kurz entschlossen suchte ich im Internet nach »Periodenarmut in UK« und war erschüttert über die große Anzahl an Treffern. Da wurde von Mädchen berichtet, die Zeitungspapier, zerschnittene alte T-Shirts oder mit Toilettenpapier ausgestopfte Socken als behelfsmäßige Binden benutzen, damit sie zur Schule gehen können. Sie wissen sich in ihrer Not nicht anders zu helfen.

Ich war in der Schule, als ich das erste Mal menstruierte. Da war ich zehn. Einige Monate zuvor hatte mir meine Mum bei einem Stück Kuchen im Café erklärt, dass ich nun wohl bald meine Periode bekommen würde. Wir sprachen darüber, dass sie ungefähr in meinem Alter war, als es bei ihr losging. Es war während eines Familienurlaubs in Frankreich, beim Toben am Strand. Sie meinte, ich solle mich darauf einstellen, dass es bei mir in absehbarer Zukunft so weit wäre. Und dann ging es sogar schneller als gedacht.

Nach einer Musikstunde tippte mir ein Junge aus meiner Klasse auf die Schulter und meinte, da würde Blut an meinem Bein hinunterlaufen. Mir wurde kotzübel, so unsagbar peinlich war mir das. Ich senkte den Blick und sah tatsächlich ein rotes Rinnsal an meiner Wade. Panik überkam mich: Meine Periode war gekommen, und ich hatte keinen Schimmer, was jetzt zu tun war!

Als ich den Kopf hob, sah ich ihn lachen, und eine Horde Jungs hinter ihm spähte neugierig über seine Schulter, um zu sehen, was los war. Plötzlich waren die Augen aller Mitschüler:innen auf mich gerichtet. »Ich hab mich geschnitten«, schwindelte ich wenig überzeugend. Das Beben in meiner Stimme war nicht zu überhören. Langsam verließ ich den Klassenraum und ging zum Krankenzimmer, weil ich Angst hatte, es könnte noch schlimmer werden, wenn ich mich zu viel bewegte. Am liebsten wäre ich vor Scham im Boden versunken, und kaum kam die Schulschwester durch die Tür, fing ich an zu weinen. Sie war total lieb und nahm mich in den Arm. Allerdings merkte ich schnell, dass sie das Thema Menstruation nicht ansprechen wollte. Stattdessen rief sie meine Mutter an und schickte mich ausnahmsweise früher nach Hause, als würde ich etwas ausbrüten, eine Erkältung oder irgendein fieses Virus vielleicht. Ich war total durcheinander. Immerhin war ich die Erste von meinen Grundschulfreundinnen, die ihre Periode bekam. Und weil mich dieses Ereignis derart schockierte, behielt ich es für mich. Viele Menstruationen später stelle ich fest, dass dieses Thema in unserer Gesellschaft aus Scham immer noch gescheut wird. Je älter ich wurde, desto deutlicher manifestierte sich diese Erkenntnis.

An besagtem Morgen las ich diesen Artikel wieder und wieder, bis ich begriff, weshalb zu Hause bleiben für diese Mädchen die einzige Option war. Warum sollte sich irgendjemand einer solchen Tortur aussetzen – dem Gelächter, dem Spott, der Blamage? Ist es da nicht einfacher, gar nicht zur Schule zu gehen, damit man wenigstens eine Toilette in der Nähe hat?

Für mich war die Sache sonnenklar: Dass diese Mädchen wegen ihrer Menstruation mehrere Tage im Monat beeinträchtigt waren, dass sie regelmäßig Wissenslücken in Kauf nehmen mussten, würde sich auf ihren gesamten Lebensweg auswirken. Die Konsequenzen waren weitreichend. Es gefährdete nicht nur ihre Teilnahme am Unterricht und somit ihre Bildung (womit sie insbesondere den Jungs gegenüber benachteiligt waren), sie würden sich darüber hinaus auch schwerer tun, später einen Job zu finden und so der Armut zu entkommen....

Erscheint lt. Verlag 15.11.2021
Übersetzer Bettina Spangler
Sprache deutsch
Original-Titel Make it Happen: How to be an Activist
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Geschichte / Politik Politik / Gesellschaft
Sozialwissenschaften Politik / Verwaltung
Schlagworte Aktivismus • caroline criado-perez • eBooks • Frauenrechte • gewaltfreier Protest • Kampagne • Malala Yousafzai • Menstruationsaktivismus • period poverty • Protestbewegung • Ratgeber • Scarlett Curtis
ISBN-10 3-641-27993-3 / 3641279933
ISBN-13 978-3-641-27993-6 / 9783641279936
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