Der Stoff, aus dem die Freiheit ist -  Nathalie Schaller,  Lennart Will

Der Stoff, aus dem die Freiheit ist (eBook)

Die Geschichte meines humanitären Modelabels [eyd] - und warum es sich lohnt, mutig zu sein
eBook Download: EPUB
2021 | 1. Auflage
208 Seiten
adeo (Verlag)
978-3-86334-837-3 (ISBN)
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Nathalie Schallers Lebensweg scheint vorgezeichnet: Abitur, Jurastudium, Karriere. Doch dann lernt sie auf Reisen nach Indien und Kambodscha Opfer von Menschenhandel und Zwangsprostitution kennen. Das Thema lässt sie nicht mehr los. Welche Perspektive haben die jungen Frauen nach ihrer Befreiung überhaupt? Kann Nathalie irgendetwas tun? Sie entscheidet sich, dem Funken in ihrem Herzen Beachtung zu schenken. Die Vision von einem außergewöhnlichen Modelabel ist geboren: Mit professionellen Designs - aber vor allem fair, nachhaltig und humanitär. Die Idee ist revolutionär! Und natürlich läuft nichts so wie geplant ... Das Buch erzählt vom Träumen, Scheitern, von Ängsten, Kampfgeist und Vertrauen. Als bunte Collage aus Autobiografischem, Hintergrundinformationen und harten Fakten ist es eine packende Inspiration für jeden, der nach seiner Aufgabe im Leben sucht oder davon träumt, die Welt zu einem besseren Ort zu machen.

ist 1984 in Böblingen geboren, verheiratet, zwei Kinder. Nach ihrem Jurastudium gründete sie mit ihrem Mann und einer Modedesignerin das erste humanitäre Modelabel Deutschlands. Bei [eyd] steht nicht der Profit, sondern das Wohlergehen der Produzentinnen im Vordergrund. Die traumatisierten Frauen, die in den Partnerwerkstätten in Indien und Nepal arbeiten, werden therapeutisch betreut und befähigt, ihr Leben selbst zu gestalten. [eyd] ist im deutschsprachigen Raum in über 50 Concept Stores vertreten, bei Konferenzen, Festivals, Messen und Pop-Up-Stores. Die Zahl der Follower auf Social Media wächst stetig. www.eyd-clothing.com

ist 1984 in Böblingen geboren, verheiratet, zwei Kinder. Nach ihrem Jurastudium gründete sie mit ihrem Mann und einer Modedesignerin das erste humanitäre Modelabel Deutschlands. Bei [eyd] steht nicht der Profit, sondern das Wohlergehen der Produzentinnen im Vordergrund. Die traumatisierten Frauen, die in den Partnerwerkstätten in Indien und Nepal arbeiten, werden therapeutisch betreut und befähigt, ihr Leben selbst zu gestalten. [eyd] ist im deutschsprachigen Raum in über 50 Concept Stores vertreten, bei Konferenzen, Festivals, Messen und Pop-Up-Stores. Die Zahl der Follower auf Social Media wächst stetig. www.eyd-clothing.com

Kapitel 3

Wenn du dein Leben so zum Kotzen findest …


Ich wusste nicht, was ich tun sollte. Was auch immer ich auf dem Herzen hatte, das Studium war dafür kein guter Nährboden. Aber mein Herz gab mir auch keine andere Richtung vor.

Dazu kam eine weitere Baustelle: Seit drei Jahren war ich mit einem wirklich netten, tollen Kerl zusammen. Mein Freund hatte ein anderes Gymnasium in meiner Stadt besucht und wir waren uns auf einer Abiparty begegnet. Er studierte Wirtschaftsrecht, war ein super Typ, gutaussehend, anständig, sich seiner Ziele bewusst; meine Freundinnen fanden, er sei ein Traummann. Eigentlich ein Volltreffer.

Doch schon seit geraumer Zeit war mir klar: Das ist nicht für immer, das wird nicht der Mann für mein Leben. Ich war nicht glücklich und eigentlich wusste ich, dass ich mich von ihm trennen musste. Doch ich zögerte. Hatte ich das Recht, ihn so zu verletzen?

Ich fühlte mich in jeder Hinsicht neben der Spur. Als lebte ich an dem Leben, das ich eigentlich leben sollte, komplett vorbei. Nur, wie kam ich von meinem Gleis runter? Was durfte ich überhaupt vom Leben erwarten? Und durfte ich meine eigenen Erwartungen an ein fröhlicheres Leben über die Erwartungen anderer stellen? Auf Basis einer Gefühlslage? Ich hätte große Entscheidungen treffen und die Erwartungen von Leuten enttäuschen müssen, die mir wichtig waren. Ich hätte mich gegen meine Eltern stellen und meinem Freund das Herz brechen müssen. Nein, das ging für mich nicht, ich wollte doch niemanden enttäuschen.

Und noch etwas anderes wollte ich nicht: aufgeben. „Was man anfängt, zieht man auch durch. Sei ein tapferes Mädchen, sei ein tapferes Mädchen. Werde bloß nicht zur Abbrecherin …“, redete ich mir gut zu. Gleichzeitig dachte ich, mein Leben sei eigentlich vorbei, mit Anfang zwanzig! Sowohl privat als auch beruflich sah ich es ja schon komplett vor mir: das Jurastudium, das Referendariat, Vaters Kanzlei, die Übernahme. Mit dreißig würde ich einen Mann, zwei Kinder, ein Reihenhäuschen und ein teures Auto haben. Erfolgreich und fertig. Und auf nichts davon hatte ich Lust. Es gab kein Rechts, kein Links, kein Aus- oder Abweichen. Der einzige Weg ging nach vorn und das so schnell wie möglich. Ich war mehr als frustriert und noch zielsicherer als auf meine unerwünschte Karriere bewegte ich mich auf eine Depression zu.

Eineinhalb Jahre vor meinem Abschlussexamen wurde es noch schlimmer. Die innere Unzufriedenheit breitete sich auf meinen Körper aus, jedoch ohne dass ich es wahrhaben wollte.

Zuerst bekam ich Pfeiffer’sches Drüsenfieber, eine Viruserkrankung, die in den meisten Fällen harmlos verläuft – wenn das Immunsystem in Ordnung ist. Bei mir schlug sie aber mit voller Wucht zu. Ein Jahr lang holte mich immer wieder hohes Fieber ein.

Als mich die Krankheit endlich langsam verließ, bekam ich plötzlich enorme Magenschmerzen. Erst dachte ich, es wäre ein letztes Aufbäumen des Virus. Doch bald waren die Krämpfe so stark, dass ich mitten in der Nacht ins Krankenhaus musste. Ließen die Krämpfe nach, überfiel mich eine ungekannte Übelkeit. Mir war dauerhaft schlecht, vor allem wenn ich versuchte zu essen. Ich ließ es also bleiben und nahm dadurch immer mehr ab, bis ich schließlich weniger als fünfzig Kilo wog.

Gemeinsam mit meiner Mutter rannte ich von Arzt zu Arzt, aber keiner konnte das Krankheitsbild erklären. Mit dem Drüsenfieber hing es nicht zusammen und auch sonst schien rein körperlich alles in Ordnung zu sein. Auch die dritte Magenspiegelung brachte keine Erkenntnis. Also bekam ich ein Medikament nach dem anderen verschrieben, alle ohne dauerhaften Erfolg. Ich litt fürchterlich, lag Stunden, Tage, manchmal ganze Wochen handlungsunfähig und schmerzverkrümmt im Bett.

Der einzige Lichtblick war eine Akupunkturbehandlung. Mit ihrer Hilfe wurde ich die Schmerzen immer für ein paar Tage los. Diese Pausen nutzte ich, um mich mit etwas Knäckebrot zu „stärken“ und zu den Examensvorbereitungskursen zu quälen. Über Monate ging das so, ohne dass ich wusste, wo es hinführen sollte.

Mitten in dieser Zeit traf ich mich mit meiner Freundin Ilona. Wir kannten uns schon seit der Schulzeit, aus dem Kunst-Leistungskurs. Seitdem trafen wir uns sporadisch, doch der Kontakt wurde seit Kurzem intensiver und ich vertraute ihr mehr und mehr an, wo ich gerade stand im Leben.

Wir waren bei meinen Eltern zu Hause, waren dabei, uns im Flur zu verabschieden. Ilona hatte schon die Hand an der Türklinke, aber wie so oft quatschten wir uns eine weitere halbe Stunde fest. Oder sagen wir: Ich quatschte Ilona fest. Denn da war so viel, was ich rauslassen musste: Meine Gesundheit. Mein Studium. Ja, aber meine Eltern. Kann ich meinen Freund verlassen? Wie komme ich aus alldem raus? Aber wenn ich … Ich kotzte mich wirklich aus, warf ihr einfach den ganzen Berg aufgestauter Gefühle vor die Füße.

Ilona schaute mich verständnisvoll an. Ich schätzte ihre große Empathie, aber ich wusste auch, sie würde mir keine reine Streichelkur verabreichen. Ich stand noch auf der Treppe, die wir gerade aus meinem Jugendzimmer heruntergekommen waren, eine Stufe über ihr. Ilona war außerdem etwas kleiner als ich, doch als Powerfrau überragte sie mich, eine echte Rakete. Schon sah ich in ihren Augen, wie mein Leidensdruck ihren Kampfgeist geweckt hatte. Sie sah zu mir hoch und sagte: „Wenn ich mein Leben so zum Kotzen fände wie du, dann wäre mir auch schlecht!“

Dieser Satz saß. Er saß so, dass ich ihn nie wieder vergessen würde. Er saß tiefer als alle Stimmen, die in mir sagten: „Es wird schon irgendwie gehen, es wird von allein besser.“ Nein, ich wusste, Ilona hatte recht.

Heute liegt dieser Zusammenhang für mich klar auf der Hand. Doch es sind oft erst die Stimmen echter Freunde, die uns sanft – oder weniger sanft – zur Vernunft rufen. Ich musste damals mehrmals schlucken, aber wie dankbar war ich im Nachhinein dafür, dass Ilona mir die Diagnose gab, die ich mich selbst bis dahin nicht getraut hatte auszusprechen.

Es war nicht einfach mein Körper, der verrücktspielte. Mein Herz und Kopf hatten sich den Bauch zum Verbündeten gemacht. Und jetzt schrien sie mich gemeinsam jeden Tag an: „Ändere was! Wir finden unser Leben zum Kotzen … Du findest dein Leben zum Kotzen!“

Stellte sich nur noch die Frage: Was sollte ich ändern? Ich lebte ja in der Überzeugung, mein Leben sei für immer auf dem falschen Gleis gelandet. Ich hatte in den letzten Jahren gefühlt nur falsche Entscheidungen getroffen und wusste noch immer nicht, wie ich den Zug stoppen konnte, welche Weichen ich umstellen sollte – und vor allem in welche Richtung. In mir regierte die Angst, etwas Falsches zu tun.

Und so kam Ilona ein zweites Mal ins Spiel. Sie hatte übers Internet einen süßen Typen kennengelernt und sich zu einem Date verabredet. Ich freute mich für sie, aber wo sollte das Date stattfinden? In einer Kirche in Stuttgart. Und wer sollte sie als Anstandswauwau begleiten? Ich.

Mir war natürlich schlecht wie immer. Schon seit einigen Wochen war ich nirgends mehr hingegangen, doch ich wollte meine Freundin nicht hängen lassen. Also zogen wir los, in eine junge Gemeinde im Stuttgarter Norden, die heutige „Kesselkirche“, nicht ahnend, dass dieses Date nicht nur für Ilona, sondern auch für mich eine ganze Kausalkette in Gang setzen würde.

Die erste Überraschung war der Gottesdienst, in dem ich eine positive und junge Atmosphäre erlebte, die ich aus anderen Gemeinden und Gruppen so nicht kannte. Ich hatte direkt Lust wiederzukommen, ganz ohne Pflichtbewusstsein. Noch mehr wurde meine Überwindung aber belohnt, als ich mich zum Ende der Veranstaltung umschaute und plötzlich ein bekanntes Gesicht entdeckte: wacher Blick, breites Grinsen, blonde Chaosfrisur, Simon.

Simon und ich hatten uns über gemeinsame Freunde kennengelernt, als ich siebzehn war. In der Abizeit hatte sich unsere Freundschaft intensiviert. Wir lernten zusammen für die Prüfungen, besuchten Partys und fuhren zum Snowboarden, wurden beste Kumpels. Auch hatte es damals schon hart geknistert zwischen uns, aber es war keine Zeit für mehr gewesen. Denn anders als ich, war Simon nach der Schule seinen eigenen Weg gegangen, für ein halbes Jahr nach Australien gereist – und ich hatte mir in dieser Zeit meinen Freund angelacht.

Trotzdem sahen wir uns auch während meiner Studienzeit alle paar Wochen. Wir hörten gemeinsam Coldplay, ich erzählte ihm von meinen Beziehungsunsicherheiten und was mich an der Flucht hinderte, er mir davon, wie sein Beziehungsleben eigentlich nur aus Eskapaden bestand.

Simon war genauso überrascht wie ich, dass wir uns hier wiedertrafen, auch er war das erste Mal in dieser Gemeinde. Wegen meiner Krankheit hatten wir uns jetzt schon einige Monate nicht mehr gesehen und es tat gut, den Faden mit ihm wieder aufzunehmen.

Von da an kam ich öfter wieder, lernte tolle Leute kennen und merkte, dass sich hier viele sammelten, die ihre Begabungen kannten und sie wirklich lebten. Die Kirche war ein regelrechter Hotspot für kreative Köpfe, und es war inspirierend zu sehen, was alles entstehen konnte, wenn Leute anfingen, ihr kreatives Potenzial auszuleben.

Bald stellte mich Simon einem weiteren Freund vor. Julian kam gerade frisch von einem sechsmonatigen Aufenthalt in Australien zurück. Er erzählte mir, dass er sich der Organisation YWAM (Jugend mit einer Mission) angeschlossen hatte, die auf der ganzen Welt zu sozialen Brennpunkten aufbrach und sich dort zusammen mit den Programmteilnehmern engagierte. Das sei für ihn der perfekte Rahmen gewesen, über sich und sein Leben...

Erscheint lt. Verlag 15.3.2021
Verlagsort Asslar
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Geschichte / Politik Politik / Gesellschaft
Sozialwissenschaften Politik / Verwaltung
Schlagworte Asien • Ausbeutung • Fair Trade • glimpse • Humanität • Kinderarbeit • Kleidung • Konsumverhalten • Lebensweg • Menschenhandel • Nachhaltigkeit • Nächstenliebe • Nähkurs • Ökologisch • Sklaverei • Starke Frauen • Start up • Tabtalk • Trauma • Vision • Vorbild
ISBN-10 3-86334-837-0 / 3863348370
ISBN-13 978-3-86334-837-3 / 9783863348373
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