Ami go home! (eBook)

Eine Neuvermessung der Welt | Der Krieg in der Ukraine zeigt, dass Deutschland und Europa sich jetzt von Amerika emanzipieren müssen

(Autor)

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2021 | 1. Auflage
448 Seiten
Ullstein (Verlag)
978-3-8437-2535-4 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Ami go home! -  Stefan Baron
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Der Aufstieg Chinas hat eine fundamentale Verschiebung der Geopolitik zur Folge. Mit ihm haben sich auch die Interessen Amerikas und Europas zunehmend auseinanderentwickelt. Um ihre Vormachtstellung in der Welt gegen China zu verteidigen, verfolgen die USA eine Politik der verbrannten Erde und setzen sich bedenkenlos auch über die Belange langjähriger Verbündeter, vereinbarte Regeln und gemeinsame Ideale hinweg. Dieser Konfliktkurs stellt eine ernste Bedrohung für den Wohlstand, inneren Frieden und Zusammenhalt der Europäischen Union sowie den Frieden in der Welt insgesamt dar. Wenn Europa seine Zukunft sichern, die 'westlichen Werte' vor der vollständigen Diskreditierung und die Welt vor einem neuen Kalten Krieg und womöglich sogar vor einer militärischen Auseinandersetzung bewahren will, muss es sich von den USA emanzipieren und seinen eigenen Weg gehen.

Stefan Baron, geboren 1948, hat in Köln und Paris Volkswirtschaft, politische Wissenschaften und Sozialpsychologie studiert und anschließend als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Kieler Institut für Weltwirtschaft geforscht, ehe er eine preisgekrönte Karriere als Journalist begann. Er arbeitete u.a. als Wirtschaftsredakteur und Finanzkorrespondent beim Spiegel sowie später 16 Jahre als Chefredakteur der WirtschaftsWoche. Der China-Experte gehörte viele Jahre dem Board of Trustees des American Institute for Contemporary German Studies an. Zuletzt war er globaler Kommunikationschef der Deutschen Bank. Heute ist er als Publizist und Berater tätig

Stefan Baron,*1948, war 16 Jahre Chefredakteur der WirtschaftsWoche. Der preisgekrönte Journalist und studierte Volkswirt war zuvor am Kieler Institut für Weltwirtschaft und beim Spiegel. 2007, kurz vor Beginn der Finanzkrise, wechselte er die Seiten und war bis 2012 Kommunikationschef der Deutschen Bank.

EINLEITUNG


Schicksalsstunde für Europa

Auch wenn sein Titel es auf den ersten Blick nahelegen mag – dies ist kein antiamerikanisches Buch. Ganz im Gegenteil: Es ist ein Buch für Amerika, ein besseres Amerika.

Ein Amerika, das Freiheit, Chancengerechtigkeit und Demokratie nicht nur im Munde führt, sondern auch praktiziert – national wie international. Ein Amerika, das das Völkerrecht respektiert, aufhört, seine Macht zu missbrauchen und sich in die inneren Angelegenheiten anderer Länder einzumischen, ihnen mit wirtschaftlichen Sanktionen oder militärischer Gewalt(-androhung) seinen Willen aufzwingen und sein eigenes System überstülpen zu wollen; ein Amerika, das statt ständig über seine Verhältnisse zu leben und Billionen Dollar für Rüstung und endlose Kriege auszugeben sich um das Wohlergehen seiner Bürger, aller seiner Bürger, kümmert, kurz: ein Amerika, das sich auf die Werte seiner Verfassung (zurück-)besinnt.

Vor allem ist dieses Buch aber ein Buch für Europa. Für ein einiges, friedfertiges und friedliches, prosperierendes und vor allem selbstbestimmtes Europa. Ein Europa, das seine existenziellen Interessen eigenständig verfolgen kann und dessen Stimme in einer multipolaren Welt Gehör findet. Um dies sicherzustellen, muss Europa sich jedoch aus seiner Abhängigkeit von Amerika lösen und emanzipieren. Das ist die zentrale These dieses Buches.

An ihr hat der Wechsel im Weißen Haus von Donald Trump zu Joseph Biden nichts geändert. Der Begrüßungsjubel, der diesem nach seiner Wahl aus Europa und vor allem Berlin entgegenschallte, war nicht nur verfrüht, sondern verfehlt. Die Abhängigkeit von Amerika mag unter Biden wieder erträglicher werden, als sie unter Trump war, aber in der Substanz bleibt sie unverändert bestehen. Ein Diener bleibt ein Diener, auch wenn die neue Herrschaft weniger rüde mit ihm umgeht.

Bidens Wahl war keine Entscheidung gegen den globalen Hegemonieanspruch Amerikas. Im Gegenteil: Der neue Präsident hat diesen Anspruch ausdrücklich erneuert. Die Überzeugung, dass Amerika in der Welt an erster Stelle stehen muss, genießt in den führenden Kreisen des Landes eine Art fundamentalistisch-religiösen Status und wird von einer breiten Mehrheit der Bevölkerung unterstützt. Sie ist nahezu das Einzige, worin sich die ansonsten tief miteinander verfeindeten Demokraten und Republikaner noch einig sind. Doch dieser Anspruch gefährdet Europas Wohlstand und Frieden, die europäische Idee und die Strahlkraft der »westlichen Werte«.

(West-)Europa hat Amerika viel zu verdanken: die Befreiung von der Nazi-Herrschaft und den Schutz gegen die kommunistische Bedrohung aus dem Osten während des Kalten Krieges. Für uns Deutsche kommt noch die Hilfe beim Wiederaufbau nach dem Zweiten Weltkrieg und bei der Wiedervereinigung des geteilten Vaterlandes hinzu.

Auch wenn die USA all dies nicht aus purer Nächstenliebe, sondern vor allem im Eigeninteresse getan haben, macht das ihr Handeln für uns nicht weniger wertvoll. Die eigenen Interessen zu verfolgen ist das Wesen jeder Außenpolitik. Über vier Jahrzehnte lang nach dem Krieg fielen Amerikas und Europas, speziell Deutschlands Interessen weitestgehend zusammen. Seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion und ihres Imperiums haben sie sich allerdings zunehmend auseinanderentwickelt. Als alleinige und konkurrenzlose Supermacht hatten die USA nach dem Fall des Eisernen Vorhangs, der die Welt fast ein halbes Jahrhundert in zwei feindliche Blöcke trennte, die Chance, Schwerter zu Pflugscharen umzuschmieden, die Friedensdividende zu nutzen, um ein sozialeres und gerechteres Amerika sowie eine friedlichere und gerechtere, multipolare Welt zu schaffen. Die Regierenden in Washington entschieden sich jedoch anders.

Im Laufe des jahrzehntelangen Kalten Krieges mit der Sowjetunion war der militärisch-industrielle Komplex, vor dem schon der Ex-General Dwight D. Eisenhower bei seinem Abschied aus dem Präsidentenamt gewarnt hatte, so groß und mächtig geworden, dass er die Außenpolitik des Landes bestimmen konnte. Der Rüstungs- und Sicherheitssektor hatte sich an die Hunderte von Milliarden Dollar Steuergelder gewöhnt, die er jährlich erhielt, und wollte nicht auf sie verzichten. Abrüstung und Frieden mussten deshalb verhindert werden. Hinzu kam, dass die USA nach dem Zusammenbruch des Sowjetreichs als alleinige Weltmacht verblieben waren. Monopolen wohnt jedoch eine natürliche Tendenz zu wachsender Arroganz und Rücksichtslosigkeit inne. »Macht korrumpiert«, so der britische Politiker und Historiker Lord Acton, »absolute Macht korrumpiert absolut.« Die amerikanische Außenpolitik nahm so immer deutlicher neoimperialistische Züge an.

Dies bekamen auch Amerikas engste Verbündete in Europa zu spüren. Statt nach dem Zusammenbruch des Ostblocks dabei zu helfen, Russland in eine europäische Sicherheitsstruktur einzubinden, ökonomisch enger an Europa zu koppeln und so den gesamten Kontinent nachhaltig zu befrieden, hat Washington dies absichtsvoll hintertrieben. Das bei der Wiedervereinigung Deutschlands gegebenes Versprechen, die NATO nicht nach Osten auszudehnen, wurde gebrochen. Mit der Zeit rückte das Bündnis bis an die russische Grenze vor; von den inzwischen 30 NATO-Mitgliedern gehörte ein rundes Dutzend einst dem gegnerischen Lager des Warschauer Pakts an.

Washingtons Versprechen war von Anfang an nicht wirklich ernst gemeint. Bereits im Zweiten Weltkrieg hatte der einflussreiche Council on Foreign Relations, in dem sich Amerikas außenpolitische Elite versammelt, eine von den USA dominierte Nachkriegswelt geplant. Allem voran galt dies für die eurasische Landmasse, die der britische Geograf und Vater der Geopolitik, Halford Mackinder, als »Welt-Insel« bezeichnet hat. »Die Vorherrschaft über den eurasischen Kontinent« stelle »die entscheidende Grundlage für die Vorherrschaft in der Welt insgesamt« dar, schrieb später Zbigniew Brzeziński, Sicherheitsberater von US-Präsident Jimmy Carter in dem geostrategischen Klassiker »The Grand Chessboard«. Schon die Gründung der NATO 1949 hatte deren ersten Generalsekretär Lord Ismay zufolge den Zweck, »die Amerikaner drin, die Russen draußen« und die Deutschen als stärkste (Wirtschafts-)Macht Europas politisch und militärisch »klein zu halten«.

Die Vorherrschaft einer anderen Macht über Eurasien zu verhindern ist bis heute die zentrale außenpolitische Maxime der ersten Weltmacht, die nicht aus Eurasien kommt. Sie impliziert, China, Russland und die EU sowohl möglichst auf Distanz zueinander zu halten als auch ihren Aufstieg bzw. Machtzuwachs zu verhindern. Letztlich erklärt dies auch, warum Washington die deutsche Wiedervereinigung unterstützte: Sie bot Amerika die Chance, seinen Brückenkopf in Europa nach Osten hin auszubauen.

An Mackinder und Brzeziński orientierten sich auch die US-amerikanischen Interventionen der vergangenen Jahre im Nahen und Mittleren Osten. Nach dem Terroranschlag vom 11. September 2001 auf das World Trade Center in New York sah Washington die Gelegenheit gekommen, seinen lang gehegten Plan umzusetzen, in der Region die uneingeschränkte Vorherrschaft zu erlangen. Auf den Anschlag, der rund 3.000 unschuldige Menschen das Leben kostete, antworteten die Vereinigten Staaten mit einem beispiellosen Rachefeldzug, der Hunderttausenden ebenfalls Unschuldigen den Tod brachte und Millionen zur Flucht trieb. Nach dem Angriff auf die Twin Towers habe sein Land »das Wohlwollen und die Sympathie« der ganzen Welt gehabt, so der amerikanische Regierungskritiker Edward Snowden. Amerika hätte diesen »seltenen Moment der Solidarität« nutzen können, um demokratische Werte zu festigen. »Stattdessen zog es in den Krieg.« Der Einmarsch zuerst in Afghanistan und dann in den Irak galt von Anfang an nicht nur der Terrorbekämpfung. Es ging vor allem auch um Geopolitik. Ziel war, »auf dem gesamten Gebiet der früheren Sowjetunion und in Eurasien US-freundliche Regime zu erzwingen oder zu installieren«, so der damalige Verteidigungsminister Donald Rumsfeld, »full spectrum dominance«, wie es in der Sprache des Pentagon heißt. In derselben Absicht wurden später auch der Umsturz in der Ukraine und der Bürgerkrieg in Syrien befeuert.

Amerika ist mit Gewalt noch nie sparsam umgegangen. In den 240 Jahren seiner bisherigen Geschichte waren ganze 16 frei von militärischen Auseinandersetzungen. Nach dem Zusammenbruch des Sowjetreichs und besonders nach dem Terroranschlag auf das World Trade Center in New York am 11. September 2001 ließ Washington jedoch die letzten Hüllen fallen. In Amerikas Außenpolitik herrschte immer mehr das offene Faustrecht. Aus den Werten des Westens wurden die Werte des Westerns. Die Kluft zwischen den USA und Europa riss immer weiter auf: Amerikas Kriege im Nahen und Mittleren Osten lösten eine Fluchtwelle in Richtung Europa aus; die Sabotage der Welthandelsorganisation WTO bedroht die Globalisierung; der Ausstieg aus der Weltgesundheitsorganisation WHO behindert die Überwindung der Corona-Pandemie, das Verlassen des Pariser Klimaschutzabkommens den Kampf gegen den Klimawandel; die Kündigung des Atomabkommens mit dem Iran und diverser Abrüstungsabkommen mit Moskau gefährdet den Frieden; die exterritorialen Sanktionen wegen der Gaspipeline Nordstream...

Erscheint lt. Verlag 15.3.2021
Verlagsort Berlin
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Geschichte / Politik Politik / Gesellschaft
Sozialwissenschaften Politik / Verwaltung Staat / Verwaltung
Schlagworte 2.0 • America first • Amerika • Amigo • AMI GO HOME • Angst • Angst vor China • Armee • Außen • Außenpolitik • China • Diplomatie • Dritter Weg • Dritter Weltkrieg • Emanzipation • Emmanuel Macron • EU • Eurasien • Europa • Europapolitik • Fernost • Geo • Geopolitik • Geostrategie • Handel • Handelskrieg • Joe Biden • kalter • Kalter Krieg • Kalter Krieg 2.0 • Krieg • multilateral • Nationale Interessen • NATO • Neue Seidenstraße • Ost • Ostpolitik • Politik • Russland • Sinophobie • Supermacht • Transatlantische Beziehung • Ukraine • USA • Verteidigung • Welt • Weltkrieg • Werte • Wirtschaft • Wirtschaftspolitik • Xi Jinping • Zukunft
ISBN-10 3-8437-2535-7 / 3843725357
ISBN-13 978-3-8437-2535-4 / 9783843725354
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