Das infizierte Denken (eBook)

Warum wir uns von alten Selbstverständlichkeiten verabschieden müssen
eBook Download: EPUB
2021 | 1. Auflage
272 Seiten
Ullstein (Verlag)
978-3-8437-2478-4 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Das infizierte Denken -  Anders Indset
Systemvoraussetzungen
16,99 inkl. MwSt
  • Download sofort lieferbar
  • Zahlungsarten anzeigen
Im Jahr 2020 wurden wir alle aus einem fünfzigjährigen Dauerschlaf wachgerüttelt. Bis dahin hatten wir es uns in Selbstverständlichkeiten gemütlich gemacht, die die Krisenherde unserer Welt ausblendeten. Corona zeigt wie in einem Brennglas, welche schwerwiegenden Probleme wir mit unserer Lebensweise hervorgebracht haben: soziale Ungleichheit, Kontrollverlust des Finanzmarkts, Verschwörungstheorien, ökologischer Kollaps, die Krise des Bildungssystems und vieles mehr. Indset plädiert für ein neues Denken, das von Selbstverständlichkeiten Abstand nimmt, unsere Grundhaltungen hinterfragt und Veränderungen nicht nur zulässt, sondern begrüßt. Wir müssen uns öffnen für das Andere, für Paradoxien und Gleichzeitigkeiten - um Wirkkräfte rechtzeitig zu erkennen und entsprechend zu handeln, bevor sie als Katastrophen unsere Gesellschaft erschüttern. Wir müssen uns von ungültigen Erfahrungswerten verabschieden und ein neues Selbstverständnis entwickeln, das unsere vermeintlichen Selbstverständlichkeiten kritisch hinterfragt und Widersprüche aushält. Nur wenn wir der Welt offen gegenüberstehen haben wir noch die Chance, eine humane und hoffnungsvolle Zukunft zu gestalten. »Pflichtlektüre für alle, die die Zukunft nicht nur auf sich zukommen lassen, sondern mitdenken und mitgestalten wollen. Lesenswert, nachdenkenswert und aufrüttelnd.« Sven Afhüppe, Chefredakteur Handelsblatt zu 'Quantenwirtschaft'

Anders Indset ist Wirtschaftsphilosoph, Unternehmer, Investor und ehemaliger Leistungssportler. Der gebürtige Norweger ist dreifacher Spiegel-Bestseller-Autor und wurde von Thinkers50 als einer der künftig einflussreichsten Denker in den Bereichen Technologie, Führung und Wirtschaft ausgezeichnet. Er ist ein vertrauter Sparringspartner für Top-Führungskräfte und Gründer des Quantum Economy Institutes.

Anders Indset is one of the world's leading business philosophers and a trusted sparring partner to international CEOs and political leaders. Dubbed the "Rock'n'Roll Plato" by European media, his approach to practical philosophy has made him a sought-after speaker and thinker. His work on "The Quantum Economy" was a finalist for the Breakthrough Idea Award at the 2019 Thinkers50 Gala ("the Oscars of management thinking"), and he has been named among the Top 30 leadership visionaries of the coming decade. Anders Indset gebürtiger Norweger, ist Wirtschaftsphilosoph und erfolgreicher Unternehmer. Er ist Gastdozent an mehreren internationalen Business Schools und vertrauter Sparrings-Partner für internationale CEOs und führende Politiker. Indem er die Philosophie der Vergangenheit mit der Technologie und Wissenschaft von morgen zusammenbringt, zeigt er Führungskräften auf, wie sie das 21. Jahrhundert meistern können. 2018 hat ihn Thinkers50 in die Top 30 der in Zukunft wichtigsten Managementvordenker aufgenommen.

Vorwort


2020 – die Weltgesellschaft erwacht aus ihrem Dauer-Nickerchen. Wir sind wachgerüttelt worden und erkennen die Welt, die wir in unserem Dornröschenschlaf geschaffen haben. Der Aufbau von Bürokratismus und »satten« Nationalstaaten, alte Systeme in neuer Tracht. Export, Globalisierung und Technologie. Eine unendliche Wachstumshypothese in alten endlichen Systemen. In unserer Freiheit haben wir unsere Freiheit verloren. Die Bevölkerung befindet sich in einer Schockstarre, und den Medien zufolge sind wir im Krieg. Was wissen wir über diese Welt, und kann es eine andere Welt geben? Was dürfen wir uns von dem, was wir geschaffen haben, heute noch erhoffen?

Hätte ich früher nur mehr darüber nachgedacht …

Ein Blick zurück. Frühjahr 1970, 20 Millionen Menschen1 beteiligen sich an der Grassroot-Bewegung »Global Earth Day«. In den USA ins Leben gerufen, soll der erste »Tag der Erde« die Wertschätzung für die natürliche Umwelt stärken und auch dazu anregen, das Konsumverhalten zu überdenken. Präsident Richard Nixon und der damalige nationale Sicherheitsberater Henry Kissinger bilden so etwas wie ein dynamisches Duo. Sie streben die Öffnung Chinas an (»There is no place on this small planet for a billion of its potentially most able people to live in angry isolation«). Sie planen ihre Reise nach Moskau zum sowjetischen Staatschef Leonid Iljitsch Breschnew, mit dem sie ein Atomwaffen-Abrüstungsabkommen unterzeichnen werden, das zum Ende des Kalten Kriegs führen soll. Sie kündigen auch den Rückzug der amerikanischen Truppen aus dem seit 1955 andauernden Vietnamkrieg an. NASA-Visionär Thomas O. Paine plant bis zum Ende des Jahres eine dauerhafte Mondbasis und stellt seine Vision einer Raumstation in der Erdumlaufbahn, die ihren Höhepunkt in einer bemannten Mission zum Planeten Mars in zehn Jahren erreichen soll, Präsident Nixon vor.

Angetrieben von Ludwig Erhards »Wohlstand für alle«, hat Deutschland eine Grundlage in Globalia – der wirtschaftlich verbundenen Weltgemeinschaft – mit dem neuen Qualitätslabel geschaffen: Made in Germany. Der grenzüberschreitende Warenhandel erreicht 1970 endlich den gleichen Stand wie 1910. Jenem Jahr, in dem der weltweite Handel seinen bisherigen Höchststand2 erreicht hatte. Auf allen Ebenen – in den Medien, in der Wirtschaft und in der Politik – wird das Thema Wachstum diskutiert, gelebt und erlebt. Klaus Schwab, ein deutschschweizer Macher mit Leidenschaft für Maschinenbau, veröffentlicht sein erstes Buch über langfristig ausgelegte Unternehmensführung, bei der alle Interessengruppen (Stakeholders)3 berücksichtigt werden. Er arbeitet aber auch an einer gemeinnützigen Stiftung. Ein Treffen von 444 Unternehmenslenkern in Europa im Folgejahr ist die Initialzündung für das, was später als Weltwirtschaftsforum bekannt werden sollte und Davos zum jährlichen Treffen »der Elite« machen wird. Das Jahr 1970 prägen auch Bildungsreformen mit dem Ziel, Chancengleichheit zu fördern und eine restriktiv-autoritäre Pädagogik einzuschränken.4

Das Jahr endet mit Willy Brandts symbolischem Kniefall in Warschau am 7. Dezember vor dem Denkmal der Helden des Ghettos. Ein Zeichen der Menschlichkeit und grenzenlosen Verbundenheit. 1970 stehen die Anzeichen auf Liebe, Frieden und eine Zukunft des globalen Zusammenarbeitens, geprägt von rasanten Fortschritten in Wissenschaft und Technologie.

Im Rückblick bietet sich aber auch das Bild eines an Bedeutung immer mehr einbüßenden Geistes. Die späten Sechzigerjahre symbolisieren einen Spirit, der die Verarbeitung von Ängsten und den Kampf für eine bessere Zukunft nach dem verheerenden Zweiten Weltkrieg ermöglichte. Dieser »weltgeistige Zustand« führte zu echtem Unternehmertum und Kreativität. Er förderte die Sehnsucht nach bedingungsloser Liebe und Frieden der Hippie-Bewegung mit ihren bunten Persönlichkeiten, wie dem »Hohepriester des LSD«5 Timothy Leary, den Nixon den Medien zufolge einst als »einen der gefährlichsten Männer der USA« bezeichnet haben soll. Leary – von seinen Anhängern als »Galileo des Bewusstseins« gefeiert – musste 1971 nach Genf fliehen (und von dort ins Drogenmekka Afghanistan, wo er festgenommen und an die USA ausgeliefert wurde). Und mit ihm ging (zunächst) die Suche nach einem kosmischen Bewusstsein beziehungsweise die Hoffnung auf eine Substanz-beflügelte Befreiung des Menschen ein Stück weit verloren. Die Menschen sollten sich eine »andere Welt« vorstellen können, die nicht mehr von Leid und Krieg erschüttert werden sollte. Fast ikonisch dargestellt wird dieser »Weltgeist« in den vielen Gedichten von Yoko Ono, die schließlich 1971 John Lennon zum wegdriftenden Traumzustand führten – eine Welt in Frieden, ohne Grenzen, ohne Religion und Nationalität, IMAGINE … Der Glaube an die Möglichkeit, dass die Menschheit zusammenkommt, vereint durch die Liebe und losgelöst von Materialismus.

1970 war der Höhepunkt von dem, was wir heute als Friedens-, Liebes- und Poprevolution bezeichnen. Rocklegende Jimi Hendrix beginnt seine letzte große Tournee, The Cry of Love Tour (Das Weinen der Liebe). Er wird im gleichen Jahr im Alter von nur 27 Jahren sterben. Damit stirbt auch der Geist von Woodstock und Isle of Wight. Die Entscheidung, ob der frühe Tod von Jimi Hendrix, der die Menschheit in den Schlaf küssende Prinz John (Lennon) oder Learys Flucht aus dem Gefängnis6 als Symbol für das Ende vom Kampf für eine bessere Zukunft stehen, sei dahingestellt.

Die Zeit um 1970 markiert den Beginn des unbemerkten, narkotisierten Wegdämmerns, dessen Auswirkungen wir in den letzten fünfzig Jahren erfahren. Einerseits erleben wir eine noch nie da gewesene Stabilität, andererseits ist das gestalterische »Chaos« verloren gegangen – die Offenheit für etwas Neues, womöglich genau das, was jetzt benötigt wird, um die Stabilität fortsetzen zu können. Heute sind es nicht die Tränen der Liebe und der Schmerz, die uns prägen, sondern vielmehr ein dauerhafter Traumzustand, ein unbewusstes Dösen, ein fatales Nickerchen, aus dem wir nun langsam erwachen.

Das Leben und ich


Mein Wecker klingelt pünktlich für meine tägliche 06:00-Uhr-Routine: Spaziergang mit unserer zweijährigen Weimaraner Hündin Elli, gefolgt von sechzig Minuten »MeTime«. Tiefe Kniebeugen für das Hirn. Den Geist driften lassen. Das menschliche Potenzial steckt in der Wahrnehmung der Normalität und des Nichtstuns. Ein kurzes Time-out, eine Art Entkopplung. Wir sind merkwürdige Wesen, die eine fantastische Fähigkeit besitzen, nämlich die der Reflexion unseres Denkens. Wir setzen uns in unseren Gedanken mit dem Gedachten auseinander und können dazu Stellung beziehen. Diese Fähigkeit ist nichts Selbstverständliches.

Es ist Frühlingsanfang. Der Himmel über der Skyline von Frankfurt ist glasklar und die Luft so frisch, dass ich die Normalität an diesem Morgen ganz besonders wahrnehme. Während die aufgehende Sonne aus dem osthessischen Main-Kinzig-Kreis die Wolkenkratzer, Bankentürme und ihre Aufpasserin, die Europäische Zentralbank (EZB), zum Glänzen bringt, denke ich an meine norwegische Heimat Røros, wo man auf der Hütte in den Bergen förmlich diese Ruhe, die mich in diesem einen Moment umgibt, regelrecht hören kann. Dieser Morgen hat etwas Idyllisches. Es fühlt sich friedlich an.

Das 50. Weltwirtschaftsforum in Davos liegt hinter mir, in wenigen Wochen folgt das 50. Jubiläum des Global Earth Day. Die Eco-Hysterie wanderte in den Schweizer Bergen, jetzt soll eine Eco-Utopie folgen. Ideologie und Emotionen sollen in Taten umgesetzt werden, gesucht werden Handlungshelden. Die erlebte Klarheit an diesem Tag liegt aber nicht an den umgesetzten Projekten, sondern an einem anderen Ereignis. Wir spüren den Stich der Spindel der bösen Hexe Corona. Fünfzig Jahre – und das berühmte La Belle au Bois Dormant steht auf dem Kopf. Wie eine sich öffnende Wolkendecke, die uns lange zugedeckt hat und uns nun den klaren Blick in den Himmel ermöglicht, sehen wir jetzt alles viel klarer und deutlicher. Ein Raum der Möglichkeiten, um uns aus unseren Illusionen von unbegrenzter Technologisierung und stetig wachsendem Wohlstand herauszuholen, öffnet sich. Das Piksen tut weh, ist aber nicht das Problem. Nicht das Virus ist die Herausforderung, sondern die Erkenntnis, dass unser Denken infiziert ist.

Eine kurzzeitige Entkopplung vom Getriebensein und Reaktionismus, von Ängsten, Informationen, Gedanken. Eine kurze Pause für unser Gehirn. Also mit einem neuen Ansatz beginnen, bevor wir uns wieder »connecten«? Ein weißes Blatt Papier, wenn man so will. Raum und Zeit für eine kritische Betrachtung unserer Gegenwart – mit zwei wesentlichen Themen im Blick: Selbstverständlichkeit und Weltverständlichkeit.

»The greatest honor history can bestow is the title of peacemaker«,7 sagte Nixon in seiner Amtsantrittsrede. Nixon gilt vielen heute als ein »Do nothing«-Präsident, der vor allem wegen seiner Skandale und der Watergate-Affäre, dem...

Erscheint lt. Verlag 30.8.2021
Verlagsort Berlin
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Geschichte / Politik Politik / Gesellschaft
Sozialwissenschaften Politik / Verwaltung
Wirtschaft Betriebswirtschaft / Management Personalwesen
Wirtschaft Betriebswirtschaft / Management Unternehmensführung / Management
Schlagworte Aufklärung • Bestseller • Bildung • Business Philosopher • Digitalisierung • enkelfähig • Globalisierung • Glück • Philosophie • Unternehmensethik • Vorurteile • Wettkampf der Algorithmen • Wirtschaftsphilosoph • Zukunft
ISBN-10 3-8437-2478-4 / 3843724784
ISBN-13 978-3-8437-2478-4 / 9783843724784
Haben Sie eine Frage zum Produkt?
EPUBEPUB (Wasserzeichen)
Größe: 2,4 MB

DRM: Digitales Wasserzeichen
Dieses eBook enthält ein digitales Wasser­zeichen und ist damit für Sie persona­lisiert. Bei einer missbräuch­lichen Weiter­gabe des eBooks an Dritte ist eine Rück­ver­folgung an die Quelle möglich.

Dateiformat: EPUB (Electronic Publication)
EPUB ist ein offener Standard für eBooks und eignet sich besonders zur Darstellung von Belle­tristik und Sach­büchern. Der Fließ­text wird dynamisch an die Display- und Schrift­größe ange­passt. Auch für mobile Lese­geräte ist EPUB daher gut geeignet.

Systemvoraussetzungen:
PC/Mac: Mit einem PC oder Mac können Sie dieses eBook lesen. Sie benötigen dafür die kostenlose Software Adobe Digital Editions.
eReader: Dieses eBook kann mit (fast) allen eBook-Readern gelesen werden. Mit dem amazon-Kindle ist es aber nicht kompatibel.
Smartphone/Tablet: Egal ob Apple oder Android, dieses eBook können Sie lesen. Sie benötigen dafür eine kostenlose App.
Geräteliste und zusätzliche Hinweise

Buying eBooks from abroad
For tax law reasons we can sell eBooks just within Germany and Switzerland. Regrettably we cannot fulfill eBook-orders from other countries.

Mehr entdecken
aus dem Bereich
Warum sich im Rettungsdienst zeigt, was in unserer Gesellschaft …

von Luis Teichmann

eBook Download (2024)
Goldmann Verlag
14,99
Wie aktivistische Wissenschaft Race, Gender und Identität über alles …

von Helen Pluckrose; James Lindsay

eBook Download (2022)
C.H.Beck (Verlag)
16,99
Wie aktivistische Wissenschaft Race, Gender und Identität über alles …

von Helen Pluckrose; James Lindsay

eBook Download (2022)
C.H.Beck (Verlag)
16,99