Demokratische Ideale und Wirklichkeit (eBook)

Eine Studie zur Politik des Umbaus
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2020 | 1. Auflage
252 Seiten
Books on Demand (Verlag)
978-3-7526-5394-6 (ISBN)

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Demokratische Ideale und Wirklichkeit -  Halford J. Mackinder
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Welchen Einfluss haben die Voraussetzungen der physischen Geographie auf die Entwicklung eines Volkes oder eines Reiches? Wo auf der Erde sind diese Voraussetzungen derart, dass sie die Weltherrschaft eines Reiches ermöglichen? Und welche Vorkehrungen müssen konkurrierende Reiche treffen, um eine solche zu verhindern? Antworten auf diese Fragen gibt die deutsche Übersetzung des Klassikers »Democratic Ideals and Reality« von Halford J. Mackinder. Bis heute hat sein Werk als Manifest angelsächsischer Geostrategie nichts an Bedeutung eingebüßt. Denn es gibt dem Leser nach wie vor einen Schlüssel zum besseren Verständnis des Wirkens und der Ziele peripherer insularer Reiche (wie die Vereinigten Staaten, Großbritannien oder Japan) auf der Weltinsel in die Hand. So gibt es unter anderem einen Hinweis darauf, warum die deutsch-russischen Beziehungen für die Vereinigten Staaten von Amerika von größtem Interesse sind und welche Rolle dabei das Intermarum spielt. Für Mackinder ist die entscheidende und zeitlose Frage: Wer beherrscht das erweiterte Herzland?

Halford John Mackinder wurde am 15. Februar 1861 im englischen Gainsborough geboren. Im Zuge seines Studiums am angesehenen Christ Church College der Universität Oxford (1880-1885) kam er mit den Ideen der »New Geography« in Berührung, welche das Wissen der Geographie unter das Volk bringen wollte. Dies sollte für die folgenden beiden Jahrzehnte der Schwerpunkt seines Wirkens werden. Denn die Geographie führte im viktorianischen Großbritannien nicht einmal ein Schattendasein. So kam die Geographie nicht in dem Maße, wie Mackinder es sich wünschte, im britischen Schulunterricht vor und stellte kein eigenständiges Schulfach. Um qualifiziertes Lehrerpersonal auszubilden, hielt Mackinder zwischen 1885 und 1893 über England verteilt 600 Vorträge in Geographie, errichtete 1899 an seinem College ein Institut für Lehrerausbildung und wurde dessen Direktor. 1893 gründete er zum Zweck der Reformierung des englischen Geographieunterrichtes die Geographical Association. Auch wirkte er bei der Gründung der Universität von Reading und der London School of Economics mit. An letzterer betätigte er sich 30 Jahre als Dozent für Geographie und war von 1902 bis 1908 ihr Direktor. Die bis in heutige Zeit reichende Bedeutung seines Schaffens erlangte Mackinder jedoch durch die Untersuchung von Auswirkungen der geographischen »Realitäten« auf den Zustand und die zivilisatorische Entwicklung von soziopolitischen Großgemeinschaften. Seine weitergehenden Ideen zur Rolle des »Herzlandes« und der »Weltinsel« auf den »Going Concern« von Völkern (Herzland-Theorie) veröffentlichte er 1904 in seinem Vortrag The Geographical Pivot of History. Im Jahr 1919 brachte er das vorliegende Buch heraus, welches ergänzend die Ereignisse des Ersten Weltkriegs berücksichtigt, hierbei vor einer »idealistischen« oder naiven Haltung beim Aufbau der Nachkriegswelt warnt und Stellung zur Notwendigkeit und zu den Aufgaben eines zu schaffenden Völkerbundes nimmt. Ferner engagierte sich Mackinder neben seiner wissenschaftlichen Tätigkeit auch politisch. 1910 zog er ins britische Parlament ein und gehörte diesem bis 1922 an. 1920 wurde er geadelt. Von 1926 an war er Mitglied des Kronrates.

II Gesellschaftliche Dynamik


»Dem, der hat, dem wird gegeben.«3

Im Jahre 1789 hatten die aufgeklärten Franzosen in ihrem geistigen Zentrum Paris Visionen, edle Visionen – Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit. Doch der französische Idealismus verlor seinen Bezug zur Realität und driftete seinem Schicksal in der Person Napoleons entgegen. Mit seiner militärischen Effizienz stellte er die Ordnung wieder her, doch während er so eine französische Macht etablierte, war das ganze Recht ihres Seins eine Verneinung der Freiheit. Die Geschichte der großen Französischen Revolution und des Französischen Kaiserreichs hat in der Folge alles politische Denken beeinflusst. Es schien eine Tragödie im altgriechischen Sinn zu sein, bei der die Katastrophe bereits im Wesen der Revolution angelegt war.

Als 1848 die Völker Europas wieder in einer visionären Stimmung waren, war ihr Streben von einer komplexeren Natur. Das Prinzip der Nation war der Freiheit in der Hoffnung hinzugefügt worden, dass die Freiheit durch den Unabhängigkeitsgeist einer Nation vor einem autoritären Herrscher geschützt werden möge. In diesem Jahr der Revolutionen lichtete das gute Schiff Idealismus unglücklicherweise erneut den Anker und wurde vom Schicksal in der Person Bismarcks davon getragen. Seine preußische Effizienz pervertierte das neue Streben nach einer deutschen Nation, so wie Napoleon die einfacheren französischen Ideale von Freiheit und Gleichheit missbraucht hatte. Die Tragödie nationaler Ideologie, welche wir gerade in Anwendung gesehen haben, war jedoch nicht in der Beseitigung der Freiheit angelegt, sondern im Materialismus des Organisators, gemeinhin bekannt als Kultur. Die französische Tragödie war die Tragödie eines zerbrochenen Idealismus’, während die deutsche Tragödie in Wahrheit die Tragödie des verdrängten Realismus’ war.

Im Jahr 1917 dachten die demokratischen Nationen der ganzen Welt, sie hätten das große Leuchtfeuer gesehen, als das russische Zarentum stürzte und die amerikanische Republik in den Krieg eintrat. Mittlerweile nimmt die Russische Revolution den gewöhnlichen Gang, doch wir setzen nach wie vor unsere Hoffnungen in die universelle Demokratie. Zu dem Ideal des 18. Jahrhunderts, die Freiheit, und dem Ideal des 19. Jahrhunderts, die Nation, fügen wir unser Ideal des 20. Jahrhunderts, den Völkerbund, hinzu. Sollte eine dritte Tragödie erfolgen, würde dies die demokratischen Ideale in riesigem Maße befördern, da sie heute das Glaubensbekenntnis des größeren Teils der Menschheit sind. Die Deutschen, mit ihrer Realpolitik, ihrer Politik der Realitäten – etwas anderes als bloß praktische Politik – sehen dieses Desaster als, früher oder später, unvermeidlich an. Der Kriegsherr und die preußische Militärkaste mögen in der Hauptsache nur für ihre Macht gekämpft haben, doch weite und gebildete Kreise der deutschen Gesellschaft haben in der Überzeugung einer politischen Philosophie gehandelt, welche dadurch nicht weniger aufrichtig war, dass wir glaubten, sie sei falsch. In diesem Krieg haben sich die deutschen Erwartungen als falsch erwiesen, doch dem ist so, da wir sie mittels weniger weiser Prinzipien der Regierungsführung und gewaltiger Anstrengungen und trotz unserer Fehler der Politik dazu gebracht haben. Unser härtester Test steht uns noch bevor. Welches Maß an internationalem Umbau ist notwendig, damit unsere Welt ein friedlicher Ort für Demokratien bleibt? Und, hinsichtlich der inneren Struktur solcher Demokratien, welche Bedingungen müssen erfüllt sein, damit wir unter Nutzung des schweren Pflugs des gesellschaftlichen Umbaus den Idealen zum Erfolg verhelfen, welche in diesem Krieg zum Heldentum inspiriert haben? Es kann keine bedeutsameren Fragen geben. Sollen wir unseren neuen Idealismus nüchtern mit der Realität vermählen?

Idealisten sind das Salz der Erde. Würden sie uns nicht antreiben, stagnierten unsere Gesellschaften und scheiterten unsere Zivilisationen. Das Wesen des Idealismus’ durchlief jedoch zwei sehr verschiedene Phasen. Der ältere Idealismus, zu dem der Buddhismus, der Stoizismus und das mittelalterliche Christentum gehörten, basierte auf Selbstverneinung; die Gemeinschaft der Franziskaner gelobte Keuschheit, Armut und Dienst. Doch der moderne demokratische Idealismus, zu dem die Ideale der amerikanischen und der Französischen Revolution gehören, basiert auf Selbstverwirklichung. Ihr Ziel ist es, dass jeder Mensch ein erfülltes und selbstgeachtetes Leben führen soll. Der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung gemäß sind alle Menschen gleich erschaffen und mit Freiheitsrechten und dem Anspruch auf Glück ausgestattet. Diese beiden Richtungen des Idealismus’ korrespondieren mit zwei historischen Entwicklungen. In alten Zeiten war die Macht der Natur über den Menschen noch umfassend. Harte Realitäten setzten seinen Ambitionen Grenzen. Mit anderen Worten war die Welt im Ganzen arm und Aufgabe war der einzige Weg zum Glück. Wenige konnten, ohne Schuld, einen höheren Lebensstandard führen, doch lediglich auf Kosten der Leibeigenschaft von vielen. Auch die altertümliche, sogenannte Demokratie von Athen und das Platon‘sche Utopia basierten auf Dienst und industrieller Sklaverei. Doch die moderne Welt ist reich. In nicht geringem Maße kontrollieren die Menschen jetzt die Kräfte der Natur und ganze Gesellschaftsklassen, ehemals resigniert gegenüber ihrem Schicksal, sind durchdrungen von der Idee, dass mit einer gerechteren Verteilung des Wohlstandes eine Gleichheit der Chancen zu erreichen ist.

Diese moderne Tatsache der menschlichen Kontrolle über die Natur, ohne die jene demokratischen Ideale nutzlos wären, ist nicht ausschließlich dem Fortschritt der Wissenschaften und Erfindungen geschuldet. Die größere Kontrolle, welche die Menschen nun errungen haben, ist bedingt und nicht absolut wie die Kontrolle der Natur über Menschen durch Hungersnot und Pest. Menschlicher Reichtum und vergleichsweise Sicherheit basieren heute auf der Teilung und Koordination von Arbeit sowie auf der laufenden Instandhaltung ihrer komplexen Produktionsanlagen, welche die einfachen Werkzeuge primitiver Gesellschaften ersetzt haben. Mit anderen Worten ist das Erzeugnis modernen Wohlstandes in der Hauptsache durch unsere gesellschaftliche Organisation und unser gesellschaftliches Kapital bedingt. Die Gesellschaft ist ein ›Going Concern‹, und kein geringer Teil unseres Wohlbefindens ist vergleichbar mit dem ›immateriellen Vermögenswert‹ eines Unternehmens.4 Der Besitzer eines Unternehmens hängt nicht weniger vom Verhalten seiner Kunden als vom regelmäßigen Laufen der Maschinen in seiner Fabrik ab. Beides muss gepflegt werden und sie haben, wenn sie gepflegt werden, den Wert eines ›Going Concerns‹. Doch sollte die Geschäftstätigkeit enden, haben sie lediglich einen Liquidationswert. Die Maschinen werden so zu Schrott und der immaterielle Vermögenswert wird auf die Buchschulden des Unternehmens reduziert.

Die Gesellschaft ruht auf der Tatsache, dass der Mensch ein Gewohnheitstier ist. Durch das Festhalten vieler Menschen an ihren diversen Verhaltensweisen erhält eine Gesellschaft die Struktur einer Maschine. Mrs. Bouncer war in der Lage, eine simple Gesellschaft für die Belegung eines Mietzimmers zu erschaffen, da Box nachts und Cox tagsüber schlief.5 Doch ihre Gesellschaft wurde aus den Angeln gehoben, als einer ihrer Logiergäste Urlaub nahm und einstweilen seine Gewohnheiten änderte. Man stelle sich einmal vor, was mit einem passieren würde, wenn all jene, von denen man abhängig ist – der Postmann, der Eisenbahner, der Schlachter, der Bäcker, der Zeitungsmann und die vielen anderen -, plötzlich ihre gesetzten Routinen variieren würden. Dann würde man erkennen, in welch hohem Maße die Macht des modernen Menschen über die Natur von der Tatsache abhängt, dass eine Gesellschaft ein ›Going Concern‹ ist, oder, in der Sprache des Ingenieurs ausgedrückt, dass eine Gesellschaft eine Dynamik hat. Hält man lange genug ihren Lauf an, um die menschlichen Gewohnheiten wie Zahnräder nicht mehr ineinander greifen zu lassen, würde die Gesellschaft rasch unter die Kontrolle der Natur zurückfallen. In der Folge würden Massen sterben.

In Bezug auf die moderne Zivilisation ist produktive Macht ein weit wichtigeres Element der Wirklichkeit als angehäufter Wohlstand. Der gesamte sichtbare Wohlstand eines zivilisierten Landes ist, ungeachtet des antiken Wertes mancher seiner Schätze, allgemein geschätzt gleich den produzierten Werten aus nicht mehr als sieben oder acht Jahren. Die Bedeutung dieser Aussage steht ihrer Richtigkeit nicht nach, jedoch dem rapiden Wachstum ihrer praktischen Bedeutung für den modernen Menschen, geschuldet seiner Abhängigkeit von der Produktionsmaschinerie, technisch und gesellschaftlich, welche in den letzten vier oder fünf Generationen zunehmend delikat und kompliziert wurde. Bei jedem Fortschritt in der Anwendung der Wissenschaften gab es einen korrespondierenden Wandel der gesellschaftlichen Organisation. Es war nicht nur Zufall, dass Adam Smith...

Erscheint lt. Verlag 23.11.2020
Sprache deutsch
Themenwelt Sozialwissenschaften Politik / Verwaltung Vergleichende Politikwissenschaften
Schlagworte Democratic Ideals and Realitiy • Demokratische Ideale und Wirklichkeit • Fürstenberg • Herzland • Mackinder
ISBN-10 3-7526-5394-9 / 3752653949
ISBN-13 978-3-7526-5394-6 / 9783752653946
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