Jedes Leben ist wertvoll (eBook)

Wie mir die Gründung eines Tierhospizes meinen Lebensmut zurückgab
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2021 | 1. Auflage
320 Seiten
Kailash (Verlag)
978-3-641-27242-5 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Jedes Leben ist wertvoll -  Alexis Fleming
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Geborgenheit und Liebe im Tierhospiz
Kein todkrankes Tier soll seinen letzten Weg alleine gehen! Das sagt sich die junge Britin Alexis Fleming, als ihre geliebte Hündin Maggie in einer Tierklinik einsam stirbt. Selbst chronisch krank und schon oft von den Ärzten abgeschrieben, gründet Alexis das erste Tierhospiz der Welt. Zu ihren Schützlingen zählen Schafe, Hunde und Hühner. Manche sterben innerhalb weniger Tage, andere erholen sich noch einmal - vermutlich, weil sie erstmals Geborgenheit und Liebe erfahren. Und auch Alexis selbst wächst über sich hinaus und entwickelt durch ihre Aufgabe ungeahnte Kräfte. Eine Geschichte über die Kraft des Mitgefühls und über Liebe, Freundschaft und Respekt angesichts der Vergänglichkeit allen Lebens.

Alexis Fleming, geb. 1982 in Schottland, engagiert sich seit vielen Jahren für die Rechte von Tieren und ist überzeugte Veganerin. 2013 gründete die unter der Autoimmunerkrankung Morbus Crohn leidende junge Frau ein Tierhospiz, in dem sie Haus- und Nutztiere in ihrer letzten Lebensphase liebevoll betreut. Die berührende Geschichte von Alexis wurde u. a. von der BBC dokumentiert sowie in »The Sun« und dem »Guardian« beschrieben. Ein kurzer Dokumentarfilm über das Hospiz wurde auf dem Internationalen Filmfestival in Edinburgh gezeigt.

Kapitel 1

»Findest du das witzig, Maggie?«

Du wirst eine Menge erklären müssen, wenn du nach Hause kommst …

Ich stand auf einem Parkplatz in einem Teil von York, den ich nicht kannte. Meine kalten, verschwitzten Hände hatte ich in den Jackentaschen vergraben, wo meine Finger immer wieder mit dem Notizzettel spielten. Durch die Automatiktüren entwischten hin und wieder heiße Luft und Weihnachtsmusik der Wärme des Supermarkts. Die winterliche Dunkelheit legte sich ebenso schwer auf mich wie meine wachsenden Befürchtungen.

Wieder rief ich an. Anrufbeantworter, sofort. Ich versuchte es noch einmal. Und noch einmal.

Ich schaute mich in der unbekannten Wohngegend um. Wie lange sollte ich warten? Wie oft anrufen? Wann aufgeben?

Langsam dämmerte mir, dass ich zu spät dran sein könnte. Ich hätte früher Feierabend machen, früher kommen sollen, mehr Geld bieten, mir mehr Gedanken machen. Ich sah auf meinem Handy nach der Zeit: 16:34 Uhr. Ein Versuch noch.

Als ich aufschaute, spannte sich alles in mir an. Im Licht der Straßenlaternen kam schnellen Schrittes ein Mann auf mich zu, ein drahtiger Typ um die dreißig, der den Blick auf sein Handy gerichtet hielt.

Meine Augen und mein Gehirn brauchten einen Moment, um zu begreifen, was sie da im orangenen Dämmerlicht sahen. Aber das war doch … Das war sie doch! Die magere Bullmastiffhündin, die hinter dem Mann hertrottete, war nicht angeleint und trug nicht einmal ein Halsband, folgte ihm jedoch gehorsam bei Fuß. Sie näherten sich mir. Die Hündin duckte sich nervös hinter den Mann. Ganz offensichtlich fürchtete sie sich vor ihm.

»Du bist wegen dem Hund hier?« Er schaute kurz von seinem Handy auf.

Ich nickte nervös. Mein Mund war ganz trocken.

»Hast du die Kohle?«

»Ja. Hundert Pfund. Ich dachte, du hättest sie vielleicht dem anderen gegeben.«

»Was? Ach nein, der ist nicht gekommen. Willst du die Töle noch?«

»Ja. Hier …«

Ich hielt ihm das Geld hin. Er zählte kurz durch und steckte es ein. Ich öffnete die Heckklappe meines ramponierten alten Mazda und forderte sie auf, hineinzuspringen. »Komm, Süße«, drängte ich sie freundlich und klopfte auf die Bettdecke im offenen Kofferraum.

Sie schaute mich mit großen, ängstlichen braunen Augen an, bewegte sich aber keinen Millimeter. Komm schon, Süße, spring rein. Ich wollte das Ganze endlich hinter mich bringen.

»Du hast sie gehört. Rein da.« Er schob sie mit seinem Stiefel Richtung Auto. Sie zuckte zusammen und tat instinktiv, was von ihr gefordert wurde. Schnell schloss ich die Klappe. Für tröstende Worte war später genug Zeit, jetzt kam es erst einmal darauf an, sie in Sicherheit zu bringen.

»Also dann, danke.« Ohne sich zu verabschieden oder einen letzten Blick auf den Hund zu werfen, ging er fort. Ich hätte sonst wer sein, alles mit dem Hund machen können, aber sein Geld hatte er ja bekommen. Ich sah ihm hinterher, wie er mit dem Blick am Handy klebte, wegging und die magere, verängstigte Hündin, die ihm so treu gefolgt war und aufs Wort gehorcht hatte, schon vergessen hatte, als er an der nächsten Straßenecke in der Dunkelheit verschwand.

Ich schaute auf und atmete erleichtert aus. Danke.

Es war zu gefährlich, die Heckklappe zu öffnen, also kletterte ich auf die Rückbank. Im Umgang mit einem neuen Hund musste man vorsichtig sein, besonders bei einem, der so offensichtlich durcheinander und verstört war. Über Bullmastiffs wusste ich nicht viel, meinte mich aber zu erinnern, dass sie als sehr loyal und Fremden gegenüber manchmal misstrauisch galten. Der Anblick dieses armen, verängstigten Hundes, der sich da in meinem Kofferraum zusammenkauerte, weckte allerdings keine größeren Befürchtungen.

»Hallo, meine Liebe.« Ich hielt ihr die Hand hin, um sie schnuppern zu lassen. »Du bist eine ganz Feine, oder? Versuch mal, keine Angst zu haben.« Mit weit aufgerissenen Augen starrte sie mich an. Ihr Blick war verwirrt und furchtsam. Unsicher schnüffelte sie kurz an meiner Hand.

»Alles wird gut, versprochen. Jetzt geht’s nach Hause.«

Weil im albtraumhaften Straßennetz Yorks Feierabendverkehr herrschte, dauerte die Heimfahrt ewig, aber sie machte die ganze Zeit über keine Bewegung, gab keinen Laut von sich. Während wir durch die verstopften Straßen krochen, schaute ich immer wieder in den Rückspiegel. Ich konnte ihre Silhouette sehen; sie saß kerzengerade da, und ihre Ohren wippten, wenn wir bremsten und wieder anfuhren. Selbst als ich anhielt, um Futter für meinen unerwarteten Gast zu kaufen, fand ich sie beim Einsteigen in genau derselben Position vor. Ihre Apathie beunruhigte mich, doch gleichzeitig war ich froh um die Stille, weil ich so Zeit zum Nachdenken hatte.

Ich bog in den Parkplatz des Mehrfamilienhauses ein, in dem ich lebte, und stellte das Auto in der mit meiner Wohnungsnummer gekennzeichneten Parklücke ab. Dann drehte ich den Schlüssel um und wandte mich dem dunklen Umriss hinter mir zu, dieser unbekannten Größe, die ich aus einem Impuls heraus in mein Leben eingeladen hatte. Ich konnte spüren, dass sie in der Dunkelheit meinen Blick erwiderte. Ich drehte mich wieder um, schloss die Augen und ließ meinen Kopf nach vorne fallen. Oh, shit! Das Adrenalin ließ nach, und die Wirklichkeit machte sich bemerkbar.

Als ich an jenem Morgen das Haus verließ, hatte ich nicht vorgehabt, neun Stunden später mit einem Hund zurückzukommen. Mein Ehemann Chris und ich wohnten in einer Mietwohnung, in der Haustiere nicht erlaubt waren. Ich arbeitete im Lager einer Firma, die optische Bauteile herstellte, und dieser Morgen war wie alle anderen. Wie üblich war ich die Erste dort, drehte die Heizkörper auf, schaltete das Radio ein und stellte den Wasserkocher an. Morgens brauche ich immer eine Weile, um munter zu werden. Ich war immer müde, war beim Aufwachen ebenso müde wie beim Zubettgehen, und es fiel mir zunehmend schwerer, die ungewöhnlichen Schmerzen und die Erschöpfung kleinzureden, die mich immer spürbarer ausbremsten. Es war Mitte Dezember, es würde ein hektischer Arbeitstag werden, weil wir unter Hochdruck daran arbeiteten, die bestellte Ware vor den Weihnachtsferien zu versenden. Wenn ich nur daran dachte, überfiel mich schon tiefe Müdigkeit. Ich setzte mich mit einer Tasse Tee an den Computer, um in die Gänge zu kommen, und begann, den Post- und Bestelleingang durchzugehen.

Ich war noch nie ein besonders großer Fan von Weihnachten, aber dieses Jahr fühlte ich mich beim Gedanken daran besonders niedergeschlagen und wurde schnell zynisch. Angesichts der Flut von Werbung, Lametta und erzwungener Heiterkeit, die die finsterere Wirklichkeit hinter der farbenfroh beworbenen Festlichkeit übertünchte – Schulden, Stress, Einsamkeit, alte Hunde, die für neue Welpen Platz machen müssen –, war ich wirklich nicht in der richtigen Stimmung. Ich fühlte mich leer und rastlos.

Ich bin als Einzelkind aufgewachsen. Meine beste Freundin und Spielkameradin war Trouvee, ein Staffordshire-Bullterrier-Mischling, den meine Eltern abgemagert, vernachlässigt und traumatisiert in den 1970ern in der Nähe einer Brücke im Stadtzentrum von Glasgow ausgesetzt gefunden hatten. Bis zu meiner Geburt hasste Trouvee Kinder, machte dann aber einen Sinneswandel durch und beschloss, dass ich ihr Baby wäre, ihr Kleines. Sie hätte mich mit ihrem Leben verteidigt. Als Trouvee starb, war ich zwölf Jahre alt. Im Gedenken an sie gründete meine Mum, Flora, ein Katzenasyl, das sie von unserem Haus aus leitete. Streunende Katzen waren ein Problem, ein Problem solchen Ausmaßes, dass unser Haus und unser Leben in kürzester Zeit davon bestimmt wurden. Einmal kam ich nach einer Fünf-Stunden-Schicht im örtlichen Kino nach Hause und fand 17 junge Katzenbabys in meinem Zimmer
vor.

»Wo – wie – hast du denn in den letzten fünf Stunden 17 Kätzchen gefunden, Mum? Vier, ja! Wenn’s hochkommt, auch fünf, soll’s ja geben. Aber 17 Stück?! Ob die zufällig mal aufhören könnten, Fangen zu spielen, solange ich schlafe? Und kannst du irgendwas tun, damit die sich nicht einbilden, ich wäre so eine Art Luxus-Katzenklo, das du extra für sie angeschafft hast? Eins davon hat auf mein Kopfkissen gepinkelt!«

Ein paar Minuten später kam sie zurück und überreichte mir eine Plastikplane, unter der ich schlafen konnte. Problem gelöst.

Ich kannte also die Hochs und Tiefs, die damit einhergingen, wenn man sein Zuhause und sein Leben mit den heimatlosen vierbeinigen Kindern der Gesellschaft teilte, und wusste um die dafür notwendige Opferbereitschaft, war aber nie sesshaft genug gewesen, um selbst einen tierischen Freund zu besitzen. Chris und ich hatten einander beim Jobben im Kino Odeon in Kilmarnock kennengelernt. Ich war 19 und arbeitete dort neben meinem Studium, er war ein Jahr älter und hatte die Uni gerade abgeschlossen. Als ich 21 war, gingen wir zusammen auf Reisen. Unter anderem verbrachten wir ein Jahr in Australien, wo ich als Aktivistin für eine Tierschutzorganisation tätig war. Dort lernte ich Edgar’s Mission kennen, einen Gnadenhof für gerettete Nutztiere in der Nähe von Melbourne. Von der Sekunde an, in der ich die Leiterin Pam traf, war klar, wie ich meine Wochenenden und freien Tage verbringen würde. Beim Ausmisten von Hühner- und Schweineställen und beim Babysitten von Ferkeln und Hähnen war ich voll in meinem Element; ich liebte diese Zeit. Zurück in England heirateten Chris und ich, aber wir ließen uns nie fest an einem Ort nieder. Chris arbeitete im Hotelfach,...

Erscheint lt. Verlag 13.9.2021
Übersetzer Anja Lerz
Zusatzinfo mit 4c-Bildteil
Sprache deutsch
Original-Titel No Life Too Small: Love and loss at the world’s first animal hospice
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Geschichte / Politik Politik / Gesellschaft
Sozialwissenschaften Politik / Verwaltung
Schlagworte Dankbarkeit • eBooks • Geborgenheit • kranke Tiere • Mitgefühl • Ratgeber • Respektvoller Umgang • Schottland • sterbende Tiere • Tierschutz • Tierwohl • Vergänglichkeit
ISBN-10 3-641-27242-4 / 3641272424
ISBN-13 978-3-641-27242-5 / 9783641272425
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