Wenn die Hoffnung stirbt, geht's trotzdem weiter (eBook)

Geschichten aus dem subversiven Widerstand

(Autor)

eBook Download: EPUB
2021 | 1. Auflage
256 Seiten
S. Fischer Verlag GmbH
978-3-10-491409-1 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Wenn die Hoffnung stirbt, geht's trotzdem weiter -  Jean Peters
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Sibylle Berg sagt: »Einer der cleversten Aktivisten, die ich kenne.« Sie meint den Aktionskünstler und investigativen Journalisten Jean Peters, der hier von seinen wahnwitzigsten, skurrilsten, mutigsten und kreativsten Versuchen, die Welt zum Besseren zu verändern, erzählt. Als sich abzeichnete, dass die Rechten auf dem Vormarsch sind, als Klimaforscher*innen vor den Folgen exponenziellen Wachstums warnten und alle weitermachten wie bisher, da verspürte Jean Peters das Gefühl politischer Ohnmacht. Um dem zu entkommen, gründete er zusammen mit Gleichgesinnten das Peng! Kollektiv: Mit Fakes, Subversion und Ironie brechen sie die Krusten der Macht auf. Klug, witzig, reflektiert und unterhaltsam erzählt Jean Peters, wie sie Shell und Vattenfall in den Panikmodus versetzen, Webseiten von Waffenhändler*innen hacken oder Menschen zur Flucht innerhalb Europas verhelfen. Und während sein pessimistisches Ich ihn immer wieder daran erinnert, dass Hoffnung der erste Schritt auf der Straße der Enttäuschung ist, sucht sein optimistisches Ich stets nach neuen Trampelpfaden. Denn wenn die Hoffnung stirbt, geht es trotzdem weiter... »Endlich wird der Schleier über dem aktivistischen Spektakel des teuflisch klugen Peng!-Kollektivs gelüftet.« Mike Bonanno, The Yes Men »Jean Peters macht, wo andere nur möchten.« Tim Wolff, Titanic Herausgeber »Jean Peters zeigt uns, wie man mit Kreativität und Entschlossenheit konkret etwas tun kann.« Carola Rackete »Wikipedia bezeichnet ?Hacken? eine einfallsreiche Experimentierfreudigkeit. Genau diese zeigt Jean auf dem Weg, Missstände in unserer Gesellschaft zu thematisieren und zu verändern.« Linus Neumann, Sprecher des Chaos Computer Clubs

Jean Peters, Jahrgang 1984, ist Journalist und Aktionskünstler. Er hat in London und Berlin Politikwissenschaften studiert und das medientaktische Kollektiv Peng! gegründet, mit dem er regelmäßig Unternehmen unterwandert, auf mehreren Kunst-Biennalen ausstellt und das mit dem Aachener Friedenspreis ausgezeichnet wurde. 2018 war er Mitbegründer der NGO Seebrücke und war 2019 für das Recherchezentrum Correctiv undercover in der Klimaleugnerszene. Jean Peters lebt in Berlin.

Jean Peters, Jahrgang 1984, ist Journalist und Aktionskünstler. Er hat in London und Berlin Politikwissenschaften studiert und das medientaktische Kollektiv Peng! gegründet, mit dem er regelmäßig Unternehmen unterwandert, auf mehreren Kunst-Biennalen ausstellt und das mit dem Aachener Friedenspreis ausgezeichnet wurde. 2018 war er Mitbegründer der NGO Seebrücke und war 2019 für das Recherchezentrum Correctiv undercover in der Klimaleugnerszene. Jean Peters lebt in Berlin.

Das Buch [...] ist ein sehr lesenswertes. Weil der aktionistische Magier ein paar Tricks erzählt, ohne dabei heroisch so tun zu wollen, als würde jeder immer gelingen.

Zweifelsfrei ist das Buch eine wichtige Lektüre für alle, die schon politisch aktiv sind oder es werden wollen.

Wer mal wieder etwas fühlen möchte, sollte dieses Buch dringend lesen.

Präzisionsarbeit im Feld der gesellschaftlichen Widersprüche.

Ein blitzgescheites, ermutigendes, hoffnungsvolles Buch.

Peters sieht sich mit diesem so süffisanten wie blitzgescheiten Rechenschaftsbericht als Ermutiger. Das Buch ist [...] eine Art Baukasten des sozialökologischen Engagements.

ein lesenswertes, kurzweiliges Buch für politische Aktivist*innen

Die Hoffnung


Anfang 2015 saß mir in einem Berliner Café der ehemals hochrangige NSA-Offizier an einem dieser billigen Aluminiumtische gegenüber. Ich war im Durchhaltemodus, hatte in der Nacht zuvor kaum geschlafen. Der alte Mann ruhte in sich selbst, doch obwohl sein Körper vom Alter gezeichnet war, strahlte er eine enorme geistige Klarheit aus. Er blickte mir warm und herzlich in die Augen, holte einen Zettel hervor und schrieb mit seinem roten Kuli eine Nummer darauf. Ans Ende der aus acht Ziffern bestehenden Reihe machte er vier Kreuze: xxxx.

Mit seiner faltig-papierhäutigen und mit Altersflecken gesprenkelten Hand schob er mir den Zettel rüber: »Hier hast du die Nummern der NSA-Black-Phones.« Was Black Phones eigentlich sind, weiß ich bis heute nicht. Egal. Ich hielt die Durchwahlen zur CIA und zu Tausenden von NSA-Mitarbeiter_innen in der Hand! Nicht zum ersten Mal fühlte ich mich wie ein Trottel in einem Spionagethriller. Ein Stift, ein Zettel und eine Nummer darauf: Ich hätte nicht gedacht, dass es so einfach sein wird, der NSA auf die Pelle zu rücken.

So ging es mir bei den meisten Aktionen, die ich zusammen mit meinen Freund_innen vom Peng Kollektiv, aus dem Theater oder mit Kolleg_innen aus dem investigativen Journalismus gemacht habe: Menschen die Flucht nach Europa ermöglichen. In Robin-Hood-Manier zum Diebstahl in ausbeuterischen Supermärkten aufrufen. Den gewieftesten aller Kohlelobbyisten in eine Falle locken. Das alles geht, wenn wir es wollen.

Und mit diesem Buch möchte ich Sie dazu einladen, es zu wollen. Denn wenn die Polkappen abgeschmolzen sind, wenn faschistische Milizen weltweit wie Pilze aus dem Boden sprießen, wenn die globale Totalüberwachung sich in jedem Wohnzimmer etabliert hat – was machen wir dann? Es wird immer Gründe für sozialökologische Kämpfe geben, egal wie verzweifelt die Lage erscheinen mag. Aber es ist doch naheliegend, sie dort zu führen, wo wir den Raum dazu noch haben.

Mich treibt dabei nicht nur eine vage Utopie einer sozialen und ökologischen Gesellschaft an, sondern auch die Negation der jetzigen. In dieser Ablehnung steckt die Haltung der Suche, der Leidenschaft und der Liebe zum Menschen, so wie ich sie in den letzten Jahren immer häufiger finde: in Alice Hasters präzisen Beobachtungen des deutschen Rassismus, im Begriff der Desintegration von Max Czollek oder in den intersektionalen Erzählungen Schwarzer Frauen von Bernardine Evaristo. Ich finde sie außerdem im Begriff des revolutionären Lebens bei Eva von Redecker oder im Vergegenwärtigen einer Zukunft bei Fridays for Future. Sosehr es mich immer wieder treibt, auf Nummer sicher zu gehen und an meinem Pessimismus festzuhalten, es braut sich ein intellektueller Widerstand zusammen, es werden Strategien und Taktiken diskutiert, die Lethargie der neoliberalen Generation scheint sich aufzulösen.

Mit dem Peng Kollektiv, das wir 2013 gegründet haben, erhoben wir die Suche nach den richtigen Taktiken und Strategien im jeweiligen historischen Kontext zu einer regelrechten Forschungsaufgabe. Wir schworen uns, nie offenzulegen, wie viele wir sind, wie wir heißen und was als Nächstes kommen mag, daher vermeide ich hier Details. Aber inspiriert von interventionistischer Performancekunst, investigativem Journalismus und Aktionen zivilen Ungehorsams sprangen wir immer wieder auf die großen gesellschaftlichen Themen, probierten uns mit Alliierten aus der Kunst- und Kulturproduktion auf der Medienbühne aus und gaben unzählige Workshops für politische Gruppen und an Universitäten.

Die Erzählungen in diesem Buch handeln vom »subversiven Widerstand«. In den Geschichten geht es darum, Machtdiskurse zu unterwandern und Widerstand gegen diesen Schlachthof zu leisten, den wir als kapitalistische Sachherrschaft über Mensch und Natur kennen. Subversion und Widerstand als gezielte mediale Interventionen, die sich mit den aktuellen Verhältnissen nicht einverstanden geben wollen, sondern unser im Jetzt verfangenes Denken freisprengen, konkrete Utopien greifbarer und begehrbarer machen sollen. Machtdiskurse verstehe ich dabei nicht als verschwörerische Hinterzimmertreffen von Leuten, die sich die Hände reiben und uns alle ausbeuten möchten, um reich zu werden. Nein, es sind die Strukturen, die Gesetze, das politische System, die es ermöglichen, so reich zu werden wie Jeff Bezos, so viele Waffen ins Ausland zu exportieren wie Rheinmetall oder so sehr die Klimakrise anzuheizen wie RWE, Volkswagen und die Bayer AG.

Sie sind aus meiner Perspektive erzählt und sind doch Geschichten von vielen. Nichts von dem, was ich erlebt habe, hätte ich alleine machen können. Es stehen unzählige Menschen hinter der Arbeit, Alliierte, Freund_innen, Kolleg_innen, insbesondere von Peng, die mit mir Nächte durchgearbeitet haben. Dass wir das gemeinsam erleben durften, dafür bin ich ihnen unendlich dankbar. Alles, was ich erlebt habe, könnte auch anders erzählt werden.[1]

Dabei beziehe ich Position als jemand, der in einer gemütlichen Doppelhaushälfte mit Hibiskus im Vorgarten in einem westdeutschen Vorort aufwachsen durfte, während einige meiner Freund_innen im Sozialbau groß wurden. Ich spreche aus der Position eines Menschen, der sehr viel Glück hatte, mit einem deutschen Pass und weißer Haut geboren worden zu sein und – gepriesen sei die Statistik – vermutlich nie am Arbeitsplatz sexuell belästigt wird. Als Schüler freute ich mich auf den Sommerurlaub auf Korsika und musste gleichzeitig miterleben, wie die Eltern meiner Jugendfreund_innen von der Ausländerbehörde getriezt wurden. Das waren auch die Freund_innen, die meiner Mutter Sorgen bereiteten, weil sie angeblich ein schlechter Einfluss für mich waren. Es waren die Freund_innen, die mir zeigten, dass wir nicht alle Gerechtigkeit erfahren. Die alle stumm wurden, als eine von uns etwas zu spät zu unserem Treffen kam, weil ihr Vater mit ihrem Kopf das Küchenfenster zerschlagen hatte. Die ich dazu verleitete, auf Autodächern rumzuspringen, als schnellen Ausweg aus diesem Schmerz. Die mir spiegelten, wer ich bin, und die mich von radikaler Demokratie träumen ließen. Es ist bis heute für mich kaum zu ertragen, dass ich Glück habe und andere nicht.

Mit meiner Arbeit versuche ich, diese Verzweiflung, so gut es geht, zu verarbeiten und an den Umständen etwas zu ändern. Mit Recherchen, mit Interventionen, mit Ausstellungen und Workshops. Natürlich haben viele Aktionen nicht den Weg in dieses Buch geschafft: wie meine Mitschüler_innen und ich uns am letzten Schultag als Security mit Knopf im Ohr verkleideten, wie wir Porträts des Schuldirektors in Diktatorenmanier im Gebäude aufhängten und alle Anwesenden in die Klassen jagten, weil er uns nicht wie üblich freigeben wollte. Wie wir einen fingierten Fanclub für meinen Universitätsdirektor gründeten und »Dieter Lenzen, mein Idol, noch viel besser als Helmut Kohl« bei seinen Reden sangen, bis er rot anlief, wenn er in die Mikros gegen uns ankrächzte. Wie meine Freund_innen in meiner Heimatstadt Häuser besetzten – die FAZ schrieb von Hausbesetzung light[2] – oder wie ich mit Greenpeace auf das Atomkraftwerk in Fessenheim kletterte, das fünf Jahre später endlich stillgelegt wurde.[3]

Das sind alles Geschichten, die hier keinen Platz finden. Zum Teil ganz willkürlich, einfach weil es zu viel wäre. Ein paar Aktionen, hinter denen Peng steckt, habe ich aber auch nicht reingenommen, weil ich selbst nicht daran beteiligt war. Etwa das Projekt »Haunted Landlord«, bei dem ein Bot mitten in der Nacht Hausbesitzer_innen anrief. Der Minicomputer spielte ihnen Sounddateien von Menschen vor, die die Eigentümer_innen aus ihren Immobilien verdrängt hatten, um mehr Profit zu machen. Wie beim alten Onkel Scrooge wurden sie mit den Geschichten und der Frustration konfrontiert, für die sie verantwortlich waren. Oder die Polizeikarte »Cop-Map«, auf der nahende Polizeiwagen oder Überwachungskameras kollektiv markiert werden konnten. Das neue Polizeigesetz, das erheblich mehr Willkür aufseiten der Polizei ermöglicht, wurde bei jedem Interview zu der Skandalkarte kritisiert, von Polizeigewalt und Rassismus Betroffene wurden interviewt. Andere Aktionen erwähne ich hier nicht, weil ich bewusst entschieden habe, weder mich noch Peng damit öffentlich in Verbindung zu bringen. Ganz einfach, weil es in der Sache nichts beitragen würde oder im Gegenteil den bürgerlichen Anstrich, den eine Aktion haben soll, verschmuddeln könnte.

 

Die Wahrscheinlichkeit, dass Krisen sich in Zukunft verdichten werden, ist hoch. Und während die einen sich in Krisen miteinander solidarisieren, nutzen andere die Krise, um ihre persönlichen Ziele durchzusetzen. Staatliche Datenschutzbehörden drücken ein Auge zu, wenn massenhaft Handydaten von Regierungen abgefangen werden. Menschen ohne europäische Aufenthaltserlaubnis werden in den Metropolen aufgegriffen und eingebuchtet. Private-Equity-Unternehmen kaufen die Häuser von Familien auf, die ihren Kredit nicht mehr bezahlen können, um sie ihnen teuer zu vermieten.

Zugleich existieren regressive und progressive Bewegungen immer parallel zueinander. Es besteht momentan eine nie dagewesene Chance, den klimaschädlichen Autosektor durch neue Mobilitätskonzepte zu ersetzen. Technologisch ist es längst möglich, in globalen Lieferketten sorgfältig mit Menschen- und Umweltrechten umzugehen. Die weltweit zunehmenden Dürren lassen langsam die Politik aufhorchen, wenn es um ökologische...

Erscheint lt. Verlag 10.3.2021
Verlagsort Frankfurt am Main
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Geschichte / Politik Politik / Gesellschaft
Sozialwissenschaften Politik / Verwaltung
Schlagworte Aktionskunst • Aktivismus • Bundesamt für Krisenschutz und Wirtschaftshilfe • Demokratie • Deutschland geht klauen • Fluchthelfer.in • Google Bee • Intelexit • Medientaktik • Paul von Ribbek • Peng! • Peng Kollektiv • Politische Resignation • Seebrücke • Slamshell • Subversion • Tortung • Vattenfake • Ziviler Ungehorsam
ISBN-10 3-10-491409-5 / 3104914095
ISBN-13 978-3-10-491409-1 / 9783104914091
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