Joe Biden (eBook)

Ein Porträt

(Autor)

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2020 | 1. Auflage
263 Seiten
Suhrkamp (Verlag)
978-3-518-76918-8 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Joe Biden -  Evan Osnos
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»Joe Biden ist zugleich der unglücklichste und der glücklichste Mensch, den ich kenne.« Das sagt ein Weggefährte über den designierten 46. Präsidenten der Vereinigen Staaten. Der vielfach ausgezeichnete Journalist Evan Osnos begleitet den Politiker aus Delaware seit Jahren und hat ihn immer wieder interviewt, zuletzt im Sommer 2020. Diese und weitere Gespräche mit Angehörigen und Weggefährten wie Barack Obama bilden die Grundlage dieser brillanten Nahaufnahme des 1942 geborenen Biden, in dessen Werdegang sich die Veränderungen der politischen Kultur der USA spiegeln.

Mit gerade einmal 29 Jahren wurde der Sohn eines Autohändlers in den US-Senat gewählt. Seinen Amtseid legte er ab, nachdem er nur wenige Wochen zuvor seine erste Frau und seine Tochter bei einem Autounfall verloren hatte. Nach Höhen und Tiefen führte ihn seine Karriere schließlich als Vizepräsident ins Weiße Haus. Joe Biden hat dramatische Schicksalsschläge und überraschende Wendungen erlebt. Vielleicht versetzt ihn gerade das in die Lage, eine zerrissene Nation zu einen, die Wunden der Trump-Ära zu heilen und einen neuen politischen Aufbruch zu ermöglichen.

Evan Osnos, geboren 1976, ist ein US-amerikanischer Buchautor und Journalist. Seit 2008 ist er Redakteur beim Magazin The New Yorker. Zusammen mit Kollegen erhielt er 2008 den Pulitzer-Preis für investigativen Journalismus. Sein Buch Große Ambitionen. Chinas grenzenloser Traum wurde 2014 mit dem National Book Award ausgezeichnet.

»Das will man jetzt wissen: Wer ist Joe Biden? Der Redakteur des New Yorker antwortet sachkundig und gut lesbar.«
Ulrich Greiner, DIE ZEIT

»Eine überraschend lesenswerte Lektüre. Angesichts der zahlreichen Fernsehsendungen erwartete ich mir nicht viel Neues. Aber das Bild des gut aussehenden ewigen Langweilers Joe Biden wird doch erheblich korrigiert.«
Arno Widmann, Frankfurter Rundschau

»Eine leichtfüßige Art, sich den Vorzügen und Schwächen des Kandidaten zu nähern«.
Marlen Hobrack, taz. die tageszeitung

»Kaum ein Journalist kennt den künftigen US-Präsidenten Joe Biden besser als Evan Osnos ...«
focus 47/2020

»... Osnos legt ein überzeugendes Porträt vor, das immer wieder tief in den Washingtoner Politikbetrieb eintaucht. Zudem ist das Buch hervorragend geschrieben und von Ulrike Bischoff und Stephan Gebauer ebenso gut übersetzt.«
Kristian Teetz, Oberhessische Presse

»... ein sehr guter, schneller Einstieg in das politische Leben des 76-Jährigen.«
Redaktionsnetzwerk Deutschland

»Evan Osnos ist ein enorm talentierter Reporter. ... Ein gekonntes Porträt des Menschen und des Politikers [Joe Biden], das in einigen Hinsichten überrascht.«
The Washington Post

»Man kann dieses Buch nicht lesen, ohne nach der Lektüre eine gewissen Ehrfurcht zu empfinden angesichts dessen, was Biden durchstehen musste, um so spät in seinem Leben in diese Position zu gelangen. ... Osnos hat eine kurzweilige Biografie geschrieben, die auf zahlreichen Interviews mit Biden und einer Reihe weiterer namhafter Parteigenossen basiert, allen voran Barack Obama.«
Julian Borger, The Guardian

1. Annus horribilis


Besonders beliebt sind die in den hügeligen Wäldern des Brandywine Valley gelegenen Villenvororte Wilmingtons bei den Erben der Chemiefabrikanten-Dynastie der du Ponts. Ihre abgeschiedenen Herrenhäuser und Parks sind über eine Gegend verstreut, die auch als Chateau Country von Delaware bekannt ist. Gemessen daran nimmt sich das Anwesen von Joe Biden und seiner Frau Jill geradezu bescheiden aus: Sie leben auf einem anderthalb Hektar großen, leicht abschüssigen Grundstück an einem kleinen See.

Neunundneunzig Tage vor der Wahl biege ich in die Einfahrt der Bidens ein. Um eine Ansteckung zu vermeiden, hat mich sein Betreuerteam in einem Nebengebäude untergebracht, das knapp hundert Meter vom Haupthaus entfernt ist. »Willkommen im Haus meiner Mutter!«, ruft Joe Biden von der Treppe herauf, bevor im nächsten Augenblick sein weißer Schopf im Blickfeld auftaucht. Biden erreicht das Obergeschoss. Er trägt ein adrettes blaues Anzugshemd, dessen Ärmel er bis zu den Ellbogen hochgekrempelt hat, und eine blütenweiße N95-Maske. Zwischen den Hemdknöpfen steckt ein Kugelschreiber.

Drei Wochen vor dem Parteitag der Demokraten, auf dem Biden offiziell zum Präsidentschaftskandidaten gekürt werden wird, lautet die Schlagzeile der Washington Post: »Amerikas Stellung in der Welt auf einem Tiefpunkt.« Die Zahl der Todesopfer der Corona-Pandemie ist mittlerweile auf fast 150 ‌000 gestiegen, das Dreifache der amerikanischen Verluste im Vietnamkrieg. Die Wirtschaft ist schneller eingebrochen als je zuvor in der Geschichte der Vereinigten Staaten. In Portland, Oregon, beschießen Bundesbeamte in nicht gekennzeichneten Uniformen Demonstranten mit Tränengasgranaten, und Donald Trump bezeichnet die Teilnehmer an den Protestkundgebungen als »kranke und geistig verwirrte Anarchisten und Agitatoren«. Auf Twitter warnt der Präsident, die Demonstranten würden »unsere amerikanischen Städte zerstören und Schlimmeres anrichten«, sollte »Sleepy Joe Biden, die Marionette der Linken, jemals siegen. Die Märkte würden zusammenbrechen, und die Städte würden brennen.«

Der Mann, der zwischen den Amerikanern und vier weiteren Jahren Trump steht, scheint sich über meinen Besuch zu freuen. Im eigenartigen Sommer des Jahres 2020 wirkt Bidens Heim würdevoll und abgeschieden wie ein Kloster. Das mit keltischer Symbolik (grüne Fensterläden, Distelmuster auf den Dekokissen) übersäte Häuschen dient zugleich als Hauptquartier des Secret Service, und kräftige Männer mit Pistolenhalftern gehen möglichst unauffällig ein und aus. Biden lässt sich mir gegenüber auf einem Sessel nieder und breitet die Hände zu seinem sozial distanzierten Gruß aus. »Die Ärzte führen hier ein strenges Regiment«, erklärt er.

Später an diesem Tag wollen die Bidens im Kongress dem vor Kurzem verstorbenen John Lewis aus Georgia die letzte Ehre erweisen, einem Vorkämpfer der Bürgerrechtsbewegung, der seinerzeit beim Marsch in Selma, Alabama, von Polizisten attackiert worden war und einen Schädelbruch erlitten hatte und sich später den Beinamen »Gewissen des Kongresses« erwarb. Ein seltener Ausflug, denn seit dem Covid-19-Shutdown im März hat Biden sich überwiegend zwischen seiner gartenseitigen Veranda, wo er per Zoom an Spendenveranstaltungen teilnimmt, einem Fitnessraum im Obergeschoss und dem Freizeitzimmer im Keller bewegt, wo er vor einem Bücherregal und einer gefalteten Flagge Fernsehinterviews gibt. Seine Wahlkampforganisation ist auf die Privatwohnungen von rund 2300 Mitarbeitern verstreut.

Noch bevor ich eine Frage stellen kann, erzählt er mir die Geschichte des Gebäudes, in dem wir sitzen. Als sein Vater Joe im Jahr 2002 erkrankte, renovierte Biden das Souterrain des Haupthauses und brachte dort seine Eltern unter. »Gott hab ihn selig, er lebte nur noch etwa ein halbes Jahr«, sagt er. »Ich dachte, meine Mutter würde weiterhin bei uns im Haus wohnen.« Aber sie hatte andere Vorstellungen. (Bidens 2010 verstorbene Mutter, deren Mädchenname Jean Finnegan war, spielt eine herausragende Rolle in seiner Version der Familiengeschichte. Er erinnert sich noch an ihre Reaktion, als ihn in der Grammar School eine Nonne wegen seines Stotterns verspottete. Seine Mutter, eine gläubige Katholikin, stattete der Nonne einen Besuch ab und sagte zu ihr: »Wenn Sie noch einmal so mit meinem Sohn sprechen, komme ich wieder und reiße Ihnen das Häubchen vom Kopf.«)

Nachdem sein Vater gestorben war, machte seine Mutter Biden einen Vorschlag: »Sie sagte: ›Joey, wenn du mir ein Haus baust, werde ich hier bei euch bleiben.‹ Ich sagte: ›Schatz, ich habe nicht genug Geld, um dir ein Haus zu bauen.‹ Sie sagte: ›Das weiß ich. Aber ich habe mit deinen Brüdern und deiner Schwester gesprochen. Du kannst mein Haus verkaufen und mir hier etwas bauen.‹« Biden, dessen einzige Einkommensquelle sein Gehalt als Parlamentarier war, zählte jahrelang zu den Senatoren mit dem geringsten Vermögen. (In den zwei Jahren nach dem Ende seiner Amtszeit als Vizepräsident verdienten die Bidens mit Reden, Lehrtätigkeiten und Buchverträgen mehr als fünfzehn Millionen Dollar.) Biden baute eine alte Garage um, und seine Mutter zog dort ein. »Wenn ich sie besuchte, saß sie unten im Erdgeschoss vor dem Kamin und sah fern«, erzählt er. »Neben ihr saß immer eine Pflegerin, der sie die Beichte abnahm.«

Joe Biden ist seit fünfzig Jahren ein »öffentlicher Mann«, wie er es ausdrückt. Er bekleidet seit fünf Jahrzehnten politische Ämter, gibt Interviews und erzählt Anekdoten. Mein letztes Interview mit ihm, in dem es vor allem um außenpolitische Fragen ging, hatte ich im Jahr 2014 geführt, zu einer Zeit, als Biden im Weißen Haus war und Donald Trump die vierzehnte Staffel von The Apprentice präsentierte. Mit siebenundsiebzig wirkt Biden schlanker als vor sechs Jahren, obwohl er nicht auffällig dünner ist. Er hat sich widerwillig von seiner Jugend verabschiedet. Sein strahlendes Lächeln wurde immer wieder derart verjüngt, dass jemand ihm im Wahlkampf 2012 einen Tweet widmete, der sich rasch in ein geflügeltes Wort verwandelte: »Bidens Zähne sind so weiß, dass sie für Romney stimmen.« Sein Haaransatz wurde aufgeforstet, seine Stirn wirkt geglättet, und er strahlt wie ein Großvater, der gerade aus dem Fitnessstudio kommt – und tatsächlich kommt er oft von dort. Seine Ausdrucksweise ist so verschlungen wie eh und je. Der frühere FBI-Direktor James Comey schrieb einmal, das typische Gespräch mit Biden starte in »Richtung A«, biege dann aber irgendwann in »Richtung Z« ab. (Im Dezember 2019 gab Bidens Wahlkampforganisation eine Zusammenfassung seiner Krankengeschichte frei, in der er als für sein Alter »gesunder und kraftvoller« Mann bezeichnet wurde.)

Das Alter war in der einen oder anderen Form ein ständiges Thema im Präsidentschaftswahlkampf 2020. Trump war 2016 als ältester Präsident der Geschichte ins Weiße Haus eingezogen. Im Sommer 2020 war er vierundsiebzig Jahre alt. Um von den Zweifeln an seiner geistigen Leistungsfähigkeit abzulenken, stellten er und seine Verbündeten Biden als senil dar; diese Behauptung wurde zu einem wichtigen Thema in rechtsgerichteten Fernsehsendern und auf Twitter. Biden bemerkte wenig davon, denn er kümmerte sich kaum um die sozialen Medien. (Verglichen mit Trump nutzte Biden diese Medien praktisch nicht. Trump hat auf Twitter und Facebook zusammen mehr als 114 Millionen Follower, Biden weniger als 10 Millionen.)

Wenn etwas besonders Wichtiges geschah, nahmen seine Mitarbeiter einen Tweet in den morgendlichen Nachrichtenüberblick auf, den er auf seinem Smartphone las. Aber er sagt dazu: »Ich sehe mir nicht viele Kommentare an. Ich verbringe meine Zeit lieber damit, mich auf die Schwierigkeiten zu konzentrieren, mit denen die Menschen gerade zu kämpfen haben.«

Ende August, zehn Wochen vor der Wahl, hatte Biden in den Umfragen einen Vorsprung von mindestens acht Prozentpunkten auf Trump. Doch kein Erdenbewohner erwartete ein normales Ende des Wahlkampfs. Einige Umfragen zeigten, dass Bidens Vorsprung schmolz und dass eine unvorhergesehne Entwicklung in der Wirtschaft, im Kongress oder im Obersten Gerichtshof dem Rennen eine entscheidende Wendung geben könnte. »Ich glaube, wir sind auf dem richtigen Weg«, sagte Biden. »Aber ich weiß, dass es wirklich, wirklich hässlich werden wird.« Während Trump die Rechtmäßigkeit der Briefwahl infrage stellte, schränkte sein...

Erscheint lt. Verlag 28.10.2020
Übersetzer Ulrike Bischoff, Stephan Gebauer
Verlagsort Berlin
Sprache deutsch
Original-Titel Joe Biden. The life, the run, and what matters now
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Geschichte / Politik Politik / Gesellschaft
Sozialwissenschaften Politik / Verwaltung
Schlagworte Amerika • biden • Demokraten • Donald Trump • Herausforderer • Joe Biden • Politik • Trump • USA • USA Wahl
ISBN-10 3-518-76918-9 / 3518769189
ISBN-13 978-3-518-76918-8 / 9783518769188
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