Ein Linker wagt sich aus der Deckung (eBook)

Für einen neuen Kommunismus

(Autor)

eBook Download: EPUB
2021 | 1. Auflage
352 Seiten
Ullstein (Verlag)
978-3-8437-2389-3 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Ein Linker wagt sich aus der Deckung -  Slavoj ?i?ek
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Wir brauchen eine Linke, die bereit ist, für eine andere Weltgesellschaft zu kämpfen. Nicht in vermeintlich großen Schlachten, sondern über konkrete Veränderungen und mit den Menschen im Blick. Neue Finanzblasen, Wirtschaftskriege, echte Kriege, das freie Denken gefangen zwischen Populismus und Political Correctness, die Boshaftigkeit eines Donald Trump, die Heimsuchung durch Corona: Unsere Welt leidet an Stapelproblemen. Können wir von der kapitalistischen Weltherrschaft wirklich Lösungen hierfür erwarten? Bestimmt nicht, sagt Slavoj ?i?ek. Vielmehr muss der Kommunismus seine neue Chance ergreifen. Denn nur mit einer globalen Agenda, die das gemeinsame Handeln in den Fokus rückt, werden wir die Zukunft in den Griff bekommen. 'Slavoj ?i?ek ist Psychoanalytiker, Kommunist - und einer der aufregendsten europäischen Philosophen der Gegenwart.' Deutschlandfunk

Slavoj ?i?ek, geboren am 21. März 1949 in Ljubljana, ist Philosoph, Kulturkritiker und Theoretiker der Psychoanalyse. Er hat zahlreiche Gastprofessuren im Ausland inne, unter anderem an der Columbia University, in New York und in Princeton. Bekannt geworden ist er durch die Weiterentwicklung der Psychoanalyse Lacans in das Feld der Populärkultur und Gesellschaftskritik. Zudem setzte er sich mit Hegel und Marx, Poststrukturalismus, Medientheorie, Feminismus und Cultural Studies auseinander. ?i?ek zählt zu den bedeutendsten Philosophen unserer Zeit.

Slavoj Žižek, geboren am 21. März 1949 in Ljubljana, ist Philosoph, Kulturkritiker und Theoretiker der Psychoanalyse. Er hat zahlreiche Gastprofessuren im Ausland inne, unter anderem an der Columbia University, in New York und in Princeton. Bekannt geworden ist er durch die Weiterentwicklung der Psychoanalyse Lacans in das Feld der Populärkultur und Gesellschaftskritik. Zudem setzte er sich mit Hegel und Marx, Poststrukturalismus, Medientheorie, Feminismus und Cultural Studies auseinander. Žižek zählt zu den bedeutendsten Philosophen unserer Zeit.

Einleitung: Vom kommunistischen
Standpunkt aus gesehen


Dieses Buch versammelt eine ganze Bandbreite an Themen, die öffentliche Aufmerksamkeit erregt haben: von den wirtschaftlichen Turbulenzen bis zum Kampf um sexuelle Befreiung, vom Populismus bis zur politischen Korrektheit, von der Launenhaftigkeit der Präsidentschaft Trumps bis zu den anhaltenden Spannungen in und mit China, von den ethischen Problemen im Zusammenhang mit Sexbots bis zur Nahostkrise. Unzeitgemäß sind all diese Interventionen, weil ihre Prämisse lautet, dass nur ein kommunistischer Standpunkt erlaubt, diese Themen angemessen zu durchdringen.

Warum aber Kommunismus? Nun, alle Anzeichen deuten darauf hin, dass unsere globale Situation zunehmend nach einem solchen Standpunkt verlangt. Die Apologeten der bestehenden Ordnung verweisen gerne darauf, dass der Traum vom Sozialismus ausgeträumt sei und sich jeder Versuch, ihn zu verwirklichen, als Albtraum erwiesen habe (man schaue sich nur an, was in Venezuela los ist). Gleichzeitig mehren sich allerorts die Anzeichen von Panik: Wie sollen wir zurechtkommen mit der Erderwärmung, mit der drohenden totalen digitalen Kontrolle unseres Lebens, mit dem Zustrom von Flüchtlingen? Kurz gesagt, mit den Auswirkungen und Konsequenzen eben dieses triumphierenden globalen Kapitalismus?

All das ist keine Überraschung: Mit dem Sieg des Kapitalismus brechen seine Widersprüche auf. Auf der einen Seite mehren sich überall die Indizien für einen antiaufklärerischen Wahnsinn. In der nordpolnischen Stadt Koszalin (Köslin) verbrannten drei katholische Priester Bücher, denen sie die Förderung von Hexenwerk vorwarfen, darunter einen Harry-Potter-Roman. Sie trugen die Bücher in einem großen Korb aus einer Kirche zu einer gepflasterten Stelle nach draußen, um sie dort unter Gebeten und den Augen einer kleinen Zuschauermenge anzuzünden. Diese Zeremonie fotografierten sie und posteten sie auf Facebook.1 Shaun Walker: »Harry Potter among books burned by priests in Poland«, The Guardian, 1. April 2019, http://www.theguardian.com/world/2019/apr/01/. Ein Einzelfall, gewiss. Doch wenn wir ihn mit ähnlichen Vorfällen in Beziehung setzen, zeigt sich ein klares antiaufklärerisches Muster. Auf dem 106. Indischen Wissenschaftskongress (Januar 2019) in Punjab stellten lokale Wissenschaftler eine Reihe von Behauptungen auf, etwa die, dass die Kauravas aus dem Mahabharata mithilfe von Stammzell- und Retortentechnologien gezeugt worden seien, Prinz Rama »Astras« und »Shastras« benutzt habe, während Vishnu mit seiner gezackten Wurfscheibe, dem Chakra, auf seine Ziele losgegangen sei. All dies zeige, dass die Wissenschaft der Lenkflugkörper in Indien bereits vor Tausenden von Jahren bekannt gewesen sei, dass Ravana nicht nur über seinen fliegenden Palast, den Pushpaka Vimana, sondern über 24 Arten von Fluggeräten und Flughäfen in Lanka verfügt habe, dass die theoretische Physik (einschließlich Newton und Einstein) völlig falschliege und man Gravitationswellen in »Narendra-Modi-Wellen« sowie den Gravitationslinseneffekt in »Hashvardhan-Effekt« umbenennen werde, und nicht zuletzt, dass Brahma die Existenz von Dinosauriern auf der Erde entdeckt und in den Veden erwähnt habe.2 Rajani KS: »Outlandish claims at Indian Science Congress: A 6-point rebuttal by a science activist«, The News Minute, 8. Januar 2019, http://www.thenewsminute.com/article/outlandish-claims-indian-science-congress-6-point-rebuttal-science-activist-94691. Auch so kann man natürlich die Überreste des westlichen Kolonialismus bekämpfen, wie sich die Bücherverbrennung in Polen ja durchaus als ein Weg verstehen lässt, um sich gegen die kommerzielle westliche Konsumkultur zur Wehr zu setzen. Die Verbindung dieser beiden Beispiele aus dem hinduistischen Indien und dem christlichen Europa zeigt, dass wir es mit einem globalen Phänomen zu tun haben.

Während wir immer tiefer in diesem Wahnsinn versinken, der problemlos neben einem blühenden globalen Markt besteht, kommt die wahre Krise immer näher. Im Januar 2019 präsentierte ein internationales Team von Wissenschaftlern »eine neue Ernährungsweise, die ihren Worten zufolge die Gesundheit verbessern und gleichzeitig eine nachhaltige Lebensmittelherstellung sicherstellen könne, um weiteren Schaden für den Planeten abzuwenden. Die ›planetarische Gesundheitsdiät‹ beruht darauf, den Konsum von rotem Fleisch und Zucker zu halbieren und stattdessen den Verzehr von Obst, Gemüse und Nüssen zu steigern.«3 Nina Avramova: »New ›planetary health diet‹ can save lives and the planet, major review suggests«, CNN, 21. Januar 2019, http://edition.cnn.com/2019/01/16/health/new-diet-to-save-lives-and-planet-health-study-intl/index.html. Wir sprechen also von einer radikalen Neuorganisation unserer gesamten Nahrungsmittelproduktion und -verteilung – und wie kriegen wir das hin? »Der Bericht schlägt fünf Strategien vor, um sicherzustellen, dass die Menschen ihre Ernährung umstellen und dabei den Planeten schonen: Anreize für gesünderes Essen schaffen, Ausbau der nachhaltigen Landwirtschaft, strengere Regeln für die Nutzung von Meeren und Anbauflächen sowie die Verringerung der Verschwendung von Lebensmitteln.« Schön und gut – aber noch einmal, wie kriegen wir das hin? Ist nicht klar, dass wir eine starke globale Instanz brauchen, die die Macht hat, solche Maßnahmen zu koordinieren? Und deutet eine solche Instanz nicht in Richtung »Kommunismus«, wie wir das einst nannten? Und gilt nicht dasselbe für andere Bedrohungen des Überlebens unserer Spezies? Brauchen wir dieselbe globale Instanz nicht auch, um mit der explodierenden Zahl von Flüchtlingen und Einwanderern umzugehen und mit der problematischen digitalen Kontrolle unseres Lebens?4 Es sollte hier keine Tabus geben. So sollte man die Hypothese, dass der Zustrom von Millionen Flüchtlingen nach Europa nicht spontan, sondern zu bestimmten geopolitischen Zwecken gelenkt war, nicht kurzerhand als reine islamophobe Paranoia abtun. Sowohl die USA als auch Russland sind unübersehbar daran interessiert, Europa zu schwächen, und dulden diese muslimische Einwanderung stillschweigend, was auch erklärt, warum die reichen arabischen Länder (Saudi-Arabien, Kuwait, die Emirate) keine Flüchtlinge aufnehmen, während sie gleichzeitig den Bau von Moscheen in Europa großzügig finanzieren.

Wir brauchen kommunistische Eingriffe, weil unser Schicksal noch nicht besiegelt ist – nicht in dem schlichten Sinn, dass wir eine Wahl haben, sondern in dem radikaleren Sinn, dass wir über unser Schicksal selbst bestimmen können. Nach landläufiger Auffassung steht die Vergangenheit fest; was geschehen ist, ist geschehen und kann nicht mehr geändert werden, während die Zukunft offen ist und von unvorhersehbaren Eventualitäten abhängt. Ich aber möchte geradezu das Gegenteil behaupten: Die Vergangenheit steht rückwirkenden Interpretationen offen, während die Zukunft abgeschlossen ist, da wir in einem deterministischen Universum leben. Das heißt nicht, dass wir die Zukunft nicht ändern können; es bedeutet nur, dass wir, um unsere Zukunft zu ändern, erst unsere Vergangenheit nicht »verstehen«, sondern ändern müssen, indem wir sie so neu interpretieren, dass sie sich einer anderen Zukunft öffnet als der, die in der vorherrschenden Sicht der Vergangenheit beschlossen ist.

Wird es zu einem neuen Weltkrieg kommen? Die Antwort kann nur paradox ausfallen: Wenn es zu einem neuen Krieg kommt, wird es ein notwendiger sein. So funktioniert eben die Geschichte – durch merkwürdige Umschwünge, die Jean-Pierre Dupuy so beschreibt:

Wenn ein außerordentliches Ereignis eintritt, eine Katastrophe beispielsweise, dann könnte es nicht nicht stattgefunden haben; dennoch ist es, soweit es nicht stattgefunden hat, nicht unvermeidlich. Es ist somit das Eintreten des Ereignisses – die Tatsache, dass es stattfindet –, die rückwirkend seine Notwendigkeit erzeugt.5 Jean-Pierre Dupuy: Petite Métaphysique des tsunamis. Paris 2005, S. 19.

Genau dasselbe gilt für einen neuen globalen Krieg: Bricht der Konflikt (zwischen den USA und Iran, zwischen China und Taiwan) einmal aus, wird er unvermeidlich erscheinen, das heißt, wir werden die Vergangenheit, die zu ihm führte, automatisch als eine Reihe von Ursachen lesen, die ihn unausweichlich machten. Sollte es nicht dazu kommen, werden wir diese Vergangenheit auf die gleiche Weise lesen, wie wir heute den Kalten Krieg sehen: als eine Reihe von gefährlichen Momenten, in denen die Katastrophe abgewendet wurde, weil sich beide Seiten der tödlichen Konsequenzen eines globalen Konflikts bewusst waren. (So gibt es heute viele Stimmen, die behaupten, in den Jahren des Kalten Krieges habe nie wirklich die Gefahr eines Dritten Weltkriegs bestanden – beide Seiten hätten nur mit dem Feuer gespielt.) Diese tiefere Ebene ist es, auf der wir kommunistische Eingriffe brauchen.

Jürgen Habermas wird oft als Staatsphilosoph der deutschen (und sogar europäischen) liberalen Linken beschrieben – kein Wunder also, dass der damalige konservative spanische Ministerpräsident...

Erscheint lt. Verlag 1.2.2021
Reihe/Serie Streitschrift
Übersetzer Michael Adrian, Frank Born, Karen Genschow
Verlagsort Berlin
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Geschichte / Politik Politik / Gesellschaft
Sozialwissenschaften Politik / Verwaltung
Schlagworte Brexit • Corona • Flüchtlinge • Gender • Kapitalismus • Kommunismus • Krise • Links • Nazis • Philosophie • Populismus • Sanders • Slowenien • Sozialismus • Trump • USA
ISBN-10 3-8437-2389-3 / 3843723893
ISBN-13 978-3-8437-2389-3 / 9783843723893
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