Die Welt des Adels (eBook)

Europas Herrscherhäuser vom Mittelalter bis heute - Ein SPIEGEL-Buch
eBook Download: EPUB
2021 | 1. Auflage
256 Seiten
Deutsche Verlags-Anstalt
978-3-641-26863-3 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Die Welt des Adels -  Bettina Musall,  Eva-Maria Schnurr
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Der europäische Adel: Eine Klasse für sich
Wollten Sie nicht schon immer wissen, was bei Hofe wirklich passiert? Wie man sich in der höfisch-ritterlichen Welt kleiden und verhalten musste? Was Aristokratinnen heimlich in ihre Tagebücher schrieben, und welche Blaublüter doch tatsächlich selbst arbeiteten? In diesem Buch geben SPIEGEL-Autoren und renommierte Adels-Experten überraschende Einblicke in die prunkvolle Welt des europäischen Adels. Sie stellen die wichtigsten Herrscherhäuser und ihre Stammsitze vor, und zeigen, welchen politischen und militärischen Einfluss der Adel vom Mittelalter bis heute auf die europäischen Gesellschaften hatte und wie sich seine Rolle im Laufe der Zeit wandelte. Und nicht zuletzt versuchen sie zu ergründen, wozu Adel heute noch verpflichtet. Das Buch wird zahlreiche Abbildungen enthalten.

»HÖHERES MENSCHSEIN«

Gab es den Adel immer schon? Eher nicht, sagt der Historiker Werner Hechberger: Der Stand bildete sich erst im Verlauf des Mittelalters heraus. Auch Normalsterbliche hatten die Chance zum Aufstieg.

Ein Interview mit Eva-Maria Schnurr

SPIEGEL: Herr Professor Hechberger, was ist Adel?

Werner Hechberger: Adel ist ein soziales und kulturelles Phänomen, das in vormodernen Gesellschaften entstand. Modellhaft gehen Historiker davon aus, dass sich Agrargesellschaften irgendwann leisten konnten, einige Mitglieder von der normalen Arbeit freizustellen. Diese Leute mussten nicht mehr täglich aufs Feld, sondern übernahmen Spezialaufgaben, die für alle wichtig waren: religiöse oder kriegerische Aufgaben.

Für die Religion waren die Priester zuständig, für die Kriegsführung jene, die später adelig wurden?

Genau, sie sorgten für den Schutz der Gemeinschaft, aber auch für die Expansion des Territoriums. Weil sie dafür Fähigkeiten und Kenntnisse brauchten, genossen sie besonderes Ansehen und hatten eine gesellschaftliche Vorrangstellung, die später auch vererbt wurde. Die Familien verfügten dann normalerweise über reichlichen Grundbesitz und konnten auf eine besondere Abstammung verweisen. Auch ein bestimmtes Selbstverständnis gehörte dazu. Schließlich fixierte man das Ganze rechtlich – der Adel im klassischen Sinn war entstanden, so stellt man sich zumindest in der Theorie die Entstehung des Adels vor.

Gibt es in jeder Gesellschaft so etwas wie Adel?

In vielen Gesellschaften dürfte es das Phänomen der frühen Arbeitsteilung gegeben haben, bei der bestimmte Personengruppen einen Vorrang genossen. Der europäische Adel mag ein paar Besonderheiten haben, die ihn vom Adel in anderen Kulturen unterscheidet. Ein rein mitteleuropäisches Phänomen ist er sicher nicht.

Gab es große Unterschiede innerhalb Europas?

Nein, im Gegenteil: Die Gemeinsamkeiten sind sehr groß. Das begründet sich sicher in der gemeinsamen Religion, dem Christentum. Auch die Adeligen selbst waren sich durchaus bewusst, dass es so etwas wie einen europäischen Adel gab, die Netzwerke reichten früh schon über territoriale Grenzen hinaus.

Wann entstand diese Elite?

Einen Adel gab es schon in der Antike: die römische Nobilitas, jene römischen Bürger also, die Grundbesitz hatten und politische Ämter bekleiden konnten. Es gibt einige Historiker, die meinen, dieser Adel habe nahtlos bis ins Mittelalter fortbestanden, aber das ist umstritten. Sicher wurden einige Vorstellungen übernommen, und wahrscheinlich gab es auch personelle Kontinuitäten, vor allem in den ehemaligen römischen Gebieten, in Gallien etwa. Aus der germanischen Vorzeit, den Gebieten außerhalb des römischen Einflusses, haben wir kaum aussagekräftige Quellen. Die Archäologie weist auf beträchtliche soziale Unterschiede in den germanischen Gesellschaften hin – welches Gesellschaftsmodell dahinterstand, ist allerdings unklar. Man geht aber davon aus, dass Familien, die während der Völkerwanderungszeit eine führende Funktion hatten, diese auch danach behielten.

Ab wann weiß man Konkreteres?

In der Karolingerzeit, ab Mitte des 8. Jahrhunderts, kann man recht eindeutig eine Oberschicht feststellen: eine Personengruppe, die über Ämter und Reichtum verfügt und deren Status schon faktisch erblich ist. Ab dieser Zeit sind dann auch vereinzelt personelle Kontinuitäten nachweisbar. Möglicherweise hängt das mit dem Wandel der Kriegsführung zusammen: In der Merowingerzeit – vom 5. bis zum 8. Jahrhundert – bestanden die Heere wahrscheinlich hauptsächlich aus Fußsoldaten, hier konnten fast alle freien Mitglieder der Gesellschaft problemlos Kriegsdienste leisten. In der Karolingerzeit wurde die Reiterei dominierend, wer nun effektiv kämpfen wollte, musste über großen materiellen Besitz verfügen: Er musste ein Pferd unterhalten, eine Rüstung besitzen, hier konnten viele nicht mehr mithalten, sodass die sozialen Unterschiede größer wurden.

War Kriegertum die einzige Wurzel des Adels?

Eine andere waren möglicherweise Ämter, die vom König verliehen waren. In der fränkischen Zeit sind neben zuverlässigen Gefolgsleuten offenbar auch lokale Machthaber zu Grafen ernannt und damit in die Aristokratie eingegliedert worden.

Ab wann hatten die Aristokraten eine rechtliche Sonderstellung?

Im Hochmittelalter, ab dem 12. Jahrhundert, wurden bestimmte Privilegien rechtlich fixiert. Die sozialen Unterschiede wurden zu verfassungsmäßigen Rangstufen, es bildete sich ein Reichsfürstenstand, der sich schließlich mit den Grafen und freien Herren als Hochadel abgrenzte. Bekannt ist die Heerschild-Ordnung aus dem »Sachsenspiegel«: Die Besitzer von Lehen wurden in sieben »Heerschilde« eingeteilt, das erste bildete der König oder Kaiser als oberster Lehnsherr. Das zweite und dritte waren geistliche und weltliche Reichsfürsten, das vierte Grafen und freie Herren, darunter kamen rangniedrigere Vasallen und Dienstleute, die Ministerialen, bis hin zum »Einschildritter«, der Lehen nur empfangen, nicht aber selbst vergeben konnte. Dieses Bild war kein Gesellschaftsmodell, sondern sollte nur lehnsrechtliche Beziehungen systematisch darstellen. Aber es zeigt eben auch die Unterschiede innerhalb des Adels und die Bemühungen, sich vom Nichtadel rechtlich abzugrenzen.

Weshalb hat sich das Konzept der erblichen Adelsherrschaft durchgesetzt? Aus heutiger Sicht erscheint es ja ziemlich ungerecht.

Es war auch damals nicht die einzige Form, Herrschaft zu organisieren. Schon im Frühmittelalter gab es Herrschaft, die durch Wahl legitimiert war, der Abt im Kloster etwa. Auch der König wurde anfangs gewählt und ab dem Hochmittelalter dann auch die städtischen Regierungen. So gegensätzlich, wie sie scheinen, sind diese unterschiedlichen Formen von Herrschaft aber gar nicht. Herrschaft beruhte auch im Mittelalter nicht auf bloßer Gewalt und reiner Willkür, sondern sie bedurfte immer zumindest teilweise der Zustimmung der Beherrschten, sie musste sich also legitimieren. Und das ist der Adelsherrschaft offenbar gelungen: Sie scheint einigermaßen effektiv gewesen zu sein.

Was waren die Aufgaben des Adels?

Der Schutz der Armen und Machtlosen. Der Schutzgedanke stammt aus der Antike, wurde christlich untermauert und immer wieder betont, er war zentral für die Legitimation des Adels. Vom 10. Jahrhundert an wurde die Idee ausgebaut zum bekannten Drei-Stände-Schema der Gesellschaft. Nun unterschied man drei Funktionen: die Oratores, also jene, die beten, die Laboratores, die Arbeitenden, und die Pugnatores, die Leute, die kämpfen. Das Schema galt als gottgewollt, und somit war auch die Tätigkeit durch Gott legitimiert.

Auch aufgrund solcher Schemata haben viele Menschen heute das Bild von einer statischen mittelalterlichen Gesellschaft, in der es keine soziale Mobilität gab. So, wie Sie es schildern, war der Adel ja keineswegs eine von Beginn an abgeschlossene Gruppe, sondern es gab Bewegung in der Gesellschaft. War sozialer Aufstieg im Mittelalter doch möglich?

Ich glaube nicht, dass die mittelalterliche Gesellschaft so starr war, wie wir sie heute sehen. Die damaligen Gesellschaftsbilder waren normative Entwürfe: Die Gesellschaft sollte statisch sein. In der Realität war sie es nicht. Aufstieg war immer möglich. Die Ministerialen etwa waren ursprünglich unfreie Dienstmannen, die in der Verwaltung Funktionen ausübten oder Kriegsdienste leisteten. Sie fanden ab dem 12. Jahrhundert Anschluss an den Adel, und ihre Nachkommen bildeten den niederen Adel des späten Mittelalters. Und schon früher, im späten 9. und frühen 10. Jahrhundert, gab es im Adel vielleicht besonders hohe Fluktuation.

Wie kam es dazu?

Das späte Karolingerreich wurde von außen bedroht, von Ungarn und Normannen. Einige Quellen berichten von großen Verlusten fränkischer Heere, der bayerische Adel soll fast völlig aufgerieben worden sein. Das ist ganz sicher übertrieben, aber für solche Zeiten liegt die Annahme nahe, dass neue Männer durch Erfolge im Kampf nachrücken konnten und sozial aufstiegen. In Einzelfällen kann man das nachweisen.

Welche Rolle spielten Statussymbole für die soziale Abgrenzung zwischen einfacher Bevölkerung und Adel? Musste man als Adeliger Reichtum oder Besitz demonstrieren oder ein bestimmtes Verhalten zeigen?

Der Historiker Johannes Fried hat mal formuliert: »Adelslos ist es, herrisch aufzutreten.« Die meisten Forscher dürften sich einig sein, dass soziale Abgrenzung durch ein besonderes Verhalten immer schon dazugehört hat. Das ist ja auch logisch: Wer Schutz ausüben will, muss auch deutlich zeigen, dass er notfalls gewaltbereit ist. Seit der Antike grenzte der Adel sich über einen eigenen Habitus ab, über bestimmte Verhaltensnormen: Anfangs spielten militärische Aspekte eine große Rolle. Seit dem 12. Jahrhundert wurden die Normen im Kontext der ritterlich-höfischen Kultur stark verfeinert, nun gab es detaillierte Vorgaben, wie man sich als Adeliger verhalten sollte: Demut, Mäßigung und Höflichkeit waren wichtig, man musste Schach spielen können, den Damen den Hof machen und vieles mehr. Der normale Ritter hat sich sicher nicht brav an diesen Tugendkatalog gehalten, aber das Ideal hatte Auswirkungen auf die Wirklichkeit.

Sie haben anfangs gesagt, dass europäischer Adel und Christentum eng...

Erscheint lt. Verlag 15.3.2021
Zusatzinfo mit Abbildungen
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Geschichte / Politik Politik / Gesellschaft
Sozialwissenschaften Politik / Verwaltung
Schlagworte Adelsgeschlecht • Aristokratie • eBooks • Geschichte • Habsburger • Herrscherhäuser • höfische Intrigen • Hohenzollern • Monarchen • Queen Elizabeth • Romanows • Sozialgeschichte
ISBN-10 3-641-26863-X / 364126863X
ISBN-13 978-3-641-26863-3 / 9783641268633
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