Flagge zeigen! (eBook)

Warum wir gerade jetzt Schwarz-Rot-Gold brauchen
eBook Download: EPUB
2021 | 1. Auflage
288 Seiten
Siedler (Verlag)
978-3-641-25560-2 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Flagge zeigen! -  Enrico Brissa
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Unsere Staatssymbole stehen für unsere Freiheit - wir dürfen sie nicht den Extremisten überlassen!
Schwarz-Rot-Gold steht für unsere freiheitliche Verfassung und damit das Fundament unserer offenen Gesellschaft. Wie kann es dann sein, dass dieses Symbol zunehmend von der extremen Rechten gekapert und umgedeutet wird? Warum nehmen viele Bürgerinnen und Bürger das einfach hin, warum ist ihnen die freiheitliche Bedeutung unserer Staatssymbole so wenig bewusst? Enrico Brissa, langjähriger Protokollchef zweier Bundespräsidenten und des Deutschen hält ein leidenschaftliches Plädoyer für einen gelebten Verfassungspatriotismus - und zeigt, warum wir gerade in Krisenzeiten unsere Staatssymbole brauchen.

Enrico Brissa, Sohn eines Italieners und einer Deutschen, wurde 1971 in Heidelberg geboren. Der promovierte Jurist arbeitete u.a. in der Verwaltung des Deutschen Bundestages, bevor er 2011 ins Bundespräsidialamt wechselte, wo er als Protokollchef der Bundespräsidenten Wulff und Gauck tätig war. Seit 2016 leitet er das Protokoll beim Deutschen Bundestag. Daneben unterrichtet er als Lehrbeauftragter an der juristischen Fakultät der Universität Jena. 2018 erschien »Auf dem Parkett. Kleines Handbuch des weltläufigen Benehmens«.

1. Kapitel
Irrungen und Wirrungen um Schwarz-Rot-Gold


Wie in den Epochen zuvor war unser Verhältnis zu Schwarz-Rot-Gold auch in der Nachkriegszeit voller Widersprüche, ja von Irrungen und Wirrungen geprägt. Zunächst war da ein Zustand des verschämt Verborgenen, so wurde der deutsche »Dreifarb« in den ersten Jahrzehnten der Bundesrepublik jenseits höchster staatlicher Repräsentation kaum gezeigt – sieht man einmal von den kleinen Aufnähern an den früher im Westteil unseres Landes doch ziemlich präsenten Bundeswehr-Parkas ab (wenn sie nicht abgetrennt oder mit Edding verunstaltet waren).

Die absolute Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger hatte jedenfalls keine Bundesflagge zu Hause. Wie regelmäßige Umfragen zeigen, war diese in der »alten« Bundesrepublik ein wirklich rares Gut. Nach einer Erhebung aus dem Jahr 1977 besaßen ganze vier Prozent eine Bundesflagge. Schon die Formulierungen der Fragen offenbarten eine gewisse Hilflosigkeit im Umgang mit dieser Thematik. So wollte das Institut für Demoskopie Allensbach 1977 wissen, ob man »übrigens« eine Bundesflagge besitze und im Jahr 1981, ob man »zufällig« zu Hause eine schwarz-rot-goldene Fahne habe.

Ende der Achtzigerjahre wurde dann mit einem Schlag alles anders, jedenfalls im Ostteil unseres Landes: Schwarz-Rot-Gold wurde zu einem omnipräsenten Symbol der friedlichen Revolution, ja zu einem revolutionären Signal. Seit den Montagsdemonstrationen in kongenialer Weise verbunden mit den Sprechchören »Wir sind das Volk!«. Die Kraft der alten Farben, die plötzlich zu einem mächtigen Instrument der Opposition und einem ausdrucksstarken Symbol des Umbruchs geworden waren, mag im Westen manch einen überrascht haben. Ebenso die Geschwindigkeit, mit der zuvor tabubehaftete Begriffe wie »Volk«, »Vaterland« und »Nation« in den öffentlichen Sprachgebrauch zurückkehrten (Irene Götz**). Auf ganz natürliche Weise besann man sich allerorten der republikanischen Traditionen von Schwarz-Rot-Gold, die auf die Einheit Deutschlands verpflichtet waren. Diese Farben standen doch immer für Demokratie und Einheit, also das, was auch heute noch das Fundament unseres Landes ist. Schwarz-Rot-Gold war eine Chiffre für eine demokratische Republik, die anders als die DDR ihren Namen verdiente. Wie von selbst entledigte sich im östlichen Teil unseres Landes die deutsche Flagge des mit Hammer und Zirkel versehenen goldenen Ährenkranzes, also der Zusätze, die die junge DDR ihr beigegeben hatte. Und so wurde die Bundesflagge 1990 in ihrer ursprünglichen Form zu einem gesamtdeutschen Symbol, mit dem sich auch die Freude über die wiedererlangte Einheit auf einfache Weise ausdrücken ließ.

Das Jahr 1990 zeigte übrigens einmal mehr, dass Flaggen und Hymnen eng und vielschichtig mit sportlichen Wettkämpfen verbunden sind. In der Geschichte deutscher Staatssymbole hat dabei der Fußball einen besonderen Platz. Noch heute kann man darüber staunen, wie es möglich war, dass Deutschland 1990 so kurz nach dem Mauerfall und vor der Wiedervereinigung auch noch Fußballweltmeister wurde. Was die Akzeptanz der Bundesflagge angeht, haben beide Ereignisse in synergetischer Weise jedenfalls zu einem wahren schwarz-rot-goldenen Flaggenmeer geführt.

Mit der Fußballweltmeisterschaft 2006, in der »die Welt zu Gast bei Freunden« in Deutschland war, entkrampfte sich das Verhältnis zur eigenen Flagge noch weiter. Dank »Public Viewing« und »Fanmeile« schien unser Land regelrecht in die Farben der Trikolore eingetaucht zu sein. Alle Welt konnte beobachten, wie wir Deutschen viel entspannter mit den Symbolen unseres Staates umgingen.

Es waren letztlich vor allem Vertreter der mitunter extremen Linken, des »Antifa«-Milieus und der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, die sich dem entgegenstellten. So sorgte etwa die Aktion der damaligen sächsischen PDS-Landtagsabgeordneten Julia Bonk für einiges Aufsehen. Unter Hinweis auf die Singularität der Verbrechen des nationalsozialistischen Deutschlands hatte sie dazu aufgerufen, jeweils drei Bundesflaggen gegen ein T-Shirt mit Parteilogo und der Aufschrift »Nazis raus aus den Köpfen« einzutauschen. Neben den angeblich eingesammelten 107 Flaggen brachte ihr dies aber vor allem Kritik ein, die auch ihre eigene Partei deutlich formulierte.

Für die Akzeptanz unserer Nationalfarben und anderer patriotischer Äußerungen war 2006 eine bedeutende Zäsur. Wie sehr sich hier die Stimmung gewandelt hatte, kann man exemplarisch auch an der Skandalisierung des Songs »Was es ist« nur knapp drei Jahre zuvor ablesen. Als die Berliner Kult-Band »MiA« 2003 in Anlehnung an das Gedicht »Was es ist« von Erich Fried den gleichnamigen Song veröffentlichte, brach ein Sturm der Empörung los. Für viele scheinen die Verse »Fragt man mich jetzt, woher ich komme, tu’ ich mir nicht mehr selber leid« und »Es ist, was es ist, sagt die Liebe – was es ist, sagt der Verstand. Wohin es geht, das woll’n wir wissen – und betreten neues, deutsches Land« genau so unerträglich gewesen zu sein wie der im Text ebenfalls vorkommende schwarze Kaffee, die schwarze Nacht, der rote Mund und die gelbe Sonne. Von der schwarz-rot-goldenen Kleidung der Bandmitglieder ganz zu schweigen.

Mit der WM 2006 schien der seit 1979 viel zitierte Verfassungspatriotismus plötzlich auf allen Straßen eine symbolische Umsetzung zu erfahren. Bundespräsident Köhler brachte es in einem Interview auf den Punkt: »Ich finde gut, dass ich nicht mehr der Einzige bin mit einer Flagge am Auto.« Aber natürlich ging es nicht überall friedlich zu. Insbesondere in Berlin lebten Linksradikale ihren Hass auf die von ihnen so bezeichneten »schwarz-rot-goldenen Lumpen« aus und veranstalteten regelrechte Beutezüge auf die in unseren Bundesfarben gehaltenen Flaggen und Wimpel.

Auch wenn die Bundesfarben nach der Weltmeisterschaft zumeist wieder aus dem Alltag verschwanden, blieb doch diese kollektive Erfahrung als Gefühl eines souveränen Umgangs zurück. Ein Umstand, der sich bei den folgenden internationalen Wettkämpfen und Meisterschaften manifestierte, vor allem wieder bei der Fußball-WM 2010 in Südafrika, die neben einem 3. Platz für die Nationalmannschaft vor allem auch dazu führte, dass erstmals die trötenartigen Klänge schwarz-rot-goldener Vuvuzelas in deutschen Innenstädten zu vernehmen waren. Immer mehr schwarz-rot-goldene Fanartikel kamen auf den Markt. (Einige sind inzwischen sogar im Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland zu besichtigen, etwa Badeschlappen und Socken.)

Aber auch dieses Fest wurde durch sogenannte »Autonome« gestört, wobei eine Geschichte aus Berlin-Neukölln symptomatisch zu sein scheint. Vor dem Spiel der Nationalmannschaft gegen Ghana hatten dort Ibrahim Bassal, sein Cousin Youssef und weitere ebenfalls patriotisch fühlende Fußballfreunde eine vom fünften Stock bis fast zum Parterre reichende Deutschlandflagge entrollt. Kaum geschehen, kamen aufgebrachte junge Leute in Bassals Ladengeschäft und warfen ihm vor, dass er den Nationalismus fördere und Nazigefühle in den Deutschen wiedererwecke. Seine Antwort, dass er und seine Familie seit Jahrzehnten in Berlin lebten und arbeiteten, die Kinder in Berlin geboren seien und doch klar sei, dass sie zu Deutschland hielten und was dies mit den Nazis zu tun hätte, führte zu keiner Entspannung der Situation. In der Folge war die haushohe Fahne tagelang umkämpft, Teile wurden abgerissen und sogar angezündet.

Ein Berliner Club hatte zu Fernsehübertragungen in »antinationalem Ambiente« eingeladen. Hymnen und Nationalfahnen waren dort als »Rückfall in Territorialdenken und Pflege von nationalistischen Ressentiments« nicht nur verboten, es gab sogar ein nach Punktwerten ausdifferenziertes Belohnungssystem für konfiszierte Flaggen und Trikots. Dieses reichte von 1 Punkt für kleine Flaggen über 10 Punkte für Nationaltrikots und einem aus 2 Punkten bestehenden Bonus für nachweislich verbrannte Flaggen. Als Königsdisziplin war mit 100 Punkten die Neuköllner Riesenflagge ausgelobt.

Wer in Berlin übrigens Länderspiele unserer Elf ohne Schwarz-Rot-Gold sehen will, ist beim »Bündnis Aktiver Fußballfans« gut aufgehoben. Allerdings müsste man sich bei diesem Nachfolgeverein des »Bündnisses antifaschistischer Fanclubs und Faninitiativen« darauf einstellen, dass dort zumeist für die Gegner der deutschen Nationalmannschaft gejubelt wird.

Die Presse berichtete damals von ähnlichen Erfahrungen, insbesondere war die Rede von zahlreichen türkisch- und arabischstämmigen Autobesitzern, die ihre Wimpel schließlich nur noch während der Fahrt an den Fahrzeugen befestigten, sie also während des Parkens vor dem Zugriff von Linksradikalen in Sicherheit brachten.

Bevor aber 2014 der Höhepunkt allgemeiner Flaggenfreude durch die gewonnene Fußballweltmeisterschaft erreicht wurde, gab es nach der Bundestagswahl 2013 noch eine kleine Begebenheit um Schwarz-Rot-Gold, die in den sozialen Medien über Jahre hinweg ein regelrechtes Eigenleben führte und als Ausgangspunkt vieler Verschwörungstheorien diente: Als Generalsekretär Hermann Gröhe auf der CDU-Wahlparty zu dem Song »Tage wie diese« spontan ein kleines schwarz-rot-goldenes Fähnlein schwenken wollte, wurde ihm dieses von der recht streng dreinblickenden Parteivorsitzenden Merkel aus der Hand genommen und am Bühnenrand abgegeben.

Wer die Aufnahmen dieser Szene genau betrachtet, bemerkt, dass einige Zuschauer im Konrad-Adenauer-Haus schwarz-rot-goldene Fahnen schwenkten, es sich also durchaus nicht um das einzige Exemplar handelte. Die spontane...

Erscheint lt. Verlag 18.1.2021
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Geschichte / Politik Politik / Gesellschaft
Sozialwissenschaften Politik / Verwaltung
Schlagworte Bundesflagge • Demokratiegefährdung • Deutsche Identität • eBooks • Grundwerte • Nationale Symbole • Nationalhymne • Nationalstolz • Patriotismus • Schwarz-Rot-Gold • Sturm auf das Kapitol • Sturm auf den Reichstag • Verfassung • Verteidigung der Demokratie
ISBN-10 3-641-25560-0 / 3641255600
ISBN-13 978-3-641-25560-2 / 9783641255602
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