Der Griff in die Kasse (eBook)

Wie das Abgeordnetenhaus von Berlin seine Bezüge maßlos erhöht - und wie die Selbstbereicherung noch gestoppt werden kann. Ein Stück aus dem Tollhaus
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2020 | 1. Auflage
112 Seiten
Heyne (Verlag)
978-3-641-26669-1 (ISBN)

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Der Griff in die Kasse -  Hans Herbert Arnim
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Die Aufdeckung eines politischen Skandals von seltener Dreistigkeit!
Wer wünscht sich das nicht: eine Gehaltserhöhung um 58 Prozent! Das Berliner Abgeordnetenhaus macht es möglich - allerdings nur für seine eigenen Mitglieder, die sich diese hemmungslose Aufstockung ihrer Bezüge zum 1. Januar 2020 genehmigt haben.
Wie dieser Griff in die Staatskasse eingefädelt und alle Kontrollen ausgehebelt wurden, das zeichnet der Staatsrechtler Hans Herbert von Arnim präzise nach. Um Recht und Gesetz haben sich die Betreiber dieser als »Parlamentsreform« bezeichneten aberwitzigen Bereicherung dabei wenig geschert - stattdessen haben sie die weitreichenden Folgen der Neuregelung vor der Öffentlichkeit verschleiert.
Doch es gibt Möglichkeiten, das Gesetz zu stoppen und die Abgeordneten in ihre Schranken zu weisen: Mit den Mitteln der direkten Demokratie, mit Volksbegehren und Volksentscheid, können Bürger und Verbände selber die Initiative ergreifen und das Abgeordnetenhaus zum Rückzug zwingen. Höchste Zeit, eine öffentliche Debatte darüber in Gang zu bringen!

»Es sind missbräuchliche Gesetze wie das Berliner Abgeordnetengesetz, die die parlamentarische Demokratie (und die Zustimmung der Menschen zu diesem System) in Verruf zu bringen drohen - nicht die notwendige Kritik daran.« Hans Herbert von Arnim

»Niemand außer dem Bundesverfassungsgericht hat schon so viele Gesetze aus den Angeln gehoben wie diese Einmann-Instanz namens Hans Herbert von Arnim.« Robert Leicht in »Die Zeit«

Hans Herbert von Arnim, Rechts- und Wirtschaftswissenschaftler, früherer Rektor der Hochschule für Verwaltungswissenschaften in Speyer und Verfassungsrichter in Brandenburg, war mit vielen Bestsellern, u.a. »Staat ohne Diener« und »Fetter Bauch regiert nicht gern«, einer der Ersten, der Machtmissbrauch, Inkompetenz und Opportunismus in den politischen Parteien anprangerte. Er gehört zu den versiertesten Kennern unserer Wahlsysteme und Parteienstrukturen.

1. Das Landesparlament ist viel zu groß

Parlamentarier, demonstriert Handlungsfähigkeit!

Das Abgeordnetenhaus von Berlin liefert ein schockierendes Beispiel für die Selbstherrlichkeit einer Volksvertretung. Überhang- und Ausgleichsmandate lassen das Parlament aus allen Nähten platzen. Das steigert die Kosten und hat entdemokratisierende Effekte, aber es erhöht eben auch die Wiederwahlchancen der Mandatsinhaber. Das dürfte ihre Bereitschaft, das Wahlrecht zu reformieren und die überzähligen Mandate zu beseitigen, stark gedämpft haben. Stattdessen stockte das Abgeordnetenhaus seine Diäten und Versorgungen gewaltig auf und nannte das »Parlamentsreform«. Dabei agierte das Parlament in eigener Sache. So macht die politische Klasse sich aus Eigeninteresse gleich in doppelter Hinsicht breit – zulasten des Vertrauens der Bürger in die Gemeinwohlorientierung der Politik.

Die Mindestgröße des Abgeordnetenhauses beträgt laut Berliner Verfassung 130 Mitglieder.7 Tatsächlich ist das Abgeordnetenhaus aufgrund von Überhang- und Ausgleichsmandaten derzeit aber auf 160 Abgeordnete angewachsen.

Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble hat wiederholt an den ebenfalls übergroßen Bundestag appelliert und mahnte ihn unter anderem im Herbst 2019, endlich politische Handlungsfähigkeit zu zeigen: »Wir kennen doch alle die Klage, dass wir keine Entscheidung mehr zustande bringen. Und jeder von uns spürt, dass es unerträglich ist, wenn vor der Wahl offenbleibt, wie groß der nächste Bundestag sein wird. […] Deswegen müssen wir es jetzt endlich angehen. Um zu zeigen, dass wir es in diesem System zustande bringen. Sonst wächst am Ende die Überzeugung bei immer mehr Bürgern, dass das System nichts taugt.«8

Das gilt gleichermaßen auch für das Berliner Abgeordnetenhaus. Da der Glaube an die Leistungsfähigkeit unseres demokratischen Systems in letzter Zeit bei vielen Betrachtern unübersehbar schwindet,9 sollten gerade die höchsten gewählten Instanzen unserer Demokratie nicht noch Öl ins Feuer gießen.

Wie viele Bürger vertritt ein Abgeordneter?

Um zu belegen, dass, bezogen auf die repräsentierte Bevölkerung, keine Notwendigkeit bestehe, das Abgeordnetenhaus auf 130 Mitglieder zu verkleinern, haben die Parlamentarischen Geschäftsführer der fünf Fraktionen, die gemeinsam den Antrag zur Änderung des Abgeordnetengesetzes eingebracht haben, einen Vergleich mit anderen Bundesländern angestellt. Das Ziel: prüfen, wie viele Menschen der oder die einzelne Abgeordnete10 dort jeweils zu vertreten hat. Sie wollten damit belegen, dass die 160 Mitglieder des Abgeordnetenhauses ganz normal seien. Dabei macht es aber gar keinen Sinn, sämtliche Landesparlamente zum Vergleich heranzuziehen, wie das die Geschäftsführer getan haben.

So führte der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion, Torsten Schneider, aus: »29 000 Einwohner werden von einem Berliner Parlamentarier vertreten. Das ist Platz acht, und damit genau die Mitte der Landesparlamente. Deshalb gibt es gar keine Veranlassung, sein Licht unter den Scheffel zu stellen.« 11

Und Daniel Wesener, der Parlamentarische Geschäftsführer der Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen, ergänzte: »Hinsichtlich der Relation von Abgeordnetenzahl und der Zahl der Einwohnerinnen und Einwohner, die sie repräsentieren sollen, hat Berlin das siebt- bzw. achtgrößte von 16 Länderparlamenten, liegt also auch hier im Bundesländerdurchschnitt.«12

Doch diese Behauptungen sind bereits in sich unrichtig und beruhen auf einem groben Schnitzer. Denn nicht 29 000 Einwohner werden von jedem der 160 Berliner Abgeordneten vertreten, sondern 22 780. Damit nimmt Berlin nicht Platz acht ein, wie die Geschäftsführer behaupten, sondern Platz zwölf (siehe Tabelle 1 im Anhang). Auf knapp 29 000 käme man nur, wenn man von 130 Abgeordneten ausginge. Dies tun die Geschäftsführer aber gerade nicht. Sie müssten deshalb beweisen, dass Berlin bei 160 Abgeordneten in der »Mitte der Landesparlamente« liegt, was eben definitiv nicht der Fall ist.

Im Übrigen ist es von vornherein unzulässig, die besonders kleinen Länder in den Vergleich mit einzubeziehen. Die Geschäftsführer tun das aber und ignorieren, dass die Parlamente selbstverständlich nicht proportional zu ihrer Bevölkerung abnehmen, weshalb in kleinen Ländern naturgemäß relativ wenige Einwohner auf einen Abgeordneten kommen. Lässt man die vier Bundesländer mit weniger als 2 Millionen Einwohnern außen vor, hat Berlin die kleinste Zahl von Einwohnern pro Abgeordneten. In Betracht kommen deshalb für einen Vergleich mit Berlin nur Länder mit ähnlich großer Bevölkerung.

Berlin hat bei 3,64 Millionen Einwohnern (Stand: 31.12.2018) 160 Abgeordnete, die nach der Diätenerhöhung (siehe dazu Kapitel 2) ähnlich vollalimentiert werden wie ihre Kollegen in den Vergleichsländern. Auf jeden Abgeordneten entfallen, wie schon erwähnt, 22 780 Einwohner (siehe Tabelle 1). Bei einer Verkleinerung des Abgeordnetenhauses auf 130 Mitglieder kämen auf jeden Abgeordneten 28 037 Einwohner.

Sachsen kommt bei 4,08 Millionen Einwohnern und 119 Abgeordneten auf 34 268 Einwohner pro Abgeordneten.

Rheinland-Pfalz hat 4,08 Millionen Einwohner und 101 Abgeordnete, also 40 444 Einwohner pro Abgeordneten (siehe Tabelle 1).

In diesen beiden Ländern, die sich deshalb gut mit Berlin vergleichen lassen, weil sie eine ähnlich große Einwohnerzahl haben, kommen auf jeden Parlamentarier also deutlich mehr Einwohner als in Berlin. Das gilt selbst noch im Falle einer Verkleinerung des Abgeordnetenhauses auf 130 Mitglieder. An der Übergröße des Berliner Abgeordnetenhauses festzuhalten ist also nicht gerechtfertigt. Das bestätigen auch folgende Feststellungen:

  • Berlin hat das drittgrößte Landesparlament, obwohl es, bezogen auf die Einwohnerzahl, nur das achtgrößte Bundesland ist.
  • Selbst die viel größeren Bundesländer Baden-Württemberg (11,1 Millionen Einwohner) und Niedersachsen (8 Millionen) haben weniger Abgeordnete als Berlin.

Dass ihr Vergleich hinkt und sie Äpfel mit Birnen gleichsetzen, muss natürlich auch den Parlamentarischen Geschäftsführern der fünf Fraktionen klar gewesen sein, die das Projekt betrieben. Mehrfach betonten sie in den Plenardebatten, sie hätten die Regelungen in allen anderen Ländern sorgfältig angesehen.13 Dass sie dennoch auch die nicht vergleichbaren kleinen Länder zum Maßstab heranzogen und auch noch unwahr behaupteten, Berlin nehme hinsichtlich der Relation Bevölkerungszahl / Abgeordnete die Mitte unter den Landesparlamenten ein, kann vor diesem Hintergrund nur als bewusste Täuschung gewertet werden (siehe auch Kapitel 2, hier).

Sind mehr Abgeordnete gleichbedeutend mit mehr Demokratie?

Die fatale Zweckgemeinschaft der fünf Fraktionen, die das im September beschlossene Abgeordnetengesetz in eigener Sache initiiert und durchgesetzt hat, begründet das Festhalten an der derzeitigen Größe des Abgeordnetenhauses auch damit, eine Verkleinerung würde eine »Verzwergung des Parlamentes«14 bewirken, wäre der Kontrolle der Regierung und der Gewaltenteilung abträglich und würde »zu einer Schwächung des Parlamentarismus in diesem Land führen«.15

Je mehr Abgeordnete also, desto besser die Regierungskontrolle und desto stärker der Parlamentarismus? Erwarten die Betreiber des Projekts wirklich, dass die Öffentlichkeit diese These ernst nimmt? Wäre es ihnen wirklich um die Verbesserung der Kontrolle gegangen, hätten sie endlich den Missstand beseitigt, dass der Regierende Bürgermeister und andere Mitglieder des Senats gleichzeitig dem Abgeordnetenhaus angehören können, was dem Grundsatz der Gewaltenteilung geradezu ins Gesicht schlägt (siehe Kapitel 4, hier). In Wahrheit ist das Gegenteil richtig: Ein zu großes Parlament schwächt dessen Funktionsfähigkeit und verursacht unnötige Kosten. So sehen es, bezogen auf den Bund, übrigens auch über 100 Staatsrechtslehrerinnen und Staatsrechtslehrer, die im September 2019 in einem offenen Brief an den Bundestag appellierten, noch in dieser Wahlperiode eine Verkleinerung des Bundestages einzuleiten.

Nicht zuletzt geht auch die Verfassung von Berlin davon aus, dass 130 Abgeordnete ausreichen. Wer die derzeitige Übergröße des Abgeordnetenhauses verteidigt, übersieht, dass sich hier – unabhängig von der Höhe der Kosten – die Frage der Handlungsfähigkeit der Demokratie und damit die Systemfrage überhaupt stellt, wie auch Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble im oben angeführten Zitat betont hat. In Wahrheit geht es um die Kontrolle des Abgeordnetenhauses selbst, das über seine Größe und die Bezüge seiner Mitglieder in eigener Sache entscheidet und deshalb besonders dringend der Kontrolle bedarf.16 Diese hatten die das Gesetz betreibenden Fraktionen aber gezielt geschwächt, indem sie im einschlägigen Gesetzentwurf die Begründung wegließen17 und das Gesetz mitten in der Wahlperiode und damit an den Wählern vorbei in Kraft setzten.18 Auch die Einschaltung unabhängiger Sachverständiger als Kontrollinstanz, die 1994 von der Berliner Enquete-Kommission »Verfassungs- und Parlamentsreform« verlangt...

Erscheint lt. Verlag 9.3.2020
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Geschichte / Politik Politik / Gesellschaft
Sozialwissenschaften Politik / Verwaltung
Schlagworte Aushebelung der Gewaltenteilung • Demokratie und Parteiensystem • Diätenerhöhung • eBooks • Finanzen • Hauptzeitparlament • Herrschaft der politischen Klasse • Irreführung der Öffentlichkeit • Kriminalität in Politik und Wirtschaft • Machtmissbrauch • michael müller • Missachtung der Demokratie • Missbrauch der Macht • Parlamentarier • Parteienkartell • Parteienstaat • Politikfinanzierung • politische Parteien • Raed Saleh • Ralf Wieland • Regierender Bürgermeister • Selbstbedienung aus der Staatskasse • überdimensioniertes Abgeordnetenhaus • übergroßes Parlament • Wirtschaft
ISBN-10 3-641-26669-6 / 3641266696
ISBN-13 978-3-641-26669-1 / 9783641266691
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