Bundeswehr beeindruckt Deutschlands Osten (eBook)

Ein Journalist erlebte die Armee der Einheit

(Autor)

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2019 | 1. Auflage
486 Seiten
Tectum-Wissenschaftsverlag
978-3-8288-7412-1 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Bundeswehr beeindruckt Deutschlands Osten -  Peter Heinze
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Mit dem Ende der DDR und Deutschlands Wiedervereinigung vor drei Jahrzehnten hörte auch die Nationale Volksarmee auf, eine Streitmacht zu sein. Ein Teil ihrer Soldaten diente nun unter der Fahne des einstigen Gegners. Auf dem 'Rückzug' vom Kalten Krieg zwischen Ost und West meisterte die Bundeswehr diese menschliche und militärische Mission mit Bravour: Die Armee der Einheit wurde zur Armee aller Deutschen. Nie zuvor hat Militär friedlich so viel erreicht. Das Beitrittsgebiet bekam Pilotcharakter für die neue Heeresstruktur. Eine kleinere Luftwaffe sicherte den Luftraum mit Air Policing und Flugabwehr. Trotz Schlankheitskur ging der Kurswechsel für die deutsche Seenation mit dem Welthandel in Richtung 'unbegrenzter Horizont'. In der Bundeswehr wurden Scharnhorst-Visionen, dessen Grabmal auf dem Berliner Invalidenfriedhof wieder in altem Glanz erstrahlt, Realität: Armee als lebendiger Teil eines Staates, Soldatendienst ein Ehrendienst. Peter Heinze widmete sich seit dem Tag der Deutschen Einheit besonders der Bundeswehr im Beitrittsgebiet. Mit dem Ende des Kalten Krieges verfolgte der ostdeutsche Journalist den Abzug russischer Truppen als größte Militärbewegung im Nachkriegseuropa und die internationale Abrüstung unter der Devise 'Vertrauen gegen Vertrauen'. Der vorliegende Band versammelt seine Erfahrungen und Erkenntnisse der letzten 30 Jahre und bietet so einen ebenso fundierten wie persönlichen Überblick über die Wiedervereinigung in der nun gesamtdeutschen Armee.

Einleitung

Wenn eine hochgerüstete Armee sang- und klanglos aufhört, eine Streitmacht zu sein, dann ist das ein historisches Ereignis. So geschehen 1990 mit der Nationalen Volksarmee der DDR. Wenn danach ein nicht geringer Teil ihrer Soldaten unter der Fahne des einstigen Gegners, der Bundeswehr, dient, dann sind das eben zwei Geschehnisse von großer Bedeutung. All das in der ereignisreichen, aber keinesfalls ruhmreichen jüngeren deutschen Militärgeschichte. Ein Zeitzeuge vieler Ereignisse rund um die Armee der Einheit, der Armee aller Deutschen, möchte nun seine Erinnerungen daran auch für künftige Generationen wach halten.

Nie zuvor hat Militär friedlich so viel erreicht! Nach dem Ende des Ost-West-Konflikts meisterte die Bundeswehr – gewissermaßen auf dem „Rückzug“ vom Kalten Krieg – diese menschliche und militärische Mission mit Bravour. All das mit der Integration ehemaliger NVA-Soldaten und beim inneren Zusammenwachsen Deutschlands. Auch hier war die deutsche Einheit keine Last, sondern ein großes Geschenk der Geschichte. Und durch die glückliche Verbindung der deutschen und europäischen Einigung mit den Erfolgen von Abrüstung und Rüstungskontrolle hat sich die Sicherheitslage in Zentraleuropa drastisch verbessert. Nun trägt hier die Bundeswehr gezielt zu Vertrauen und Stabilität bei, leistet aber auch einen wichtigen Beitrag zur internationalen Kooperation und Integration.

Bis zu diesem Zeitpunkt war die militärische Vergangenheit von den in Deutschland ausgelösten Weltkriegen mit Millionen Toten, unvorstellbaren Zerstörungen und viel Leid unter den betroffenen Völkern geprägt. Jetzt ging alles mit den Soldaten aus zwei feindlichen Bündnissystemen ohne Krieg und ohne Sieg sogar kampflos zu. Es fiel kein einziger Schuss! Es gab kein Blutvergießen auf beiden Seiten! Es fand eine disziplinierte und korrekte Selbstauflösung der DDR-Armee statt – eine „Speerspitze“ des Warschauer Vertrages, dem Bündnis von sieben europäischen sozialistischen Staaten. An seiner westlichen Grenze standen sich über Jahrzehnte die stärksten Truppenkonzentrationen der Welt gegenüber.

Und mit dem Ende der DDR, des zweiten deutschen Staates, und der Wiedervereinigung Deutschlands in Frieden war hier zugleich das Ende des Kalten Krieges und der Teilung Europas durch den Eisernen Vorhang verbunden. Das hatte sich schon am 9. November 1989 mit dem Fall der Berliner Mauer angedeutet. Viele nationale und internationale Konflikte standen in Mitteleuropa oft auf der Kippe, konnten in heiße Auseinandersetzungen zwischen Warschauer Pakt und Nato umschlagen. Wiederholt drohte der Menschheit der Dritte Weltkrieg.

In zahlreichen Büchern haben westliche Generale aus Spitzenpositionen ein solches Szenario beschrieben. Das in beklemmend echter Krisenatmosphäre. Auch mit dem Einsatz nuklearer Waffen bei ihren Stabsübungen als „Planspiel für den Ernstfall“. Die politischen und militärischen Führer in Moskau befürchteten daher ein „atomares Barbarossa“ mit den Erinnerungen an den Überraschungsangriff der Wehrmacht 1941 gegen die Sowjetunion.

Der Autor kann heute, drei Jahrzehnte nach der deutschen Vereinigung, sagen: Ich bin dabei gewesen! Habe viele Brennpunkte und Schauplätze erlebt. War auch vor Ort, als so mancher tiefe Graben in dem seit 1945 von den Siegermächten geteilten Land von Militärs überwunden wurde. Auch dort, wo einst nicht nur die Grenzen Völker trennten, entstanden nach 40 Jahren Militärkonfrontation bei der Neuordnung Europas und seiner Sicherheitsstrukturen Brücken der Versöhnung und Zusammenarbeit. Das geschah, so meine Erinnerungen an den Umbruch in Ostdeutschland, auf allen Gebieten. Und mit der großen Bereitschaft vieler Menschen aus Ost und West. All das in einer kurzen Zeitperiode. Für Außenstehende eigentlich unvorstellbar!

Dazu trugen insbesondere hunderttausende junge Männer aus Ost- und Westdeutschland bei. Als Wehrpflichtige leisteten sie – jährlich etwa 26000 aus dem Beitrittsgebiet – in alten und neuen Bundesländern gemeinsam ein Vierteljahr Dienst in der Grundausbildung. Alles unter gleichen Bedingungen für dasselbe Ziel, egal, ob bei Vorgesetzten mit NVA-Vergangenheit oder aus dem Westen. Auch in den Soldatenstuben wurden mit gegenseitigen Informationen über das Leben „hüben“ und „drüben“ manche Vorbehalte abgebaut, die nun gesamtdeutschen Streitkräfte sogar Vorbild beim inneren Zusammenwachsen Deutschlands.

Wie mir Kommandeure berichteten, hat sich bei dieser von der politischen und militärischen Führung der Bundeswehr festgelegten „personellen Vermischung“ über die ehemalige innerdeutsche Grenze hinweg die Kameradschaft und Solidarität unter der nachwachsenden Generation in beispielhafter Weise bewährt. Es entstanden viele Freundschaften zwischen Köln und Dresden, auch nach der gemeinsamen Dienstzeit.

Ebenso zwischen Offizieren, die sich zuvor Jahrzehnte lang auf einen Krieg gegeneinander vorbereitet hatten. Sie waren nun in den Personalkreislauf von Truppenteilen, Stäben, Ämtern und Schulen mit gemischten Stellenbesetzungen einbezogen. 230 Offiziere der früheren NVA wurden anfangs in Heeresstandorte des Westens versetzt. Es gab überhaupt einen großen Integrationserfolg. So mit den Stabsoffizierslehrgängen der Bundeswehr-Führungsakademie in Hamburg, wo seit März 1993 Hauptleute – ehemalige Stabsoffiziere der NVA – teilnahmen. „Hier mussten sie sich dem ‚Wettstreit‘ mit ihren Kameraden aus der alten Bundeswehr stellen“, sagte mir dort ein General.

Auch andernorts im Rückblick: Die Ost-West-Integration quer durch die Truppenteile und Einheiten – gelungen! „Teilung durch Teilen überwinden“ war in den gesamtdeutschen Streitkräften gelebte Praxis. Vorbehalten folgten Vertrauen und gegenseitiger Respekt. Die neue Kameradschaft in der Armee der Einheit bewährte sich in einer grundlegend gewandelten Welt auch in zunehmend gefährlichen Einsätzen wie in Afghanistan.

An den von der NVA übernommenen Großgeräten fand bei der Weiternutzung in der neuen Truppe immer Meinungsaustausch statt, sachlich, ohne Polemik, mit Für und Wider. Später wurde der modernisierte Schützenpanzer BMP, der in vier Heimatschutzbrigaden vorhanden war, gegen den Schützenpanzer Marder ausgetauscht. Und der Mehrzweckhubschrauber Mi-8, vor allem im Such- und Rettungsdienst der Bundeswehr bis 1994 genutzt, nach vielen Einsätzen in den Einheiten der Heeresfliegerstaffel Ost durch den Typ Bo-105 ersetzt. Die Benennung ostdeutscher Einheiten für die Beteiligung an den Krisenreaktionskräften signalisierte gleichfalls den Beginn der Normalität im Heer der Einheit.

„Der Aufbau Ost wurde ganz praktisch eine Sache der gesamten Bundeswehr. Gewiss eines der Geheimnisse dieses Erfolges“, erinnerte sich Generalleutnant a.D. Werner von Scheven. Mit ihm bin ich oft vor Ort zusammengetroffen. Der Ex-Kommandeur der Führungsakademie diente im Beitrittsgebiet als Stellvertreter des Befehlshabers, dann als Kommandierender General des IV. Korps und Befehlshaber Korps und Territorialkommando Ost. Wie er mir erklärte, spielte sich in der Bundeswehr „ein Teil jenes Prozesses ab, den man das Zusammenwachsen der Deutschen zu einer Nation nennt. Und der enthielt große Chancen, zur Stabilität in Europa und zur Vereinigung Europas beizutragen.“

Ich habe diesen, auch international beispiellosen Beitrag zum Vereinigungsprozess als Reporter im Einsatz vielerorts aufmerksam verfolgt. War all die Jahre regelmäßig zwischen dem Marinestützpunkt Hohe Düne in Rostock und der Kyffhäuser-Kaserne in Bad Frankenhausen auf Achse. Natürlich habe ich dabei vieles mit den Augen eines ehemaligen NVA-Reservisten gesehen. Und in Gedanken so manches mit vormals verglichen. Unübersehbar: Jeder Soldat war nun ein Bürger in Uniform.

Und was für Unterschiede! Das begann schon bei der feierlichen Indienststellung eines recht kleinen, hoch qualifizierten Bundeswehrkommandos Ost in Strausberg, der einstigen „NVA-Hochburg“, am Tag der Deutschen Einheit 1990. Den Tag darauf prägten die Worte des neuen Befehlshabers, Generalleutnant Jörg Schönbohm: „Wir kommen nicht als Sieger zu Besiegten. Wir kommen als Deutsche zu Deutschen.“ Auch für mich von der schreibenden Zunft hier keine Super-Wessis, sondern angenehme Bürger, Kollegen oder Kameraden, die im Osten beim Auf- und Umbau gewissermaßen als „Macher der ersten Stunde“ mit anpacken wollten. Und das in den nächsten Monaten und Jahren insgesamt beispielhaft getan haben.

Danach gab es in den neuen Truppenteilen unter dem Kommando von West-Offizieren bei der Ausbildung oft noch keinen vollkommenen „Dienst nach Vorschrift“ wie in der alten Bundeswehr. Vieles musste improvisiert werden. So betrug die Wachbelastung der Mannschaften in den neuen Bundesländern bis zu 25 Prozent, die der westlichen lag bei etwa vier Prozent. Aber das korrekte Dienen fand ohne neue Dienstvorschriften statt, sehr oft noch mit NVA-Vokabular bei Befehlen und Anweisungen. Eben weil keine „Schubladenpläne“ für den Fall der Vereinigung beider deutscher Staaten vorhanden, entsprechende Bestimmungen für die neuen Strukturen einer Bundeswehr im Osten noch nicht ausgearbeitet waren. Für die neuen Offiziere waren auch alte Anredeformen gewöhnungsbedürftig.

Wie ich überall hörte, kam es zu keinen Zwischenfällen mit den Kommandeuren aus dem Westen. Die Offiziere fanden schon in den ersten Tagen eine „gemeinsame Sprache“ ohne Kampfbegriffe wie „Ossis“ und „Wessis“. Meist übten die Vertreter aus den westdeutschen Unterstützungsgruppen eine Doppelfunktion aus – sie waren Ausbilder und Ansprechpartner zugleich. „Besonders beeindruckt hat mich das enorme Vertrauen, das die Soldaten und zivilen Mitarbeiter uns Integrationshelfern der...

Erscheint lt. Verlag 6.12.2019
Verlagsort Baden-Baden
Sprache deutsch
Themenwelt Sozialwissenschaften Politik / Verwaltung Vergleichende Politikwissenschaften
Schlagworte Alliierte • Beitrittsgebiet • Berlin • Deutsche Einheit • Einheitsprozess • Heer • Integration • Luftwaffe • Marine • Nationale Volksarmee • Russland • Wehrverwaltung
ISBN-10 3-8288-7412-6 / 3828874126
ISBN-13 978-3-8288-7412-1 / 9783828874121
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