Kultivierte Wildnis
Schiermeier, Franz (Verlag)
978-3-943866-83-4 (ISBN)
Das Murnauer Moos im Landkreis Garmisch-Partenkirchen zählt heute mit etwa 32 Quadratkilometern zu einem der ausgedehntesten und mit Torflagen von vereinzelt bis zu 20 Metern Dicke wohl auch mächtigsten Moorgebieten Mitteleuropas. Die Existenz unterschiedlicher Moortypen und verschiedenartiger Gewässer in diesem Moor bilden die Lebensgrundlage selten gewordener Pflanzen und Tiere, die in dem großflächigen Feuchtgebiet überleben können – ein Grund für den Schutz dieses Moores vor weiteren Eingriffen und Veränderungen. Seit 1980 steht das Moor daher unter Naturschutz. Aber auch die klimatische Bedeutung des Moores ist unschätzbar groß: So kann es große Mengen an Regenwasser speichern und sehr verzögert an seine Umgebung wieder abgeben – angesichts der zu erwartenden Zunahme von Starkregenereignissen ein ganz wesentlicher Faktor für den Hochwasserschutz. Daneben speichert es seit der letzten Eiszeit große Mengen an Kohlenstoff; bei einem Austrocknen des Moores würde der Kohlenstoff als CO2 frei werden und damit weiter zur derzeitigen Erwärmung der Erde beitragen. In diesem Fall bedeutet Naturschutz also Klimaschutz. Die Randbereiche des Moores sind heute kultiviert und werden landwirtschaftlich genutzt. Nur im Zentrum ist die ursprüngliche Moorlandschaft noch gut sichtbar. Dieser erste Eindruck jedoch täuscht, denn über Jahrhunderte hinweg wurde das Moor in fast allen seinen Bereichen von Menschen erschlossen und für seine Zwecke auch verändert. Und über Jahrhunderte hinweg war es in einigen Bereichen nicht dieser stille und geschützte Ort, als den wir das „Moos“ heute kennen. Schon in der frühen Bronzezeit existierte wohl entlang der Loisach und damit am Rand des Moores ein wichtiger Fernhandelsweg, der aus dem Inntal kommend weiter nach Norden führte. In der Römerzeit wurde diese Fernstraße und die Verbindung über Murnau – Weilheim nach Augsburg ausgebaut. Für einige Jahrzehnte existierte sogar eine zweite Straßenverbindung am Fuß des Aufackers; für die römische Siedlung auf dem Moosberg entstanden weitere Wegeverbindungen durch das Moor. Der Handelsweg am Moor war auch in den folgenden Jahrhunderten eine wichtige und regelmäßig frequentierte Fernstraße. Seit dem Mittelalter aber begannen die Bewohner der umliegenden Dörfer das Moor stärker für landwirtschaftliche Zwecke zu nutzen. Es war deshalb unterteilt in Gebiete, deren Nutzung den jeweiligen Dörfern überlassen waren. Der Moorbereich war Teil der dörflichen Allmende und trug deshalb auch die Namen der dörflichen Gemeinden: Eschenloher Moos, Ohlstädter Filz oder eben Murnauer Moos. Da die Bauern der umliegenden Gemeinden das Recht hatten, im Wald und in den Filzen Bäume zu fällen, war Torf als Heizmaterial uninteressant; vor flächendeckenden Eingriffen blieben die mächtigen Torflager daher weitgehend verschont. Schon im Mittelalter aber zogen die Bauern dort Gräben und veränderten damit die hydrologischen Verhältnisse im Moor. Der beginnende Tourismus entdeckte das Murnauer Moos vorerst nicht, Wanderungen im Moor blieben einigen wenige Forschern vorbehalten. Mit dem 20. Jahrhundert aber begann der industrielle Gesteinsabbau an zwei der Köchel. War über Jahrhunderte hinweg das Moor trotz der dort ausgeübten Jagd, der Beweidung mit großen Herden und dem regelmäßigen Abmähen der Streuwiesen ein stiller Ort, zog nun der Lärm der neuen Anlagen und nach Sprengungen auch Staubwolken über das Moor, die sich auf der Vegetation absetzten und eine Staubschicht hinterließen. Gleichzeitig aber formte sich auch der Widerstand von Menschen, die sich für den Schutz des Moores einsetzten und bereits früh einen gewissen Schutzstatus für diese außergewöhnliche Landschaft erreichten. Mit der wachsenden Motorisierung wurde das Moor für Einheimische und Touristen zu einem vielfältig nutzbaren Ausflugsziel. Einige Moor-Seen waren gut mit dem Auto oder dem Motorrad erreichbar, von einem kleinen Flugplatz konnte man zu Erkundungsflügen aufbrechen. Seitdem für das Moor der Status eines Naturschutzgebietes erreicht werden konnte, ist es hier wieder ruhiger geworden. Christine Rädlinger
"Das Murnauer Moos kann den Ruhm für sich in Anspruch nehmen, die größten Moortiefen in Bayern aufzuweisen. Nach den Bohrungen der L.f.M. wurden diese mit 15,5 Meter an drei Stellen festgestellt."Dies schrieben Hermann Paul und Selma Ruoff von der Landesanstalt für Moorwirtschaft in München in ihrer epochemachenden Darstellung zur Stratigraphie und Vegetationsgeschichte oberbayerischer Moore 1932. Die Größe des Murnauer Mooses hat sich seit dieser Zeit nicht geändert: Es wurde wie so viele andere Moore nicht zerstört. Mit einer Fläche von 32 Quadratkilometern gilt es heute als das größte zusammenhängende Moorgebiet Mitteleuropas.Seine Bedeutung liegt damit auf der Hand: Im Lauf der letzten Jahrtausende ist es zu einem der bedeutendsten Kohlenstoffspeicher Mitteleuropas geworden. Natur- und Kulturgeschichte durchdringen sich in diesem Gebiet, und das muss im wahrsten Wortsinn verstanden werden: Eine wichtige römische Straße verlief quer durch das Moor. Sie war eine wichtige Datierungsmarke für die Verknüpfung der Moor- und Vegetationsgeschichte mit der Kulturgeschichte. Paul und Ruoff untersuchten die Pollengehalte in verschiedenen Tiefen von Torfprofilen aus dem Murnauer Moos und hofften, einen charakteristischen Ablauf der Vegetationsgeschichte über und unter der Schicht der Römerstraße zu finden.Insgesamt wollte man durch Untersuchungen mehrerer Moore und die Verknüpfung von archäologischen Funden, deren Datierung und pollenanalytische Untersuchungen eine Grundlage für die mitteleuropäische Klimageschichte gewinnen.Mit dem gleichen Ziel untersuchte man das Federseemoor oder auch die Seen und Moore im Umfeld der Ostsee.Oft wagten die Archäologen vorschnelle Schlüsse, zum Beispiel, dass die vorrömische Zeit recht trocken gewesen sei. Doch Paul und Ruoff waren skeptisch: "Wir sehen, dass ein großer Teil der Argumente für trockenes, ja sogar für warmes Klima von den Archäologen stammt. Nicht alle Argumente sind unbedingt zwingender Natur."Heute beachtet man auch andere Indizien für den Klimawandel, schwankende Gletscherstände, unterschiedliche Jahrringbreiten im Holz, Einlagerungen von Sauerstoffisotopen im grönländischen Eis, und man datiert kohlenstoffhaltige Ablagerungen mit C14-Messungen. Aber die internationalen Ansätze, mit denen verschiedene Forschungsansätze zu Beginn des 20. Jahrhunderts miteinander verknüpft werden sollten, imponieren bis heute.Die vielfache Bedeutung als Kohlenstoffspeicher, Standort und Habitat seltener Pflanzen- und Tierarten sowie landschaftliche Schönheit machen das Murnauer Moos zu einem Juwel. Es braucht unseren besonderen Schutz, wobei die Kulturgeschichte nicht vergessen werden darf. Der Rosner & Seidl Stiftung in München ist erstens für die Anstrengungen zur Bewahrung des Murnauer Mooses zu danken und zweitens für die Förderung der Darstellung der Kulturgeschichte des Moores durch Christine Rädlinger. So wird eine wichtige Basis für eine gute Zukunft des Moores gelegt.Hannover im September 2019Hansjörg Küster
Erscheinungsdatum | 28.11.2019 |
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Co-Autor | Sabine Tappertzhofen |
Zusatzinfo | Mit vielen großformatigen historischen Karten und Dokumenten |
Verlagsort | München |
Sprache | deutsch |
Maße | 230 x 270 mm |
Gewicht | 1250 g |
Themenwelt | Geschichte ► Allgemeine Geschichte ► Altertum / Antike |
Geschichte ► Allgemeine Geschichte ► Mittelalter | |
Geschichte ► Teilgebiete der Geschichte ► Kulturgeschichte | |
Sozialwissenschaften | |
Schlagworte | Landwirtschaft • Moor • Moos • Murnau • Naturschutz • Torf |
ISBN-10 | 3-943866-83-1 / 3943866831 |
ISBN-13 | 978-3-943866-83-4 / 9783943866834 |
Zustand | Neuware |
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