Periode ist politisch (eBook)

Ein Manifest gegen das Menstruationstabu

(Autor)

eBook Download: EPUB
2020
272 Seiten
Heyne Verlag
978-3-641-25426-1 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Periode ist politisch - Franka Frei
Systemvoraussetzungen
13,99 inkl. MwSt
  • Download sofort lieferbar
  • Zahlungsarten anzeigen
Was haben eine deutsche Hausfrau, die dänische Kronprinzessin und eine indonesische Fabrikarbeiterin gemeinsam? Sie menstruieren. Zumindest potenziell, denn sie gehören zu jenem Teil der Weltbevölkerung, der einen Zyklus hat. Die sagenumwobene Menstruation, Periode, Erdbeerwoche oder der Besuch von Tante Rosa machen weder Halt vor Herkunft noch vor Religion oder Klasse. Die Menstruation ist eine faszinierende Körperfunktion, dennoch gilt sie häufig als Tabu, was weitreichende Konsequenzen für die Umwelt, Wirtschaft und Geschlechtergleichstellung hat. Also ab in die Tonne mit dem Tabu! Franka Frei zeigt, wie das Menstruationstabu großen Schaden anrichtet, und dass es höchste Zeit ist, etwas dagegen zu tun.

Franka Frei, 1995 in Köln geboren und im österreichischen Salzburg aufgewachsen, wurde quasi aus Versehen zur Expertin auf einem Gebiet, das sie seitdem nicht mehr loslässt. Seit ihrem Bachelor-Abschluss im Fach Angewandte Medien und dem plötzlichen Viralgehen in den sozialen Medien ist sie Menstruationsaktivistin - ein Vollzeitjob, der selbst bei Partys im hippen Berlin Fragezeichen in die Gesichter zeichnet. Wenn sie nicht gerade in der Gender Studies-Vorlesung sitzt, wird Franka nicht müde zu erklären »was man damit später mal anfangen will« (die Revolution, natürlich), hält Vorträge im In- und Ausland und arbeitet als Journalistin für die Deutsche Welle. Artikel und Interviews mit ihr erschienen unter anderem in der Huffington Post, Zeit Campus, im Deutschlandfunk, WDR und in Vice. Im März 2020 erschien ihr Sachbuch »Periode ist politisch« bei Heyne Hardcore.

Menstruation! Menstruation! Menstruation! – Ein Vorwort

Nein, ich bin nicht verrückt geworden

Finally. Ich habe meine Bachelorarbeit zum Thema »Tabu und Menstruation« erfolgreich verteidigt. Nachdem mir die offensichtlich eher konservativ eingestellte Koordinatorin meiner Hochschule zunächst mit klaren Worten davon abgeraten hatte, über solch abstruse Widerlichkeiten wie die Periode zu schreiben und mir sogar aktiv die Hilfe verweigerte, dafür eine*n Erstprüfer*in zu finden (bei dem Thema bestünde »keine Wissenschaftlichkeit« – wörtlich: »Das Thema geht so gar nicht, sorry. Das ist eine Art Tabuthema.«), mussten nun doch alle Beteiligten einsehen, dass die fehlende Kommunikation über Menstruation Negativfolgen für Umwelt, Wirtschaft sowie die finanzielle und soziale Geschlechtergleichstellung hat.

Ich rufe nicht zur kollektiven Perioden-Party auf und will auch keinem einen benutzten Tampon unter die Nase halten. Aber einfach nur mal ein paar Facts:

Die Hälfte der Menschheit verliert im Monat durchschnittlich eine halbe Tasse voll Blut. Obwohl dies eine essenzielle Grundlage für unser aller menschliche Existenz ist, werden Menstruierende in fast allen religiösen Schriften sowie in medizinischen Berichten bis Mitte des 20. Jahrhunderts wie ansteckende Giftmonster dargestellt, mit dem Teufel, psychischen und körperlichen Defiziten und Giftigkeit in Verbindung gebracht (im 3. Buch Mose steht, dass eine Frau nach der Periode erst wieder »rein« sei, nachdem sie eine Woche lang mit niemandem in Kontakt war, sich einer entwürdigenden Waschung unterzogen hat und von einem Priester gesegnet wurde – die zwei Tauben nicht zu vergessen, die für ihre wiederhergestellte Reinheit geopfert werden müssen. Kein Scheiß).

Gut, man kann jetzt sagen, das sei doch alles Schnee von vorgestern. Aber bis heute werden Frauen* stigmatisiert (»die hat doch ihre Tage und zickt deswegen rum bzw. ist nicht bei Sinnen/zurechnungsfähig oder hysterisch« etc. An der Stelle verweise ich auch gerne auf den Trump-Kommentar gegenüber Fox-Moderatorin Megyn Kelly), schämen sich, fühlen sich unwohl, flüstern sich wie Kriminelle zu, wenn sie aufgrund ihrer biologisch bedingten »Schwächen« einen Tampon brauchen und werden bei Beschwerden nicht ernst genommen. 

Frauen* und Mädchen* werden weltweit im Alltag, in sozialen Situationen, Bildung und Arbeit gehemmt und behindert, haben keinen Zugang zu »Monatshygiene«, werden aufgrund fehlender Aufklärung aus der Gesellschaft ausgeschlossen, für unrein und unterlegen erklärt. In Indien brechen laut einer Studie von Plan International 20 Prozent der Mädchen* mit dem ersten Tag ihrer Menstruation die Schule ab, in vielen anderen Ländern verbietet man ihnen, während ihrer Menstruation aus dem Haus zu gehen, weil die Verbreitung von Krankheiten wie Krebs befürchtet wird.

In Deutschland fühlt sich laut Umfragen die Hälfte der Frauen* in sozialen Situationen unwohl, wenn sie menstruieren – 16 Prozent der Frauen* haben auch hierzulande schon mal Schule, Arbeit oder eine Veranstaltung verpasst, aufgrund der Angst (!), jemand könne bemerken, dass sie gerade menstruieren (wie unvorstellbar widerlich!). Viele Frauen* schämen sich dafür, wenn sie im Supermarkt Tampons kaufen (laut Umfragen mehr als jede 5.) und bezahlen sich dabei dumm und dämlich. Binden und Tampons sind fast überall auf der Welt verdammt hoch besteuert. In Deutschland mit 19 Prozent Mehrwertsteuer sogar maximal und damit höher als so unverzichtbare Produkte wie Lachskaviar oder Schnittblumen.* Wer sich diese Regel ausgedacht hat, kann man sich schon denken: Menschen, die nicht menstruieren.

Die Kosten, die für Frauen* durch bis zu insgesamt 500 Monatszyklen im Leben anfallen, liegen im vierstelligen Bereich. (Berechnungen der Seite bloodyluxurytax.de zufolge beläuft sich der Durchschnittswert sogar auf 8600 Euro.)

Dabei könnte man meinen, bei der tatsächlich immer noch lange nicht erreichten finanziellen Gleichberechtigung in Deutschland, dass Frauen* nicht auch noch deftig draufzahlen müssen, weil sie halt einmal im Monat bluten (übrigens sind auch viele Produkte wie Rasierschaum, Deo oder Dienstleistungen für Frauen* teurer).

Btw an alle, die es noch nicht wussten: Die Menstruationstasse (Alternative zum Tampon, die sich nach Porzellan anhört, aber aus medizinischem Silikon ist) kostet einmalig zwischen 10 und 30 Euro, hält über viele Jahre und spart Tausende Tonnen Müll von nur geringfügig ökologisch abbaubaren Produkten wie Tampons und Binden.

Glücklicherweise scheint in der Hinsicht langsam ein Umdenken stattzufinden. In einigen Ländern wurde die »Tamponsteuer« in den letzten Jahren gesenkt oder abgeschafft bzw. Tampons wurden bewusst besser zugänglich gemacht. Am Tag meiner Verteidigung erst in Schottland.

In Deutschland ist jedoch alles beim Alten.

Daher hier ein kleiner Vorschlag für ein erweitertes Bewusstsein: Sprecht über das Thema, erhebt eure Stimme gegen diese dämliche Steuer, hört auf, euch zu schämen, schreibt Abschlussarbeiten darüber, bringt alle in Verlegenheit (meine Prüfer – also die männlichen – haben geschluckt und mir dann überwältigt recht gegeben) und macht euch alle mal locker. Es ist nur ein bisschen Blut.

Als ich diese Zeilen im August 2018 auf Facebook postete, konnte ich nicht ahnen, wohin mich dies führen würde.

Knapp ein Jahr später saß ich im Flugzeug von Kathmandu zurück nach Europa. Hinter mir lagen zwölf Monate voller Erlebnisse, Erkenntnisse, Bekanntschaften – und nicht zuletzt eine viermonatige Reise durch Pakistan, Indien, Bangladesch und Nepal. Das alles hatte ich also diesem einen Post zu verdanken. Dem Stolz, der Rage und der Leidenschaft, die über meine Finger in die Tasten meines Laptops geflossen waren.

Dass mein Beitrag viral gehen würde? Das hatte ich, die sonst überhaupt kein heller Stern am schillernden Influencer-Himmel ist (sonst sahne ich eher mal sieben Likes für ein durchschnittliches Urlaubsfoto ab), ganz sicher nicht geahnt, geschweige denn geplant. Und dass ich deshalb dieses Buch schreiben würde, erst recht nicht.

Irgendwie hatte ich einen Nerv getroffen. Viele Leute bedankten sich bei mir für meine Worte. Dafür, dass endlich jemand mal Klartext über etwas redete, was alle tun und was doch beständig unter den Teppich gekehrt wird – und eben die Probleme, die sich dadurch ergeben. Natürlich gab es auch Kritiker*innen, Skeptische und »Hater«, wie man sie in den sozialen Medien so liebevoll anglisiert. Ich wurde als »ätzende Dauerbluterin« beschimpft, die nach Aufmerksamkeit heischt, als »hysterisch« diffamiert und mittels Tränen lachender Emoticons verhöhnt. Unter den Tausenden Kommentaren waren viele, die sich über die Preise von Männerrasierern empörten oder im Sinne des »Whataboutism« die Debatte über Menstruation für unwichtig erklärten. Einige meinten sogar, dass sich die Kosten, die durch den Kauf von Tampons und Binden entstehen, durch günstige Eintritte in bestimmte Etablissements, Einladungen von Männern und Gratis-Mitgliedschaften bei Singlebörsen für Frauen* »locker wieder ausgleichen würden«. Manche Leute stellten ausgesprochen kreative Vergleiche an – mit Morgenlatte und männlichem Sexualtrieb zu leben, sei auch nicht leicht –, viele fanden im Sperma das männliche Äquivalent zum Menstrualblut und in Toilettenpapier das zu Tampons. Es war ein richtiges verbales Gemetzel, plötzlich ging es auch um Pink Tax, Abtreibung und sogar Migration – im Nachhinein betrachtet, die logische Reaktion der Gesellschaft auf einen öffentlichen Tabubruch.

Neben teils sehr amüsant absurden Diskussionen unter meinem Facebook-Post bekam ich viel digitale Post. Mein Nachrichtenfach explodierte förmlich. Menschen aus allen Teilen der Welt schrieben mir ihre persönlichen Erfahrungen, von körperlichen und emotionalen Beschwerden, persönlichen Leidensgeschichten, Mythen und Unwissenheiten, Problemen bei der Versorgung mit Mitteln und sanitären Anlagen, verlorenem Geld und verlorener Lebenszeit. »Tabus machen unfrei, denn sie beschneiden das elementare Recht, Fragen zu stellen«, erkannte der Soziologe Ralf Dahrendorf. Am Ende sind es Frauen*, die draufzahlen. Und zwar nicht nur mit Geld, sondern auch mit Schmerzen, Stress, Scham und anderen negativen Gefühlen, die sie daran hindern, wirklich »befreit« zu leben. Der Umgang mit der Menstruation ist ein Unterdrückungsinstrument. Dies zu erkennen, kann der Anfang einer großen Sache sein – oder um es mit den Worten Dahrendorfs zu sagen: »Das Tabu von heute kann die Ursache für die Revolution von morgen sein.«1

Der Post hat seither mein Leben auf den Kopf gestellt und eine Kettenreaktion ausgelöst. Ich bin von einer empörten Studentin zur Aktivistin geworden, habe mir im Sinne des aktiven Tabubrechens den Rucksack umgehängt und mich weltweit mit den verschiedensten Leuten vernetzt. Auch wenn wir gelernt haben, diese essenzielle, gesunde und intelligente Körperfunktion, die Teil eines abgeschlossenen Zyklus ist, als etwas Negatives zu empfinden, sie systematisch zu verstecken und bestmöglich unsichtbar zu machen, um bei dem Versuch, an realitätsferne Körperideale zu gelangen, natürlich immer zu scheitern. Die Periode existiert. Und wir alle existieren nur wegen der Periode. Ginge sie uns so geschickt aus dem Weg wie wir ihr, hätten wir ein kleines Problem, was den Erhalt der Menschheit anbelangt. Zum Glück bleibt sie verlässlich.

Weltweit menstruieren rund 300 bis 800...

Erscheint lt. Verlag 2.3.2020
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Geschichte / Politik Politik / Gesellschaft
Sozialwissenschaften Politik / Verwaltung
Schlagworte Bluten • eBooks • female empowerment • Menstruation • Menstruationsaktivismus • o.b. • Periode • Scham • Tage • Tamponsteuer
ISBN-10 3-641-25426-4 / 3641254264
ISBN-13 978-3-641-25426-1 / 9783641254261
Haben Sie eine Frage zum Produkt?
EPUBEPUB (Wasserzeichen)
Größe: 2,4 MB

DRM: Digitales Wasserzeichen
Dieses eBook enthält ein digitales Wasser­zeichen und ist damit für Sie persona­lisiert. Bei einer missbräuch­lichen Weiter­gabe des eBooks an Dritte ist eine Rück­ver­folgung an die Quelle möglich.

Dateiformat: EPUB (Electronic Publication)
EPUB ist ein offener Standard für eBooks und eignet sich besonders zur Darstellung von Belle­tristik und Sach­büchern. Der Fließ­text wird dynamisch an die Display- und Schrift­größe ange­passt. Auch für mobile Lese­geräte ist EPUB daher gut geeignet.

Systemvoraussetzungen:
PC/Mac: Mit einem PC oder Mac können Sie dieses eBook lesen. Sie benötigen dafür die kostenlose Software Adobe Digital Editions.
eReader: Dieses eBook kann mit (fast) allen eBook-Readern gelesen werden. Mit dem amazon-Kindle ist es aber nicht kompatibel.
Smartphone/Tablet: Egal ob Apple oder Android, dieses eBook können Sie lesen. Sie benötigen dafür eine kostenlose App.
Geräteliste und zusätzliche Hinweise

Buying eBooks from abroad
For tax law reasons we can sell eBooks just within Germany and Switzerland. Regrettably we cannot fulfill eBook-orders from other countries.

Mehr entdecken
aus dem Bereich
Wie aktivistische Wissenschaft Race, Gender und Identität über alles …

von Helen Pluckrose; James Lindsay

eBook Download (2022)
C.H.Beck (Verlag)
16,99
Wie aktivistische Wissenschaft Race, Gender und Identität über alles …

von Helen Pluckrose; James Lindsay

eBook Download (2022)
C.H.Beck (Verlag)
16,99
Die globalen Krisen und die Illusionen des Westens

von Carlo Masala

eBook Download (2022)
Verlag C.H.Beck
12,99