Hundertfünfzig Jahre Commerzbank 1870-2020 (eBook)

Herausgegeben von der Eugen-Gutmann-Gesellschaft
eBook Download: EPUB
2020 | 1. Auflage
712 Seiten
Siedler (Verlag)
978-3-641-26180-1 (ISBN)

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Hundertfünfzig Jahre Commerzbank 1870-2020 -  Dieter Ziegler,  Friederike Sattler,  Stephan Paul
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150 Jahre Commerzbank: Die erste wissenschaftlich fundierte Gesamtdarstellung
Die Commerzbank, 1870 von Kaufleuten und Privatbankiers in Hamburg gegründet, widmete sich zunächst der Finanzierung des Außenhandels und der mittelständischen Wirtschaft, ehe sie im Verlauf des 20. Jahrhunderts zu einer führenden, international agierenden Geschäftsbank aufstieg. Anhand vieler, zum Teil bisher unerschlossener archivalischer Quellen beschreiben Stephan Paul, Friederike Sattler und Dieter Ziegler den Weg der Bank von den Anfängen bis in die Gegenwart. Sie widmen sich dabei den Erschütterungen durch die Finanzkrisen 1931/32 und 2008/09 ebenso wie den Herausforderungen der Digitalisierung des Bankgeschäfts in jüngster Zeit: ein faszinierendes Kapitel deutscher Wirtschaftsgeschichte.

Dieter Ziegler hat seit 2003 den Lehrstuhl für Wirtschafts- und Unternehmensgeschichte an der Ruhr-Universität Bochum inne und ist u.a. Leiter des Arbeitskreises 'Bank- und Versicherungsgeschichte' der Gesellschaft für Unternehmensgeschichte sowie Geschäftsführender Herausgeber des Jahrbuchs für Wirtschaftsgeschichte. In der Forschung widmet er sich neben der Banken- und Währungsgeschichte u.a. der Industrialisierungsgeschichte und der Wirtschafts- und Unternehmensgeschichte des 'Dritten Reichs'.

Geschäftsmodell und Governance als Leitgedanken durch 150 Jahre Geschichte

Als die Commerzbank im Jahr 1995 ihr 125-jähriges Jubiläum feierte, verzichtete sie auf die Erstellung einer wissenschaftlichen Studie über ihre bisherige Geschichte und publizierte stattdessen eine Festschrift mit werbendem oder werblichem Charakter, für die sie prominente Autoren außerhalb der Bank wie den ehemaligen Wirtschaftsminister Otto Graf Lambsdorff oder den Bundesbankpräsidenten Hans Tietmeyer gewonnen hatte. Ganz anders beging die Deutsche Bank ihr Jubiläum im gleichen Jahr, als sie eine Festschrift vorlegte, die höchsten wissenschaftlichen Ansprüchen genügte und auch heute noch als das Standardwerk zur Geschichte einer deutschen Filialgroßbank gelten darf. Im Gegensatz dazu sind Leser, die an der Geschichte der Commerzbank interessiert sind, weiterhin auf deren Festschrift zum 100-jährigen Jubiläum von Volkmar Muthesius, Hans Kurzrock und Herbert Wolf aus dem Jahr 1970 angewiesen. Ähnlich wie die Deutsche Bank-Festschrift aus dem gleichen Jahr von Fritz Seidenzahl entsprach diese Arbeit jedoch schon damals in keiner Weise wissenschaftlichen Ansprüchen.1 Sie präsentierte vielmehr eine über weite Strecken geschönte und, was die Jahre des NS-Regimes betrifft, sogar apologetische Sicht auf die ersten 100 Commerzbank-Jahre. Damit war sie aber keine Ausnahme unter den während des Kalten Krieges in Auftrag gegebenen Unternehmensfestschriften.

Das heißt allerdings nicht, dass es bisher keinerlei wissenschaftliche Auseinandersetzung mit der Geschichte der Commerzbank gegeben hat. Gerade in den letzten Jahren sind vielmehr mehrere Monografien, in erster Linie Dissertationen, erschienen, die einzelne Aspekte der Geschichte der Bank beleuchten. Zu nennen wären hier unter anderem Thomas Weihes Geschichte der Personalpolitik während der Weimarer Republik und des »Dritten Reichs«, Ingo Looses und Christoph Kreutzmüllers Studien zur Rolle der deutschen Großbanken im besetzten Polen bzw. in den besetzten Niederlanden während des Zweiten Weltkriegs und Simon Gonsers Analyse des Einstiegs der Großbanken in das Privatkundengeschäft in den späten 1950er Jahren.2 Alle genannten Studien besitzen eine breitere Perspektive, stellen aber die Geschichte der Commerzbank in den Mittelpunkt ihrer Darstellungen. Anders ist das bei Detlef Krauses Dissertation, die als eine breit angelegte, gründlich recherchierte und ohne Einschränkung wissenschaftlichen Standards entsprechende Geschichte der ersten rund 50 Jahre der Commerzbank anzusehen ist. Eine ähnliche Qualität besitzt Nicolai M. Zimmermanns kürzlich abgeschlossene Dissertation über die Commerzbank und ihre Kunden in den Jahren 1924 bis 1945, die, obgleich thematisch etwas enger gefasst, gewissermaßen eine Fortsetzung von Krauses Studie darstellt.3 Insofern kann die Geschichte der Commerzbank bis zum Vorabend der Bankenkrise von 1931 als insgesamt gut und für die Jahre 1931 bis 1945 als in einigen wichtigen Aspekten weitgehend erforscht gelten. Für die Jahre seitdem sieht die Literaturlage dagegen deutlich schlechter aus. Allerdings gilt für alle drei Großbanken des ausgehenden 20. Jahrhunderts, dass dessen erste Hälfte einschließlich der NS-Zeit mittlerweile besser erforscht ist als die Jahrzehnte danach.

Als die Commerz- und Disconto-Bank im Jahr 1870 gegründet wurde, war für die Zeitgenossen kaum absehbar, dass der Ort der Gründung, die Freye und Hansestadt Hamburg, die zu diesem Zeitpunkt zwar dem Norddeutschen Bund, nicht aber dem Deutschen Zollverein angehörte, nur ein Jahr später Teil eines deutschen Nationalstaats sein würde. Entsprechend dürften sich die Gründer auch nicht vorgestellt haben, dass ihre Bank etwa 50 Jahre später über ein weite Teile dieses Reichs erfassendes Filialnetz verfügen sollte und die Zentrale, unabhängig vom juristischen Firmensitz, nach Berlin verlegt worden sein würde. Außerdem sprach 1870, aber auch 1920 nur wenig dafür, dass die Commerzbank seit 1932 nur noch eine von drei reichsweit operierenden Großbanken und seit 2009 sogar nur noch eine von zwei bundesweit tätigen deutschen Großbanken sein würde. Tatsächlich sind von den zahlreichen zwischen 1848 und 1873 in den deutschen Staaten gegründeten privaten Aktienkredit- und Notenbanken heute – abgesehen von einigen wenigen regionalen Instituten – lediglich die Deutsche Bank und die Commerzbank übrig geblieben. Auch der Aufstieg von Sparkassen und Genossenschaftsbanken, deren Geschäftsmodelle denen der privaten Aktienkreditbanken im Lauf des 20. Jahrhunderts immer ähnlicher wurden, konnte die Stellung von Deutscher Bank, Commerzbank und bis zur Wende zum 21. Jahrhundert auch der Dresdner Bank nicht ernsthaft gefährden. Demnach haben die Verantwortlichen bei der Commerzbank scheinbar alles richtig gemacht.

Wenn man genauer hinschaut, muss man allerdings ein wenig Wasser in den Jubiläumssekt gießen. Denn ihre lange Lebensdauer verdankt die Commerzbank nicht nur dem Engagement ihrer Beschäftigten und dem Geschick ihrer jeweiligen Unternehmensführungen, sondern auch der Zufall – etwa wenn zum richtigen Zeitpunkt ein geeigneter Übernahmekandidat zur Verfügung stand, um den nächsten Expansionsschritt gehen zu können – und das Glück spielten eine nicht unbeträchtliche Rolle. Neben dem Beinahezusammenbruch aufgrund der Substanzverluste nach dem Zweiten Weltkrieg und der anschließenden, am Ende aber nur vorübergehenden Zerschlagung in ein knappes Dutzend Regionalinstitute musste die Commerzbank auch zweimal in Friedenszeiten während ihrer 150 Jahre währenden Geschichte durch den Steuerzahler vor dem Untergang gerettet werden. Die Expansion der 1920er und der 2000er Jahre hatte die Commerzbank einerseits davor bewahrt, von einer größeren Konkurrentin übernommen zu werden. Andererseits waren die Fusionen mit der Mitteldeutschen Privat-Bank (1920), der Mitteldeutschen Creditbank (1929) und die weiteren in dieser Zeit erfolgten Übernahmen kleinerer Banken sowie der Erwerb der Eurohypo (2005 / 06) und die Fusion mit der Dresdner Bank (2008 / 09) mit solch hohen Risiken behaftet, dass die Bank die Wirtschafts- und Finanzkrisen der Jahre 1931 / 32 und 2008 / 09 aus eigener Kraft nicht überstanden hätte. Dank der Übernahmen im Vorfeld der Krisen war die Commerzbank »too big to fail«, sodass die Folgen einer unterbliebenen Staatsintervention sehr wahrscheinlich noch verheerender für die wirtschaftliche Entwicklung der gesamten Volkswirtschaft und damit noch teurer für den Steuerzahler als ohnehin schon ausgefallen wären.

Es ist deshalb ein Ziel dieser Geschichte der Commerzbank, die Faktoren Geschick, Gelegenheit und Glück für den Unternehmenserfolg zu identifizieren, wobei das Geschäftsmodell und dessen Anpassung an die im Lauf der letzten 150 Jahre oft sehr radikal wechselnden Rahmenbedingungen einen Schwerpunkt der Darstellung bilden werden. Geschäftsmodelle und ihre laufenden Modifikationen fallen aber nicht vom Himmel. Es wird deshalb untersucht werden, zu welchen Zeitpunkten und mit welchen Motiven sie von wem gestaltet wurden. Insofern dient der Begriff des Geschäftsmodells in der folgenden Darstellung als analytische Strukturierungshilfe im Sinne einer Leitperspektive.

Im Mittelpunkt eines Geschäftsmodells steht die strategische Geschäftsidee zur Wertschaffung. Praktisch bedeutet dies, dass das Geschäftsmodell eine Antwort auf die Frage zu geben hat, worin die Nutzenstiftung im Angebot der Unternehmung für ihre Kunden liegt, während es gleichzeitig gewährleistet, dass die Ressourcen des Unternehmens möglichst effizient eingesetzt werden können. Dazu müssen die marktlichen Gelegenheiten zur Erzielung von Wettbewerbsvorteilen gegenüber Konkurrenten in den Augen der Nachfrager bestimmt werden. Im vorliegenden Fall hatte sich die Commerzbank z. B. um die Wende zum 20. Jahrhundert durch die Übernahme eines Privatbankhauses in Frankfurt und Berlin Zugang zu den beiden wichtigsten Kapitalmärkten des Reichs verschafft, sodass sie ihren Kunden in Hamburg eine deutlich breitere Palette an Finanzdienstleistungen anbieten konnte als zuvor. Damit konnte sie einen Wettbewerbsnachteil gegenüber den beiden wichtigsten Konkurrentinnen auf ihrem Heimatmarkt, der Deutsche Bank-Filiale Hamburg und der Norddeutschen Bank, ausgleichen, die über diesen Zugang schon seit Längerem verfügten. Der Abgrenzung von der Konkurrenz zur Erzielung von Wettbewerbsvorteilen diente auch der mehrfach von der Commerzbank beschworene »eigene Weg«, so beim Aufbau statt Kauf von Filialen bzw. Niederlassungen in Ostdeutschland und Osteuropa nach der Maueröffnung. Er war jedoch zugleich auch durch die vielfach stark limitierten (Kapital-)Ressourcen der Bank erzwungen.

Vor allem eine Spezialisierung kann zu einem Nettonutzenunterschied für den Kunden führen, wenn der Nachfrager aufgrund bestimmter, sonst nicht verfügbarer Qualitätsmerkmale der Leistung dieser eine bessere Preis-Nutzen-Relation als den Konkurrenzangeboten beimisst, den Anbieter als einzig relevanten ansieht und sich zumindest innerhalb bestimmter Bandbreiten des Preises binden lässt. So konnte die Spezialisierung der Commerzbank auf die Außenhandelsfinanzierung dazu führen, dass mittelständische Unternehmen, als das Exportgeschäft in den 1920er Jahren für sie eine immer größere Bedeutung gewann, von den Sparkassen und Kreditgenossenschaften abwanderten, die über die notwendige Expertise nicht verfügten, während die konkurrierenden Großbanken an dieser Kundenklientel nur wenig Interesse zeigten und an Standorten ohne größere Industriekunden nicht durch Filialen präsent waren....

Erscheint lt. Verlag 9.3.2020
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Geschichte / Politik Politik / Gesellschaft
Sozialwissenschaften Politik / Verwaltung
Schlagworte Deutsche Bank • eBooks • Finanzmarkt • Frankfurt • Geld • Geschäftsbank • Gründerjahre • Kreditwesen • Unternehmensgeschichte • Wirtschaft • Wirtschaftsgeschichte • Wirtschaftswunder
ISBN-10 3-641-26180-5 / 3641261805
ISBN-13 978-3-641-26180-1 / 9783641261801
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