Die Macht der Geheimdienste (eBook)

Agenten, Spione und Spitzel vom Mittelalter bis zum Cyberwar - Ein SPIEGEL-Buch
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2020 | 1. Auflage
240 Seiten
Deutsche Verlags-Anstalt
978-3-641-26154-2 (ISBN)

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Die Macht der Geheimdienste -
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Die Geschichte der Geheimdienste vom Mittelalter bis heute
Geheimdienste haben ein schillerndes Image: Es changiert zwischen dem Glamour von James Bond, der Verruchtheit von Mata-Hari und der Skrupellosigkeit des Mossad. Spione und ihre Organisationen entfalten ihre Macht vor allem im Verborgenen und agieren nicht selten an der Grenze der Legalität. Doch wie gehen Geheimdienste wirklich vor? Wie einflussreich war die Arbeit einzelner Agenten, und wie wandelten sich ihre Methoden mit der Zeit? SPIEGEL-Autoren und Geheimdienstexperten enthüllen in diesem Buch die Geschichte der Geheimdienste von 1500 bis zum Cyberwar der Zukunft. Sie erzählen von spektakulären und gescheiterten Missionen, stellen die berühmtesten Schattenmänner und -frauen vor und zeigen dabei, wie ihre Organisationen seit dem 20. Jahrhundert so mächtig werden konnten wie niemals zuvor.

Wissen ist Macht

Die ersten Agenten haben nur wenige Spuren hinterlassen. Ziemlich sicher aber ist: Spioniert wurde schon sehr früh – auch mit Methoden, die heute noch gängig sind.

Von Georg Bönisch

Über diesen Mann ist nur ganz wenig bekannt. Niemand weiß genau, wann und wo er lebte in China, ob er verheiratet war und Kinder hatte. Sein Beruf: Offizier, letzter Dienstgrad: General. Letzter Job: Oberkommandierender im Heer des Königs von Wu, irgendwann zwischen 550 und 220 vor Christi Geburt.

Und doch: Sun Tsu, der auch Sunzi oder Sun Tzu genannt wird, ist bis heute den Militärs in aller Welt ein Begriff. Er gilt als Autor des schmalen, ursprünglich in Bambus geritzten Werkes »Die Kunst des Krieges«, dem wohl ältesten Lehrfaden für Taktik – und für eine ganz neue Methode: die intensive Feindaufklärung. Weil nämlich, so führte der Generalissimus aus, »durch Kenntnis der Stärken und Schwächen des Feindes der Angriff deiner Armee wie der Schlag eines Mühlsteines gegen ein Ei ist«.

Spionage also. Militärspionage. Sun Tsus Idee war die eines – fast – immateriellen Krieges. Er wollte so wenig Menschenleben wie möglich riskieren, auf teure Waffen verzichten, Geld sparen. »Der Gipfel der Geschicklichkeit« sei es, notierte er, »ohne jeden Kampf einen Feind zu unterwerfen«. Für eine solche Strategie sei eines unabdingbar nötig – »Vorauswissen«. Dies könne »weder von Geistern noch von Göttern erfahren« werden, »noch durch Berechnungen«. Nur von Menschen, die »die Feindlage gut kennen«: Geheimagenten.

Mehrere Agententypen zählt er auf: eigene Leute, Doppelagenten, Überläufer, solche, die beim Gegner für Verwirrung sorgen sollen. Es sind Charaktere, die auch weit über zwei Jahrtausende später im angeblich zweitältesten Gewerbe noch unterwegs sind. Und die, je nach Auftrag, auch heute noch Sun Tsus Tricks und Finten nutzen: Täuschung, Tarnung, Ablenkung, Desinformation, denn: »Die ganze Kriegskunst basiert auf List und Tücke.«

Wenn es sein muss, auch auf Mord. Attentate gehörten für Sun Tsu wie selbstverständlich auf die Liste der Spionageaktivitäten. »Modern gesprochen«, sagt Wolfgang Krieger, Doyen unter jenen deutschen Historikern, die sich mit der Geschichte der Geheimdienste befassen, habe er damit Nachrichtenbeschaffung und »verdeckte Aktionen« vermischt – »ganz so, wie es bei den heutigen Großmächten der Fall ist«.

Sun Tsu ist einer der Ersten, dessen Überlegungen zum Agentenwesen überliefert sind. Doch Spionage gibt es vermutlich, seit politische Systeme aufeinanderprallen. Francis Bacon (1561 bis 1626), der Philosoph und Staatsmann aus London, erklärte, warum: »Wissen ist Macht.«

Informationen bringen und brachten Vorteile, im Wehrwesen ebenso wie in Wirtschaft oder Handel. Eine neu gezeichnete, geheim gehaltene Weltkarte abzukupfern konnte genauso entscheidend sein, wie in Zeiten knappen Wassers zu erfahren, wo die beste Pumpe stand – um dann deren Fördersystem auszuspionieren.

Die Prinzipien der Ausforschung, der Sammlung und der anschließenden Bewertung geheimer Informationen sind von alters her fast die gleichen. Erste Nachrichten übers Agentenwesen kommen als Anekdoten daher, in erzählerischer Form. Um 2000 v. Chr. soll in Ägypten ein Kundschafter seinem Herrscher merkwürdige Feuerzeichen eines entlegenen Volkes gemeldet haben – wichtig sei, dass deren Bedeutung aufgeklärt werde. Moses, so verkündet es das Alte Testament, habe im Auftrag Gottes zwölf Männern befohlen, das Land Kanaan zu erkunden, der Spionageauftrag war präzise: »Seht, wie (es) beschaffen ist und ob das Volk, das darin wohnt, stark oder schwach ist … Wie die Städte angelegt sind, in denen es wohnt, ob sie offen oder befestigt sind und ob das Land fett oder mager ist.«

Moses’ Agenten sickerten einzeln ein ins Feindesland, nach 40 Tagen kehrten sie zurück. »Es ist wirklich ein Land, in dem Milch und Honig fließen«, berichtete einer, die Gegner seien freilich weit überlegen: »Wir können nichts gegen dieses Volk ausrichten. Es ist stärker als wir.«

Diese Bibelepisode endet aus nachrichtendienstlicher Sicht positiv – Ziel aufgeklärt, Entscheidung gefallen: kein Zugriff vorerst. Keine Aufklärung zu betreiben oder die Lage nur halbherzig zu erkunden konnte ein schwerer Fehler sein, wie das Beispiel Alexanders des Großen zeigt.

Im November 333 v. Chr. sollte es bei Issos zur großen Schlacht mit den Persern kommen. Alexanders Kundschafter, »Vorläufer« (»Prodromoi«) genannt und in einer Sondereinheit organisiert, berichteten ihm über Tage immer wieder detailliert, dass die gegnerischen Truppen noch weit entfernt seien. In Wirklichkeit jedoch waren beide Heere, ohne es zu wissen, längst aneinander vorbeigezogen. Die Perser standen jetzt in Alexanders Rücken – mit der Konsequenz, dass beide Armeen in verkehrter Schlachtordnung kämpfen mussten. Alexander siegte. Doch im Falle einer Niederlage wäre ihm der Rückzug abgeschnitten gewesen.

Ein anderes frühes Beispiel für die Bedeutung der Aufklärung ist P. Quinctilius Varus. Roms Statthalter und Oberbefehlshaber in Germanien hatte wenige Jahre nach der Zeitenwende die Order, aus den germanischen Landen zwischen Rhein und Elbe eine römische Provinz zu formen. Zu Varus’ Politik gehörte es, Adelssöhne aus diesen Gegenden ins Militär aufzunehmen, ein Integrationsprojekt, welches gleichermaßen besänftigend und versöhnend wirken sollte.

Einer von ihnen war der Cherusker Arminius. Er war bei den Römern als Anführer germanischer Hilfstruppen recht beliebt, und vielleicht deshalb bemerkte niemand, dass er eine Verschwörung plante. Unbemerkt blieb auch, dass es Arminius gelungen war, zuvor verfeindete Stämme zu einen. Spätestens als der Sippenchef Segestes die Römer vor ihm warnte, hätte ordentlich aufgeklärt werden müssen. Doch es geschah: nichts. Im Sommer des Jahres 9 n. Chr. metzelten die Germanen drei römische Legionen nieder, Varus stürzte sich ins Schwert. Die Schlacht im Teutoburger Wald beendete die römischen Expansionsgelüste östlich des Rheins.

Doch nicht nur die Überwachung des Feindes, auch jene des eigenen Volkes gehörte zur gängigen Praxis vieler Staaten seit antiken Zeiten. Vom Untertan schien für die Herrschenden eine latente Gefahr auszugehen, ohne Kontrolle hielten sie eine stabile politische Ordnung für undenkbar.

Der Kalif Harun ar-Raschid soll in Bagdad 1700 alte Frauen beschäftigt haben, die über ihre Familien Bericht erstatteten – gegen Honorar. Im griechischen Syrakus hießen die Spitzel »Otakusten«, Horcher. Alexander der Große setzte auf Briefkontrolle, um die innere Opposition im Griff zu behalten. Wer als Querulant auffiel, sei kurzerhand »in ein Strafbataillon« gesteckt und zu »Himmelfahrtskommandos« geschickt worden, schreibt der Althistoriker Jakob Seibert. In Indien, am Hofe des Königs Chandragupta, gebe es »die sogenannten Aufseher«, notierte um 300 v. Chr. der griechische Gesandte Megasthenes. Sie beobachteten, »was im Lande und in den Städten geschieht, und meldeten dies dem König«. Dessen Minister Kautilya hielt den Monarchen immer wieder an, er müsse sich intensiv um den Geheimdienst kümmern – »tagtäglich«.

Im Riesenreich Karls des Großen war es Aufgabe von »Königsboten«, einerseits als Kundschafter aus allen Ecken Nachrichten zu beschaffen, andererseits die Arbeit der regionalen Geschäftsträger der Krone zu überwachen – als »Augen und Ohren des Herrschers vor Ort«, so formuliert es der Publizist Bernd Ingmar Gutberlet in seinem Buch »Spione überall«. Ähnlich operierte der Mongole Dschingis Khan, dessen Imperium noch um ein Vielfaches größer war, 33 Millionen Quadratkilometer, das Dreifache der USA. Als Informationsquelle nutzten seine Leute vor allem die Händler der Seidenstraße.

Im vergleichsweise winzigen Gallien mussten sich alle Reisenden eingehenden Befragungen unterziehen. Caesar schreibt im »Gallischen Krieg«, es gebe gar »die gesetzliche Verordnung, dass jeder sofort der Obrigkeit meldet, was er über Staatsangelegenheiten von den Grenznachbarn« gehört habe – und wenn es nur Gerüchte waren.

Wichtig war es nicht nur, die Informationen zu erlangen, sondern sie auch sicher und möglichst verborgen an die entscheidenden Personen zu bringen. Codierungen von Texten zählten neben Verwirrspielen aller Art zu den ältesten Techniken der Geheimhaltung, Caesar selbst entwickelte ein System, um Nachrichten zu verschlüsseln. Er ersetzte jeden Buchstaben eines Textes durch den dritten danach. Sein Adoptivsohn und Nachfolger Augustus machte es ähnlich, er wählte den jeweils nächsten. Daher, so der Augsburger Geschichtsforscher Wolfgang Kuhoff, leite sich, dem lateinischen Alphabet folgend, diese Redewendung ab: Jemandem ein X für ein U vormachen.

Früh schon wurde mit unsichtbarer Tinte oder Zitronensaft geschrieben, erst durch Erwärmen kam der Text zum Vorschein. Die Spartaner benutzten Stöcke (»Skytale«), um die spiralförmig ein Lederstreifen gewickelt und dann beschriftet wurde. Abgewickelt produzierte der Streifen Buchstabensalat, ein Empfänger musste beim Wiederaufrollen die exakte Dicke des Stocks kennen. Es kam auch vor, dass Botschaften auf kahl geschorene Schädel von Sklaven geschrieben wurden. Sobald die Haare nachgewachsen waren, traten die Männer an zum Einsatz – um am Zielort wieder rasiert zu werden.

Erst im Byzantinischen Reich, das von etwa 320 an über ein Jahrtausend bestehen sollte, entwickelten sich Strukturen, die einem »modernen Geheimdienst«, meint Gutberlet, »noch am...

Erscheint lt. Verlag 21.4.2020
Zusatzinfo mit Abbildungen
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Geschichte / Politik Politik / Gesellschaft
Sozialwissenschaften Politik / Verwaltung
Schlagworte BND • China • CIA • Cyberwar • Doppelagent • eBooks • FBI • Israel • James Bond • KGB • Mossad • NSA
ISBN-10 3-641-26154-6 / 3641261546
ISBN-13 978-3-641-26154-2 / 9783641261542
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