Die Datendiktatur – Wie Wahlen manipuliert werden (eBook)
496 Seiten
Harpercollins (Verlag)
978-3-95967-922-0 (ISBN)
Angriff auf unsere Demokratie
Ex-Cambridge Analytica Direktorin Brittany Kaiser enthüllt, wie Facebook, Trump und Big Data das Wahlverhalten von Millionen Menschen manipulieren.
Was auch immer wir online tun: Unsere Daten werden gespeichert, getrackt, missbraucht. In einem Ausmaß, das die orwell'sche Fiktion längst übersteigt. In ihrem explosiven Memoir konfrontiert uns Brittany Kaiser, Ex- Cambridge Analytica Direktorin und Whistleblowerin, mit der beunruhigenden Wahrheit über die Datenbranche: Unternehmen machen mit dem Verkauf unserer persönlichen Informationen mittlerweile Milliardenprofite. Und sie nutzen Schwachstellen in Datenschutzgesetzen gezielt aus, um unser (Wahl-)Verhalten zu manipulieren.
Das Buch beginnt an dem Tag, an dem Brittany Kaiser vor dem Untersuchungsausschuss des FBI-Sonderermittlers Robert Mueller zur Russlandaffäre aussagt. In Rückblenden nimmt sie uns mit in die Hinterzimmer des US-Wahlkampfteams und britischer Machtstrategen, sie beschreibt minutiös, wie Cambridge Analytica es schaffte, sich innerhalb kürzester Zeit bei Regierungsoberhäuptern einen Namen zu machen und die politische Weltbühne auf immer zu verändern - nicht zum Besseren ...
- Ein Politthriller von höchster Brisanz
- Das Buch über den größten Datenskandal unserer Zeit
- In der Netflix-Doku 'The Great Hack' ist Brittany Kaiser die Hauptfigur
BRITTANY KAISER wurde in Chicago geboren und begann schon früh, sich politisch zu engagieren. Von 2014 bis 2018 arbeitete sie sowohl in England als auch in den USA als Director of Business Development für Cambridge Analytica - dem Datenanalyseunternehmen, das Trump und den Brexit-Befürwortern 2016 zum Wahlsieg verhalf. 2018 entschloss sich Brittany Kaiser, die illegalen Daten-Praktiken von Cambridge Analytica öffentlich zu machen und löste damit einen der größten politischen und gesellschaftlichen Skandale aus.
2
Seitenwechsel
OKTOBER – DEZEMBER 2014
In dem halben Jahr nach meiner ersten Begegnung mit Alexander Nix hatte ich keine Arbeit gefunden, mit der ich die finanzielle Situation meiner Familie wesentlich hätte verbessern können. So bat ich im Oktober 2014 noch einmal Chester um Unterstützung bei der Suche nach dem richtigen Teilzeitjob für mich. Er arrangierte darauf ein Treffen zwischen mir und seinem Premierminister.
Damit bot sich mir die seltene Gelegenheit, meine digitalen und Social-Media-Strategien einem Regierungschef zu unterbreiten. Der Premier hatte bereits mehrere Amtszeiten hinter sich und bemühte sich um seine Wiederwahl. Und diesmal mache er sich Sorgen wegen der starken Opposition in seinem Land. Chester war der Meinung, ich könnte ihm ja vielleicht helfen.
So kam es, völlig unbeabsichtigt, zu einer zweiten Begegnung mit Alexander Nix.
Eines Vormittags saß ich in der Lounge eines privaten Hangars am Gatwick Airport in Erwartung meines Meetings mit dem Premier, für das ich zu früh dran war. Plötzlich flog die Tür auf und Nix platzte herein. Er hatte den ersten Termin des Tages – war ja klar, dass er vor mir an der Reihe war. Wieder Pech gehabt.
»Was machen Sie denn hier?«, fragte er, seine Miene drohend und bange zugleich. Dann drückte er seine abgenutzte Aktenmappe an die Brust und meinte mit gespieltem Entsetzen: »Stalken Sie mich?«
Ich lachte.
Als ich ihm sagte, warum ich gekommen war, erzählte er, dass er mit dem Premier schon die letzten paar Wahlen über gearbeitet hatte. Er staunte nicht schlecht, als ich ihm gestand, dass ich in eben dieser »Hoffnung« gekommen sei.
Es folgte etwas Smalltalk, und als er aufgerufen wurde, sprach er im Gehen noch eine Einladung aus. »Sie sollten mal bei SCL vorbeikommen und mehr darüber erfahren, was wir so tun.« Dann war er auch schon weg.
*
So misstrauisch ich war, was Alexander Nix anbelangte, entschloss ich mich dennoch, bei SCL vorbeizuschauen. Einige Tage nach unserer zufälligen Begegnung in Gatwick rief Chester an, um mir zu sagen, »Alexander« hätte sich bei ihm gemeldet. Vielleicht könnten wir drei uns ja mal zusammensetzen und uns über die bevorstehende Wahl des Premiers austauschen?
Merkwürdigerweise war ich angenehm überrascht über dieses Ansinnen. Irgendetwas an unserer Begegnung in dem Hangar musste Alexanders Neugier geweckt haben. Vielleicht war er so viel Kühnheit bei jemandem meines Alters oder Geschlechts nicht gewohnt. Was immer dahintersteckte, es sollte bei dem Meeting um eine Zusammenarbeit gehen, was weit positiver klang, als gegeneinander zu arbeiten, zumal wenn man bedenkt, dass er so offensichtlich die Oberhand hatte und ich so dringend Arbeit brauchte.
Mitte Oktober schauten Chester und ich bei SCL vorbei. Das Büro der Firma lag in einer Seitenstraße namens Yarmouth Place, gleich hinter dem Green Park. Das Gebäude machte einen heruntergekommenen Eindruck, wie seit den 1960er-Jahren nicht mehr renoviert. Es war bis unters Dach voll namenloser kleiner Start-ups wie etwa der Firma für Trinkvitamine, mit der SCL den Flur gemeinsam hatte. Auf dem Weg in den Konferenzraum im Erdgeschoss, den sich alle Mieter teilten und der stundenweise zu buchen war, drückten wir uns an Lattenkisten voll kleiner Flaschen vorbei – nicht gerade das, was ich erwartet hatte von einer angeblich so hochkarätigen Crew politischer Berater.
Aber in eben diesem Raum trafen Chester und ich uns mit Alexander Nix und Kieran Ward, den Alexander uns als seinen Director of Communications vorstellte. Laut Alexander war Kieran bei Wahlen in zahlreichen Ländern vor Ort gewesen. Er schien mir erst Mitte dreißig, aber an seinen Augen konnte ich ablesen, dass er schon so einiges gesehen hatte.
Für den Premier stehe bei den bevorstehenden Wahlen eine Menge auf dem Spiel, erklärte uns Alexander. Er sprach vom »aufgeblähten Ego« des Mannes. Chester pflichtete ihm nickend bei. Er stellte sich zum fünften Mal zur Wahl, aber sein unzufriedenes Volk verlange seinen Rücktritt. Bei seinem Meeting mit dem Mann in Gatwick hatte Alexander ihn ermahnt, »die Schotten dicht zu machen«, andernfalls würde er verlieren. Aber viel Zeit dafür bleibe ihm nicht. Bis zur Wahl kurz nach Neujahr seien es nur noch wenige Monate.
Was SCL zu erreichen hoffe, begann Alexander, hielt dann aber inne. Er sah erst Chester an, dann mich. »Aber Sie wissen noch nicht einmal, was wir machen, oder?« Ehe wir’s uns versahen, war er zur Tür hinaus und kam mit einem Laptop in der Hand wieder herein. Er dimmte das Licht und startete eine PowerPoint-Präsentation, die er an eine große Leinwand warf.
»Unsere Kinder«, begann er, einen Klicker in der Hand, »werden nicht mehr in einer Welt der ›Pauschalwerbung‹ leben.« Er meinte damit Werbung, die nach dem Gießkannenprinzip auf ein breites Publikum zielte. »Pauschalwerbung ist einfach zu unpräzise.«
Er klickte die nächste Folie an die Wand: »Traditionelle Werbung dient dem Markenaufbau und der sozialen Bestätigung, das Verhalten ändert sie nicht.« Linker Hand auf dem Bild befand sich eine Werbung für Harrods, das Traditionskaufhaus; in großen Lettern hieß es da »50% RABATT«. Auf der rechten Seite waren zwei gelbe Bögen und eine Krone, die Logos von McDonald’s und Burger King.
Diese Art von Anzeigen, so erklärte er, sei rein informatorisch; wenn sie überhaupt etwas »bewies«, dann gerade mal die Treue bereits bestehender Kunden zu einer Marke. Dieser Ansatz sei veraltet.
Traditionelles Marketing wie diese Anzeigen würden nie funktionieren, sagte Alexander. »Die SCL Group bietet Messaging für die Welt des 21. Jahrhunderts.«
Wenn ein Klient neue Kunden erreichen wolle, so erklärte er, genüge es eben nicht, diese bloß zu erreichen, es gelte, sie zu »bekehren«. »Wie bekommt McDonald’s jemanden dazu, einen seiner Burger zu essen, der noch nie einen hatte?«
Mit einem Achselzucken klickte er die nächste Folie an die Wand.
»Der Heilige Gral der Kommunikation«, fuhr er fort, »besteht darin, Verhalten tatsächlich zu ändern.«
Auf der nächsten Folie hieß es »Behavioral Communications« – Verhaltensbeeinflussung durch Kommunikation. Links sahen wir ein Foto von einem Strand mit einem quadratischen weißen Schild: »Ende des öffentlichen Strands«; die rechte Seite zeigte ein knallgelbes dreieckiges Schild, das dem Hinweis auf einen unbeschrankten Bahnübergang ähnelte: »Warnung. Hai-Alarm.«
Welches Schild effektiver sei? Der Unterschied war fast komisch.
»Wenn Sie um die Angst der Leute, von einem Hai gefressen zu werden, wissen«, sagte Alexander, »dann wissen Sie auch, dass das zweite Schild die Leute davon abhalten würde, an Ihrem Stück Strand zu schwimmen.« Ihrem Stück Strand?, dachte ich bei mir. Der bietet seine Dienste wohl öfter den Besitzenden an.
Ohne Unterbrechung machte er weiter: SCL sei keine Werbeagentur, erklärte er, SCL sei eine »Agentur für Verhaltensänderung«.
Da solche Botschaften nicht wirklich ankämen, werfe man bei Wahlkämpfen mit Schildern wie dem vom Privatstrand Milliarden zum Fenster hinaus.
In die nächste Folie waren ein Video und ein Foto eingebettet, das eine wie das andere Wahlkampfwerbung. Das Video bestand aus einer Serie von Standbildern von Mitt Romneys Gesicht, dazwischen Clips mit applaudierendem Publikum, das Ganze über dem Soundtrack von einer von Romneys Wahlkampfreden. Sie endete mit der Phrase »Starke neue Führung«. Das Foto zeigte den ausgedörrten Rasen eines Vorgartens, in dem ein Schilderwald mit den Namen von Kandidaten aufgebaut war: Romney, Santorum, Gingrich – es spielte fast keine Rolle, wer es war. Es war klar, wie statisch die Schilder waren, wie leicht zu übersehen.
Alexander kicherte. »Sehen Sie«, sagte er. »Keines dieser Schilder ›bekehrt‹ jemanden.« Er breitete die Arme aus. »Wenn Sie als Demokrat so ein Romney-Schild sehen, dann haben Sie kein ›Damaskuserlebnis‹ und wechseln auf der Stelle die Partei.«
Wir lachten.
Ich saß staunend da. Da war ich nun all die Jahre in der Kommunikationsbranche tätig und war nie auf den Gedanken gekommen, Messaging unter diesem Gesichtspunkt zu sehen. Ich hatte nie jemanden über die Eindimensionalität der heutigen Werbung sprechen hören. Bis zu diesem Augenblick hatte ich Obamas New-Media-Kampagne von 2008, für die ich so engagiert als Praktikantin gearbeitet hatte, für hochentwickelt und raffiniert gehalten.
Es war der erste Wahlkampf gewesen, bei dem Social Media zur Kommunikation mit Wählern eingesetzt wurden. Wir hatten Senator Obama auf Myspace, Pinterest und Flickr beworben. Ich selbst hatte dem damaligen Senator die erste Facebook-Seite eingerichtet. Nie werde ich vergessen, wie Obama ins Chicagoer Büro kam und auf sein Profilfoto auf meinem Bildschirm wies. »Hey, das bin ja ich!«, rief er aus.
Jetzt sah ich, dass wir damals zwar vorneweg gewesen sein mochten, aber auch, um mit Alexander zu sprechen, informationslastig, eintönig und belanglos. Wir hatten nicht wirklich jemanden bekehrt. Unser Publikum bestand größtenteils aus bekennenden Obama-Anhängern. Sie hatten uns ihre Kontaktinformationen geschickt, oder wir hatten sie mit ihrer Genehmigung gesammelt, nachdem sie auf unseren Websites gepostet hatten. Nicht wir hatten sie erreicht; sie hatten uns erreicht.
Unsere Anzeigen, so erklärte Alexander, hätten sich auf »soziale Bestätigung« verlassen, sie hatten lediglich eine bereits bestehende »Markentreue« verstärkt....
Erscheint lt. Verlag | 31.1.2020 |
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Übersetzer | Bernhard Schmid |
Verlagsort | Köln |
Sprache | deutsch |
Original-Titel | Targeted |
Themenwelt | Sachbuch/Ratgeber ► Geschichte / Politik ► Politik / Gesellschaft |
Sozialwissenschaften ► Politik / Verwaltung | |
Schlagworte | Brexit • Cambridge Analytica • Datenmissbrauch • Datenskandal • David Cameron • donald trump wahlkampf • Enthüllungsbuch • enthüllungsbuch trump • facebook skandal • Fake News • Julian Assange • Mark Zuckerberg • Mueller Report • Robert Mueller • robert mueller report • Russlandaffäre • Sachbuch • Trump • Trump Buch • trump enthüllungsbuch • trump und putin • trump-wahlkampf • Überwachung • US Wahlkampf • Wahlkampf USA • wahlmanipulation • Whistleblower • Whistle Blower • Whistleblower Buch |
ISBN-10 | 3-95967-922-X / 395967922X |
ISBN-13 | 978-3-95967-922-0 / 9783959679220 |
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