Das heimliche Imperium (eBook)

Die USA als moderne Kolonialmacht
eBook Download: EPUB
2019 | 1. Auflage
720 Seiten
S. Fischer Verlag GmbH
978-3-10-490231-9 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Das heimliche Imperium -  Daniel Immerwahr
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Das Territorium der USA ist viel größer als die offzielle Landkarte zeigt. Der amerikanische Historiker Daniel Immerwahr entlarvt, wie es gelang, ein ganzes Weltreich zu errichten, ohne dass die Welt es merkte. Zu den Vereinigten Staaten gehörten (und gehören zum Teil bis heute) unter anderem: die Philippinen und Puerto Rico, verschiedene Inseln im Pazifik sowie Teile Samoas. Einst Kolonien oder zur Ausbeutung von Rohstoffen annektiert, wurden sie nach 1945 als Außengebiete der USA bezeichnet. In fesselnden Episoden schildert Immerwahr die Geschichte des verborgenen US-Imperialismus. Er schreibt über Menschenversuche in Puerto Rico, über den Spanisch-Amerikanischen Krieg auf den Philippinen, dem eine Million Menschen zum Opfer fielen, und über den Rohstoffraub im Pazifik. Um die dortigen Guano-Vorkommen abbauen zu können, erließ der US-Kongress 1856 ein Gesetz, nach dem US-Bürger unbewohnte Inseln für ihr Land annektieren konnten. Über 50 Inseln wurden damit dem US-Territorium hinzugefügt, einige davon sind bis heute unter amerikanischer Kontrolle. Ein spannend erzähltes Stück Weltgeschichte, das zeigt: Imperialismus und Globalisierung gehen bis heute Hand in Hand. Es ist Zeit, dass die Weltgemeinschaft den Kolonialismus endgültig überwindet.

Daniel Immerwahr, geboren 1980, lehrt Geschichte an der Northwestern University in Illinois. Er zählt zu den vielversprechendsten Nachwuchshistorikern der USA. Für sein Buch »Thinking Small« (erschienen 2015 bei Harvard University Press) erhielt er den Merle-Curti-Preis des amerikanischen Historikerverbands.

Daniel Immerwahr, geboren 1980, lehrt Geschichte an der Northwestern University in Illinois. Er zählt zu den vielversprechendsten Nachwuchshistorikern der USA. Für sein Buch »Thinking Small« (erschienen 2015 bei Harvard University Press) erhielt er den Merle-Curti-Preis des amerikanischen Historikerverbands.

Die vorliegende Studie ist wegen ihrer Detailfülle und analytischen Schärfe ein unverzichtbarer Beitrag zur Entschlüsselung der dunklen Seiten der amerikanischen Kolonialpolitik.

Daniel Immerwahr ist ein mitreißender Erzähler, der bei allen schrecklichen Aspekten des Themas [...] immer wieder auch Witz und Ironie zeigt

ein gut lesbares und hochinformatives Werk

Einleitung Jenseits der Logokarte


Das einzige Problem ist,

sie denken nicht viel über uns nach

in Amerika.

Alfredo Navarro Salanga, Manila[1]

7. Dezember 1941. Über einem Flottenstützpunkt auf der Insel O’ahu erscheinen japanische Flugzeuge. Sie werfen Torpedos ab, die nach dem Eintauchen ins Wasser den Weg zu ihren Zielen suchen. Vier von ihnen treffen die USS Arizona, das riesige Schlachtschiff hebt sich aus dem Wasser. Stahl, Holz, Dieselöl und menschliche Körperteile wirbeln durch die Luft. Die brennende Arizona versinkt im Meer, während die Männer der Besatzung in das ölbedeckte Wasser springen. Nach einem Jahrhundert Frieden ist das ein brutales Erwachen. Für die Vereinigten Staaten ist es der Beginn des Zweiten Weltkriegs.

Es gibt nicht viele geschichtliche Ereignisse, die tiefer ins nationale Gedächtnis der US-Amerikaner eingebrannt sind als der Angriff auf Pearl Harbor. Er gehört zu den wenigen Ereignissen, deren Datum die meisten Menschen benennen können (der 7. Dezember, »das Datum, das als Schande weiterleben wird«, wie Franklin Delano Roosevelt sagte). Hunderte von Büchern wurden darüber geschrieben – in der Library of Congress finden sich mehr als 350. Und Hollywood hat Spielfilme darüber produziert, von Verdammt in alle Ewigkeit (1953) mit Burt Lancaster in der Hauptrolle, das von der Kritik gefeiert wurde, bis hin zu Pearl Harbor (2001) mit Ben Affleck, über das die Kritiker sich lustig machten.

Diese Filme zeigen indessen nicht, was als Nächstes geschah. Neun Stunden nach dem japanischen Angriff auf Hawai’i erschienen weitere japanische Flugzeuge über einem anderen US-Territorium, den Philippinen. Wie in Pearl Harbor warfen sie ihre Bomben ab und richteten auf mehreren Luftstützpunkten verheerende Schäden an.

Die offizielle Kriegsgeschichte der US-Army stuft die Bombenangriffe auf die Philippinen als ebenso zerstörerisch ein wie die auf Hawai’i.[2] In Pearl Harbor dezimierten die Japaner die amerikanische Pazifikflotte, versenkten vier Schlachtschiffe und beschädigten vier weitere. Auf den Philippinen trafen die Angriffe auf die größte Konzentration amerikanischer Kampfflugzeuge außerhalb Nordamerikas – sie vernichteten das Rückgrat der alliierten Luftverteidigung im Pazifik.

Die Vereinigten Staaten verloren mehr als nur Flugzeuge. Der Angriff auf Pearl Harbor war ein Überraschungsangriff. Die japanischen Bomber schlugen zu, zogen sich zurück und kamen nicht mehr wieder. Nicht so auf den Philippinen. Dort folgten auf die ersten Luftangriffe weitere Attacken, eine Invasion und die Besetzung. Sechzehn Millionen Filipinos – US-amerikanische Staatsbürger, die vor der US-amerikanischen Flagge salutierten und FDR als ihren Oberbefehlshaber ansahen – fielen unter die Herrschaft einer fremden Macht. Sie erlebten einen ganz anderen Krieg als die Bewohner Hawai’is. Das gewöhnlich als »Pearl Harbor« bezeichnete Ereignis war in Wirklichkeit ein umfassender Blitzanschlag gegen amerikanische und britische Besitzungen im pazifischen Raum. An einem einzigen Tag griffen die Japaner die dortigen US-amerikanischen Territorien Hawai’i, die Philippinen, Guam, die Midway-Inseln und das Wake-Atoll an. Zeitgleich attackierten sie auch die britischen Kolonien Malaya, Singapur und Hongkong und begannen mit der Invasion Thailands.

Es war ein phänomenaler Erfolg. Den Japanern gelang zwar nie die Eroberung Hawai’is, doch innerhalb weniger Monate fielen ihnen Guam, die Philippinen, das Wake-Atoll, Malaya, Singapur und Hongkong in die Hände. Sie eroberten sogar die Westspitze Alaskas und hielten sie mehr als ein Jahr lang.

Wenn man sich das Gesamtbild ansieht, fragt man sich, ob denn »Pearl Harbor« – der Name eines der wenigen Angriffsziele, die Japan nicht besetzte – wirklich die beste Kurzbezeichnung für die Ereignisse dieses schicksalhaften Tages sein mag.

*

Als »Pearl Harbor« bezeichnete man die Luftangriffe damals noch nicht, zumindest nicht zu Anfang.[3] Wie man sie beschreiben sollte, war indessen alles andere als klar. Sollte man den Schwerpunkt auf Hawai’i legen, das dem nordamerikanischen Festland am nächsten gelegene Ziel und das erste Stück US-amerikanischen Bodens, das die Japaner angriffen? Oder doch eher auf die weitaus größeren und verwundbareren Philippinen? Oder auf Guam, das fast unverzüglich kapitulierte? Oder auf alle pazifischen Besitzungen einschließlich des unbewohnten Wake-Atolls und der gleichfalls unbewohnten Midway-Inseln?

»Die Fakten von gestern und heute sprechen für sich selbst«, sagte Roosevelt in seiner Rede vor dem Kongress – der »Infamy Speech«, in der er von einem »Tag der Schande« sprach. Aber taten sie das wirklich? »Japaner bombardieren Manila und Hawaii«, lautete die Schlagzeile einer Zeitung in New Mexico. »Japanische Flugzeuge bombardieren Honolulu und Guam« titelte eine andere in South Carolina.[4] Sumner Welles, Roosevelts stellvertretender Außenminister, beschrieb die Ereignisse als »Angriff auf Hawaii und die Philippinen«.[5] Eleanor Roosevelt verwendete eine ähnliche Formulierung in ihrer Radioansprache am Abend des 7. Dezember, in der sie sagte, Japan »bombardiert unsere Bürger in Hawaii und auf den Philippinen«.[6]

Roosevelts »Tag-der-Schande-Rede« am 7. Dezember 1941. In der 7. Zeile wurde »Geschwader haben mit Bombardements in Hawai’i und auf den Philippinen begonnen« umgeändert in »Geschwader haben mit Bombardements in Oahu begonnen.«

So hieß es auch im ersten Entwurf der Rede des Präsidenten. Dort wurde das Ereignis ursprünglich als »Bombardements in Hawaii und auf den Philippinen« bezeichnet. Aber Roosevelt vergnügte sich den ganzen Tag mit dem Entwurf, fügte Formulierungen mit Bleistift hinzu und strich andere aus. Irgendwann entfernte er die hervorgehobene Nennung der Philippinen und entschloss sich zu einer anderen Beschreibung. Der Angriff war in dieser revidierten Fassung nun ein »Bombardement in Oahu« oder, wie es später in der Rede heißt, auf die »Hawaiianischen Inseln«.[7] Er erwähnte auch weiterhin die Philippinen, allerdings nur innerhalb der knappen Aufzählung anderer japanischer Angriffsziele: Malaya, Hongkong, Guam, die Philippinen, das Wake-Atoll und die Midway-Inseln – in dieser Reihenfolge. Diese Aufzählung mischt amerikanische und britische Territorien, ohne anzumerken, welche davon zu wem gehörten.

Warum diese Herabstufung der Philippinen? Wir wissen es nicht, aber es ist nicht schwer zu erraten. Roosevelt versuchte, eine eindeutige Geschichte zu erzählen. Japan hatte die Vereinigten Staaten angegriffen. Doch da gab es ein Problem. Galten die japanischen Angriffsziele wirklich den »Vereinigten Staaten«? In rechtlichem Sinne handelte es sich unbestreitbar um US-amerikanisches Staatsgebiet. Aber würde die Öffentlichkeit das auch so sehen? Was, wenn es Roosevelts Publikum egal war, dass Japan die Philippinen oder Guam angegriffen hatte? Nach Meinungsumfragen, die kurz vor dem Angriff durchgeführt worden waren, unterstützten in den kontinentalen USA nur wenige eine militärische Verteidigung dieser entfernten Territorien.[8]

Erinnern wir uns, welche Reaktionen ähnliche Ereignisse in jüngerer Zeit auslösten, nämlich am 7. August 1998, als Al-Qaida zeitgleich Anschläge auf US-Botschaften im kenianischen Nairobi und im tansanischen Daressalam verübte. Hunderte Menschen starben (meist Afrikaner) und Tausende wurden verletzt. Doch obwohl diese Botschaften Außenposten der Vereinigten Staaten waren, hatte man in der Öffentlichkeit kaum das Gefühl, das Land selbst wäre angegriffen worden. Es bedurfte weiterer Anschläge, zeitgleich in New York und Washington drei Jahre später, um einen echten Krieg zu entfesseln.

Eine Botschaft ist natürlich etwas anderes als ein Staatsgebiet. Und das war auch 1941 so. Roosevelt wusste zweifellos, dass die Philippinen und Guam zwar formal gesehen zu den Vereinigten Staaten gehörten, vielen US-Amerikanern jedoch als Ausland erschienen. Hawai’i dagegen wurde eher als »amerikanisch« empfunden. Es war zwar kein Bundesstaat, sondern ein »US-Territorium«, doch es lag näher bei Nordamerika und war deutlich »weißer« als die übrigen Territorien. So sprach man denn bereits von der Möglichkeit, dass Hawai’i zu einem Bundesstaat werden würde (während bei den Philippinen die Unabhängigkeit im Raum stand).

Doch selbst mit Blick auf Hawai’i hielt Roosevelt es für nötig, seine Botschaft zu verdeutlichen. Das Territorium hatte zwar eine beträchtliche weiße Bevölkerung, doch drei Viertel der Einwohner waren Asiaten oder Pazifikinsulaner. Roosevelt hatte ganz offensichtlich die Sorge, sein Publikum könne Hawai’i als Ausland empfinden. Deshalb nahm er am Morgen seiner Rede eine weitere Veränderung vor. Nun sagte er nicht mehr, japanische Geschwader hätten »die Insel Oahu« bombardiert, sondern sprach von der »amerikanischen Insel Oahu«. Dort hätten sie »amerikanischen Marineeinheiten und...

Erscheint lt. Verlag 25.9.2019
Übersetzer Laura Su Bischoff, Michael Bischoff
Verlagsort Frankfurt am Main
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Geschichte / Politik Politik / Gesellschaft
Sozialwissenschaften Politik / Verwaltung
Schlagworte Außereuropäische Geschichte • Geschichte USA • Guano • Imperialismus • Kolonialgeschichte • Kolonialismus • Kolonialkriege • Pazifik • Pearl Harbor • Philippinen • Puerto Rico • Spanisch-amerikanischer Krieg • US-Territorien • Weltgeschichte • Zweiter Weltkrieg
ISBN-10 3-10-490231-3 / 3104902313
ISBN-13 978-3-10-490231-9 / 9783104902319
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