Lesen gefährdet die Dummheit (eBook)

Gedanken zur Demokratie

Anna-Maria Reichardt (Herausgeber)

eBook Download: EPUB
2020 | 1. Auflage
256 Seiten
S. Fischer Verlag GmbH
978-3-10-491115-1 (ISBN)

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Lesen gefährdet die Dummheit -
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Der Sammelband »Lesen gefährdet die Dummheit. Gedanken zur Demokratie« enthält die wichtigsten grundlegenden Texte zur Demokratie. Mit klassischen Texten von Platon, Aristoteles, Cicero, Augustinus von Hippo, Thomas von Aquin, Marsilius von Padua, Machiavelli, Montesquieu, Rousseau, John Locke, Immanuel Kant, Alexis de Tocqueville, John Stuart Mill, Jean Louis de Lolme, Walt Whitman und vielen mehr. Anregende Lektüre und perfektes Geschenk für alle klugen Köpfe.

Platon

Der Staat


Als 20-Jähriger schloss sich Platon (428/427348/347 v. Chr.) Sokrates an, der seine geistige Entwicklung nachdrücklich prägte. Nach dessen Tod und aus den Erfahrungen der Athenischen Demokratie entwickelte Platon sein Modell eines Idealstaates und damit die erste abendländische Staatstheorie, die bis heute zu den wirkungsmächtigsten Texten der Philosophiegeschichte zählt. Der Zeitpunkt der Entstehung ist umstritten, man geht allerdings allgemein davon aus, dass »Politeia« in Platons mittlere Schaffensperiode zu positionieren und der Hauptteil damit in den Zeitraum zwischen 390 v. Chr. und ca. 370 v. Chr. zu datieren ist.

Unter der Leitfrage nach der Gerechtigkeit weist Platon traditionelle Auffassungen zurück und entwickelt seine Lehre von den drei Seelenteilen und den vier Kardinaltugenden. Entsprechend den drei Seelenteilen teilt er auch den idealen Staat in drei Teile, die den Bedürfnissen der menschlichen Seele entsprechen und, im Gegensatz zur individuellen Freiheit der Demokratie, für Gerechtigkeit sorgen.

Und wahrlich, sagte er, bin ich sehr neugierig zu hören, was für vier Verfassungen du meintest. – Das solltest du, sprach ich, ohne Schwierigkeit. Denn die ich meine, sind die, für welche man auch Namen hat, zuerst diese von so Vielen gepriesene kretische und zugleich auch lakonische [die Timokratie], die zweite die auch zum zweiten gerühmte sogenannte Oligarchie, eine Verfassung voll mancherlei Übel, ferner die von dieser ganz verschiedene und ihr zunächst entstehende Demokratie, und endlich die edle Tyrannei von allen diesen verschieden des Staates vierte und letzte Krankheit.

[…]

So entsteht daher, denke ich, die Demokratie, wenn die Armen den Sieg davon tragen, dann von dem andern Teil Einige hinrichten, Andere vertreiben, den Übrigen aber gleichen Teil geben am Bürgerrecht und an der Verwaltung, so dass die Obrigkeiten im Staat großenteils durchs Los bestimmt werden. – Dieses, sagte er, ist wohl die Begründung der Demokratie, mag sie nun durch die Waffen zu Stande kommen oder nachdem der andere Teil aus Furcht sich zurückgezogen hat. – Auf welche Weise, sprach ich, leben nun diese? und wie ist wiederum diese Staatsverfassung beschaffen? denn offenbar wird uns auch ein solcher demokratischer Mann zum Vorschein kommen. – Offenbar, sagte er. – Und nicht wahr, zuerst sind sie frei, und die ganze Stadt voll Freiheit und Zuversichtlichkeit, und Erlaubnis hat jeder, darin zu tun was er will? – So sagt man ja wenigstens, sprach er. – Wo aber solche Erlaubnis ist, da offenbar richtet jeder sich seine Lebensweise für sich ein, welche eben jedem gefällt. – Offenbar. – So finden sich denn in solcher Verfassung vorzüglich gar vielerlei Menschen zusammen. – Wie sollten sie nicht! – Am Ende, sprach ich, mag dies die schönste unter allen Verfassungen sein; wie ein buntes Kleid dem recht vielerlei Blumen eingewirkt sind, so könnte auch diese, in welche allerlei Sitten verwebt sind, als die schönste erscheinen. – Warum nicht? sagte er. – Und vielleicht, sprach ich, werden auch wohl Viele, die wie Kinder und Weiber auf das Bunte sehen, diese für die schönste erklären. – Gewiss! sagte er. – Und es ist auch gar bequem, sprach ich, in ihr eine Verfassung zu suchen. – Wie das? – Weil sie vermöge jener Erlaubnis alle Arten von Verfassungen in sich schließt; und wenn einer, wie wir es ja eben taten, einen Staat einrichten will, so scheint es, braucht er nur in eine demokratisch geordnete Stadt zu gehen, und sich dort, welcher Schnitt ihm am besten gefällt, den aussuchen, als wenn er sich in einer Trödelbude von Staatsverfassungen umsähe, und nun, so wie er ausgewählt, seinen Staat einrichten. – Nicht leicht freilich, sagte er, möchte es ihm an Mustern fehlen. – Und, fuhr ich fort, dass man so gar nicht gezwungen ist am Regiment teilzunehmen in einem solchen Staat, und wenn du auch noch so geschickt dazu bist, noch auch zu gehorchen, wenn du nicht Lust hast, und eben so wenig wenn die Andern Krieg führen auch mit zu kriegen, oder Frieden zu halten wenn die Andern ihn halten, dir aber stände es etwa nicht an; und auf der andern Seite, wenn auch ein Gesetz dir verbietet ein Amt zu bekleiden oder zu Gericht zu sitzen, du doch nichts desto weniger regieren kannst und Recht sprechen, wenn es nur dir selbst in den Sinn kommt, ist solches nicht vornweg eine gar wundervolle und anmutige Lebensweise? – Vielleicht, sagte er, so vornweg wohl. – Und wie? Die Milde der Verurteilten, ist die nicht manchmal prächtig? Oder hast du noch nicht gesehen, dass an einem solchen Staate Menschen, wenn sie zum Tode verurteilt oder verwiesen sind, nichts desto weniger bleiben und mitten unter den Andern herumgehen? Und als ob niemand sich drum kümmerte oder keiner es sähe, stolziert ein solcher umher wie ein Heros. – Gar viele schon, sagte er. – Und die Nachsicht dieses Staates, der so gar nichts weiß von irgendeiner Kleinigkeitskrämerei, sondern daraus gar nichts macht, was wir mit so gewichtigem Ernst vorbrachten, als wir unsre Stadt einrichteten, dass, wenn nicht einer eine ganz überschwängliche Natur habe, keiner ein tüchtiger Mann wird, wenn nicht schon seine Spiele als Knabe eine edle Abzweckung haben, und er hernach auch nur dergleichen alles ernstlich treibt, wie großmütig über alles dieses hinwegschreitend ein solcher Staat nichts danach fragt, von was für Bestrebungen und Geschäften einer herkomme, der an die Staatsgeschäfte geht, sondern ihn schon in Ehren hält, wenn er nur versichert, er meine es gut mit dem Volk. – Gar edel, sagte er, ist freilich diese Nachsicht. – Dieses also, sagte ich, und anderes dem verwandtes hätte die Demokratie, und wäre wie es scheint eine anmutige regierungslose buntscheckige Verfassung, welche gleichmäßig Gleichen wie Ungleichen eine gewisse Gleichheit austeilt. – Sehr kenntlich, sagte er, beschreibst du sie. –

[…]

Und die Demokratie, löst nicht auch diese sich auf durch die Unersättlichkeit in dem was sie sich als ihr Gut vorsetzt? – Was meinst du aber, dass sie sich vorsetze? – Die Freiheit, antwortete ich. Denn von dieser wirst du immer in einer demokratischen Stadt hören, dass sie das vortrefflichste sei, und dass deshalb auch nur in einer solchen leben dürfe, wer von Natur frei sei. – Das Wort wird freilich gar oft gesagt. – Ist es nun etwa nicht, was ich eben sagen wollte, die Unersättlichkeit hierin mit Vernachlässigung alles Übrigen, was auch diese Verfassung umgestaltet und sie dahin bringt der Tyrannei zu bedürfen? – Wie das, sprach er. – Ich meine, wenn einer demokratischen, nach Freiheit durstigen Stadt schlechte Mundschenken vorstehen, und sie sich über die Gebühr in ihrem starken Wein berauscht: so wird sie ihre Obrigkeiten, wenn diese nicht ganz zahm sind und alle Freiheit gewähren, zur Strafe ziehen, indem sie ihnen Schuld gibt, bösartig und oligarchisch zu sein. – Das tun sie wohl, sagte er. – Und die den Obrigkeiten gehorchen misshandelt sie als knechtisch gesinnte und gar nichts werte; und nur Obrigkeiten, welche sich wie Untergebene, und Untergebene, welche sich wie Obrigkeiten anstellen, werden wo man unter sich ist und öffentlich gelobt und geehrt. Muss nun nicht in solchem Staat die Freiheit sich notwendig überall hin erstrecken? – Wie sollte sie nicht? – Und so, sprach ich, o Freund, wird sie sich auch in die Häuser einschleichen und am Ende so weit gehen, dass auch dem Vieh die Ungebundenheit eingepflanzt wird. – Wie, sprach er, ist wohl dies gemeint? – Als wenn, sagte ich, ein Vater sich gewöhnt dem Knaben ähnlich zu werden und sich also vor den erwachsenen Söhnen zu fürchten, uns ein Sohn dem Vater, also die Eltern weder zu scheuen noch bange vor ihnen zu sein, damit er nämlich recht frei sei; ebenso ein Hintersasse dem Bürger und der Bürger dem Hintersassen sich gleich zu stellen, und der Fremde ebenso. – Das geschieht freilich, sagte er. – Dieses, fuhr ich fort, und noch andere ähnliche Kleinigkeiten. Der Lehrer zittert in einem solchen Zustande vor seinen Zuhörern und schmeichelt ihnen; die Zuhörer aber machen sich nichts aus den Lehrern und so auch aus den Aufsehern. Und überhaupt stellen sich die Jüngeren den Älteren gleich und treten mit ihnen in die Schranken in Worten und Taten; die Alten aber setzen sich unter die Jugend und suchen es ihr gleich zu tun an Fülle des Witzes und lustiger Einfälle, damit es nämlich nicht das Ansehen gewinne, als seien sie mürrisch oder herrschsüchtig. – So ist es allerdings, sagte er. – Das äußerste aber, o Freund, was an Freiheit der Menge in solchem Staat zum Vorschein kommt, ist wohl dieses, wenn die gekauften Männer und Frauen nicht minder frei sind, als ihre Käufer. Wie groß aber zwischen Frauen und Männern und Männern und Frauen die Rechtsgleichheit und Freiheit wird, das hatten wir beinahe vergessen zu erwähnen. – Wollen wir aber doch nach dem Aischylos nun davon reden, was uns jetzt in den Mund kommt? – Gern, sagte ich, und ich meine es so. Wieviel freier die dem Menschen unterworfenen Tiere hier sind als anderwärts, das glaubt niemand der es nicht erfahren hat. Denn die Hunde sind schon offenbar nach dem Sprichwort wie junge Fräulein; und Pferde und Esel sind gewöhnt ganz frei und vornehm immer geradeaus zu...

Erscheint lt. Verlag 25.3.2020
Reihe/Serie Lesen gefährdet die Dummheit
Verlagsort Frankfurt am Main
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Geschichte / Politik Politik / Gesellschaft
Sozialwissenschaften Politik / Verwaltung
Schlagworte Aristoteles • Freiheit • Georg Friedrich Wilhelm Hegel • Grundlagentexte • Immanuel Kant • Klassiker • Platon • Politik • Staat • Toleranz
ISBN-10 3-10-491115-0 / 3104911150
ISBN-13 978-3-10-491115-1 / 9783104911151
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