Alt sein wie ein Gentleman (eBook)

Über Würde im Alter und andere überschätzte Tugenden

(Autor)

eBook Download: EPUB
2019 | 1. Auflage
256 Seiten
C. Bertelsmann (Verlag)
978-3-641-23057-9 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Alt sein wie ein Gentleman -  Sven Kuntze
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Der nachdenkliche Flaneur und Genießer über das achte Lebensjahrzehnt
Eine Dekade nach seinem Bestseller 'Altern wie ein Gentleman' lässt uns Sven Kuntze an seinen Erfahrungen als fortgeschrittener Rentner teilhaben. Das erste Jahrzehnt des (Un)ruhestands hat er ziemlich spurlos, aber stets heiter und unter Umgehung verbindlicher Verantwortung abgelebt. Doch wird es so einfach weitergehen im achten Jahrzehnt? Wohin geht die Reise? Ist neues unerhörtes Terrain zu erkunden? Ist es dort einsam oder herrscht Gedrängel? Was muss mit ins Gepäck? Mit seiner charmanten, lebensklugen und gelassenen Art umkreist und durchdringt Sven Kuntze das, was wir das Alter nennen und zeitigt Einsichten, die uns zum Schmunzeln bringen, zum Nachdenken anregen und im besten Fall für den Alltag nützlich sein können.

Sven Kuntze studierte Soziologie, Psychologie und Geschichte an der Universität Tübingen. Er berichtete als TV-Reporter für den WDR aus Bonn, New York und Washington, moderierte ab 1993 das ARD Morgenmagazin und ging mit dem Regierungsumzug nach Berlin, wo er als Hauptstadtkorrespondent arbeitete. Seit 2007 ist Sven Kuntze im Ruhestand, aber immer noch als freier Journalist und Autor tätig. Sein Buch »Altern wie ein Gentleman« (2011 bei C. Bertelsmann) war ein SPIEGEL-Bestseller. Zuletzt erschien von ihm »Alt sein wie ein Gentleman« (2019).

VORBEMERKUNG: ABSCHIED VOM GESTERN


»Wo gehen wir denn hin?«
»Immer nach Hause.«
NOVALIS

Es sind einige Jahre ins Land gegangen, seit mein Buch »Altern wie ein Gentleman« auf den Markt kam. Damals dachte ich vor allem darüber nach, was geschieht, wenn man mit Erreichen der Renten- oder Pensionsberechtigung von einem Moment auf den anderen ohne rechtes Ziel, aber mit viel Zeit im Leben stehen gelassen wird. Es war ein Buch für diejenigen, die auf die Frage nach dem Älterwerden antworten konnten: »Keine Ahnung, ist mir bislang noch nicht zugestoßen.«

Das Buch schrieb sich leicht, denn neben einer Reihe unerfreulicher Einsichten und Tendenzen gab es überraschend viel Vergnügliches und Verheißungsvolles zu entdecken. Alles in allem schienen die Aussichten überwiegend vielversprechend.

Seither ist eine Dekade vergangen. Ich habe die »geschenkten Jahre«, wie die meisten meiner Alterskohorte, leichtfüßig, schnell und ziemlich spurlos, aber stets heiter und epikureisch, meist unter Umgehung verbindlicher Verantwortung, abgelebt. Wie die Mehrzahl meiner Generation, war ich ein gut gelaunter, angenehmer Nutznießer des Daseins.

Der »Gentleman« setzte biografisch beim Eintritt ins Rentenalter ein, das die meisten von uns bei guter Gesundheit und viele mit auskömmlichen Einkünften in Angriff nehmen durften. Vor uns schien, erlöst vom Gelderwerb, eine irdische Form des Gelobten Landes zu liegen, das nicht wenige in der Hoffnung betraten, noch einmal von vorne zu beginnen oder unerschrocken Unerhörtes zu tun, die Weichen neu zu stellen oder all diejenigen Dinge in die Tat umzusetzen, die ein arbeitsames Berufsleben bislang nicht zugelassen hatte. Unter den Jahrgängen, die damals in Rente gingen, herrschte gelegentlich eine Stimmung wie bei Abiturienten, die das Elternhaus verlassen, um sich der Welt zu stellen. Pläne, Hoffnungen und Fernweh, wohin man blickte. Plötzlich schien das »Unmögliche für alle« in Reichweite.

Das meiste ist Traum und Sehnsucht geblieben. Gelegentlich war der Aufbruch peinlich oder mitleiderregend. In der Regel verlief er in den engen Bahnen geordneter Existenzen. Rechten Schaden haben die grauköpfigen Abenteurer selten angerichtet.

Eine Dekade ist seither vergangen. Diejenigen, die es damals hinausgezogen hatte, sind bis auf wenige Ausnahmen aus der Fremde zurückgekehrt. Niemand träumt mehr von Aufbruch oder neuen Ufern. Wer noch Fernweh hat, kommt dem im Schoß sicherer Gruppenreisen nach.

Das Leben ist bis auf einen Rest gelebt.

Nichts ist rückgängig zu machen.

Die Entscheidungen sind getroffen, ihre Auswirkungen kaum mehr zu korrigieren.

Das Leben als selbstbestimmte Zeit liegt hinter uns. Ein neuer Lebensabschnitt hat, vorerst nur undeutlich erkennbar, begonnen, hinter dem sich – ja, was? – verbirgt. Für ihn gibt es in unserer definitionssüchtigen Zeit noch keinen eindeutigen Begriff, geschweige denn eine verlässliche Anschauung. Ursache dieses Mangels mag ein diffuses Erschrecken sein oder der fehlende Mut, dem ins Auge zu blicken, was unentrinnbar auf der Tagesordnung eines jeden Einzelnen stehen wird. Vorsicht kann die Ursache nicht sein, denn Vorsicht hat die Vermeidung des Abänderlichen zum Zweck. Unsere Zukunft jedoch ist unabänderlich. Wir werden noch sehen.

»Du hast es ja weit gebracht. Jetzt wirst du doch noch Ratgeberautor«, schrieb mir ein Kollege, mit dem ich vor Jahren vergeblich literarische Ambitionen verfolgt hatte, säuerlich, als er von meinem neuen Buchprojekt erfuhr. Damals galt der Ratgeber als niedere Textform, die mit unseren nur das Medium, Buchstaben nämlich, gemein hatte.

Ich kann ihn beruhigen, ich habe keinen Rat parat. Woher auch? Denn dem Rat ist stets die Hoffnung auf Veränderung zum Besseren eigen, und die vermag ich nicht zu entdecken. Ich schaue allerdings gelegentlich in meiner Buchhandlung durch die Regale, in denen die Ratgeber stehen. Es werden ständig mehr. Die klassischen Themen – Beziehung, Liebe, Erfolg, Körpermaße – sind bis ins letzte Detail ausdifferenziert oder um ungezählte neue Fragestellungen ergänzt worden.

Vor den Regalen versammeln sich inzwischen verunsicherte, weltverlorene Leser, denen es offensichtlich an Kraft und sozialen Kontakten mangelt, um ihre Probleme ohne den broschierten Rat einer ihnen fremden Person in den Griff zu bekommen.

»Weil du es dir wert bist«, steht etwas ungelenk in einem Paperback, das auf hundertachtzig Seiten in zahllosen Einzelratschlägen zu »Sicherheit und Stärke« anleitet. »Finden Sie sich schön«, heißt es dort. »Strahlen, nicht betteln«, wird geraten, oder: »Fühlen Sie sich reich!« Und schließlich: »Je älter, desto wertvoller!«

»Es dauert nicht mehr lange, und Sie sind dran, meine Liebe«, liest man in bedrohlicher Tonlage. »Es wird allerdings kein Zuckerschlecken, man muss gegen den Strom schwimmen und aus der Rolle fallen.«

Mit Einzelratschlag ist gegen die ungezählten Mitanbieter schwer reüssieren, deswegen bietet ein anderer Autor gleich zweiundfünfzig »Wege zum Glück« an. Manch einer wäre froh, auch nur von einem zu wissen.

»Wer kauft das schon?«, möchte man meinen und abwinken, »schad’ ums Papier«. Aber im Gegenteil: Ratgeber sind sichere Selbstläufer. Auf der Bestsellerliste einer deutschen Zeitung tummeln sich zu einem beliebigen Zeitpunkt in der Rubrik »Sachbuch«, dort, wo einst Veröffentlichungen zu Geschichte, aktueller Politik oder wissenschaftlichem Fortschritt zu finden waren, acht von zehn Titeln mit gutem Rat zu den Themen: »Ernährung« (mehrfach), »Erfolg«, »erfülltes Leben«, »Alterspubertät«, »Abnehmen«, »Ehekrisen«, die »wirklichen Werte«, »Gedächtnistraining« und »Glück«, nicht zu vergessen.

In diesen Ratgebern wird der Leser in ungezählte Einzelteile zerlegt und jedes einzelne Teil zur schadhaften Problemzone erklärt, die dringend instand gesetzt werden muss. Wer eine kurze Mittagspause lang in den Broschüren stöbert, wird im Handumdrehen zum Ratsuchenden zu Schwierigkeiten, von denen er meist nicht wusste, dass er sie überhaupt hatte.

Ratgeberliteratur macht süchtig. Man betritt den Buchladen als gesundes, selbstbewusstes Individuum, verlässt ihn als demütiges, verzagtes Wrack und reiht sich fortan in das Heer der Ratsuchenden ein, die größte Massenbewegung in der Geschichte der Menschheit, und überdies ein lohnendes Geschäftsfeld für all diejenigen, denen es sonst an Begabungen mangelt. Coaching und Ratschlag kann jeder!

Was sagt diese Flut über unsere sozialpsychologische Befindlichkeit aus? Offensichtlich ist aus dem Lot geraten, was ehedem selbstverständlich war. Verhaltensweisen, die einst im Schoß der Traditionen sicher verankert waren, haben sich gelöst und sind zur persönlichen Entscheidung freigestellt. Nachdem die beiden großen Themen der Moderne – »Freiheit« und »Mündigkeit« – von der Theorie zur Praxis fortgeschritten waren, entstand eine unübersichtliche Gemengelage und der ideale Nährboden für die heutige Ratgeberkultur. Zudem herrscht offensichtlich ein Mangel an Personen, denen man sein Vertrauen schenken kann. An ihre Stelle tritt der broschierte Ratgeber.

Wir sind zu Ratsüchtigen geworden.

Beeindruckend ist die Selbstsicherheit, mit der Rat durchgängig dargeboten wird. Dabei haben wir es, besonders im Fall der Alten, mit einem mächtigen Gegner zu tun, dem häufig selbst mit bestem Rat nicht beizukommen ist: der Natur, nebst ihren unerbittlichen Gesetzen. Trotzdem bleibt selten Raum für Zweifel, ob die vorgeschlagenen Maßnahmen auch ihr Ziel erreichen, was indes verständlich ist, denn wenn der Ratgeber angesichts der Realität auch nur zuckt, hat er seine Überzeugungskraft und einen Kunden verloren.

Ich trau mich an Rat nicht ran. Es wird auf den folgenden Seiten, bis auf wenige Ausnahmen, keinen geben. Es gibt ohnehin keinen Rat für alle, nicht einmal für viele und kaum einen für wenige. Und selbst die beschränken sich notwendig auf Empfehlungen, die selten über die Grenzen des gesunden Menschenverstandes hinausgehen. Die »Big Five« für ein langes, beschwerdefreies Leben kennen Sie ohnehin: Sport, schlanke Linie, soziale Kontakte, viel Gemüse und abends ein Glas Rotwein.

Im Detail ändert sich die Liste ständig. Fortwährend werden neue Schurken entdeckt, die uns an die Gesundheitswäsche wollen und nach dem Leben trachten. Relativ neu unter Verdacht sind – neben den alten Bekannten Zigaretten, Schnaps und Leibesfülle – weißes Mehl, Zucker und rotes Fleisch, während Hühnerei und Butter, die über viele Jahrzehnte ganz oben auf der Schädlingsliste standen, in der Zwischenzeit wieder freigesprochen wurden.

Das Leben eingangs der achten Dekade wird entgegen dem äußeren Anschein nicht einfacher, sondern im Gegenteil: Es wird vielfältiger und unvorhersehbarer. Der Alte, der friedlich im Schaukelstuhl die Zeit verstreichen lässt, ist ein Trugbild. Tatsächlich wird jeder von uns zu einem unentwirrbaren Geflecht ungezählter, unterschiedlicher Einflüsse und Erfahrungen. Wir sehen zwar alt aus, aber die meisten Erfahrungen, die wir jetzt machen müssen, sind neu und unbenutzt, und sie sind von einer Intensität, wie wir sie in den zurückliegenden Jahrzehnten nur in seltener Ausnahme erlebt haben. Nicht zu vergessen die Natur, mit der wir uns von nun an in heftigem Handgemenge befinden und die gebieterisch ihr Recht auf unsere Vergänglichkeit mit ihren unzähligen Begleiterscheinungen einfordert.

Die zentrale Herausforderung, das Alter selbst, verweigert sich jeder Problemlösung. Details können lebenswerter gestaltet werden, doch das Alter lässt...

Erscheint lt. Verlag 30.9.2019
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Geschichte / Politik Politik / Gesellschaft
Sozialwissenschaften Politik / Verwaltung
Schlagworte achtes Lebensjahrzehnt • Altern wie ein Gentleman • Alterskohorte • altwerden ist nichts für feiglinge • Berlin • eBooks • Joachim Fuchsberger • Psychologie • Rente • Rentnerdasein • selbstbestimmter Lebensabschnitt
ISBN-10 3-641-23057-8 / 3641230578
ISBN-13 978-3-641-23057-9 / 9783641230579
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