Herrhausen: Banker, Querdenker, Global Player (eBook)

Ein deutsches Leben
eBook Download: EPUB
2019
816 Seiten
Siedler Verlag
978-3-641-18776-7 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Herrhausen: Banker, Querdenker, Global Player - Friederike Sattler
Systemvoraussetzungen
32,99 inkl. MwSt
  • Download sofort lieferbar
  • Zahlungsarten anzeigen
Dreißig Jahre nach seiner Ermordung: ein neuer Blick auf Alfred Herrhausen
Er war geprägt von der Erziehung an einer NS-Eliteschule, verwurzelt im rheinischen Kapitalismus, vernetzt mit den Spitzen von Politik und Wirtschaft - und zugleich war Alfred Herrhausen seiner Zeit immer voraus. Seine Karriere als Quereinsteiger bei der Deutschen Bank schien unaufhaltsam, bis sie durch ein vermutlich von der RAF verübtes Attentat im November 1989 ein jähes Ende fand. In ihrer umfassenden Biographie zeigt Friederike Sattler, dass Herrhausen ein Visionär war, der immer auch die gesellschaftlichen Folgen seines Handelns mit bedachte und sich etwa für einen Schuldenerlass gegenüber der 'Dritten Welt' engagierte. Das Buch erkundet auch die Frage, inwiefern er mitverantwortlich war für die Probleme, mit denen die Deutsche Bank heute so schwer zu kämpfen hat.

Friederike Sattler wurde an der Freien Universität Berlin in Wirtschaftsgeschichte promoviert und lehrt seit 2012 an der Goethe-Universität Frankfurt am Main. Zahlreiche Veröffentlichungen zur Wirtschafts-, Sozial- und Finanzgeschichte, zuletzt u. a. über den Dresdner Bank-Manager Ernst Matthiensen, die europäischen Wirtschaftseliten und die langfristige Entwicklung von Wertpapiermärkten.

Einleitung


Als Vorstandssprecher der Deutschen Bank sicher einer der profiliertesten Vertreter der deutschen Großbanken im 20. Jahrhundert, war Alfred Herrhausen zugleich eine Schlüsselfigur der Zeitgeschichte. Er trieb nicht nur den Aufbruch seines Hauses ins globale Bankgeschäft voran und positionierte es durch Übernahmen im In- und Ausland in der Spitzengruppe international tätiger Institute, sondern war mit seinen brillanten Analysen zur weltwirtschaftlichen Lage und pointierten Stellungnahmen zur Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik auch weithin in Politik und Öffentlichkeit präsent. Sich mit seiner Lebensgeschichte und seinem Wirken auseinanderzusetzen führt mitten hinein in die Zeit der 1970er- und 1980er-Jahre, eine von vielfältigen Umbrüchen geprägte Epoche, deren Auswirkungen unsere Gegenwart noch immer mitbestimmen.

Als Herrhausen Anfang 1930 in Essen geboren wurde, war für ihn der Weg an die Spitze der größten deutschen Geschäftsbank keineswegs vorgezeichnet, stammte er doch aus eher einfachen, handwerklich-mittelständisch geprägten Verhältnissen.1 Später einmal nach den Quellen des Erfolgs seiner so beeindruckend verlaufenden Karriere befragt, tat er kund, das »Motto meines Lebens« sei folgendes gewesen: »Ich habe immer fleißig gearbeitet, weil ich mir gesagt habe, das, was du an Talenten hast, (…) das musst du verbinden mit Einsatz, Engagement und Fleiß. (…) Und es hat geklappt. Ich habe mir auch nie groß Sorgen darüber gemacht. Ich bin immer fest davon überzeugt gewesen, dass die Kombination dieser beiden Eigenschaften, Intelligenz und Fleiß, dass die ausreichen, um nach oben durchzustoßen.«2 Und als Motiv dafür, überhaupt »nach oben durchstoßen« zu wollen, gab er an: »Ich wollte immer etwas gestalten. (…) Ich wollte immer Konzeptionen entwickeln und sie realisieren. Ich wollte immer dazu beitragen, dass Zustände besser werden, dass Fortschritt eintritt, dass Lösungen erarbeitet werden, die stimmen.« Sein Lebens- und Berufsweg ist in der Tat geprägt von einem hohen Leistungsideal, das er von seinen Eltern vermittelt bekam und in der Zeit auf einer NS-Eliteschule noch tiefer verinnerlichte. Es machte einen wichtigen und beständigen Teil seiner Identität aus.

Doch auf individueller Leistung allein beruhte Herrhausens Karriere nicht, auch die Zeitumstände waren trotz aller augenscheinlicher Widrigkeiten günstig. Als er 1952 mit dem Studium der Betriebs- und Volkswirtschaft fertig war, hatte die westdeutsche Industrie kräftig zu boomen begonnen, und so fand er ohne Schwierigkeiten den angestrebten Berufseinstieg in der Energiewirtschaft. Bei der Vereinigte Elektrizitätswerke Westfalen AG in Dortmund, für die er 15 Jahre als Finanzexperte tätig war, stieg er – gleichsam getragen vom »Wirtschaftswunder« – bis 1967 in den Vorstand auf. Und nur zwei Jahre später erhielt er das damals höchst ungewöhnliche Angebot, als haus- und branchenfremder Kandidat in den Vorstand der Deutschen Bank nach Düsseldorf zu wechseln, das er ohne Zögern annahm, auch wenn sich daraus Spannungen im Privaten ergaben. Friktionslos und unproblematisch war dieser Wechsel also nicht, aber naheliegend, denn die Bank bot Herrhausen eindeutig die von ihm gesuchten interessanteren beruflichen Perspektiven und Herausforderungen.

Von den Kollegen als Branchenneuling anfangs durchaus kritisch beäugt, gelang es ihm bald, sich auch hier Anerkennung zu verschaffen, nicht zuletzt mit fundierten Wirtschafts- und Währungsanalysen und seinem ausgeprägten Engagement für das im Zeichen der ersten Ölpreiskrise kräftig expandierende Auslandsgeschäft. Im Frühjahr 1985 stieg er zu einem der beiden Vorstandssprecher der Deutschen Bank auf und begann, sich für deren grundsätzliche Neuausrichtung im kommenden europäischen Binnenmarkt und einer sich globalisierenden Welt einzusetzen. Gleichzeitig trat er allerdings immer wieder für eine Rückbesinnung auf die Grundideen der sozialen Marktwirtschaft und ihre zeitgemäße Erneuerung ein, bekannte sich zudem nicht nur verbal zur gesellschaftlichen Verantwortung der Unternehmer, sondern engagierte sich für vielfältige Anliegen, insbesondere im Bereich der Wissenschaftsförderung. Ganz praktisch zur Heranbildung von Leistungs- und Verantwortungseliten beizutragen – zu denen er sich selbst zählte – schien ihm der wichtigste Ansatz zur Bewältigung des weltwirtschaftlichen Strukturwandels zu sein, dessen Auswirkungen die Bundesrepublik mit dauerhaft hoher Arbeitslosigkeit hart zu spüren bekam.

Als er im Frühjahr 1988 schließlich zum alleinigen Vorstandssprecher berufen wurde, schien Herrhausen auf dem Höhepunkt seiner Karriere angekommen. Doch seine Pläne für den Umbau der Deutschen Bank zu einer globalen Universalbank mit integriertem Investmentbanking, die auf allen wichtigen Märkten präsent war, stießen auf interne Widerstände und ließen sich nur teilweise umsetzen. Trotz zähen Ringens gelang es ihm nicht, eine zentrale einheitliche Steuerung für den wachsenden Konzern zu etablieren. Als wirtschaftspolitischer Ratgeber war Herrhausen nun freilich weltweit gefragt, bekam Zugang zum amerikanischen Präsidenten George Bush wie zum sowjetischen Generalsekretär Michail Gorbatschow. Von Bundeskanzler Helmut Kohl ließ er sich wiederholt für Aufgaben von nationaler politischer Bedeutung in die Pflicht nehmen, weil er sich für die Geschicke seines Landes mit verantwortlich fühlte.

Bereits von der zeitgenössischen Presse wurden die Persönlichkeit und das Wirken Herrhausens ausführlich kommentiert.3 Auch in populären Darstellungen zur bundesdeutschen Wirtschaftsgeschichte und in den persönlichen Erinnerungen seiner Weggefährten finden sich kurze Darstellungen zur Karriere des Spitzenmanagers.4 Er selbst prägte mit zahlreichen Vorträgen und Veröffentlichungen das Bild eines weithin präsenten, mächtigen und zugleich verantwortungsbewussten Bankiers, der gar nichts dagegen hatte, neudeutsch als »Banker« bezeichnet zu werden.5 Mit seinen Beiträgen zum Diskurs über die Verantwortung von Unternehmern setzte sich auf Grundlage ausgewählter, veröffentlichter Materialien Knut Kipper näher auseinander.6 Auch ein Vergleich des Lebens- und Karrierewegs Herrhausens mit einem anderen Bankier liegt bereits vor.7 Erste umfassendere Porträts wurden von Dieter Balkhausen, Andres Veiel und Andreas Platthaus erarbeitet. Balkhausen verblieb dabei ganz im Essayistischen.8 Veiel interessierte sich in seinem Filmporträt, das durch ein Buch ergänzt wurde, vorrangig für die markanten Unterschiede und unterschwelligen Parallelen in den Lebensläufen des einflussreichen Bankiers Alfred Herrhausen und Wolfgang Grams’, eines Terroristen der sogenannten dritten Generation der Roten Armee Fraktion.9 Platthaus wiederum zeichnete in seiner Biografie ein Bild von Herrhausen, das sich stark auf dessen Selbstzeugnisse stützt, darunter private Briefe aus der Jugendzeit, teils ausführlich annotierte Bücher aus der Privatbibliothek, vor allem aber dessen eigene Schriften und Vorträge sowie Medienberichte; ergänzend führte Platthaus zahlreiche Gespräche mit Weggefährten Herrhausens, die ihm teils sehr interessante Einblicke gewährten.10 Sowohl er als auch Veiel verzichteten allerdings bewusst darauf, die einschlägigen privaten und öffentlichen Archive daraufhin zu konsultieren, welchen tieferen Aufschluss sie über die Tätigkeit Herrhausens als Industrie- und Bankmanager hätten geben können – »bei der Arbeit« ist er deshalb bis heute eigentlich noch nicht greifbar.

Genau darum geht es in dieser Biografie: Gestützt auf den privaten Nachlass in Händen der Familie, den umfangreichen geschäftlichen Nachlass bei der Deutschen Bank, den ich uneingeschränkt nutzen konnte, sowie die ergänzenden Unterlagen weiterer Archive von Unternehmen und Einrichtungen, für die Herrhausen tätig war und in deren Gremien er sich engagierte, wird das bisher bestehende Bild auf neuer empirischer Quellengrundlage überprüft, vertieft und erweitert.11 Anliegen ist es dabei nicht, eine vollständige oder möglichst geradlinige Lebensgeschichte zu erzählen, sondern es geht vielmehr darum, auch Widersprüche und Ungereimtheiten aufzudecken, ja manchmal vielleicht schlicht zu konstatieren, dass etwas nicht aufgeklärt werden kann, weil die Quellen keinen Aufschluss geben oder ganz fehlen. Vor der »biographischen Illusion«, der nicht nur die Protagonisten selbst, sondern auch deren Zeitgenossen und die Nachwelt leicht unterliegen, weil sie das Bedürfnis haben, einen sinnhaften und in sich stimmigen Zusammenhang herzustellen, hat schon der Soziologe Pierre Bourdieu gewarnt.12

Mit Blick auf den Quellenwert besonders hervorzuheben sind die im privaten Nachlass überlieferten Briefe, die Herrhausen als Internatsschüler in den Jahren 1943 und 1944 an die Eltern in Essen schrieb, denn sie geben einen unmittelbaren Einblick in sein alltägliches Erleben.13 Die im privaten Nachlass vorhandenen Korrespondenzen mit Vertretern aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik sind dagegen nicht sehr umfangreich und aussagekräftig; sie beziehen sich zumeist auf einzelne Anlässe.14 Aus der überbordenden Fülle des einschlägigen Materials im Historischen Archiv der Deutschen Bank, bei dem es sich um Schriftwechsel mit...

Erscheint lt. Verlag 18.11.2019
Zusatzinfo mit Abbildungen
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Geschichte / Politik Politik / Gesellschaft
Sozialwissenschaften Politik / Verwaltung
Schlagworte Biografie • Biographien • Bundesrepublik • Deutsche Bank • Deutscher Herbst • eBooks • Geschichte • Hanns Martin Schleyer • Kapitalismus • Linksterrorismus • Manager • RAF • Rheinischer Kapitalismus • Schuldenerlass • Unternehmensgeschichte • Wirtschaftsgeschichte
ISBN-10 3-641-18776-1 / 3641187761
ISBN-13 978-3-641-18776-7 / 9783641187767
Haben Sie eine Frage zum Produkt?
EPUBEPUB (Wasserzeichen)
Größe: 8,0 MB

DRM: Digitales Wasserzeichen
Dieses eBook enthält ein digitales Wasser­zeichen und ist damit für Sie persona­lisiert. Bei einer missbräuch­lichen Weiter­gabe des eBooks an Dritte ist eine Rück­ver­folgung an die Quelle möglich.

Dateiformat: EPUB (Electronic Publication)
EPUB ist ein offener Standard für eBooks und eignet sich besonders zur Darstellung von Belle­tristik und Sach­büchern. Der Fließ­text wird dynamisch an die Display- und Schrift­größe ange­passt. Auch für mobile Lese­geräte ist EPUB daher gut geeignet.

Systemvoraussetzungen:
PC/Mac: Mit einem PC oder Mac können Sie dieses eBook lesen. Sie benötigen dafür die kostenlose Software Adobe Digital Editions.
eReader: Dieses eBook kann mit (fast) allen eBook-Readern gelesen werden. Mit dem amazon-Kindle ist es aber nicht kompatibel.
Smartphone/Tablet: Egal ob Apple oder Android, dieses eBook können Sie lesen. Sie benötigen dafür eine kostenlose App.
Geräteliste und zusätzliche Hinweise

Buying eBooks from abroad
For tax law reasons we can sell eBooks just within Germany and Switzerland. Regrettably we cannot fulfill eBook-orders from other countries.

Mehr entdecken
aus dem Bereich
Warum sich im Rettungsdienst zeigt, was in unserer Gesellschaft …

von Luis Teichmann

eBook Download (2024)
Goldmann Verlag
14,99
Wie aktivistische Wissenschaft Race, Gender und Identität über alles …

von Helen Pluckrose; James Lindsay

eBook Download (2022)
C.H.Beck (Verlag)
16,99
Wie aktivistische Wissenschaft Race, Gender und Identität über alles …

von Helen Pluckrose; James Lindsay

eBook Download (2022)
C.H.Beck (Verlag)
16,99