Das gespaltene Europa (eBook)
318 Seiten
Campus Verlag
978-3-593-44103-0 (ISBN)
Christian Lahusen ist Professor für Soziologie an der Universität Siegen.
Christian Lahusen ist Professor für Soziologie an der Universität Siegen.
Inhalt
1 Zur politischen Soziologie Europas 7
1.1 Problemstellung: Europa als ein relevanter politischer Erfahrungsraum? 10
1.2 Zum sozialwissenschaftlichen Erkenntnisstand: Empirische Forschungsbefunde und ungeklärte Fragen 19
1.3 Forschungskontext 24
2 Europa als politisches Feld: Theoretische Verortungen 27
2.1 Das Europäische im Nationalen - Das Nationale im Europäischen? 28
2.2 Das politische Europa: Feldtheoretische Justierungen 41
3 Europa als Konfliktfall: Die Europäische Union zwischen öffentlicher Zustimmung und Ablehnung 63
3.1 Zunahme EU-kritischer Einstellungen 71
3.2 EU-Skepsis: Politische Unzufriedenheit mit den bestehenden Verhältnissen? 81
3.3 Politische Marginalisierung - Ein europaweiter Faktor? 90
3.4 Soziale Benachteiligung - Ein europaweiter Faktor? 97
3.5 EU-Skepsis: Individuelle Lebenslagen und gesellschaftliche Kontextbedingungen 108
3.6 Zwischenfazit: Politische Einstellungen und sozialer Raum 126
4 Europa als Kommunikationsraum: Medienöffentlichkeit und grenzüberschreitende Kontroversen 131
4.1 Diskussionen über die Wirtschafts- und Finanzkrise: nationale und europäische Themen 136
4.2 Akteure und Diskursarenen: Wechselseitigkeit im Mehrebenensystem 151
4.3 Öffentliche Diskurse über die Krise: Vernetzte Segmentierung 167
5 Europa als Bewertungsrahmen: Nationale Politik zwischen öffentlicher Zustimmung und Ablehnung 177
5.1 Zur Relevanz europäischer Lebensverhältnisse für die Menschen 182
5.2 Die wahrgenommenen Ungleichheiten der Lebensbedingungen in Europa 188
5.3 Die eigene soziale Lage im ›geschichteten‹ europäischen Sozialraum Europas: Relationale Beurteilungen 195
5.4 Krisenwahrnehmung in einem europäischen Vergleichshorizont 205
5.5 Zufriedenheit mit der eigenen Regierung: Ein stilles ›Benchmarking‹? 220
5.6 Enttäuschung über das politische ›Establishment‹ im europäischen Maßstab 232
5.7 Politischer Protest im Zeichen europäischer Krisen 247
5.8 Der europäische Sozialraum und das politische Denken und Handeln der Bürgerschaft 261
6 Zur politischen (Des )Integration Europas 265
6.1 Soziale Spaltungen in Europa - Politischer Dissens über Europa 266
6.2 Horizontale Europäisierung öffentlicher Meinungen 270
6.3 Politische Einstellungen in einem integrierten und desintegrierten Sozialraum 275
6.4 Europa als politisches Kräftefeld 278
6.5 Eine Richtungsentscheidung? 283
7 Literatur 291?
1 Zur politischen Soziologie Europas Der europäische Integrationsprozess hat eine Vielzahl von Veränderungen mit sich gebracht, die Frieden, Wohlstand und Freizügigkeit für eine wachsende Zahl von Mitgliedsländern und ihre Bevölkerungen bringen sollten. Das Abkommen von Schengen hat zum Abbau von Grenzkontrollen geführt, der Reisen erleichtert und die Mobilität der Bürgerinnen und Bürger mit Blick auf Arbeit, Ausbildung und Freizeit erhöht. Der Binnenmarkt hat den Warenaustausch innerhalb Europas angetrieben und damit Arbeits- und Produktionsformen sowie Konsumgewohnheiten verändert. Und schließlich hat die gemeinsame Währung den Kapital- und Zahlungsverkehr für Unternehmen und Privatleute innerhalb von wie auch zwischen den Ländern vereinheitlicht und vereinfacht. Als Segnungen der Europäischen Union propagiert, sind diese Errungenschaften jedoch unter dem Eindruck der europäischen Wirtschafts- und Finanzkrise und der hohen Fluchtmigration im Laufe der 2010er Jahre zusehends zum Gegenstand massiver öffentlicher Kritik geworden. Der Schengener Raum wird für Probleme unkontrollierter Zuwanderung und öffentlicher Sicherheit verantwortlich gemacht, der Binnenmarkt und der Euro für einen Verdrängungswettbewerb zulasten schwächerer Volkswirtschaften, für steigende Staatsschulden und den Rückbau des Wohlfahrtsstaates. Mehr denn je wird über die künftige Ausgestaltung der EU gestritten, denn europakritische Parteien und Gruppierungen mobilisieren sehr erfolgreich gegen die EU und gegen pro-europäisch gesinnte Regierungen in den verschiedenen Mitgliedsländern. ?Unpolitisch? war das europäische Projekt nie, denn in den zurückliegenden 60 Jahren haben die Europäischen Gemeinschaften (EG) und die spätere Europäische Union (EU) immer wieder politische Kontroversen in den Mitgliedsländern entfacht. Dies war immer dann der Fall, wenn die Bevölkerung in den Mitgliedstaaten zu Volksbefragungen eingeladen wurde, um darüber abzustimmen, ob sie den Beitritt ihres Landes zur EG/EU befürworten, ob sie europarechtliche Verträge (bspw. die Einheitliche Europäische Akte von 1986 oder den Maastrichter Vertrag von 1992) unterstützen oder den ausgearbeiteten Vorschlag für eine Europäische Verfassung begrüßen (2005). Die europäischen Institutionen und die proeuropäischen Regierungen der betreffenden Mitgliedsländer haben bei diesen Anlässen nicht immer die gewünschten Ergebnisse erzielt, denn einige dieser integrationspolitischen Vorhaben wurden abgelehnt. Wird dem Tenor der politikwissenschaftlichen Forschung gefolgt, ist das europäische Integrationsprojekt einer stetigen ?Politisierung? unterworfen worden (Hooghe und Marks 2009; Wilde und Zürn 2012; Rauh und Zürn 2014). Vor allem in den ersten Jahrzehnten seiner 60-jährigen Geschichte hatte die Bevölkerung dem europäischen Integrationsprozess noch Desinteresse oder Gleichgültigkeit entgegengebracht (Lindberg und Scheingold 1970; Hix 1999: 135). So wurde zwar viel politische Arbeit in die Etablierung der Europäischen Gemeinschaften und der späteren Europäischen Union investiert: Völkerrechtliche Verträge mussten verhandelt und verabschiedet, Organe (Kommission, Parlament, Ministerrat, Europäische Gerichte, Agenturen etc.) eingerichtet, besetzt und finanziert, zahlreiche Einzelentscheidungen in einer wachsenden Zahl von Politikbereichen auf den Weg gebracht und in nationales Recht überführt werden. Allerdings lag diese Arbeit in den Händen von beruflich damit betrauten Personen (Politikern, Ministerialbeamten, Experten, Interessenvertretern etc.). Die europapolitischen Auseinandersetzungen und Verhandlungen, die der Konstruktion ?Europas? den Weg bereiteten, waren somit weitestgehend auf die politischen, administrativen und wirtschaftlichen Eliten sowie auf thematisch einschlägige Publizisten, Experten und Wissenschaftler beschränkt (Haller 2009; Genschel und Jachtenfuchs 2013). Die europäische Bürgerschaft schien sich bis in die 1990er Jahre in Schweigen zu hüllen. Diese öffentliche Tolerierung der Europapolitik der Mitgliedsländer wurde als implizite Zustimmung, als ?permissiver Konsensus? interpretiert. Die für die Etablierung der EG bzw. EU Verantwortlichen konnten mit der Unterstützung ihrer Bevölkerungen rechnen. Diese Interpretation hat sich als trügerisch erwiesen. Je konkreter ?Europa? für die europäische Bevölkerung wurde und je markanter Vor- und Nachteile hervortraten, umso deutlicher zeigte sich auch die Kritik am eingeschlagenen Kurs und umso größer wurde auch die Skepsis der Bevölkerung gegenüber den am Projekt beteiligten nationalen und europäischen Eliten. Darin sind sich viele Beobachter einig (Hix 1999; Bach 2006; Eichenberg und Dalton 2007; Haller 2014). Doch gerade in Krisenzeiten wurde die Sprengkraft dieser politischen Konstellation offensichtlich. So hat sich die Wirtschafts- und Finanzkrise, die viele der europäischen Mitgliedsländer seit ihrem Ausbruch im Jahr 2008 hart getroffen hat, zu einer Akzeptanzkrise der EU ausgewachsen, denn der Europäischen Union - der Kommission, dem Ministerrat und damit auch den Mitgliedsländern - wurde eine unzureichende Problemlösungsfähigkeit attestiert. Dies gilt noch deutlicher für die Zeit nach 2015, denn die hohe Zuwanderung von Geflüchteten aus den Krisen- und Kriegsgebieten des Nahen Ostens und Afrikas ließ recht schnell erkennen, dass es der EU nicht gelingen würde, eine koordinierte Politik zu verhandeln, die mehr als Problemabwehr und Grenzsicherung betreibt. Mehr denn je erhitzt die Europapolitik die Gemüter der Öffentlichkeit in den Mitgliedsländern. Gemäß aktuellen Umfragen positionieren sich immer mehr Menschen eindeutiger für oder gegen die EU (Eichenberg und Dalton 2007; Knelangen 2015). Und rechtsnationale wie europakritische Parteien können ihre Ergebnisse in nationalen und europäischen Wahlen gerade auch durch europakritische Forderungen verbessern (Krouwel und Abts 2007; Hong 2015). Mit dem Referendum über Großbritanniens Verbleib in der EU vom Juli 2016 hat diese Mobilisierung eine neue Qualität erhalten, denn zum ersten Mal in der Geschichte der EG/EU wurden Verhandlungen über den Ausstieg eines Mitgliedslandes aufgenommen. Die Europäische Union wird damit ?politischer?. Diese Annahme, die von den Sozialwissenschaften für die Zeit seit den 1990er Jahren vorgebracht wird (Hooghe und Marks 2009; Rauh und Zürn 2014), mag zunächst paradox erscheinen. Das europäische Integrationsprojekt war doch schon immer eine ?politische? Frage, zu der die Bürgerinnen und Bürger durchaus eine Meinung hatten, sofern sie denn gefragt wurden. Mit der ?politischen Qualität? aber ist primär die wachsende Konflikthaftigkeit gemeint. Diesbezüglich sind im Wesentlichen zwei Aspekte zu nennen. Zum einen wird Europa ?politischer?, weil die Auseinandersetzungen über die Ausgestaltung der EU und der Europapolitik deutlich stärker noch aus dem Arkanbereich der Sitzungsräume und Verhandlungsrunden (Kommission, Parlament, Ministerrat) in die politische Öffentlichkeit (politische Wahlkämpfe, Kampagnen zu Volksbefragungen, Straßenproteste etc.) getragen werden. Zum anderen wächst das gegenseitige Einverständnis darüber, dass die EU einschließlich ihrer Politik keinesfalls ?alternativlos? ist, denn spätestens seit dem Brexit-Votum aus dem Sommer 2016 und dem angekündigten Ausstieg Großbritanniens aus der EU ist die ?Wachstumslogik? des politischen Einigungsprozesses gestoppt, die eine größere Vertiefung der Kompetenzen bei gleichzeitiger Erweiterung der Mitgliedschaft vorsah. Mit den multiplen Krisen und mit der sinkenden Akzeptanz der EU sind Grundsatzdiskussionen über Sinn und Zweck der EU stärker in den Mittelpunkt der politischen Debatten innerhalb der Mitgliedsländer gerückt. 1.1 Problemstellung: Europa als ein relevanter politischer Erfahrungsraum? Der europäische Integrationsprozess prägt damit nicht nur das Alltagsleben der Bevölkerung, er prägt zunehmend auch ihr politisches Denken und Handeln. Zu diesen Veränderungen kommt es, weil die EU neue Verfahren und Arenen der politischen Beteiligung etabliert hat, weil sie politische Themen setzt und Entscheidungen fällt, die öffentliche Unterstützung finden oder Ablehnung provozieren, und weil sie politische Auseinandersetzungen innerhalb der Mitgliedsländer zwischen europafreundlichen und skeptischen Bevölkerungsgruppen lostritt. Die Menschen können diese politischen Beteiligungsmöglichkeiten, Themen und Konflikte zwar ignorieren. Damit relativieren sie deren politische Relevanz aber nur bedingt. Die EU bleibt ein Tatbestand, der für die europäische Bürgerschaft neue politische Gelegenheiten und Zwänge, Hoffnungen und Ärgernisse mit sich bringt. Die EU verändert das politische Denken und Handeln der Bevölkerung aber nicht nur direkt, sondern zeigt auch indirekte Wirkungen. Der europäische Integrationsprozess nämlich bringt die Bürgerinnen und Bürger dazu, ?Gesellschaft? und ?Politik? in europäischen Dimensionen zu denken. Er etabliert einen europäischen Bezugsrahmen - die Europäische Union oder einfach nur ?Europa?-, der sich als neuer Horizont für die Wahrnehmung und Beurteilung der gesellschaftlichen Realität und der politischen Verhältnisse anbietet. Nach über 60 Jahren europäischer Integration ist davon auszugehen, dass die Menschen die sozialen und politischen Verhältnisse in ihrem direkten Umfeld, ihrer Region oder ihrem Land nunmehr in einem größeren und europäischen Rahmen wahrnehmen und bewerten. Das kann Folgen haben, etwa für die Zufriedenheit oder Unzufriedenheit der Bevölkerung mit der eigenen sozialen Lage und den politischen Verhältnissen im eigenen Land - und damit auch für die Unterstützung oder Ablehnung politischer Akteure oder Politiken auf lokaler, nationaler und europäischer Ebene. Die vorliegende Studie möchte sich des politischen Denkens der Menschen in Europa annehmen, um die ?europäische Dimension? dieses politischen Denkens herauszuarbeiten. Damit knüpft sie an einen wissenschaftlichen Diskurs an, der sich eingehend und umfassend mit den politischen Einstellungen der europäischen Bevölkerung befasst hat. Die folgenden Ausführungen sind weniger an der primär politikwissenschaftlich motivierten Frage interessiert, ob die europäischen Institutionen mit öffentlicher Unterstützung oder Ablehnung zu rechnen haben; auch geht es nicht darum, mit welchem Personal Parlamente oder Regierungen über demokratische Wahlen bestückt werden. Von größerem Interesse ist die soziologische Frage nach der Kontur der ?politischen Gesellschaft?. Wenn es stimmt, dass sich Gesellschaften nicht zuletzt auch über staatliche Institutionen ?politisch? konstituieren, kann davon ausgegangen werden, dass die Etablierung der Europäischen Union auch einen europäischen Sozialraum politisch begründet. Demzufolge soll in dieser Studie das Verhältnis zwischen ?Gesellschaft? (als sozialem Raum) und Politik (als sozialem Feld) in seiner kognitiven und symbolischen Qualität ausgeleuchtet werden. Erkennen die Menschen die EU als relevante politische Realität an? Spiegeln die politischen Meinungen und Positionen, die sie der EU gegenüber einnehmen, auch die soziale Lage und die Positionen wider, die sie im gesellschaftlichen Gefüge einnehmen? Replizieren damit die politischen Meinungen in der Bevölkerung - etwa die zwischen Befürwortung und Ablehnung der EU - auch die Ungleichheits- und Spaltungsstrukturen des europäischen Sozialraums? Bildet ?Europa? einen kognitiven Bezugsrahmen, den die Menschen nutzen, um die gesellschaftlichen und politischen Verhältnisse wahrzunehmen und zu bewerten? Und prägt dieser europäische Horizont ihr politisches Denken? Hängen ihre politischen Meinungen und Positionen gegenüber den Verhältnissen in ihrem eigenen Land auch davon ab, wie sie Europa als Sozialraum mit seinen Ungleichheitsstrukturen wahrnehmen? Die Antworten auf diese Fragen sind alles andere als eindeutig oder vorbestimmt, denn die Sozialwissenschaften haben zwar zahlreiche Belege dafür erbracht, dass die EU ein politisch relevantes Gemeinwesen ist, aber es ist keineswegs sicher, ob diese Einsicht bis auf die Ebene der Bürgerinnen und Bürger umfassend und unmittelbar durchschlägt. In rechtlicher Hinsicht ist bekannt, dass die Europäischen Verträge zu einem konstitutiven Bezugspunkt der nationalen Rechtssysteme geworden sind, dass mit der Gesamtzahl der Rechtstexte (Gesetze, Verordnungen und Richtlinien, Erlasse etc.) ein dichter Regulierungsteppich in einer Vielzahl von Politikbereichen gestrickt wurde und dass die Rechtsprechung der europäischen Gerichtshöfe die Rechtswirklichkeit in den Mitgliedsländern beeinflusst (Joerges 2003; Jachtenfuchs 2002; Münch 2008b). In politischer Hinsicht ist offensichtlich, dass ein Großteil der Gesetzgebungsvorhaben in den nationalen Ministerien und Parlamenten auf europäische Initiativen oder Entscheidungen zurückgeht und dass europäische Verhandlungs- und Diskussionsforen auch die Willensbildung in den Mitgliedsländern mit Blick auf die Ideen und Vorstellungen prägen, die bei der Bestimmung und Bewertung der anstehenden Probleme und der vorgeschlagenen Lösungsmaßnahmen diskutiert werden (Kohler-Koch 2003; Featherstone und Radaelli 2003; Knill und Lehmkuhl 2000). In administrativer Hinsicht ist ebenfalls bekannt, dass die EU viel Energie in die Etablierung europäischer Verwaltungsagenturen, stäbe und netzwerke investiert und die Verwaltungszusammenarbeit durch die Förderung von Kooperationsmaßnahmen (Erfahrungsaustausch, Schulungsprogramme, gegenseitige Amtshilfen etc.) und die Etablierung grenzüberschreitender Verfahren, Datenbanken und Kommunikationsplattformen unterstützt, um die Verwaltungspraxis vor Ort länderübergreifend anzupassen und anzugleichen (Siedentopf 2004; Goetz 2006; Hofmann 2008; Lahusen 2016). In gesellschaftspolitischer Hinsicht haben sich Interessen- und Protestgruppen in den meisten Themenbereichen gesamteuropäisch aufgestellt, indem sie den in Brüssel aktiven Verbänden, Netzwerken und Plattformen beitreten, Lobbying-Allianzen bilden oder transnationale Informations- und Protestkampagnen organisieren (Balme und Chabanet 2008; Porta und Caiani 2009; Plehwe 2015). Aus diesen Gegebenheiten kann aber nicht abgeleitet werden, dass die EU das politische Denken und Handeln der Bürgerinnen und Bürger unmittelbar und umfassend prägt. Dies ist bereits bei den genannten demokratischen Beteiligungsmöglichkeiten zu erkennen, denn die europäische Bevölkerung wird zwar seit 1979 aufgerufen, die Abgeordneten des Europaparlaments zu wählen, um das europäische Einigungsprojekt demokratisch-repräsentativ zu legitimieren und abzustützen. Seitdem finden in allen Mitgliedsländern alle fünf Jahre Europawahlen statt. Genuin europäisch sind diese Wahlen aber nicht, denn gewählt werden können nur nationale Vertreterinnen und Vertreter nach den im jeweiligen Land geltenden Regeln. Oft dominieren auch nationale Themen den Wahlkampf der beteiligten Parteien. Europawahlen gelten deshalb als verkappte nationale Wahlen (Reiff und Schmitt 1980; Hix und Marsh 2007; Boomgaarden, Johann und Kritzinger 2016). Seit 1999 nimmt außerdem nur die Hälfte der Wahlberechtigten an den Europawahlen teil. Dennoch ist Europa für das politische Beteiligungsverhalten nicht unwichtig. Die Europawahlen bieten den Parteien die Gelegenheit, ihre Anhängerschaft in den Mitgliedsländern zu mobilisieren. Und auch im nationalen Wahlkampf scheint die Europapolitik die Wahlentscheidungen der Menschen zu prägen. Vor allem die meist kleineren populistischen bzw. europakritischen Parteien konnten hiervon profitieren, und das Europaparlament bot ihnen Möglichkeiten zur grenzüberschreitenden Kooperation und Mobilisierung (Schmitt, Sanz und Braun 2009; Niedermayer 2014; Hong 2015). Ähnlich uneindeutige Aussagen lassen sich auch mit Blick auf andere Beteiligungsformen treffen. Neben Wahlen beteiligen sich die Menschen auch an politischen Protesten (Demonstrationen, Konsumboykott, Petitionen etc.) oder sie engagieren sich in Freiwilligenorganisationen und bürgerschaftlichen Initiativen, wobei die Palette der Themen breit ist (u. a. Umwelt, Frieden, Minderheiten, Kultur, Gesundheit oder Soziales). Der europäische Integrationsprozess hat dieses politische und zivilgesellschaftliche Aktionsfeld verändert, da eine Vielzahl von europäischen Verbänden, Netzwerken und Initiativen entstanden ist, um den mitgliedstaatlichen Zivilgesellschaften eine europäische Stimme zu geben (Porta und Caiani 2007; Kohler-Koch und Quittkat 2011). Viele lokale und nationale Initiativen, Vereine und Verbände sind in diesen europäischen Vertretungen organisiert. Allerdings verändert dieses europäische Organisationsdach gesellschaftliches Engagement und politischen Protest nicht grundlegend. Die Menschen sind weiterhin primär in ihrem lokalen und nationalen Umfeld aktiv, sie engagieren sich also in Bürgerinitiativen vor Ort, werden Mitglied in nationalen Vereinigungen (inkl. nationaler Gliederung internationaler Organisationen) und nehmen an Protestaktionen in ihrer Umgebung teil (Imig und Tarrow 1999; Roose, Kanellopoulos und Sommer 2017; Lahusen, Kousis, Zschache und Loukakis 2018). Das heißt aber nicht, dass der europäische Rahmen die Situation vor Ort nicht prägt, denn viele lokale Aktivitäten sind in transnationale Kampagnen oder Protestwellen einbezogen, die nicht selten durch europäische Verbände und Netzwerke koordiniert werden (Ruzza und Bozzini 2008). Schließlich scheint eine griffige Aussage auch mit Blick auf die politische Öffentlichkeit kaum möglich zu sein. Einerseits hat die Europäische Union eine neue und gesamteuropäische Arena der politischen Willensbildung hervorgebracht, in der eine Vielzahl von Akteuren (die Regierungen der Mitgliedsländer, die Abgeordneten des Europaparlaments, die Mitarbeiterstäbe der Kommission, das Personal der Interessengruppen und Expertengruppen etc.) um Einfluss ringt (Eder 2000a; Risse 2010). In Bezug auf die europäische Bürgerschaft ist es das Ziel der EU, Informationen für jede und jeden bereitzustellen, beispielsweise mittels Internetplattformen, Pressearbeit und Informationskampagnen oder durch die Beteiligung der organisierten Zivilgesellschaft. Gleichzeitig ist die EU an der Meinung der europäischen Bevölkerung interessiert, denn seit über vierzig Jahren gibt sie Bevölkerungsumfragen in allen Mitgliedsländern in Auftrag, um die öffentliche Meinung in Europa einzufangen. Allerdings ist die öffentliche Meinungsbildung immer noch deutlich massenmedial vermittelt, wenn nur an die Bedeutung von Zeitungen, Radio, Fernsehen und sozialen Medien gedacht wird. Berichterstattung und öffentliche Diskussionen sind an Sprachräume und Nationalstaaten rückgebunden, denn gesamteuropäische Medien (bspw. Zeitungen, Radio- und Fernsehprogramme) sind eher zu vernachlässigen (Gerhards 2000; Brüggemann, Hepp, Kleinen und Wessler 2009; Schulz-Forberg und Stråth 2010). Das schließt zwar gesamteuropäische Diskurse nicht aus, denn gemeinsame Anlässe und Themen gibt es in der Europäische Union ja genug (Berkel 2006; Statham und Trenz 2013). Aber diese Diskurse werden in den Mitgliedsländern getrennt geführt, und nicht selten wird dabei mehr über- als miteinander gesprochen. Insgesamt liegt die Antwort auf die Frage nach der politischen Relevanz der EU für die europäische Bevölkerung nicht auf der Hand. Bei der Suche nach Antworten gemahnen die aufgelisteten Befunde zunächst zur Skepsis, denn die Menschen nehmen seltener an den Wahlen zum Europaparlament als an nationalen Wahlen teil. Sie engagieren sich erheblich häufiger für Initiativen in ihrem Umfeld oder in ihrem Land als für gesamteuropäische Kampagnen. Und sie informieren sich primär durch Medien in ihrer Landessprache, was impliziert, dass sie europäische Diskussionen durch die nationale Brille verfolgen. Allerdings wäre es zu einfach, der EU jedwede Relevanz - aus der Sicht der Bevölkerung - abzusprechen. So zeigen die genannten Studien zugleich auch, dass die EU als Arena politischer Debatten, Verhandlungen und Auseinandersetzungen wichtig ist und damit die politischen Einstellungen und Handlungspräferenzen der Menschen in der einen oder anderen Richtung beeinflusst. Europapolitische Themen spielen bei nationalen Wahlkämpfen und Wahlgängen eine Rolle, sie beeinflussen die Agenda der nationalen Medienberichterstattung, und sie lösen nicht selten lokale Proteste aus. Die politische Relevanz der Europäischen Union manifestiert sich folglich nicht nur in der Fähigkeit, Zustimmung und Konsens zu generieren, sondern auch darin, Ablehnung und Dissens hervorzurufen. Die Relevanz der Europäischen Union kann deshalb nicht nur daran abgelesen werden, dass sie zu einer möglichen (politischen) Einigung Europas beiträgt, sondern auch daran, dass sie Konflikte und Uneinigkeit verursacht oder befördert (Genschel und Jachtenfuchs 2013; Heidenreich 2014b). Der Blick auf die Menschen, der einem soziologischen Forschungsprogramm inhärent ist, kann dabei helfen, die Relevanz der EU als politisches Gemeinwesen für die Menschen in ihrer sozialen Verortung zu durchleuchten - und damit das Verhältnis zwischen den gesellschaftlichen Verhältnissen und den politischen Gegebenheiten zu bestimmen. Im Folgenden wird von der Annahme ausgegangen, dass die Europäische Union nicht nur ein europäisches Feld der Politik institutionalisiert hat, das als politisches Gemeinwesen zu einem Bezugspunkt des politischen Denkens der Menschen geworden ist. Darüber hinaus hat die EU auch dem europäischen Sozialraum eine politische Kontur und Struktur verschafft, die diesen grundlegend ?politisiert?. Soziale Positionen werden in diesem Zuge auch zu politischen Positionen, d. h., die sozialstrukturelle Stellung der Menschen im europäischen Sozialraum mit seinen sozialen Ungleichheitsstrukturen und regionalen Disparitäten generiert strukturähnliche politische Einstellungen und Haltungen der Menschen im politischen Feld der EU mit erkennbaren Konfliktlinien. Folgen wir der Zielsetzung des europäischen Einigungsprojektes, kann diese Vermengung sozialer und politischer Realität tatsächlich identifiziert werden. Die Europäischen Gemeinschaften und die Europäische Union wollten von Anfang an gesellschaftliche Integrationsprozesse politisch anstoßen und anleiten. Das politische Feld galt als ein Instrument und ein Rahmen für die Konstitution und Integration eines gesamteuropäischen Sozialraums. Wenn es aber stimmt, dass die politische Konstitution des europäischen Sozialraums gleichzeitig auch dessen Ungleichheitsstrukturen und Spaltungslinien ?vergemeinschaftet? und ins Feld der Politik überführt, ist ebenfalls zu erwarten, dass diese politische Konstitution Europas Prozesse der Integration und Desintegration auslöst. Dass die EU den gesellschaftlichen Raum Europas politisch konstituiert hat, heißt, dass sich soziale Scheidelinien in politische Konfliktlinien übersetzen, dass die Leute im europäischen Feld der Politik die gesellschaftliche und politische Realität ?europäisch? denken, es heißt damit aber auch, dass sie soziale Ungleichheitsstrukturen, regionale Disparitäten und politische Scheidelinien ?europäisch? denken. Das Ziel des europäischen Integrationsprozesses mag zwar gewesen sein, gleichwertige Lebensverhältnisse in Europa zu entwickeln und damit auch potenzielle Konfliktlinien zu entschärfen, um soziale Kohäsion in politischen Konsens zu überführen. Aber spätestens seit der Wirtschafts- und Finanzkrise der Jahre seit 2008 sind nicht nur die Ungleichheiten der Lebensverhältnisse in Europa gestiegen. Auch die Akzeptanzkrise der EU hat die Konfliktlinien zwischen Befürwortern und Gegnern überall in Europa ins Zentrum des öffentlichen Lebens gerückt. Unter diesen Umständen sollten die Homologien zwischen sozialen und politischen Positionen, zwischen gesellschaftlichen Spaltungsstrukturen und politischen Konfliktlinien empirisch in aller Klarheit zutage treten. Ob diese Annahme und Diagnose aber tatsächlich richtig ist, muss die empirische Analyse zeigen. Und dieses Ziel verfolgt das vorliegende Buch. Allerdings muss eine solche Empirie theoretisch angeleitet werden. Wie die bisherigen Ausführungen schon erkennen lassen, wird vorgeschlagen, im Folgenden das politische Europa raum- und feldtheoretisch zu untersuchen. Der Vorteil einer solchen feldtheoretischen Verankerung liegt vor allem darin, dass ?Europa? als ein Kräftefeld konzipiert werden kann, in das nicht nur Regierungen, Parteien oder Verbände, sondern auch die Menschen mit ihren je spezifischen sozialen und politischen Positionen eingebettet sind. Europa als politisches Feld zu verstehen, heißt damit die Relativität und Relationalität ihrer sozialen und politischen Positionen in den Mittelpunkt der Untersuchung zu rücken. In ?relativer? Hinsicht ist davon auszugehen, dass die politischen Positionen von der jeweiligen sozialen Stellung im gesellschaftlichen Gefüge geprägt und angeleitet werden. In ?relationaler? Hinsicht wird angenommen, dass der europäische Sozialraum sozialstrukturelle Verhältnisse der sozialen Besser- oder Schlechterstellung kennt, die sich unter Umständen in eine homologe Konfliktlinie zwischen Befürwortung und Ablehnung der EU übersetzen. Allerdings soll über den bisherigen Forschungstand hinausgewiesen werden, denn der Fokus lag bislang primär bei der Frage nach der öffentlichen Unterstützung der EU und ihrer Institutionen durch die europäische Bevölkerung. Damit stand die ?vertikale? Beziehung der Bürgerinnen und Bürger zum supranationalen Feld der EU-Institutionen im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit. Davon aber bleibt die Frage ausgespart, was die politische Konstitution Europas mit dem politischen Denken ?vor Ort? macht. Unklar bleibt damit, ob die EU einen europäischen Bezugshorizont geschaffen hat, der das politische Denken der Menschen auch gegenüber den politischen Verhältnissen in ihrem eigenen Land beeinflusst. In feldtheoretischer, also ?relationaler? Hinsicht wäre zu vermuten, dass die eigenen sozialen und politischen Positionen immer auch in Relation zu anderen gesehen werden. Bei der Wahrnehmung und Bewertung der ?lokalen? Politik sollte es folglich einen großen Unterschied machen, wie die Menschen die gesellschaftlichen Verhältnisse in Europa wahrnehmen und wie sie ihre eigene Lage darin bewerten. Wie den einleitenden Ausführungen zu entnehmen ist, konzentriert sich die folgende Untersuchung auf die kognitive Ebene, denn von Interesse sind vor allem die politischen Einstellungen der Bürgerinnen und Bürger. Nehmen diese Europa überhaupt als relevantes Gemeinwesen wahr und wie positionieren sie sich ihm gegenüber? Spiegeln sich in dieser ?öffentlichen Meinung? gesellschaftliche Spaltungslinien? Konstituiert die EU auf der Ebene der Menschen ein nicht nur integriertes, sondern auch - entlang von Ungleichheits- und Spaltungslinien - ein intern strukturiertes Feld politischer Positionen? Und etabliert die EU damit auch einen kognitiven Bezugsrahmen, der für die Bevölkerung zu einem - impliziten oder expliziten - Orientierungspunkt bei der Wahrnehmung und Beurteilung der gesellschaftlichen und politischen Verhältnisse insgesamt wird? Zur Beantwortung dieser Fragen wird im Folgenden auf vorhandene Studien zurückgegriffen. Insbesondere aber interessieren empirische Antworten, die sich nur auf der Grundlage eigener Auswertungen verfügbarer Umfragedaten gewinnen lassen. Besonders ergiebig waren hierbei Datensätze aus den Jahren 2015 und 2016, die an dieser Stelle kurz vorgestellt werden sollen. Zum einen werden Eurobarometer-Daten aus dem Jahr 2016 herangezogen, um zu klären, wie sich die Menschen gegenüber der EU positionieren (Europäische Kommission und Europäisches Parlament 2016). Wenn nämlich davon ausgegangen wird, dass die Schaffung der EG bzw. EU einen hinreichend integrierten Sozialraum hervorgebracht hat, der die Lebensbedingungen und chancen der Menschen verändert und verzahnt, dann ist mit Blick auf die politischen Einstellungen und Handlungspräferenzen der Bevölkerung anzunehmen, dass es für sie einen klaren ?politischen? Unterschied macht, wo und wie sie lebt. Um diese Homologien oder Kongruenzen sozialer und politischer Positionen empirisch analysieren zu können, bedarf es Umfragen, die Daten aus einer großen Zahl von Mitgliedsländern vorhalten. Die Eurobarometer-Daten zeichnen sich zwar in Fragestellung und Umfang durch einige Schwächen aus - insbesondere in Bezug auf Standardindikatoren der sozialstrukturellen Lage und der politischen Einstellungen. Auch ist den Eurobarometer-Umfragen eine allzu große Nähe zur Politikberatung und eine wenig rigorose Methodik vorgeworfen worden (Höpner und Jurczyk 2012; Nissen 2014). Allerdings können auf dieser Grundlage alle (derzeit noch) 28 Mitgliedsländer der EU in die Auswertungen einbezogen werden, womit ein vollständiges Bild des europäischen Sozialraums gezeichnet werden kann. Zum anderen wird ein quantitativer Datensatz zur medialen Berichterstattung in neun europäischen Ländern genutzt (Deutschland, Frankreich, Griechenland, Großbritannien, Italien, Polen, Schweden, die Schweiz und Spanien), der in dem EU-finanzierten Projekt ?Livewhat? erstellt wurde und öffentliche Diskurse der Jahre 2008 bis 2014 inhaltsanalytisch erfasst hat (Livewhat-Konsortium 2014). Anhand dieser Daten soll geklärt werden, ob die politische Konstitution Europas auch einen horizontal strukturierten Kommunikationsraum etabliert hat, der Europa als gemeinsamen Bezugshorizont des politischen Denkens konstruiert. Wird den einschlägigen sozialwissenschaftlichen Untersuchungen gefolgt, hat die Etablierung der EG bzw. EU ein neues Institutionengefüge ?oberhalb? des Nationalstaates geschaffen, das die Mitgliedstaaten und deren jeweilige politische Öffentlichkeit mit Anlässen und Themen zur Willens- und Meinungsbildung versorgt (Eder 2000b, 2010; Trenz 2004; Berkel 2006; Vreese und Boomgaarden 2006; Boomgaarden et al. 2013). Auf diese Weise dürfte ein gemeinsamer Kommunikationsraum entstanden sein, in dem Akteure aus verschiedenen Ländern wechselseitig aufeinander Bezug nehmen und damit horizontale, transversale und relationale Referenzen verstetigen. Ein solch relationales Element würde implizieren, dass die Wahrnehmung und Beurteilung der politischen und gesellschaftlichen Verhältnisse aus einem rein nationalen Rahmen herausgelöst und gesamteuropäisch erweitert worden wäre. Obschon sich in massenmedial vermittelten Diskursen vor allem politische Eliten zu Wort melden, soll anhand dieser Daten plausibilisiert werden, dass es sich um einen öffentlich wirksamen horizontalen Kommunikationsraum handelt, der den europäischen Sozialraum als Bezugshorizont für die politischen Wahrnehmungen und Bewertungen der Bevölkerung konstituiert und in tagespolitischen Diskussionen wachhält. Darüber hinaus werden Umfragedaten aus dem genannten EU-geförderten Projekt herangezogen, um die Relationalität des politischen Europas der Menschen zu rekonstruieren (Livewhat-Konsortium 2015). Für die neun genannten Länder (Deutschland, Frankreich, Griechenland, Großbritannien, Italien, Polen, Schweden, die Schweiz und Spanien) wurden repräsentative Stichproben (insgesamt über 16.000 Personen) erhoben. Die Umfrage interessierte sich nicht nur für die politischen Einstellungen, sondern wollte unter anderem auch wissen, wie die Befragten die Lebensverhältnisse in ihrem Umfeld, ihrem Land wie auch in anderen europäischen Ländern wahrnehmen und einschätzen. Damit kann geklärt werden, ob sie Vorstellungen eines gemeinsamen Sozialraums gedanklich internalisiert haben, in dem sie sich selber - und andere - positionieren. Eine solche gedankliche Landkarte des europäischen Sozialraums könnte maßgeblichen Einfluss auf das politische Denken der Menschen auch innerhalb ihres eigenen sozialen Umfelds haben. Für die anstehenden Auswertungen und Analysen ist festzuhalten, dass die Wahl dieser Datensätze einen ganz bestimmten zeitgeschichtlichen Kontext mit sich bringt. Denn die erhobenen Daten stammen aus den Jahren 2015 und 2016 und damit aus einer Zeit, die durch tiefgreifende Transformationen und öffentlich intensiv diskutierte (Wirtschafts , Finanz , Governance- und Akzeptanz )Krisen geprägt war. Damit sind die Ergebnisse dieser Untersuchung auch zeithistorisch verortet, was die Übertragbarkeit auf frühere oder spätere Zeitpunkte sicherlich beschränkt. Allerdings wird vorgeschlagen, die besondere Situation Mitte der 2010er Jahre als ein Brennglas zu verstehen, das einen besonders geschärften Einblick in strukturell angelegte Dynamiken des politischen Europas eröffnet. Die Kongruenz von sozialen und politischen Spaltungslinien, die vorausgesetzt wird, dürfte in Krisenzeiten deutlich stärker hervortreten als in Zeiten einer größeren sozialen Kohäsion und eines stabileren politischen Konsenses. Und Europa und die EU dürften in Krisenzeiten für die Menschen ein so
Erscheint lt. Verlag | 10.1.2019 |
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Zusatzinfo | 4 Tabellen, 9 Grafiken |
Verlagsort | Frankfurt am Main |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Sozialwissenschaften ► Soziologie ► Spezielle Soziologien |
Schlagworte | Europa • Europäische Union • Euroskepsis • Krisen • politische Einstellungen • Soziale Lage |
ISBN-10 | 3-593-44103-9 / 3593441039 |
ISBN-13 | 978-3-593-44103-0 / 9783593441030 |
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