Furcht (eBook)
512 Seiten
Rowohlt Verlag GmbH
978-3-644-00273-9 (ISBN)
Bob Woodward ist Leitender Redakteur der «Washington Post», fu?r die er seit 47 Jahren arbeitet. Er war beteiligt an zwei Pulitzer-Preisen, der erste mit Carl Bernstein fu?r die Berichterstattung der «Post» zum Watergate-Skandal, der zweite 2003 als Chefreporter nach den Terroranschla?gen von 9/11. «Furcht» ist Woodwards 19. Buch seit «Die Watergate-Affa?re», jedes dieser 18 Bu?cher, die er geschrieben oder mitverfasst hat, war ein Sachbuch-Bestseller. Zwo?lf standen an Nummer eins der amerikanischen Bestsellerliste.
Bob Woodward ist Leitender Redakteur der «Washington Post», für die er seit 47 Jahren arbeitet. Er war beteiligt an zwei Pulitzer-Preisen, der erste mit Carl Bernstein für die Berichterstattung der «Post» zum Watergate-Skandal, der zweite 2003 als Chefreporter nach den Terroranschlägen von 9/11. «Furcht» ist Woodwards 19. Buch seit «Die Watergate-Affäre», jedes dieser 18 Bücher, die er geschrieben oder mitverfasst hat, war ein Sachbuch-Bestseller. Zwölf standen an Nummer eins der amerikanischen Bestsellerliste. Thomas Gunkel, 1956 in Treysa geboren, arbeitete mehrere Jahre als Erzieher. Nach seinem Studium der Germanistik und Geografie in Marburg begann er, englischsprachige literarische Werke ins Deutsche zu übertragen. Zu den von ihm übersetzten Autoren gehören u.a. Larry Brown, John Cheever, Stewart O'Nan, William Trevor und Richard Yates. Thomas Gunkel lebt und arbeitet in Schwalmstadt (Hessen). Hainer Kober, geboren 1942, lebt in Soltau. Er hat u.a. Werke von Stephen Hawking, Steven Pinker, Jonathan Littell, Georges Simenon und Oliver Sacks übersetzt. Elisabeth Liebl übersetzt aus dem Französischen, Englischen und Italienischen. U.a. übertrug sie Malala Yousafzai, Amaryllis Fox, Tiziano Terzani und Bob Woodward ins Deutsche.
Prolog
Anfang September 2017, im achten Monat der Präsidentschaft Donald Trumps, pirschte sich Gary Cohn, ehemaliger Präsident von Goldman Sachs und als Chef des Nationalen Wirtschaftsrats inzwischen der ranghöchste Wirtschaftsberater des US-Präsidenten, vorsichtig an den Resolute Desk, den großen Schreibtisch des Präsidenten im Oval Office des Weißen Hauses, heran.
In seinen siebenundzwanzig Jahren bei Goldman Sachs hatte Cohn – fast eins neunzig, kahlköpfig, schnodderig und berstend vor Selbstbewusstsein – Milliarden für seine Kunden und Hunderte Millionen für sich erwirtschaftet. Er hatte sich selbst das Privileg erteilt, jederzeit Trumps Oval Office betreten zu können, und der Präsident hatte das akzeptiert.
Auf dem Tisch lag der Entwurf eines nur eine Seite umfassenden Briefes des US-Präsidenten an den Präsidenten von Südkorea mit der Aufkündigung des Freihandelsabkommens zwischen den beiden Ländern, genannt KORUS.
Cohn war entsetzt. Seit Monaten drohte Trump mit der Kündigung dieses Abkommens, das eine der Grundfesten einer wirtschaftlichen Partnerschaft, eines militärischen Bündnisses und, wichtiger noch, einer Zusammenarbeit bei hochgeheimen nachrichtendienstlichen Operationen und Kapazitäten bildete.
Gemäß einem in den 1950er Jahren geschlossenen Vertrag stationierten die Vereinigten Staaten 28500 Soldaten in Südkorea und installierten dort unter höchster Geheimhaltung stehende, sehr sensible Special-Access-Programme (SAP) mit hochtechnisierten Fähigkeiten zur Codewort-Aufklärung und militärischen Abwehr. Langstreckenraketen der Nordkoreaner waren mittlerweile in der Lage, Atomwaffen zu transportieren, vielleicht bis in die USA hinein. Eine nordkoreanische Rakete würde achtunddreißig Minuten brauchen, um Los Angeles zu erreichen.
Die Special-Access-Programme versetzten die Vereinigten Staaten in die Lage, den Start einer Langstreckenrakete in Nordkorea innerhalb von sieben Sekunden zu detektieren. Dieselbe Technik, in Alaska stationiert, brauchte dazu fünfzehn Minuten – ein beachtlicher Zeitunterschied.
Die Möglichkeit, einen Raketenstart innerhalb von sieben Sekunden zu detektieren, verschaffte den US-Streitkräften genug Zeit für den Abschuss einer nordkoreanischen Rakete. Es ist dies die vielleicht wichtigste und geheimste operative Mission einer US-Regierung. Die amerikanische Präsenz in Südkorea ist essenziell für die nationale Sicherheit.
Die Aufkündigung des Handelsabkommens KORUS, das Südkorea als unentbehrlich für seine Volkswirtschaft ansah, hätte zu einem Kollaps der Beziehungen der beiden Länder führen können. Cohn konnte nicht glauben, dass Präsident Trump das Risiko eingehen würde, den Zugang zu Geheimdienstinformationen einzubüßen, die für die Sicherheit der USA überlebenswichtig waren.
Das alles entsprang der Wut Trumps darüber, dass die USA gegenüber Südkorea ein Handelsdefizit von jährlich 18 Milliarden Dollar hatten und 3,5 Milliarden Dollar jährlich für den Unterhalt ihrer dort stationierten Truppen ausgaben.
Trotz der fast täglichen Berichte über Chaos und Zerwürfnisse im Weißen Haus wusste die Öffentlichkeit nicht, wie schlimm es hinter den Kulissen tatsächlich aussah. Trump war immer sprunghaft, erratisch, änderte seine Meinung. Er verfiel oft in schlechte Laune, ärgerte sich über irgendetwas Großes oder Kleines, und über das KORUS-Abkommen sagte er immer wieder: «Heute steigen wir aus.»
Und jetzt lag da dieser Brief mit dem Datum 5. September 2017, potenzieller Auslöser einer nationalen Sicherheitskatastrophe. Cohn hatte die Sorge, dass Trump den Brief unterschreiben würde, wenn er ihn sah.
Cohn nahm den Briefentwurf vom Schreibtisch. Er legte ihn in eine blaue Mappe mit der Aufschrift «KEEP».
«Ich klaute ihn von seinem Schreibtisch», erzählte er später einem Mitarbeiter. «Ich wollte dafür sorgen, dass er ihn nicht zu sehen bekam. Er wird dieses Dokument nie zu sehen bekommen. Der Schutz des Landes geht vor.»
Inmitten der Anarchie und Unordnung, die im Weißen Haus – und in Trumps Kopf – herrschten, bemerkte der Präsident nicht, dass der Brief fehlte.
Im Normalfall wäre Rob Porter, Stabssekretär des Weißen Hauses und ordnende Hand für die Präsidentenakten, der verantwortliche Mann für die Erstellung von Briefen wie dem an den Präsidenten Südkoreas gewesen. Doch diesmal war der Briefentwurf ominöserweise durch unbekannte Kanäle zu Trump gelangt. Der Stabssekretär erfüllt eine der wenig sichtbaren, aber wichtigen Funktionen im Weißen Haus. Seit Monaten war Porter derjenige gewesen, der Trump Beschlussvorlagen und andere präsidiale Dokumente erläutert hatte, bis hin zu den sensibelsten die nationale Sicherheit berührenden Freigaben für Militäraktionen und verdeckte CIA-Aktivitäten.
Porter, vierzig Jahre, eins neunzig, gertenschlank und als Mormone aufgewachsen, war einer der grauen Männer: ein Apparatschik mit wenig Ausstrahlung, der die juristische Fakultät von Harvard absolviert hatte und Rhodes-Stipendiat gewesen war.
Wie Porter später herausfand, gab es mehrere Exemplare des Briefentwurfs; entweder er oder Cohn sorgten dafür, dass keines davon auf dem Tisch des Präsidenten verblieb.
Im Zusammenwirken bemühten sich die beiden, die ihrer Überzeugung nach impulsiven und gefährlichen Weisungen Trumps aufs Abstellgleis umzuleiten. Der Korea-Brief und andere Dokumente seiner Art verschwanden einfach. Wenn Trump einen Entwurf zum Gegenlesen auf den Schreibtisch bekam, schnappte ihn sich Cohn manchmal unbemerkt, und der Präsident vergaß dann den Vorgang. Wenn aber ein Brief auf seinem Schreibtisch lag, pflegte er ihn zu unterschreiben. «Es geht nicht darum, was wir für das Land getan haben», sagte Cohn im Vertrauen, «sondern darum, vor welchen Dingen wir ihn bewahrt haben.»
Das war nicht weniger als ein administrativer Staatsstreich, eine Sabotage des Willens des Präsidenten der Vereinigten Staaten und seiner verfassungsgemäßen Macht.
Wie Porter einem Kollegen sagte, umfassen seine Amtspflichten mehr als das Koordinieren politischer Entscheidungen und Verfahrensabläufe und das Führen der präsidialen Akten: «Ein Drittel meiner Arbeit bestand in dem Bemühen, auf einige der wirklich gefährlichen Ideen zu reagieren, die er hatte, und ihm Gründe an die Hand zu geben, die ihn hoffentlich einsehen ließen, dass es vielleicht doch keine so guten Ideen waren.»
Eine andere Strategie bestand darin, Dinge hinauszuzögern, auf Zeit zu spielen, auf rechtliche Hindernisse hinzuweisen. Wie der Jurist Porter sagte: «Dinge in die Länge zu ziehen oder ihm nicht vorzulegen oder ihm – korrekterweise, nicht nur als Ausflucht – zu sagen, dass dieser Vorgang geprüft werden muss oder wir daran noch gründlicher arbeiten müssen oder dass wir dafür noch keine Freigabe von der Rechtsabteilung haben – das kam zehnmal öfter vor als das Wegzaubern von Papieren von seinem Schreibtisch. Es fühlte sich an, als würden wir die ganze Zeit am Rand des Abgrunds balancieren.»
Es gab Tage oder Wochen, in denen die Dinge halbwegs geregelt zu laufen schienen und man wenigstens ein paar Schritte vom Abgrund entfernt war. «Andere Male stürzten wir jedoch ab, und dann bedurfte es einer Rettungsaktion. Wir hatten das Gefühl, immer direkt am Abgrund entlangzulaufen.»
Auch wenn Trump das Verschwinden des Briefs vom 5. September nie erwähnte, vergaß er nicht, was er mit dem Handelsabkommen vorhatte. «Dieser Brief tauchte mehrmals wieder auf», berichtete Porter einem Mitarbeiter.
Im Laufe einer späteren Besprechung im Oval Office entspann sich eine hitzige Debatte über das Handelsabkommen mit Südkorea. «Interessiert mich nicht», tönte Trump, «ich habe genug von diesen Argumenten! Ich will nichts mehr davon hören. Wir steigen aus KORUS aus.» Er begann mit dem Diktieren eines neuen Briefes, den er nach Seoul schicken wollte.
Jared Kushner, der Schwiegersohn des Präsidenten, nahm Trumps Diktum ernst. Mit seinen sechsunddreißig Jahren war Jared bereits einer der ranghöchsten Berater des Weißen Hauses. Sein gemessenes Auftreten trug fast aristokratische Züge. Seit 2009 war er mit Trumps Tochter Ivanka verheiratet.
Weil Jared bei der Sitzung näher als alle anderen beim Präsidenten saß, begann er, die Worte Trumps mitzuschreiben wie ein Diktat.
Mach den Brief fertig und dann her damit, damit ich ihn unterschreiben kann, wies Trump seinen Schwiegersohn an.
Jared war dabei, das Diktat des Präsidenten in einen neuen Brief umzusetzen, als Porter davon erfuhr.
«Lass mir den Entwurf zukommen», wies er Jared an, «wenn wir das tun, können wir es nicht auf der Rückseite einer Serviette tun. Wir müssen daraus ein Schriftstück machen, mit dem wir uns nicht blamieren.»
Kushner schickte ein ausgedrucktes Exemplar seines Entwurfs los. Es war nicht wirklich brauchbar. Porter und Cohn ließen selbst einen Text aufsetzen, um zu zeigen, dass sie taten, was der Präsident gefordert hatte. Trump erwartete ein schnelles Ergebnis. Sie durften nicht mit leeren Händen dastehen. Ihr Entwurf war Bestandteil des Täuschungsmanövers.
Auf einer offiziellen Sitzung brachten die Gegner eines Ausstiegs aus KORUS alle erdenklichen Argumente vor – die Vereinigten Staaten hätten noch niemals zuvor ein Freihandelsabkommen aufgekündigt; es gebe rechtliche Gesichtspunkte, geopolitische Gesichtspunkte,...
Erscheint lt. Verlag | 8.10.2018 |
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Übersetzer | Sylvia Bieker, Pieke Biermann, Gisela Fichtl, Thomas Gunkel, Stephan Kleiner, Hainer Kober, Monika Köpfer, Elisabeth Liebl, Stefanie Römer, Karl Heinz Siber, Karsten Singelmann, Peter Torberg, Henriet |
Zusatzinfo | Zahlr. 4-farb. Fotos |
Verlagsort | Hamburg |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Sachbuch/Ratgeber ► Geschichte / Politik ► Politik / Gesellschaft |
Sozialwissenschaften ► Politik / Verwaltung | |
Schlagworte | Bob Woodward • Demokratie • Donald Trump • Politik • Populismus • Pulitzer Preis • Republikaner • USA • Washington DC • Washington Post • Watergate • Weißes Haus |
ISBN-10 | 3-644-00273-8 / 3644002738 |
ISBN-13 | 978-3-644-00273-9 / 9783644002739 |
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Größe: 4,9 MB
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