Rente mit 70 (eBook)

Ein Schwarzbuch
eBook Download: EPUB
2017 | 1. Auflage
192 Seiten
Ch. Links Verlag
978-3-86284-397-8 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Rente mit 70 -
Systemvoraussetzungen
4,99 inkl. MwSt
  • Download sofort lieferbar
  • Zahlungsarten anzeigen
Immer wieder wird von Politikern und Wissenschaftlern eine Erhöhung des Rentenalters auf 70 Jahre ins Spiel gebracht. Beim Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) und seinen Einzelgewerkschaften stoßen solche Pläne auf scharfe Ablehnung. Ein Blick auf die Realitäten der Arbeitswelt zeigt, dass es schon heute in vielen Berufen schwierig ist, überhaupt den Renteneintritt gesund und ohne Abschläge zu erreichen. Alters- und alternsgerechte Arbeitsplätze sind in vielen Branchen gar nicht vorhanden oder möglich.
Neben einer grundlegenden Darstellung zur Rentenproblematik bringt das Schwarzbuch Rente mit 70 in mehr als vierzig eindrücklichen Porträts die Arbeitswelt vieler Beschäftigter zur Sprache - wie auch ihre zum Teil sorgenvollen Blicke auf ihre künftige finanz­ielle Situation als Rentnerinnen und Rentner.
Informative Sachtexte zu Fragen wie Niedriglöhnen, befristeten Arbeitsverhältnissen und Leiharbeit sowie ein Glossar zum Thema runden den Band ab.

Annelie Buntenbach, Jahrgang 1955, 1994 – 2002 Mitglied des Deutschen Bundestages (Bündnis 90/Die Grünen); seit 2006 Mitglied im Geschäftsführenden Bundesvorstand des DGB, verantwortlich u. a. für die Themenbereiche Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik. Markus Hofmann, Jahrgang 1970, Leiter der Abteilung Sozialpolitik beim DGB Bundesvorstand; Mitglied des Bundesvorstandes der Deutschen Rentenversicherung (DRV) Bund und alternierender Vorstandsvorsitzender der Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation e.V. Ingo Schäfer, Jahrgang 1976, ab 2006 Fachreferent der Fraktion der Linken im Bundestag, ab 2013 Referent für Steuer- und Sozialversicherungspolitik bei der Arbeitnehmerkammer Bremen, seit 2016 Referatsleiter Alterssicherung und Rehabilitation beim DGB Bundesvorstand.

Arbeiten bis zum Tod oder Warum die Rente mit 70 keine Option ist


Warum braucht es ein Schwarzbuch Rente mit 70? Wir finden, ein Blick in die tägliche Arbeitsrealität ist überfällig: Damit wird plastisch greifbar, warum für viele Beschäftigte die Rente mit 70 geradezu eine Bedrohung darstellt. Aber das darauf abzielende Dauerfeuer aus der immer gleichen Richtung nimmt zu. Die zentrale Forderung: das gesetzliche Renteneintrittsalter immer weiter anzuheben, z. B. nach 2029 das Rentenalter über 67 hinaus (automatisch) weiter steigen zu lassen.

Solche Vorschläge sind allein darauf ausgerichtet, die Rentenausgaben zu kürzen. Es soll weniger Rente gezahlt werden, um den Beitragssatz für die Arbeitgeber senken zu können. Dabei sind die ständigen Rufe nach einer weiteren Erhöhung des Renteneintrittsalters gefährliche Brandbeschleuniger. Sie zerstören gezielt die Leistungsfähigkeit und Akzeptanz der gesetzlichen Rentenversicherung. Am Ende steht ein höheres Rentenalter bei niedrigerem Rentenniveau und groteskerweise dennoch höheren Beiträgen; in jedem Fall auf der Seite der Arbeitnehmer, denen neben den höheren Beitragssätzen zur gesetzlichen Rentenversicherung die Kosten für die dann notwendige zusätzliche Altersvorsorge privat aufgeladen werden. Den Schaden davon haben alle Beschäftigten, gerade auch die jüngeren, denn für sie sollen die Altersgrenzen steigen.

Die Befürworter höherer Altersgrenzen sind, neben einschlägig bekannten Professoren, Arbeitgeber und ihre Lobbyorganisationen sowie wirtschaftsnahe Politiker. Gemeinsam ist allen, dass sie Gesellschaft und Solidargemeinschaft von den Gewinninteressen der Unternehmen und der Wirtschaft aus betrachten. Sie malen Schreckgespenster an die Wand, um die Debatte um ein höheres Rentenniveau möglichst auszuhebeln.

Die Forderung nach höheren Altersgrenzen ist nicht nur der Versuch, die Rentenzahlungen zu kürzen, sondern damit sollen auch Forderungen nach einem Kurswechsel in der Rentenpolitik, die auf eine Stärkung der gesetzlichen Rente abzielen, ausgehebelt werden. Vorgegaukelt wird, dies sei eine »schonendere« Lösung der demografischen Herausforderungen, als es zum Beispiel die Vorschläge der Gewerkschaften vorsehen. Dass dieser Vorschlag der Rente mit 70 alles andere als »schonend« für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ist, dies zeigen die in diesem Buch versammelten Porträts von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern.

Worin besteht der alternative Ansatz der Gewerkschaften? Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) und Einzelgewerkschaften fordern einen Kurswechsel in der Rentenpolitik und wollen die gesetzliche Rentenversicherung stärken. Die Leistungsfähigkeit und Leistungsgerechtigkeit der gesetzlichen Rente muss für alle Generationen gesichert werden. Die gesetzliche Rentenversicherung muss ein Leben in Würde im Alter ermöglichen. Aus Sicht der Gewerkschaften ist dazu das Rentenniveau zu stabilisieren und im weiteren Schritt anzuheben, etwa auf 50 Prozent. Damit wären die Renten im Jahr 2045 rund 20 Prozent höher als nach geltendem Recht. Um die Leistungsseite zu stärken und das Sicherungsziel der gesetzlichen Rente zu erreichen, gehören zudem die Abschläge bei Renten wegen Erwerbsminderung abgeschafft. Die Mütterrente ist voll aus Steuern zu finanzieren, die gesetzliche Rentenversicherung muss langfristig zu einer Erwerbstätigenversicherung weiterentwickelt werden und die ganze Gesellschaft, insbesondere die Bestverdiener und Vermögenden, muss sich mit einem »demografischen Bundeszuschuss« an der Finanzierung der Rentenversicherung beteiligen. Am Ende müsste der Beitragssatz für die Beschäftigten bis zum Jahr 2045 um nur 0,8 Prozent stärker steigen als jetzt bei sinkendem Rentenniveau vorgesehen – dafür aber mit rund 20 Prozent höheren Renten.

Im Durchschnitt steigt die Lebenserwartung. Aber mit der Lebenserwartung verhält es sich wie mit dem Einkommen: Im Schnitt steigt sie an, aber die Ungleichheit nimmt dabei immer weiter zu. Auch sagt die steigende Lebenserwartung nichts darüber aus, ob und bei wie vielen Beschäftigten dieser Anstieg mit gesunden und arbeitsfähigen Jahren einhergeht. Wer die Altersgrenze mit der durchschnittlichen Lebenserwartung anhebt – ein Vorschlag, den nicht nur die EU forciert – nimmt sehenden Auges in Kauf, dass eine wachsende Gruppe das Rentenalter nicht oder nicht gesund erreichen wird. Und wer es noch bis zur Altersgrenze schafft, bekommt weniger Jahre lang eine Rente ausgezahlt! Diese Verkürzung der Rentenzahlung wirkt sich auf verschiedene Gruppen völlig unterschiedlich aus und geht gerade zulasten derjenigen, die nach einem harten und langen Arbeitsleben mit oft niedrigeren Einkommen auskommen müssen. Ein Beispiel: Steigt das Rentenalter von 65 auf 67 Jahre, bedeutet das für jemanden, der mit 75 Jahren stirbt, eine Kürzung der Zeit des Rentenbezugs um 20 Prozent, steigt das Rentenalter gar auf 70, wäre es eine Halbierung (!) der Rentendauer. Wer 85 wird, hätte nur eine 10 Prozent kürzere Rentenbezugszeit – bei einer Altersgrenze von 70 würde die Rente so um ein Viertel gekürzt. Menschen mit geringem Einkommen sterben im Schnitt früher als jene mit höherem Einkommen. Steigende Altersgrenzen kürzen also besonders die Renten der Ärmeren und der oftmals am Arbeitsmarkt schlechter gestellten Gruppen. Auch ist der frühestmögliche Rentenbeginn gerade erst angehoben und damit die Dauer des Rentenbezugs regelmäßig um drei Jahre gekürzt worden. Ab Jahrgang 1952 können die Beschäftigten grundsätzlich erst mit 63 Jahren, also drei Jahre später als bisher, eine Rente beziehen.1 Wer arbeitslos oder angeschlagen ist, muss sich also drei Jahre länger durchschlagen. Die Lücke zwischen Erwerbsaustritt und Rentenbeginn wächst tendenziell wieder.

Wenn ein wachsender Teil der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer das gesetzliche Rentenalter nicht gesund und in sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung erreicht, hilft es nicht, wenn der Beitragssatz niedriger ausfällt. Dann verfehlt die Rentenversicherung ihren sozialpolitischen Auftrag, den wohlverdienten Ruhestand zu sichern, da dieser gar nicht mehr erreicht wird. Und die Zeit des auskömmlichen Ruhestandes zu einem üblicherweise erreichbaren Zeitpunkt darf man zu einer zentralen zivilisatorischen Errungenschaft unserer aufgeklärten, demokratischen Arbeitsgesellschaft rechnen.

Hinzu kommt, dass die Diskussion über das Rentenalter nicht unabhängig von der realen Arbeitsmarktlage geführt werden kann. Ziel nicht allein der Rentenpolitik, sondern auch der Arbeitsmarkt- und Wirtschaftspolitik wie des Arbeits- und Gesundheitsschutzes muss es sein, sicherzustellen, dass die überwiegende Mehrheit ein versicherungspflichtiges, gut bezahltes und nicht krank machendes Arbeitsverhältnis bis zum Rentenbeginn hat. Für all diejenigen, die aufgrund individueller Gesundheit, aber auch der allgemeinen Arbeitsmarktlage keine Möglichkeit bekommen, bis zum Rentenalter einen guten und vor allem gut bezahlten Arbeitsplatz zu haben, sind daher Angebote und Möglichkeiten für einen abgesicherten Übergang von der Arbeit in die Rente nötig. Zur Gestaltung gelungener Übergänge bedarf es schon heute guter Instrumente. Das zielt auf eine Stärkung und Ausweitung der medizinischen und beruflichen Rehabilitation ab. Dazu gehört auch, den Budgetdeckel für Rehabilitation in der Rentenversicherung zu streichen und den Grundsatz »Reha vor Rente« auch finanziell zu bekräftigen. Wir brauchen finanzielle Angebote, wenn im Alter ein reduzierter Stundenumfang zur Erhaltung der Gesundheit und des Arbeitsplatzes notwendig ist. Hierzu zählen Vorschläge wie die geförderte Altersteilzeit, die Teilrente ab dem 60. Lebensjahr oder auch das Altersflexigeld.

Studien2 zeigen, dass viele Beschäftigte die steigenden Altersgrenzen durch einen längeren Verbleib im Beruf nachvollziehen können. Die Zahl der Erwerbstätigen ist insgesamt gestiegen und mit ihr steigt auch die Zahl an Kolleginnen und Kollegen, die jenseits der 60 noch ihren Beruf ausüben. Dabei bleibt offen, ob und wie lange sie arbeiten wollen. Oder ob sie es, aufgrund fehlender Alternativen, müssen, unter Umständen sogar trotz erheblicher gesundheitlicher Einschränkungen zu Lasten ihrer Gesundheit, mit der Folge, gegebenenfalls häufigere und längere Krankheitszeiten in Kauf zu nehmen. Es wächst aber auch die Zahl derjenigen, die in diesem Alter nur einen Minijob haben, oftmals schlecht abgesichert und ergänzend zur Rente oder anderem Einkommen. Auch verbringt eine große Gruppe den Übergang in jahrelanger Arbeitslosigkeit, auch hier oftmals, weil sie aufgrund gesundheitlicher Einschränkungen von keinem Arbeitgeber mehr eingestellt werden, aber sie noch zu gesund sind für eine Erwerbsminderungsrente. Es gibt also eine große Gruppe an Beschäftigten, die schon die bisherigen Altersgrenzen nicht erreichen können, geschweige denn realistische Aussichten haben, dies zukünftig bei steigenden Altersgrenzen zu schaffen.

Sozialpolitik muss stets die Realität zum Ausgangspunkt nehmen. Es geht nicht um simple betriebswirtschaftliche Effizienz oder Gewinnmaximierung, sondern um die Vielfalt und die Eröffnung echter Möglichkeiten für alle. Teilhabe an der Gesellschaft in allen Lebenslagen zu gewährleisten, muss dabei der Anspruch sein. Besonders gefährlich sind daher Vorstöße, den weiteren Anstieg der Altersgrenzen in einen dauerhaften Automatismus zu übersetzen. Ein solcher Versuch, die Kürzungslogik als Regelzustand zu verankern, bedeutet eine Entpolitisierung des Prozesses. Gerade was die Frage des Übergangs anbelangt, sind langfristige Trends...

Erscheint lt. Verlag 14.7.2017
Reihe/Serie Politik & Zeitgeschichte
Zusatzinfo 39 s/w-Abbildungen
Verlagsort Berlin
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Geschichte / Politik Politik / Gesellschaft
Sozialwissenschaften Politik / Verwaltung
Schlagworte Altersarmut • Arbeitsalltag • Bundestagswahl • DGB • Gewerkschaften • Rente • Rentenalter • Renteneintritt • Schwarzbuch
ISBN-10 3-86284-397-1 / 3862843971
ISBN-13 978-3-86284-397-8 / 9783862843978
Haben Sie eine Frage zum Produkt?
EPUBEPUB (Wasserzeichen)
Größe: 1,3 MB

DRM: Digitales Wasserzeichen
Dieses eBook enthält ein digitales Wasser­zeichen und ist damit für Sie persona­lisiert. Bei einer missbräuch­lichen Weiter­gabe des eBooks an Dritte ist eine Rück­ver­folgung an die Quelle möglich.

Dateiformat: EPUB (Electronic Publication)
EPUB ist ein offener Standard für eBooks und eignet sich besonders zur Darstellung von Belle­tristik und Sach­büchern. Der Fließ­text wird dynamisch an die Display- und Schrift­größe ange­passt. Auch für mobile Lese­geräte ist EPUB daher gut geeignet.

Systemvoraussetzungen:
PC/Mac: Mit einem PC oder Mac können Sie dieses eBook lesen. Sie benötigen dafür die kostenlose Software Adobe Digital Editions.
eReader: Dieses eBook kann mit (fast) allen eBook-Readern gelesen werden. Mit dem amazon-Kindle ist es aber nicht kompatibel.
Smartphone/Tablet: Egal ob Apple oder Android, dieses eBook können Sie lesen. Sie benötigen dafür eine kostenlose App.
Geräteliste und zusätzliche Hinweise

Buying eBooks from abroad
For tax law reasons we can sell eBooks just within Germany and Switzerland. Regrettably we cannot fulfill eBook-orders from other countries.

Mehr entdecken
aus dem Bereich
Die globalen Krisen und die Illusionen des Westens

von Carlo Masala

eBook Download (2022)
C.H.Beck (Verlag)
12,99
Die globalen Krisen und die Illusionen des Westens

von Carlo Masala

eBook Download (2022)
C.H.Beck (Verlag)
12,99
Wie aktivistische Wissenschaft Race, Gender und Identität über alles …

von Helen Pluckrose; James Lindsay

eBook Download (2022)
C.H.Beck (Verlag)
16,99