Neue Heimat Psycholand

Woher unser Vertrauen in Seelenprofis rührt
Buch | Softcover
36 Seiten
2017
Lea-Verlag
978-3-930147-55-7 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Neue Heimat Psycholand - Harald Wiesendanger
12,80 inkl. MwSt
  • Keine Verlagsinformationen verfügbar
  • Artikel merken
Falls uns eine sogenannte „psychische Störung“ ereilt: Sind wir dann am besten bei Psychiatern aufgehoben? Bestürzende Vorgeschichten, die Hunderte von seelisch Belasteten in die Therapiecamps der Stiftung Auswege mitbringen, wecken Zweifel daran. Erst dort, geduldig, aufmerksam und liebevoll betreut von empathischen Psychoamateuren, finden die meisten, worauf sie zuvor in Arztpraxen und Kliniken jahre-, manchmal jahrzehntelang vergeblich gehofft hatten: wirkungsvolle Hilfe, die nicht bloß Symptomträgern mit „zerebralen Stoffwechselstörungen“ gilt, sondern ganzen Personen mit Geist und Seele. Warum hatte ihnen die Schulmedizin im wesentlichen bloß Bezugsscheine für synthetische Drogen zu -bieten? Weil das Lehrgebäude der Psychiatrie auf zwölf Märchen aufbaut, die sie von der Propagandamaschine der Pharmaindustrie übernimmt und an Hilfesuchende weiterreicht. Übergroßer Respekt vor der Autorität des Doktors und „der Wissenschaft“, auf die er sich beruft, hindert Patienten und ihre Angehörigen daran, die richtigen Fragen zu stellen.

Dr. Harald Wiesendanger (Jg. 1956), studierter Philosoph, Psychologe und Soziologe, hat seit Ende der achtziger Jahre rund 50 Bücher veröffentlicht, überwiegend zu psychologischen und medizinischen Themen, neben über 3000 Artikeln in Zeitungen, Zeitschriften und Internetportalen. 2005 gründete er die Stiftung AUSWEGE für chronisch Kranke sowie die „Internationale Vermittlungsstelle für Herausragende Heiler“ (IVH), die in der alternativen Gesundheitsszene mit einem aufwändigen Auswahlverfahren „die Spreu vom Weizen trennen und die wenigen Könner herausfiltern“ will. 1994 hatte er eine Dachorganisation für Heilerverbände (DGH) ins Leben gerufen und bis 1998 geleitet, sich dann aber zurückgezogen, denn „auch Geisteskinder missraten mitunter derart, dass man sie schließlich mit einem Seufzer der Erleichterung zur Adoption freigibt“. Er gab eine Fachzeitschrift für Geistiges Heilen heraus (Der Heiler 1996-1998), war Mitorganisator mehrerer "Weltkongresse für Geistiges Heilen" in Basel (1994-2004) und an der EU-geförderten Fernheilstudie EUHEALS beteiligt (2001-2004). In jüngster Zeit beschäftigen ihn vor allem die gesundheitspolitischen und wirtschaftlichen Hintergründe unseres kranken Gesundheitswesens, die Ohnmacht ganzheitlicher Behandlungsansätze in der industriegelenkten westlichen Schulmedizin, die Expertengläubigkeit der psychologischen Gesellschaft, die unterschätzten Fähigkeiten von Laienhelfern.

Psycholand -
Woher rührt das Vertrauen in Seelenprofis?
Unterwegs zum Selbst
Wie die Prinzessin auf der Erbse
Supertanker Big Pharma
Des Kaisers neue Kleider
Anmerkungen

Was wissen und können professionelle Seelenhelfer besser als unsereins? Wieviel trauen wir Psychologen, Psychotherapeuten und Psychiatern zu? In Meinungsumfragen würden wohl die meisten von uns, und erst recht die Profis selbst, den folgenden Ansichten beipflichten: „Es gibt psychische Krankheiten, genauso wie körperliche. Immer mehr Menschen sind davon betroffen.“ „Psychoprofis können solche Störungen zuverlässig erkennen, wirksam behandeln, plausibel erklären und recht genau voraussehen.“ „Ein Hochschulstudium vermittelt die nötigen Fähigkeiten dazu.“ „Laien hängen einer naiven Küchenpsychologie an. Der wissenschaftliche Erkenntnisfortschritt wird über sie hinweggehen.“ Die ersten Semester meines Psychologiestudiums verliefen unbelastet von Zweifeln an alledem. Zwar ächzte ich, wie die meisten meiner Kommilitonen, unter den Vertracktheiten von Statistik und Methodenlehre. Aber war die Tortur nicht der angemessene Preis, den ich dafür zahlen musste, mich endlich aus den Denkfallen der Laienpsychologie zu befreien, indem ich die Rätsel von Geist und Seele wissenschaftlich angehen lernte? Tat ich in meiner persönlichen Entwicklung dabei nicht einen gewaltigen Entwicklungsschritt, mit dem auf höherem intellektuellem Niveau Phase Zwei meines Lebens begann, ein Zeitalter der Aufklärung innerhalb meiner Biografie? War es nicht großartig, dass ich mich beim Erklären und Vorhersagen, wie Menschen sich verhalten, von nun an auf systematisches Beobachten objektiver Sachverhalte, auf hochwertige Erkenntnismethoden wie Tests und Experimente, auf daraus gewonnene Theorien stützen konnte? War es nicht redlich und für einen akademisch Gebildeten alternativlos, dass ich mich künftig darauf beschränkte? So hörte ich es von meinen Professoren, so las ich es in Lehrbüchern. Und es leuchtete mir ein, zumal ich nun eine Vielzahl von spannenden, aufschlussreichen Untersuchungen kennenlernte, die darauf beruhten, wissenschaftliche Forschungsregeln konsequent anzuwenden. Zwar ergaben sie kaum je psychologische Gesetzmäßigkeiten, sondern bloß mehr oder minder ausgeprägte Wahrscheinlichkeiten. Doch immerhin widerlegten sie verbreitete Vorurteile. Sie machten auf Überraschungen gefasst, die dem keineswegs gesunden Menschenverstand zuwiderliefen. Und sie begründeten Erwartungen, wie eine Vielzahl von Menschen, oder ein­zelne Gruppen von Menschen mit bestimmten Merkmalen, unter bestimmten Umständen wahrnehmen und fühlen, denken und handeln. Sollte das für einen Psychologen nicht genügen, um stolz auf sich und sein Fach zu sein – und selbstbewusst davon auszugehen, dass er weitaus mehr weiß und kann als ein hochschulferner Amateur? „Allerdings!“, hätte ich nach fünf Studienjahren auf solche Fragen mit Nachdruck geantwortet. Zum ­Umdenken haben mich erst die vier anschließenden Jahrzehnte bewegt - ganz besonders Erfah­rungen, die ich einer Stiftung namens „Auswege“ für chronisch Kranke verdanke, welche ich 2005 ins Leben rief. Bis Ende 2016 lernte ich in 24 ­Thera­­pie­camps dieser Ein­rich­tung Hunderte von psychisch Be­lasteten kennen, deren ­V­er­trauen in eine wissenschaftlich ­begründete Psychotherapie und Psychiatrie bitter enttäuscht wurde – jahrelang, ­verein­zelt ­seit Jahrzehnten. Jeder vierte Hilfesuchende brachte in die „Auswege“-Camps die ­Diagnose einer ­psy­chischen ­Erkrankung mit: von Autismus, ADHS und ­anderen Verhaltens­störun­­­gen über ­De­pressionen und ­Phobien bis hin zu Zwängen. Es ­fanden Angstgeplagte, Ausgebrannte und Trauma­tisierte dorthin, gelegentlich sogar mut­maßlich Schizophrene. ­Und wenngleich bei den übrigen Teil­nehmern körperliche ­Beschwerden im Vordergrund standen, kamen auch sie zumeist seelisch schwer angeschlagen an. In den bis zu 20-köpfigen Helferteams, die sich ehrenamtlich um sie kümmerten, begegnete ich bemerkenswerten Persönlichkeiten, die in ­solchen Fällen verblüf­fend ­erfolg­reich arbeiteten: Nach siebeneinhalb Be­handlungs­tagen ging es über 90 Prozent der Patienten psychisch besser als je zuvor in der Obhut von ­ausgebil­deten Seelen­­- heil­kundi­­gen. Keinerlei Psychopharmaka kamen zum Einsatz. Erstaunlich oft hielten die erzielten Besserungen an. Ist es abwegig zu vermuten, dass sogar noch deutlich mehr zu erreichen gewesen wäre - und Erreichtes noch stabiler fortbestanden hätte -, wenn die Campteilnehmer nicht nach gut einer Woche hätten heimgeschickt werden müssen? Dabei ­handelte es sich bei den ­Helfern fast ausnahmslos um Amateure, ohne medizinisch-­psychologische Ausbildung, mit erlernten Berufen wie Dreher, Steuerfachgehilfin, Arzthelferin, Deutschlehrer, Finanzberater oder Wirtschaftsingenieur. Trotzdem bewirkten sie offenkundig mehr als jeder Psycho-Profi vor ihnen. Wie ist das möglich? Was ­l­ehren die Therapiecamps der Stiftung Auswege ­darüber, wie wertvoll, ­überlegen und unverzichtbar pro­fes­sionelle Seelen­kunde ist? Heute würde ich darauf antworten: Im Bestreben, objektive Wissenschaft zu sein, haben Psychologie und Psychiatrie Subjekte aus den Augen verloren - Personen mit Bewusstsein, einer einmaligen Erlebnisperspektive und einer einzigartigen Geschichte, in immer besonderen Lebensumständen. Die Verhaltenswahrscheinlichkeiten, mit denen Fachzeitschriften, Lehrbücher und Ratgeber voll sind, bringen uns bestenfalls den Menschen ein wenig näher – aber sie tragen wenig bis nichts dazu bei, diesen Menschen zu verstehen und ihm zu helfen. Wann immer es um ein einzelnes Ich geht, erweist sich Wissenschaft als weitgehend nutzlos: sei es für Eltern und Lehrer; für Freunde, Lebensgefährten und Arbeitgeber; für Sachbearbeiter in Jugend- und Sozialämtern; für Strafverfolger und Richter, Vollzugsbeamte und Bewährungshelfer; für Sozialarbeiter und Pflegekräfte; für Seelsorger, Lebensberater - und nicht zuletzt für Psychotherapeuten. Wer von ihr mehr erwartet, überfordert sie. Wenn sie mehr verspricht, lügt sie. Denn Wissenschaft ist eine Lebensform, die für den Einzelfall blind macht - und stolz darauf, ihn zu verachten. Wo Individuen einander begegnen, versagt ihre Zugangsweise, kläglich und unvermeidlich. Es gibt angemessenere und ergiebigere, und über diese verfügen Laien oftmals in höherem Maße: Lebenserfahrung, Bildung, Achtsamkeit, Intuition, vor allem die Fähigkeit, sich in ein Gegenüber hineinzuversetzen. Insofern könnten Amateure es sich leisten, dem Psychoprofi mit einem Selbstbewusstsein entgegen­zutreten, das gegenüber einem Physiker, einem Chemiker oder Biologen mehr als vermessen wäre. Sie wissen nämlich nicht nichts oder zuwenig. Sie wissen zuviel - wenngleich im allgemeinen auf ziemlich ungeordnete und selten bedachte Weise –, jedenfalls weitaus mehr, als naturwissenschaftlich ausgerichtete Psychoforscher jemals über sie herausfinden können. Soweit Wissenschaft ist, was Wissen schafft, könnten sie mithalten. Denn Sachverständige sind Schwachverständige, sobald die Sache kein bloßes Ding ist. Der verstehende Laie und die fliegende Hummel haben eines gemeinsam: Der Experte beweist eindrucksvoll, dass sie unmöglich können, was sie trotzdem tun. Und so wirbt dieses Buch, ausgehend von zahl­reichen ­Ein­­zel­schicksalen aus den ­„Auswege“-Camps, für einen respektlosen, geradezu ketzerischen Standpunkt: Es wird Zeit, die Ex­­pertokratie akademischer See­­lenkundler, die unser Ge­sund­heits­wesen wie naturnotwendig durchdringt, zu ­be­enden. Ihr fragwürdiger Nutzen erweist sich an der ­be­lämmern­den Unergiebigkeit mo­derner Psychotherapie und Psychiatrie, soweit diese sich auf sie stützen. Setzen wir ihren Lügen ein Ende. Stärken wir unsere Widerstandskraft gegen Versuchungen, ihnen auf den Leim zu gehen.

Erscheinungsdatum
Reihe/Serie Psycholügen ; 1
Verlagsort Schönbrunn
Sprache deutsch
Maße 148 x 210 mm
Gewicht 156 g
Einbandart geklebt
Themenwelt Geisteswissenschaften Psychologie
Medizin / Pharmazie
Sozialwissenschaften
Schlagworte Antipsychiatrie • Psychiatrie • Psychiatriekritik • Psychologie • Psychologiekritik • Psychotherapie
ISBN-10 3-930147-55-6 / 3930147556
ISBN-13 978-3-930147-55-7 / 9783930147557
Zustand Neuware
Haben Sie eine Frage zum Produkt?
Mehr entdecken
aus dem Bereich
warum wir fühlen, was wir sind

von Mark Solms

Buch | Hardcover (2023)
Klett-Cotta (Verlag)
35,00