Gesammelte Schriften Band 2 (eBook)
428 Seiten
Books on Demand (Verlag)
978-3-7448-5937-0 (ISBN)
Georg D. Heidingsfelder, geboren am 14. Oktober 1899 in Dinkelsbühl (Mittelfranken), war als lutherischer Christ zum römisch-katholischen Bekenntnis konvertiert. Die früheste publizistische Spur ist ein Dialektbüchlein für den fränkischen Heimatort Ansbach. 1933 Aufgabe der Tätigkeit als Zeitungsredakteur. Nach einer beruflichen Umorientierung ab 1938 Angestellter einer Bauernbank im sauerländischen Meschede. Wegen seines aufklärerischen Engagements in der Pfarrei als Regimegegner bekannt und mit Repressionen belegt (Sperrung des Kindergeldes). Nach 1945 als "Elected Citizien" tätig in der Bildungsarbeit (Soziale Frage, Aufarbeitung des deutschen Faschismus) und Anstellung bei der Katholischen Arbeiterbewegung. In der Adenauer-Ära gehörte Heidingsfelder als Mitstreiter Reinhold Schneiders zu den linkskatholischen Nonkonformisten, die sich der Einheitsfront zugunsten von Restauration, Remilitarisierung und Atombombentheologie widersetzten. Mitgliedschaft in der GVP Gustav Heinemanns, ab 1958 in der SPD. Als Schriftsteller nicht zu Kompromissen bereit und schließlich Broterwerb in zwei Fabriken. Zuletzt Beiträge in der von Heinrich Böll mitbegründeten Zeitschrift "labyrinth". Todesjahr: 1967.
J. „WEHRMACHT
UND KATHOLISCHE JUGEND“
(BROSCHÜRE 1954)
[J.]
Wehrmacht und katholische Jugend
(1954)
Georg Heidingsfelder
Hier spricht der Papst:
„Die Aufrüstungspolitik kann den Krieg nicht verhindern und ist selbst gefährlich, denn der Rüstungswettlauf verschärft die kriegerischen Möglichkeiten und bereitet die Seelen darauf vor.“
Pius XI. am 23. September 1938
1. WORUM ES GEHT
Ich bin fast sieben Jahre lang Soldat gewesen, in beiden Weltkriegen. Im ersten war ich, achtzehnjährig, in die Materialschlachten des Westens geworfen worden; im zweiten mußte ich drei Jahre lang in der Verwaltung eines Wehrmachtgefängnisses dienen. Mein Vorgesetzter von damals schreibt in einem Memorandum aus dem Jahre 1948 unter anderem dies:
Seine religiöse Einstellung hat Herr H. nie verleugnet. Im Wehrmachtsgottesdienst der Gefangenen versah er den Ministranten- und Küsterdienst, obwohl ihm das gar manchen Spott von seinen Kameraden einbrachte. Seine religiöse und konfessionelle Einstellung hat Herr H. immer hartnäckig verteidigt. Als „schwarzer Bruder“ wurde er hie und da betitelt ...
Herr H. scheute sich nicht, bei dem nationalsozialistisch und militärisch überspitzten Abteilungskommandanten die bestehenden Mißstände bei der Einheit zu kritisieren. Sein Auftreten zeugte von seinem Gerechtigkeitsempfinden. Ein Kriecher war Herr H. nie. Dieser hagere Unteroffizier, dem jede Beförderung während des vergangenen Krieges versagt blieb, wegen seiner nicht unbekannt gebliebenen politischen Einstellung, hat mich nie enttäuscht. Zu alledem war Herr H. ein wirklich guter Kamerad.
gez.: I. B. Blessing,
ehemaliger Stabsintendant, Villingen im Schwarzwald.
Ich darf mich als Sachverständigen in den Angelegenheiten des „Barras“ bezeichnen, denen ich stets meine große Aufmerksamkeit zuwandte. Ich hielt den Kommiß zu allen Zeiten für eine Institution, die das Verderben unseres Volkes und ein Hohn auf die gottebenbildliche Menschheit war. Deshalb sehe ich mich, aus Gründen des Gewissens und ohne jede Rücksicht auf die Folgen, die das für mich haben könnte, verpflichtet, die katholische Jugend aufzuklären über das, was ihr bevorsteht. Und sie eindringlich darauf hinzuweisen, nicht kurzschlüssig „Weisungen von oben“ oder verführerischen Phrasen zu folgen, sondern zu prüfen, ob nicht von uns katholischen Deutschen endlich ein anderer Weg als der des militärischen Gewaltgebrauches, also der Aufrüstung und Re-Militarisierung, gegangen werden muß. Ich stimme dabei völlig mit einem so überragenden Manne wie Reinhold Schneider, unserem großen Dichter, überein, der mir viele seiner Bücher mit freundschaftlichen Widmungen geschenkt hat und in dem ich die „Stimme des Propheten“ dieser Stunde verehre.
Ich bin überzeugt, daß der Satan selbst uns Deutsche nun in den Abgrund zu schleudern sucht, indem er, nachdem er unser Land und Volk zerrissen hat, als Folge des Hitlerkrieges, uns gegeneinander bewaffnet. Das kann nur das Ende im selbstmörderischen Bruderkrieg bringen! Davor warne ich und bitte jeden katholischen Jungmann, in seinem Gewissen zu prüfen, ob er dabei „mitmachen“ darf.
*
Seit jenem Tage, an dem die unheilvolle Schrift des Diözesanpräses von Freiburg, Dr. Stiefvater, erschienen ist, stehe ich in unentwegtem Kampf gegen die dort vorgetragene Auffassung, daß unser Volk wieder „ans Gewehr“ getrieben werden müsse, um die Gerechtigkeit wiederherstellen zu helfen. Gegen die Schrift Stiefvaters haben sich nicht nur die Geistlichen von „Pax Christi“ gewandt und sie scharf abgelehnt; ein so achtbarer Mann wie Walter Dirks hat die härtesten Worte gegen sie geschleudert. Sie ist wahrlich kein Ruhm für uns Katholiken, vielmehr ein Dokument, das bezeugt, daß eine ernste Lebensfrage in unerhört leichtfertiger Weise behandelt werden kann. Trotz der Seichtheit der Schrift haben sich die katholischen Organisationen eifrig für sie eingesetzt und immer wieder konsequent gefordert: Volk ans Gewehr! Das ist die verderblichste Parole für unser Volk, denn sie weist in die alten Bahnen, auf denen wir schon zweimal ins Verderben gerannt sind. Hätten wir nach 1945 Buße getan, das heißt eine echte Umkehr vollzogen, so hätte Gott der Herr uns gewiß neue Wege gewiesen. So aber, wo wir uns selbstgerecht verhärteten, droht der Untergang in Greueln der Verwüstung.
Unsinnig ist ja, anzunehmen, daß man bei dem heutigen Stande der Waffentechnik „Frauen und Kinder verteidigen“ könnte. Dies zu propagieren ist bewußter Betrug, denn es sind „Frontlinien“ nicht mehr zu halten, hinter denen die Frauen und Kinder Schutz finden (wie noch im ersten Weltkriege), sondern es werden totale Kriege geführt mit Mitteln, die auf Ausrottung ganzer Völker gerichtet sind. Man hält in der Propaganda an alten Vorstellungen fest, um die Jugend zu verführen; aber diesen Vorstellungen entspricht keine Wirklichkeit mehr. Darum ist eine sehr wichtige Forderung, die gestellt werden muß, die der Ernüchterung für die Wirklichkeit! Man muß sich nicht „besoffen reden“ lassen von der Partei, von Presse und Rundfunk, sondern nüchtern prüfen, was da ist und was da möglich ist im Zeitalter der Wasserstoffbombe. Geht nicht ein tiefer Schrecken durch alle Völker in dieser Stunde, da die japanischen Fischer, die 150 Kilometer von der Explosion entfernt waren, mit schweren Verbrennungen heimgekehrt sind, und selbst die Fische des Meeres von der Bombe vergiftet wurden? Wer will mit solchen Waffen immer noch eine „Politik der Stärke“ betreiben? Wer will sie als Christ und Katholik je eingesetzt wissen? Das wäre doch die größte Schmach, wenn die Welt eines Tages sagen könnte: Katholische Christen haben sich der Atombomben bedient, um die Welt zu „missionieren“ oder „die Kirche zu verteidigen“! Lieber sollten wir tausendmal zugrunde gehen, als mit solchen Mitteln unser Leben verteidigen wollen. Aber wir sind immer noch weit entfernt von der Erkenntnis unserer großen Dichterin Gertrud von le Fort, die das erschütternde Wort gesprochen hat: „Ich weine, weil du nicht begreifst, daß alles, was man mit List oder Gewalt erringt, schon von vornherein verloren ist.“ Mit militärischer Gewalt ist von Christenmenschen nichts zu erringen; das ist ihr Weg nicht; es ist vielmehr für uns jetzt der Weg des sicheren Untergangs. Wir können ihn nicht besser „vollenden“, als indem wir wieder den Barras heraufholen und von ihm das Heil erwarten. Solche Versuchung muß abgewehrt werden und dabei will diese Schrift mithelfen, indem sie aufklärt über die Wirklichkeit, vor der wir stehen.
Meschede, den 1. Mai 1954.
Georg Heidingsfelder
Die Stimme des Erfahrenen
Das Sprichwort: „Wenn du den Frieden willst, rüste zum Krieg!“ muß abgebaut werden. Die endlosen Rüstungen sind kein Schutz vor dem Krieg, keine Sicherung des Friedens. Statt: „Rüste den Krieg!“ sagen wir: „Wenn du den Frieden willst, rüste den Frieden!“
Kardinal Faulhaber
2. DAS GANZ GROßE NEIN
In den Schulen und durch die katholischen Organisationen werden zur Zeit mit Eifer die Propagandaschriften der Aufrüstung in Massen verteilt. An der Spitze liegen die beiden Schriften:
„Freiheit in Uniform“
und
„Wir wollen Europa verteidigen“.
Beide Schriften wollen ahnungslosen katholischen Jugendlichen das Soldatenleben schmackhaft machen, indem sie die brutale Wirklichkeit hinter betrügerischen Schlagworten und täuschenden Bildern verstecken. Da wird geredet vom „freien Bürgersoldaten“ oder vom „demokratischen Militär“, bei dem zu dienen eine Lust für jeden Jungmann sein könne.
Der Propaganda durch diese Schriften war schon gegen Ende des Jahres 1953 eine Schrift vorausgegangen, die der Bund der Deutschen Katholischen Jugend (BdDKJ) dem Aufrüstungs- und Remilitarisierungsamt Blank eingereicht hatte. In dieser „Denkschrift“ äußerte die Hauptversammlung des BdDKJ ihre Meinung zum „inneren Gefüge der deutschen Streitkräfte“. Auch hier wurden bereits trügerische Schlagworte gebraucht und ein neues Bild des Kommiß vorgegaukelt, das sich niemals verwirklichen kann.
Alle diese Fabeleien und Tarnmanöver breiten über die Wirklichkeit einen verbergenden Mantel und suchen so die katholische Jugend erst in die Kaserne und späterhin aufs Schlachtfeld zu führen, damit sie so den „höchsten Idealen“ diene und für die „wertvollsten Güter“ kämpfe.
Die nackte Wirklichkeit sieht freilich ganz anders aus: Die neu zu organisierende militärische Gewaltmaschinerie des „Barras“ braucht „Menschenmaterial“, das jetzt, bevor die Gestellungsbefehle herauskommen, durch propagandistische Phrasen aller Art „wehrfreudig“ gemacht werden soll. So ist es vor den beiden Weltkriegen schon gehandhabt worden und nach diesem bewährten Muster will man auch jetzt wieder vorgehen.
In Anbetracht der unermeßlichen Folgen, die eine Remilitarisierung für unser Land und Volk haben müßte, halten wir es für unsere Pflicht, aufklärend zu wirken und die katholische Jugend eindringlich davor zu warnen, den Propagandamanövern auf den Leim zu gehen. Wir Deutschen stehen vor dem Volks-Untergang in überkoreanischen Greueln, wenn wir uns nun als „Schlachtvieh zur Welteroberung“ mißbrauchen lassen. Hiergegen müssen wir unseren schärfsten Protest ausdrücken, gemäß dem Wort des katholischen Pfarrers Karl Pfleger, der uns mahnt:
„Das Vieh wird ewig Schlachtvieh...
Erscheint lt. Verlag | 31.5.2017 |
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Sprache | deutsch |
Themenwelt | Sozialwissenschaften ► Politik / Verwaltung |
ISBN-10 | 3-7448-5937-1 / 3744859371 |
ISBN-13 | 978-3-7448-5937-0 / 9783744859370 |
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