Germanija

Wie ich in Deutschland jüdisch und erwachsen wurde

(Autor)

Buch | Hardcover
202 Seiten
2016
Campus (Verlag)
978-3-593-50580-0 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Germanija - Dmitrij Belkin
19,95 inkl. MwSt
Dezember 1993, Dnepropetrowsk, Ukraine. Der 22-jährige Dmitrij Belkin nimmt drei Taschen und sechs Bücher, setzt sich in einen Bus und fährt ins völlig Ungewisse, nach Deutschland, wie eine Viertelmillion andere Juden aus der Ex-UdSSR auch. Er kommt als Einwanderer in ein Land im Umbruch: Postsowjetischer Blick trifft auf alte und neue Bundesrepublik, in der für ihn und seine Familie eine jüdische Selbstentdeckung möglich wird. Deutsche Zeitgeschichte im Spiegel einer sehr persönlichen und zugleich politischen Erzählung, die ihr Licht auch auf die heutige turbulente Zeit der Einwanderung wirft.
Dezember 1993, Dnepropetrowsk, Ukraine. Der 22-jährige Dmitrij Belkin nimmt drei Taschen und sechs Bücher, setzt sich in einen Bus und fährt ins völlig Ungewisse, nach Deutschland, wie eine Viertelmillion andere Juden aus der Ex-UdSSR auch. Er kommt als Einwanderer in ein Land im Umbruch: Postsowjetischer Blick trifft auf alte und neue Bundesrepublik, in der für ihn und seine Familie eine jüdische Selbstentdeckung möglich wird. Deutsche Zeitgeschichte im Spiegel einer sehr persönlichen und zugleich politischen Erzählung, die ihr Licht auch auf die heutige turbulente Zeit der Einwanderung wirft.

Dmitrij Belkin, geboren 1971 in der Ukraine (damals UdSSR), kam 1993 als "Kontingentflüchtling" nach Deutschland. In Tübingen schloss er sein bereits in der Ukraine begonnenes Studium der Geschichte und Philosophie mit Promotion ab. Nach Stationen am Max-Planck-Institut für Rechtsgeschichte, beim Jüdischen Museum Frankfurt, beim Fritz Bauer Institut und einem Jahr in den USA ist er heute als Referent beim jüdischen Ernst Ludwig Ehrlich-Studienwerk und als Publizist in Berlin tätig, wo er mit seiner Familie lebt.

Vorwort 9

I. Germanija beginnt
Dnepropetrowsk - Krim - Moskau - Kiew - Karlsruhe - Reutlingen 15

II. Das christliche Abendland macht fertig - und jüdisch
Reutlingen - Tübingen 47

III. Deutscher Staatsbürger - was nun?
Tübingen - Moskau - Dnepropetrowsk - Israel - USA - Stuttgart - Leipzig - Frankfurt 75

IV. Wie hart ist es, als Jude in Deutschland zu leben?"
Frankfurt - Berlin - USA 117

V. Deutsches Judentum 2.0
Frankfurt - Berlin 153

VI. Angekommen?
Berlin 167

VII. Brief an einen fortgeschrittenen Einwanderer
Verfasst im angetrunkenen Zustand in einer Bar in Berlin-Mitte 175

VIII. "Denn fremd warst du im Land Ägypten" 179

Statt eines Nachwortes
Mögliche Heimat: Deutsches Judentum zwei 191

»In ›Germanija‹ beschreibt Belkin so angenehm unsentimental wie ironisch, wie er 1993 als Kontingentflüchtling aus der Ukraine nach Deutschland kam und sich einlebte.« Susanne Lenz, Berliner Zeitung, 11.04.2017

»Höchst lesenswertes Buch.«, Deutschlandradio Kultur, 04.11.2016

»Die Geschichte des ukrainischen Geschichtsstudenten Belkin zum jüdischen Deutschen mit Heimatgefühl ist kurzweilig, voller Humor, kleinen Anekdoten, die mehr erzählen als ein Seminar bei Politologen oder Soziologen, und auch voller Ernsthaftigkeit.« Robert Probst, Süddeutsche Zeitung, 06.11.2016

»Witzige Perspektive eines Ex-›Kontingentflüchtlings‹ auf gestern und heute.«, Die Welt, 03.12.2016

»Der Historiker Belkin sieht Ambivalenzen, die die Einheimischen nicht mehr sehen.« Martin Krauss, die tageszeitung, 08.02.2017

»Wer die Umwälzungen der letzten dreißig Jahre in Deutschland und Osteuropa und ihre Auswirkungen bis heute verstehen will, sollte dieses Buch lesen.« Jannis Panagiotidis, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 30.11.2016

»Es ist die Geschichte eines jahrzehntelangen Ankommens, einer Suche nach der eigenen Identität, die auch und vor allem eine geistige Sinnsuche ist.« Nadja Erb, Frankfurter Rundschau, 04.10.2016

»›Germanija‹ ist ein biografisch-politischer Exkurs durch die mannigfaltigen Umbrüche der jüngsten Vergangenheit, der auch hinsichtlich der aktuellen Migrationsbewegungen von Relevanz ist.« Daniel Windheuser, Der Freitag, 22.09.2016

»Belkin, nach eigenem Bekunden nur in einer Grauzone zwischen Zuschreibungen wie jüdisch, deutsch, russisch oder europäisch wirklich zu Hause, rüttelt an dem ›Denken in Schubladen‹.« Robert Kalimullin, Jüdische Allgemeine, 22.09.2016

»Auch [Belkin] musste lernen, sich zu integrieren, ohne sich selbst zu verlieren. Und genau das sei die Message seines Buches.«, Bayerischer Rundfunk / B5, 11.09.2016

»Ein wunderbares Buch.« Almut Engelien, rbb Kulturradio, 27.11.2016

»[Dmitrij Belkin] verbindet den selbstironischen Humor eines Wladimir Kaminer mit dem etwas erweiterten und geschärften Blick des Historiikers und der persönlichen Ehrlichkeit eines Autors, der nahezu alle Probleme eines Einwanderers in sich bündelt.« Almut Engelien, NDR, 09.09.2016

Vorwort

In Gurzuf, auf der Krim, die 1995 nicht mehr UdSSR und noch nicht wirklich Ukraine ist, weht eine wundervolle milde Brise. Das Meer ist dunkel (Schwarzes Meer!), aber selten bedrohlich. Die alten tatarischen Straßen wirken romantisch, sie sind kaputt und geheimnisvoll, die Zypressen und Tannen in den sowjetischen Parks stehen Spalier. Meine Frau Ljuda und ich leben seit knapp zwei Jahren in Deutschland. Wir kamen als jüdische Kontingentflüchtlinge aus der Ukraine, die erst seit vier Jahren als ein unabhängiger Staat existiert. Kontingentflüchtlinge heißen in Deutschland die Flüchtlinge, die kein Asyl- oder anderes Anerkennungsverfahren durchlaufen müssen, sondern fast umgehend eine Aufenthaltserlaubnis erhalten. Zu den zahlenstärksten Gruppierungen von Kontingentflüchtlingen zählten die vietnamesischen "Boatpeople", die in den Achtzigerjahren nach Deutschland kamen, sowie Juden aus den Nachfolgestaaten der Sowjetunion, die dieses Land ab 1991 erreichten. Und natürlich ein Teil der Flüchtlinge aus Syrien, die wir erst seit dem Spätsommer 2015 bemerkten, als es so viele wurden - auch von ihnen wird später noch die Rede sein. Kontingentflüchtlinge werden nach dem so genannten "Königsteiner Schlüssel" auf die einzelnen Bundesländer verteilt. Ljuda und ich sind in der beschaulichen Universitätsstadt Tübingen gelandet. Meine Eltern leben zu dieser Zeit noch in der Ukraine. Wir besuchen sie und verbringen zwei Urlaubswochen auf der Krim.
Die Krim wirkt mit ihrer leicht lethargischen und majestätischen Natur nicht nur wie eine schlafende Schöne - sie ist in dieser Saison zugleich hochgradig kriminell. Geweckt wird die Schöne regelmäßig und unsanft durch Schüsse und Explosionen. Die Sowjetunion ist soeben zerfallen, viele sind an diversen Filetstücken, die angeblich schlecht und zugänglich umherliegen, interessiert. Auch die gewöhnlichen Diebe. Unsere Ferienanlage wird an diesem frühen Nachmittag, der in der Ex-UdSSR nicht existierenden Siesta, bestohlen, wir haben die Räuber, die durch das Gelände zogen, noch von hinten gesehen. In der Mülltonne vor unserem Häuschen finden wir einen Dietrich, mit dem sie die eher symbolischen Schlösser der Nachbarhäuser ohne Probleme aufgemacht haben.
Ein junger, vielleicht 25-jähriger Polizist befragt uns als Zeugen. Am Ende möchte er wissen, wo wir wohnen.
"Tübingen, Deutschland", sagen wir.
Der Mann macht das Protokoll fertig, unterschreibt es selbst und gibt es uns zum Unterschreiben.
"Familie Belkin", lesen wir darin, "wohnhaft in Thüringen, DDR."
Womöglich diente er in den späten Achtzigern irgendwo in der DDR, und vielleicht würde er, schon als reifer Mann, 2014 für die auf eine wenig legale Weise wieder russisch gewordene Krim kämpfen. Die Uhr wurde gewaltsam zurückgedreht, und Menschen landeten wieder in ihrem verschwundenen Land. "Thüringen, DDR" anstatt "Tübingen, Deutschland", "Krim, UdSSR (heute "Russland" genannt)" anstatt "Krim, Ukraine", wie es nach dem Zerfall der Sowjetunion hieß.
Szenenwechsel. Reutlingen, Baden-Württemberg, 1984, also ein Jahr vor der Krimreise, es sind meine ersten Monate in Deutschland. Ich quäle mich in der reichen schwäbischen Provinz und frage jemanden auf der Straße nach dem Weg. Ein etwa fünfzigjähriger Reutlinger erklärt mir die Route. Er kennt sich gut aus.
"Wo kommen Sie her?", fragt mich der Mann anschließend.
"Aus der Ukraine", lautet meine Antwort.
"Dort, wo es gerade einen Krieg gibt", sagt der Mann verständnisvoll und meint doch die serbische Krajina, dieses politische Gebilde, das zwischen 1991 und 1995, während des Kroatienkrieges, existierte. Wir sind mitten im jugoslawischen Bürgerkrieg, und die groben, fußballerisch starken Jungs, mit denen ich in Reutlingen ab und an kicke, kommen direkt von dort. Noch weiß kaum einer in Deutschland, wo genau die Ukraine überhaupt liegt. Tschernobyl assoziieren die meisten mit der untergehenden Sowjetunion, die Klitschko-Brüder werden erst etw

Erscheinungsdatum
Verlagsort Frankfurt
Sprache deutsch
Maße 146 x 222 mm
Gewicht 384 g
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Geschichte / Politik Politik / Gesellschaft
Sozialwissenschaften Politik / Verwaltung Allgemeines / Lexika
Schlagworte Biografien/Erinnerungen • Einwanderung • Einwanderung / Immigration • Germania • Immigration • jewish community • Jewish religion • Judentum • Jüdische Gemeinde • Politik & Gesellschaft • Politik & Gesellschaft • Selbstfindung • Self-discovery • USA
ISBN-10 3-593-50580-0 / 3593505800
ISBN-13 978-3-593-50580-0 / 9783593505800
Zustand Neuware
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