Blind zu den Sternen (eBook)

Mein Weg als Astronom
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2015 | 1. Auflage
184 Seiten
Aquensis Verlag Pressebüro Baden-Baden GmbH
978-3-95457-149-9 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Blind zu den Sternen -  Gerhard Jaworek
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Wie kann ein blinder Mensch eine Liebe zur Astronomie entwickeln, ohne je einen Stern gesehen zu haben? Gerhard Jaworek, Diplom-Informatiker am Karlsruher Institut für Technologie (KIT), gilt medizinisch als vollblind. Trotzdem ist Astronomie seine Leidenschaft. In diesem Buch beschreibt er lebendig und anschaulich, wie sein naturwissenschaftliches Interesse und seine Neugierde schon im Kindesalter geweckt wurden, wie er sich diese Welt mit seiner Blindheit erobern konnte und welche Chancen die Astronomie für gelebte Inklusion bietet. Quintessenz für den Leser ist die Erkenntnis, dass auch Menschen mit Behinderung unmöglich scheinende Ideen verwirklichen können. Behinderten Menschen macht das Buch Mut, ihren Weg, so ungewöhnlich er auch sein mag, mit ihrer Einschränkung zu finden und zu gehen.

Dipl. Informatiker Gerhard Jaworek wurde 1969 als fünftes von sechs Kindern in Schopfheim geboren. Da er zwei Monate zu früh das Licht der Welt erblickte, musste er zunächst in den Brutkasten. Nach dem damaligen Stand der Medizin wurden Frühgeburten mit reinem Sauerstoff versorgt. Nicht selten - so auch bei ihm - führte dies zu einer Augentrübung, die der Grund für seine Blindheit ist. Medizinisch betrachtet galt er immer als zu 100 % erblindet, verfügte aber, bis er Mitte 20 war, über eine Hell-dunkel-Wahrnehmung, die sich dann mit der Zeit verschlechterte und verloren ging. Heute arbeitet er am Karlsruher Institut für Technologie (KIT).

Dipl. Informatiker Gerhard Jaworek wurde 1969 als fünftes von sechs Kindern in Schopfheim geboren. Da er zwei Monate zu früh das Licht der Welt erblickte, musste er zunächst in den Brutkasten. Nach dem damaligen Stand der Medizin wurden Frühgeburten mit reinem Sauerstoff versorgt. Nicht selten – so auch bei ihm – führte dies zu einer Augentrübung, die der Grund für seine Blindheit ist. Medizinisch betrachtet galt er immer als zu 100 % erblindet, verfügte aber, bis er Mitte 20 war, über eine Hell-dunkel-Wahrnehmung, die sich dann mit der Zeit verschlechterte und verloren ging. Heute arbeitet er am Karlsruher Institut für Technologie (KIT).

Vorwort7
Mein Forschergeist wird geweckt13
Astronomische Erlebnisse21
Schulzeit und Studium63
Mein Weg zur Inklusion83
Neue Wege: Astronomie in der Schule117
Wissenschaftler mit vier Sinnen131
Schlusswort136
Danksagung137
Anhänge139

Schulzeit und Studium


Wie im Kapitel „Mein Forschergeist wird geweckt“ schon anklang, fachten die Fragestunden unseres Mathematiklehrers in der Grundschule bereits meine Neugier zu Astronomie und Weltraum an. Auch im Laufe meines späteren Werdegangs wurden in meiner Schulzeit weitere Weichen so gestellt, dass ich zur Astronomie fand. Auch vor dem Hintergrund, dass weiter hinten im Buch Schule, Unterricht, Lernen, Lehre und Inklusion noch eine große Rolle spielen werden, entrolle ich in diesem autobiografischen Kapitel, welchen Einfluss meine Schulzeit auf meinem Weg zur Astronomie hatte.

Zwischen Ganzheitlichkeit und Kontemplation


In meiner Schulzeit habe ich leider viel zu wenig über Astronomie erfahren. Auch für damit verbundene transzendente Fragen, wie diejenige, womit alles begann, wo wir herkommen etc. wurde lediglich im Fach Religion unser Interesse geweckt. Meiner Meinung nach blieb hier eine ganz wertvolle pädagogische Chance ungenutzt. Durch den interdisziplinären Charakter der Astronomie könnte das Interesse vor allem bei Kindern und Jugendlichen für sehr viele Disziplinen geweckt werden. Außerdem kann anhand von Astronomie und den damit verbundenen Themen in hohem Maße ganzheitliches Denken geschult und gefördert werden.

Ein Land, das über Fachkräftemangel in technischen Berufen klagt, sollte vielleicht die Astronomie nicht nur als Wahlthema des gymnasialen Physikunterrichtes in Sekundarstufe II anbieten. Nebenbei bemerkt beginnt Astronomie für mich nicht erst in Sekundarstufe II.

Und ganz unabhängig davon: Wie entspannend und ausgleichend könnte es für unsere medial überreizten Kinder sein, sich einfach im Rahmen einer Freizeit zu Astronomie auf eine Wiese zu legen, um sich den Sternenhimmel anzusehen. Zeigt man diesen Kindern danach noch die Sterne zum Beispiel mittels einer App auf dem Smartphone, fänden sie es sicherlich „echt geil“. Derartige Erfahrungen durfte ich schon mehrfach machen. Langweilig ist es in keinem Falle. „Action“ ist genug geboten. Über viele Sternbilder oder Sterne lassen sich spannende Geschichten erzählen, wie etwa die des Perseus mit dem Medusenkopf. Solche Erzählungen fördern Kontemplation und Aufmerksamkeit. Das ist es, was heute vielen Kindern und Jugendlichen fehlt. Heutzutage spricht man dann von ADHS – was nicht heißen soll, dass ich an der Existenz dieser Verhaltensauffälligkeit zweifle.

Hauptschule


Bis auf wenige Grundlagen und die wunderbaren Fragestunden des Mathematiklehrers habe ich im Unterricht bis zu meinem Hauptschulabschluss so gut wie nichts über Astronomie erfahren. Die Grundlagen waren zunächst sehr dürftig. Wir erfuhren vielleicht mal, wie die Jahreszeiten entstehen und wie die Planeten heißen, mehr aber nicht.

Es ist noch nicht lange her, da führte ich einen kleinen Test hierzu durch. Ich stellte Personen verschiedener Schichten, unterschiedlichen Alters und Bildungsgrades einfach einmal die Frage, wie denn eigentlich unsere Jahreszeiten entstünden. Außer denjenigen, die später sowieso etwas Naturwissenschaftliches studierten, wussten es erstaunlich wenige. Von den blinden Personen so gut wie niemand. Ich finde es sehr bedauerlich, dass so viele Menschen nicht wissen, wie unser Jahreslauf entsteht. Ein gutes Umweltbewusstsein kann sich viel besser entwickeln, wenn ich ungefähr weiß, wie die Umwelt funktioniert. Dann kann ich mir etwas darunter vorstellen und Worte wie Klimaschutz etc. sind nicht nur leere Worthülsen. Zu meiner Schulzeit enthielt man leider gewisse Themen blinden Menschen vor. So wurde beispielsweise das Thema Optik im Hauptschulunterricht ausgespart, weil es mit Licht zu tun hat, das viele von uns sowieso nicht sahen. Glücklicherweise durfte ich im Rahmen meines Studiums das Thema Optik nachholen. Ich war verblüfft, wie einfach und anschaulich diese Materie für mich war, obwohl es um etwas geht, das ich nicht sehen kann.

Ansonsten würde ich den naturwissenschaftlichen Unterricht in Physik und Chemie, den ich genossen habe, als recht gut bezeichnen. Zumindest hatte ich beim Schulwechsel keine Anschlussprobleme.

Mittlere Reife


Ursprünglich war geplant, dass ich 1986 nach meinem Hauptschulabschluss eine Ausbildung zum Programmierer antreten sollte. Damit wäre ich in der Tradition unserer Familie geblieben, in der alle Geschwister möglichst schnell versuchten, nach der Schule Geld zu verdienen. An den Besuch weiterführender Schulen oder gar einer Universität dachte keiner von uns. Es ergab sich aber, dass ich drei Jahre lang auf einen Ausbildungsplatz hätte warten müssen. Um diese Wartezeit zu überbrücken, entschied ich mich, meine Mittlere Reife an der dreijährigen Wirtschaftsschule einer anderen Blindeneinrichtung nachzuholen. Dort stellten sich aber die Weichen derart, dass ich mich mit Haut und Haar der Wissenschaft verschrieb.

Ausschlaggebend hierfür war der naturwissenschaftliche Unterricht in Physik und Chemie, den ich dort besuchte. Er wurde von einer Anthroposophin gegeben, die ich bis heute für die beste Blindenpädagogin in meinem Leben halte. Die Versuche und Experimente durften wir alle selbst durchführen. Der Umgang mit Säuren, Laugen, Bunsenbrenner und Elektrizität war nie ein Tabu, nur weil wir nicht sehen konnten. Die Versuche wurden so adaptiert, dass wir in der Lage waren, selbst zu den gewünschten Ergebnissen zu gelangen. Hierbei halfen oft ganz einfache Tricks, denn es gab noch keine sprechenden Messgeräte.

Bildete sich beispielsweise bei einem chemischen Versuch ein Niederschlag im Filter, wiesen wir ihn nach, indem wir das Substrat in eine alte Blechdose tropfen ließen. So konnten wir die einzelnen Tropfen gut auf dem Blech aufschlagen hören und merkten genau, dass der Filter sich zusetzte, wenn die Tropfgeschwindigkeit abnahm. Bald schon wurde ich davon gepackt und brachte mich aktiv in den Unterricht ein, indem ich Möglichkeiten entwickelte, Versuche für Blinde zugänglicher zu machen. Außerdem durfte ich mich an der Entwicklung einer Tafel beteiligen, mit deren Hilfe es Blinden möglich wurde, chemische Formeln mittels spezieller Formelbausteine zu legen.

Überhaupt war dieser Unterricht weit mehr als nur Physik und Chemie. Er eröffnete uns eine ganzheitliche Sicht auf die Welt. Diese Stunden waren gespickt mit Bezügen zu Philosophie, Religion und auch mit geschichtlichen Hintergründen.

Schlüsselerlebnis


Bald schon merkte diese Lehrerin, dass ich für diese ganzheitliche Weltsicht sehr empfänglich war. Somit durfte ich oft mit ihr naturwissenschaftliche Vorträge in Stuttgart besuchen. Ganz eindrücklich in Erinnerung ist mir ein Vortrag über die Sonne von Rudolf Kippenhahn geblieben. Bis dahin wusste ich zwar, dass in der Sonne Wasserstoff zu Helium verbacken wird und darüber hinaus weitere schwerere Elemente entstehen, aber von Sonnenflecken, der Korona, den magnetischen Stürmen und Flares, wusste ich noch nichts.

Zur Erklärung: Flares sind riesige Explosionen auf der Sonnenoberfläche, bei welchen große Mengen an Teilchen in den Weltraum geschleudert werden können. Erreicht ein solcher Teilchenausbruch die Erde, so entstehen Nordlichter und magnetische Stürme.

Im Anschluss an den Vortrag fand eine Ausstellung statt, auf der unter anderem eine Weltraumkamera und vor allem ein recht großer Meteorit ausgestellt waren, den ich dann – von Prof. Kippenhahn ausdrücklich erwünscht! – anfassen durfte. Von diesem Moment an gab es für mich kein Halten mehr. An diesem Tag – es muss im Jahr 1988 oder 1989 gewesen sein – bin ich in meinem Herzen Astronom geworden.

Visualisierung und Sonifizierung


Einmal entstand durch geschickte Sonneneinstrahlung ein Regenbogenspektrum auf dem Labortisch. Die Lehrerin erklärte uns den Regenbogen so intensiv, dass ich sein Aussehen auch ohne Sehvermögen verstand. Dieses damals entstandene Bild hilft mir bis heute, wenn es darum geht, Spektren von Sternenlicht, Rot- oder Blauverschiebungen oder auch Absorptionslinien zu verstehen. Ich kann mir mit Hilfe dieses Bildes und dieser Abstraktion beispielsweise die Granulen auf der Sonne vorstellen. Hierbei handelt es sich um dunkel umrandete Bereiche auf der Oberfläche von Sternen, die bis zu 1000 km im Durchmesser groß sind und von weitem betrachtet eine körnige Struktur darstellen. Beobachtet man die Sonne im Licht einer bestimmten Wellenlänge, indem man das weitere Spektrum ausfiltert, treten diese Umrandungen Wabenartig hervor.

Es ist nicht wichtig, sich den ganzen Stern vorzustellen. Eine Scheibe mit Wabenstruktur genügt hier völlig. Ein Fußball aus Leder ist eine gute haptische Abstraktion auf die Kugelform. Berücksichtigt man noch, dass die Sonne aufgrund ihrer großen Entfernung von der Erde am Himmel als recht kleine Scheibe erscheint, kann die taktile Vorstellung noch verfeinert werden, indem man sich eher eine Orange mit ihrer rauen, etwas körnigen Oberfläche vorstellt.

Durch intensives Training meiner Vorstellungskraft kann ich mir mittlerweile auch kompliziertere Sachverhalte vorstellen und diese verstehen, wie etwa die Tatsache, dass die Sonnenscheibe durch die Perspektive der Draufsicht auf eine Kugel verzerrt wird. Somit hat bei mir die Astronomie zur Verbesserung meiner grafischen Vorstellungskraft...

Erscheint lt. Verlag 8.9.2015
Verlagsort Baden-Baden
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Biografien / Erfahrungsberichte
Sozialwissenschaften Politik / Verwaltung
Schlagworte Astronomie • Behinderung • Blind • Frühgeburt • Inklusion • Jaworek • KIT • Mut • Sterne • Wissenschaftler
ISBN-10 3-95457-149-8 / 3954571498
ISBN-13 978-3-95457-149-9 / 9783954571499
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