Kalifat des Schreckens (eBook)

IS und die Bedrohung durch den islamistischen Terror
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2015 | 1. Auflage
208 Seiten
Verlagsgruppe Droemer Knaur
978-3-426-43458-1 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Kalifat des Schreckens -  Guido Steinberg
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Wann immer in der Welt islamistische Terroristen ihr Unheil anrichten, ist Guido Steinbergs Einschätzung gefragt. In seinem Buch erklärt der renommierte Terrorexperte die derzeit gefürchtetste islamistische Organisation - IS oder Islamischer Staat. Sie kam scheinbar aus dem Nichts und versetzte innerhalb kürzester Zeit eine ganze Region in Angst und Schrecken. Und mit der Enthauptung von Geiseln vor laufenden Kameras fordert sie den Westen heraus. Doch sind unsere Staaten überhaupt in der Lage, die von IS drohenden Übergriffe und Terroranschläge wirksam abzuwehren?

Guido Steinberg, Jahrgang 1968, ist promovierter Islamwissenschaftler und Mitarbeiter der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) in Berlin. 2001 bis 2005 arbeitete er als Terrorismusreferent im Bundeskanzleramt. Seit 2006 fungiert er als Gutachter in fast allen deutschen Verfahren gegen islamistische Terroristen vor Oberlandesgerichten. Zuletzt erschien von ihm 2014 'Al-Qaidas deutsche Kämpfer. Die Globalisierung des islamistischen Terrorismus'.

Guido Steinberg, Jahrgang 1968, ist promovierter Islamwissenschaftler und Mitarbeiter der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) in Berlin. 2001 bis 2005 arbeitete er als Terrorismusreferent im Bundeskanzleramt. Seit 2006 fungiert er als Gutachter in fast allen deutschen Verfahren gegen islamistische Terroristen vor Oberlandesgerichten. Zuletzt erschien von ihm 2014 "Al-Qaidas deutsche Kämpfer. Die Globalisierung des islamistischen Terrorismus".

Der neue Bin Laden


Abu Musab az-Zarqawi wurde als Ahmad al-Khalaila am 30. Oktober 1966 im jordanischen Zarqa geboren und nannte sich später nach seiner Heimatstadt (Zarqawi = der aus Zarqa kommt). Zarqa liegt ungefähr 25 Kilometer nordöstlich der Hauptstadt Amman, ist mit rund 800000 Einwohnern die drittgrößte Stadt Jordaniens und ebenso wie das direkt angrenzende palästinensische Flüchtlingslager Rusaifa sehr arm; die Arbeitslosigkeit ist hoch, besonders unter Jugendlichen. Bereits in den 1970er Jahren wurden beide Orte zu Zentren des jordanischen Salafismus und ab 1991 zudem des Dschihadismus. Der vielleicht wichtigste Grund war, dass 1991 rund 250000 Palästinenser aus Kuwait nach Jordanien deportiert wurden – rund 160000 von ihnen zogen nach Zarqa. Die Kuwaitis nahmen mit dieser Aktion Rache dafür, dass die Palästinensische Befreiungsorganisation PLO sich im Konflikt mit dem Irak auf die Seite Saddam Husseins gestellt hatte. Die Rückkehrer verschärften nicht nur die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Probleme, sondern sie brachten auch dschihadistisches Gedankengut vom Persischen Golf nach Jordanien.

Der für die Geschichte Zarqawis, der irakischen al-Qaida und des IS wichtigste palästinensische Deportierte war Isam al-Barqawi alias Abu Muhammad al-Maqdisi, der lange der ideologische Mentor Zarqawis war und bis heute der vielleicht wichtigste religiöse Vordenker der dschihadistischen Bewegung ist. Maqdisi wurde 1959 in einem Dorf bei Nablus im palästinensischen Westjordanland geboren, wuchs aber in Kuwait auf und geriet gegen Ende der 1970er Jahre unter den Einfluss militanter Islamisten. Er brach ein naturwissenschaftliches Studium im irakischen Mossul ab und begab sich für zwei Jahre an die Islamische Universität von Medina, wo er sich intensiv mit dem Gedankengut der Wahhabiya befasste – derjenigen Reformbewegung, die weitgehend deckungsgleich mit dem heutigen Salafismus ist und eine der wichtigsten ideologischen Wurzeln des Dschihadismus bildet. Die wahhabitischen Einflüsse finden sich auch in seinem Hauptwerk, dem 1984 erschienenen Buch »Die Gemeinschaft Abrahams« (Millat Ibrahim), in dem er sich auf das angebliche Vorbild des Propheten Abrahams und einen Koranvers (60:4) bezieht, aus dem er das dschihadistische Konzept der »Loyalität (gegenüber dem einzigen Gott) und des Vermeidens von Polytheismus und seiner Anhänger« (arabisch kurz al-wala’ wa-l-bara’) ableitet. Demzufolge ist es die Pflicht des Gläubigen, den Unglauben vieler nomineller Muslime als solchen zu benennen und ihnen gegenüber eine offen feindselige Haltung einzunehmen.[6] Im Kern handelt es sich um eine religiöse Rechtfertigung für die Abgrenzung der Dschihadisten von ihrer Umwelt und für den Kampf gegen die nominell muslimischen Regime in der arabischen Welt. »Die Gemeinschaft Abrahams« hatte besonders großen Erfolg unter den arabischen Kämpfern in Afghanistan und Pakistan, wohin Maqdisi wie so viele saudi-arabische Studenten in den 1980er Jahren reiste und wo er einige Jahre verbrachte. Bis heute gilt das Buch als eines der Standardwerke des Dschihadismus, und es wird in den aktuellen Publikationen von IS immer wieder zitiert.

Der junge Abu Musab lernte Maqdisi im pakistanischen Peschawar kennen, wohin er im Jahr 1989 reiste, um sich am Kampf der Afghanen zu beteiligen. In den vorangegangenen Jahren war Zarqawi in seinem Heimatviertel in Zarqa Mitglied einer Jugendgang gewesen und vor keiner Auseinandersetzung zurückgeschreckt, was ihm den Ruf eines Schlägers einbrachte.[7] Er hatte die Schule abgebrochen, und in einigen Quellen ist von Alkoholmissbrauch und dem Vorwurf sexueller Belästigung die Rede. In einer Nachbarschaftsmoschee zum Salafismus bekehrt, schloss sich Zarqawi den jordanischen Afghanistankämpfern an und reiste nach Pakistan. Dort soll er als Korrespondent für die Zeitschrift Das festgefügte Band (al-Bunyan al-marsus) gearbeitet haben und knüpfte er seine ersten Kontakte zu Dschihadisten aus anderen arabischen Ländern. Wie so viele andere arabische Afghanistankämpfer kam er zwar erst am Hindukusch an, als die sowjetischen Truppen bereits abgezogen waren, doch soll er 1991 an der Einnahme der ostafghanischen Stadt Khost teilgenommen haben und auch bei dem Einmarsch der Aufständischen in Kabul im April 1992 beteiligt gewesen sein.

Nach seiner Rückkehr nach Jordanien 1992/93 begann Zarqawi seine dschihadistische Karriere. Gemeinsam mit Abu Muhammad al-Maqdisi gründete er die Tauhid-(Monotheismus)Gruppe, die später auch als Baiat al-Imam (Gefolgschaft des Imam) bekannt wurde. Sie legten kleine Waffenlager mit Handfeuerwaffen und Handgranaten an, mit denen sie zuerst trainieren und anschließend von Jordanien aus israelische Ziele angreifen wollten. Doch im März 1994 wurden sie, ebenso wie weitere Gruppenmitglieder, von den jordanischen Behörden verhaftet und zu fünfzehn Jahren Gefängnis verurteilt. Erst die folgenden fünf Jahre machten Zarqawi zu einem führenden jordanischen Dschihadisten.

Maqdisi war der erste Emir der Tauhid-Gruppe, aber er interessierte sich mehr für ideologische Fragen und seine Tätigkeit als dschihadistischer Schriftsteller als für alles Praktische. Der eher zur Tat neigende Zarqawi hingegen blieb zwar intellektuell und rhetorisch weit hinter seinem Mentor zurück, doch zeigte er im Gefängnis schnell seine Führungsqualitäten. Seiner Defizite schmerzlich bewusst, durchlief er eine intensive religiöse und ideologische Schulung und lernte den gesamten Koran auswendig. Dass er gefoltert wurde, nährte seinen Hass auf den jordanischen Staat und dessen Vertreter. Wild entschlossen, sich eines Tages zu rächen, profilierte er sich als Vertreter der dschihadistischen Gefangenen gegenüber der Gefängnisverwaltung, sodass Maqdisi ihm im Sommer 1996 die Führung der Gruppe übertrug und sich fortan auf seine Studien beschränkte. Schon Mitte der 1990er Jahre war Zarqawi so zu einer Führungsfigur für Hunderte jordanische Dschihadisten geworden, konnte wegen der gegen ihn verhängten Haftstrafe aber kaum hoffen, den bewaffneten Kampf in naher Zukunft aufnehmen zu können.[8]

Die Gelegenheit ergab sich überraschend, als Zarqawi und viele andere Islamisten im Februar 1999 anlässlich der Thronbesteigung von König Abdallah II. begnadigt wurden. Bereits Anfang 2000 fahndeten die jordanischen Behörden erneut nach ihm, weil sie vermuteten, er sei an der Planung von Anschlägen zum Jahrtausendwechsel in Jordanien beteiligt gewesen, doch zu diesem Zeitpunkt hatte sich Zarqawi bereits nach Pakistan abgesetzt. Dass er von dort überhaupt in das Al-Qaida-Hauptquartier im afghanischen Kandahar gelangte, war einem Zufall geschuldet. Eigentlich hatte der Jordanier wie so viele seiner Landsleute geplant, sich dem bewaffneten Kampf in Tschetschenien anzuschließen, aber bevor er seine Planungen abgeschlossen hatte, lief sein Visum aus, und er musste Pakistan rasch verlassen. Da ihn in Jordanien das Gefängnis erwartete, blieb ihm keine Wahl, als ins Nachbarland zu reisen und bei Bin Laden und Co. um Hilfe zu bitten.[9]

Die Hilfe wurde gewährt, und das kleine Trainingslager in Herat wuchs trotz der bescheidenen Anfänge schnell, denn al-Qaida half auch bei der Anreise jordanischer, palästinensischer und syrischer Kämpfer über den Iran. Unter den Jordaniern und den Palästinensern war Zarqawi seit seiner Zeit im Gefängnis zu (damals noch bescheidener) Prominenz gelangt, und die Nachricht von der Gründung einer Gruppe, die sich selbst »at-Tauhid« nannte – unter den Arabern Afghanistans aber auch als »Armee Groß-Syriens« (Dschund ash-Sham) bekannt wurde – und ein eigenes Trainingslager eröffnet hatte, verbreitete sich schnell. Schon nach kurzer Zeit soll die Zahl der waffenfähigen Bewohner des Camps auf über vierzig gestiegen sein. Ein weiteres Anwachsen der Organisation wurde jedoch durch den Beginn der amerikanischen Intervention in Afghanistan im Oktober 2001 und das schnelle Vorrücken der mit den USA verbündeten Nordallianz verhindert. Zarqawi und seine Gefolgsleute setzten sich zunächst nach Kandahar und anschließend nach Pakistan und Iran ab.

Die iranische Hauptstadt Teheran wurde für wenige Monate der neue Zufluchtsort Zarqawis und seiner Anhänger. Ihre Lage war schwierig, denn die iranische Führung zeigte keine Sympathien für die ungebetenen Gäste, und viele konnten nicht in ihr Heimatland zurückkehren, da dort nach ihnen gefahndet wurde. Der Jordanier versuchte, über Gefolgsleute in Europa neue Pässe zu besorgen, um seine Mitstreiter in Sicherheit zu bringen. Als iranische Sicherheitskräfte einige der Hotels stürmten, in denen Zarqawis Leute untergebracht waren, verhafteten sie 23 Mann – darunter mit Khalid al-Aruri (alias Abu al-Qassam) Zarqawis Stellvertreter – und damit einen Großteil der Mitglieder der jungen Organisation. Zarqawi selbst konnte sich dem Zugriff der Iraner entziehen und floh mit einigen Getreuen kurz darauf in den kurdischen Nordirak.[10]

Irakisch-Kurdistan hatte sich infolge des Kuwaitkrieges 1991 faktisch aus dem irakischen Staatsverband gelöst. Die beiden Kurdenführer Masud Barzani (der später Präsident Irakisch-Kurdistans werden sollte) und Dschalal Talabani (der 2005 bis 2014 als Präsident des Irak amtierte) beherrschten das Gebiet, das nur aufgrund des Schutzes der amerikanischen Luftwaffe – die im Nordirak seit 1992 eine Flugverbotszone für Kampfflugzeuge des Regimes von Saddam Hussein sicherte – eine immer gefährdete Autonomie bewahren konnte. Doch die kurdische Regierung war zerstritten und schwach, sodass es kurdischen Dschihadisten in einer kleinen Enklave in der südlichen Provinz Sulaimaniya gelang, die Macht zu...

Erscheint lt. Verlag 28.1.2015
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Geschichte / Politik Politik / Gesellschaft
Sozialwissenschaften Politik / Verwaltung
Schlagworte Abu Bakr al-Baghdadi • Al-Qaida • Irak • IS • Isis • Islamischer Staat • islamische Terroristen • Islamismus • Salafisten • Syrien • Terror • Terrorexperte • Terrorgefahr
ISBN-10 3-426-43458-X / 342643458X
ISBN-13 978-3-426-43458-1 / 9783426434581
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