Europa von A bis Z (eBook)

Taschenbuch der europäischen Integration
eBook Download: PDF | EPUB
2014 | 13. Auflage
521 Seiten
Nomos Verlag
978-3-8452-5974-1 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Europa von A bis Z -  Werner Weidenfeld,  Wolfgang Wessels
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Europa von A bis Z ist Europa zum Nachschlagen: In über 70 Sachbeiträgen erklären renommierte Europaexperten wissenschaftlich fundiert und zugleich verständlich alle wichtigen Themen und Begriffe aus Politik, Wirtschaft und Geschichte der europäischen Einigung. Es wendet sich an alle Europa-Interessierten, die sich gezielt und zuverlässig über den neuesten Stand in europapolitischen Fragen informieren wollen. Die überarbeitete Neuauflage bietet: einen umfangreichen Lexikonteil zur europäischen Einigung Überblicksdarstellungen zu Arbeit und Funktionsweise der EU-Organe eine historische Einführung und eine Chronologie Hinweise auf Vertragsgrundlagen, weiterführende Literatur sowie auf Informationen im Internet

Europäische Einigung im historischen Überblick


Werner Weidenfeld

Ausgangslage: Motive und Interessen nach dem Zweiten Weltkrieg


Von Beginn an war die europäische Integration die Antwort auf die bis dahin gesammelten historischen Erfahrungen und zugleich Ausdruck interessenorientierter Politik. Diese lässt sich nur dann verstehen, wenn man sich die Lage in Europa nach dem Zweiten Weltkrieg in Erinnerung ruft: Eine geschichtliche Sondersituation, gekennzeichnet durch den Niedergang der europäischen Staaten und ihre unmittelbar danach entstandene Frontstellung zur Sowjetunion. In dieser Lage waren es vor allem fünf Motive, welche die Europäer zum großen Experiment der Integration antrieben:

  • Der Wunsch nach einem neuen Selbstverständnis: Nach den nationalistischen Verirrungen sollte Europa die Möglichkeit neuer Gemeinschaftserfahrung bieten. Ein demokratisch verfasstes Europa als Alternative zur abgelehnten nationalistischen Herrschaft.

  • Der Wunsch nach Sicherheit und Frieden: Die einzelnen Nationalstaaten hatten den Zweiten Weltkrieg nicht zu verhindern vermocht, und man hoffte, dass ein geeintes Europa hierbei erfolgreicher sein und zugleich Schutz vor der Gefahr einer kommunistischen Expansion gewähren werde. Europa sollte eine Friedensgemeinschaft sein.

  • Der Wunsch nach Freiheit und Mobilität: Über etliche Jahre hinweg hatten die Menschen unter kriegsbedingten nationalen Beschränkungen des Personen-, Güter- und Kapitalverkehrs gelitten. Insofern war es nur allzu verständlich, dass man sich nun die ungehinderte, freie Bewegung von Personen, Meinungen, Informationen und Waren wünschte.

  • Die Hoffnung auf wirtschaftlichen Wohlstand: Das vereinigte Europa sollte die Menschen in eine Ära großer wirtschaftlicher Stabilität und Prosperität führen. Ein gemeinsamer Markt sollte den Handel intensivieren und effizientes ökonomisches Verhalten möglich machen.

  • Die Erwartung gemeinsamer Macht: Die europäischen Staaten, die vor 1914 lange Zeit eine international dominierende Rolle gespielt hatten, hatten sich in zwei Weltkriegen zerfleischt. Die neuen Weltmächte USA und UdSSR zeigten Maßstäbe für neue internationale Machtgrößen, die weit über die Einheiten der vergleichsweise kleinen europäischen Nationalstaaten hinausgewachsen waren. Die westeuropäischen Staaten hofften, durch die politische Einigung vieles von der Macht gemeinsam zurückerlangen zu können, die sie einzeln verloren hatten.

Bereits in Winston Churchills Züricher Rede vom 19. September 1946 drückte sich kurz nach dem Krieg die entscheidende Orientierung an einer Vision der „Vereinigten Staaten von Europa“ aus, deren erster Schritt die Bildung eines Europarats sein sollte. Churchill sprach von einer Union aller beitrittswilligen Staaten Europas unter der Führung Frankreichs und Deutschlands. Vor dem Hintergrund des sich verschärfenden Ost-West-Konflikts erhielt die sich 1948 organisierende Europäische Bewegung nachhaltigen Auftrieb. Die Gründung der Organisation für europäische wirtschaftliche Zusammenarbeit (OEEC) im Zusammenhang mit der Durchführung des Marshall-Plans zeigte zudem deutlich, dass die internationale Konstellation ein erhebliches Druckpotenzial enthielt, das den Prozess der europäischen Einigung forcierte: das Gefühl der Bedrohung durch den Kommunismus mit zunehmender Etablierung des Ostblocks, die amerikanische Unterstützung des Projekts der europäischen Einigung in Erwartung weltpolitischer Entlastung und der Öffnung neuer, großer Märkte, der wechselseitige Wunsch der westeuropäischen Staaten, sich gegenseitig zu binden, um neue, gefährliche Alleingänge einzelner Nationalstaaten auszuschalten.

Diese gemeinsame Grundhaltung verhinderte jedoch nicht, dass sich nach der Gründung der Europarats am 5. Mai 1949, die auf dem Europa-Kongress von Den Haag im Mai 1948 unter anderem von Politikern wie Robert Schuman, Alcide de Gasperi, Paul-Henri Spaak und Konrad Adenauer gefordert worden war, unterschiedliche Integrationsansätze herauskristallisierten. Diese folgten zwei Organisationsprinzipien: dem des Staatenbundes und dem des Bundesstaates. Der Gedanke der europäischen Einigung war unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg wie auch in der Folgezeit zu keinem Zeitpunkt mit nur einem politischen Konzept oder einem einzigen Integrationsmodell gekoppelt. Ohne eine starre Fixierung auf ein geschlossenes Europa-Modell konnte der Einigungsprozess je nach gegebener Situation an völlig unterschiedlichen Materien der Politik ansetzen – von dort aus versuchte man, Fortschritte zu erzielen.

Das Ringen um die Einigung Europas ist insofern durch die Jahrzehnte hindurch gekennzeichnet von einem ausgeprägt pragmatischen Grundzug. Integration nicht auf dem Reißbrett, sondern entlang des politisch Notwendigen und Möglichen – dieser Charakter der Integration hat den Nebeneffekt, dass sie dem Laien oftmals als plan- und zielloses Unterfangen erscheint. Die tiefere Logik erschließt sich dabei oftmals nicht, erst das Gesamtbild mag weiterhelfen. Und dieses beginnt Anfang der 1950er Jahre Gestalt anzunehmen.

Gründungsmoment und Entwicklungsgeschichte


Die Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl

Auf Initiative des französischen Außenministers Robert Schuman (Schuman-Plan vom 9. Mai 1950) unterzeichneten die Vertreter der sechs Staaten Belgien, Deutschland, Frankreich, Italien, Luxemburg und der Niederlande am 18. April 1951 den Vertrag über die Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS). Die Grundidee stammte vom französischen Planungskommissar Jean Monnet. Die EGKS (auch Montanunion genannt) sollte für Kohle und Stahl einen gemeinsamen Markt schaffen und damit eine gemeinsame Kontrolle, Planung und Verwertung dieses kriegswichtigen Industriezweigs ermöglichen. Hauptmotive für diesen Vorschlag bildeten die Überlegungen zur Beseitigung der deutsch-französischen Erbfeindschaft und der Wunsch nach Schaffung eines Grundsteins für eine europäische Föderation. Die perzipierte deutsche Bedrohung Frankreichs sollte auf diesem Weg ebenfalls ausgeschlossen werden und zusätzlich eine Mitverfügung Frankreichs über die deutschen Kohlereserven gesichert werden.

Adenauer sprach sich für den Schuman-Plan aus: Zum einen diene dieser der deutsch-französischen Verständigung und zum anderen ermögliche er der noch nicht souveränen Bundesrepublik Deutschland, auf der internationalen Bühne Verhandlungen zu führen. Der Vertrag zur Gründung der EGKS trat am 23. Juli 1952 in Kraft. Laut Vertrag sollte eine Hohe Behörde die Exekutivrechte wahrnehmen. Eine gemeinsame Versammlung besaß die Qualität eines Diskussionsgremiums mit eingeschränkten Kontrollrechten. Die politischen Richtlinien- und Legislativrechte lagen beim so genannten „Besonderen Ministerrat“. Ein elfköpfiger Gerichtshof wachte über die Vertragsauslegung, ein Beratender Ausschuss bestand aus Vertreten der beteiligten Interessengruppen.

Erstmals war damit die supranationale Organisation eines zentralen Politikbereichs in bislang nationalstaatlicher Kompetenz gelungen. Man war dabei nach dem funktionalistischen Integrationstyp vorgegangen. Der Funktionalismus geht davon aus, dass sich durch die Integration einzelner Sektoren ein gewisser sachlogischer Druck zur Übertragung immer weiterer Funktionen ergibt, bis sich schließlich eine umfassende Union erreichen lässt. Die umfassende ökonomische Integration des zentralen Wirtschaftssektors Kohle und Stahl sollte also eine spätere politische Einigung nach sich ziehen. In diese Richtung erfolgten schon bald erste Schritte.

Europäische Verteidigungsgemeinschaft und Europäische Politische Gemeinschaft

Am 27. Mai 1952 unterzeichneten Vertreter der sechs Mitgliedstaaten der EGKS den Vertrag zur Errichtung der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft (EVG). Die Anregung zu diesem Vorhaben ging auf den damaligen französischen Premierminister René Pleven zurück, der eine gemeinsame europäische Armee unter einem europäischen Verteidigungsminister anstrebte. Dieser Ansatz berührte nationale Rechte tief greifend, denn die Streitkräfte zählen bekanntermaßen zu den Bereichen originär nationalstaatlicher Souveränität. Im Vertrag wurde in dieser Frage ein Kompromiss zwischen den Strukturprinzipien der Supranationalität und der Konföderation festgehalten. Organisatorisch war die EVG damit der EGKS vergleichbar.

Als Antwort auf das Gelingen einer Teilintegration der EGKS und der angestrebten EVG erfolgte zugleich das Bemühen um eine allgemeine politische Ergänzung: das konstitutionelle Modell. Am 10. September 1952 beschlossen die sechs Außenminister bei ihrem ersten Treffen als Rat der EGKS, deren erweiterte Versammlung solle als Ad-hoc-Versammlung die Verfassung einer Europäischen Politischen Gemeinschaft (EPG) ausarbeiten. Diese neu zu schaffende Gemeinschaft sollte über Zuständigkeiten im Montanbereich und in Verteidigungsfragen verfügen, sowie „die Koordinierung der Außenpolitik der Mitgliedstaaten (...) sichern”. Die Entwicklung des Gemeinsamen Markts in den Mitgliedstaaten, die Anhebung des Lebensstandards und die Steigerung der Beschäftigung sollten weitere Zielsetzungen der EPG sein. Binnen zwei Jahren sollten die bestehende EGKS und die vorgesehene EVG in die EPG integriert werden.

Der am 10. März 1953 dem Rat vorgelegte Verfassungsentwurf sah in seinen 117 Artikeln ein dichtes Geflecht institutioneller Regeln mit stark supranationalen Akzenten vor. Neben einem Parlament mit zwei Kammern sollten ein Exekutivrat, ein Rat der nationalen Minister, ein Gerichtshof und ein...

Erscheint lt. Verlag 14.11.2014
Verlagsort Baden-Baden
Sprache deutsch
Themenwelt Sozialwissenschaften Politik / Verwaltung Allgemeines / Lexika
Sozialwissenschaften Politik / Verwaltung Europäische / Internationale Politik
ISBN-10 3-8452-5974-4 / 3845259744
ISBN-13 978-3-8452-5974-1 / 9783845259741
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