Wie das Bildungssystem soziale Ungleichheit reproduziert: Die verborgenen Mechanismen von Habitus, Kapital und Meritokratie - Eleni Stefanidou

Wie das Bildungssystem soziale Ungleichheit reproduziert: Die verborgenen Mechanismen von Habitus, Kapital und Meritokratie

Buch | Softcover
44 Seiten
2014
Bachelor + Master Publishing (Verlag)
978-3-95820-087-6 (ISBN)
14,99 inkl. MwSt
Bildung schafft Chancen. Doch Bildungssysteme schaffen Ungleichheit. Dies trifft vor allem für das dreigliedrige Schulsystem Deutschlands zu, was in der Forschung nicht erst seit dem PISA-Schock beklagt wird. Aber wie kommt eine moderne, demokratische Industrienation dazu, ihre eigene globale Konkurrenzfähigkeit zu kompromittieren, indem sie das Begabungspotenzial ganzer Bevölkerungsschichten nicht ausschöpft?
Die Habitus- und Kapitaltheorien des französischen Soziologen Pierre Bourdieu erklären die Reproduktion sozialer Ungleichheit im Bildungssystem durch unbewusst wirkende Mechanismen, die in Zusammenhang mit der Ideologie des Leistungsprinzips soziale Ungleichheit als gerechtes Resultat unterschiedlicher Begabungen und Anstrengungen erscheinen lassen. Durch die Orientierung am Habitus der oberen Schichten reproduziert und legitimiert das Bildungssystem abseits der öffentlichen Wahrnehmung die herrschende Gesellschaftsstruktur und die damit gegebene Chancenungleichheit. Trotz Bildungsexpansion bleibt daher sozialer Aufstieg ohne grundlegende Änderung der Strukturen und Aufklärung über ihre Wirkungsweisen weiterhin eine Ausnahme.

Textprobe:
Kapitel 2.2.1, Ökonomisches Kapital:
Unter ökonomischem Kapital versteht Bourdieu neben Geld alle materiellen Güter, die sich unmittelbar in Geld konvertieren lassen. Daher eignet es sich besonders zur Institutionalisierung in Form des Eigentumsrechts. Ökonomisches Kapital liegt allen anderen Kapitalarten zu Grunde, da diese durch jenes erworben werden können (vgl. ebd.: 185). Deshalb ist es in modernen, kapitalistischen Gesellschaften von besonders großer Bedeutung (vgl. Bohn/Hahn 1999: 264).
2.2.2, Kulturelles Kapital:
Bourdieu führt den Begriff des kulturellen Kapitals ein, um die Ungleichheit schulischer Leistungen von Kindern aus verschiedenen sozialen Klassen erklären zu können, wobei er den Schulerfolg und die Verteilung des kulturellen Kapitals aufeinander bezieht. Damit wendet er sich gegen die allgemeine Vorstellung, dass schulische Erfolge und Misserfolge auf natürliche Fähigkeiten zurückzuführen sind. Diese Annahme liegt auch der Humankapitaltheorie zu Grunde, welche die relative Bedeutung von ökonomischen und kulturellen Investitionen für die verschiedenen Klassen verkennt und nur in Geld messbare oder konvertierbare Investitionen berücksichtigt. Ebenso wird kein Zusammenhang zwischen schulischen Investitions-, Erziehungs- und Reproduktionsstrategien hergestellt (vgl. Bourdieu 1983: 185f.), was dazu führt, dass die am besten verborgene und sozial wirksamste Erziehungsinvestition [...], nämlich die Transmission kulturellen Kapitals in der Familie (ebd.: 186; Hervorhebung im Original) unbeachtet bleibt. Das Bildungssystem heißt diese gut und trägt dadurch zur Reproduktion der Sozialstruktur bei. Schulerfolge hängen somit von der Investition von Zeit und kulturellem Kapital ab, welche die vermeintlich natürliche Begabung beeinflusst (vgl. ebd.). Hierbei unterscheidet Bourdieu drei Formen des kulturellen Kapitals: das inkorporierte, das objektivierte und das institutionalisierte kulturelle Kapital.
2.2.2.1, Inkorporiertes Kulturkapital:
Das inkorporierte kulturelle Kapital, welches dem deutschen Begriff der Bildung entspricht, ist körpergebunden und setzt einen Verinnerlichungsprozess voraus, der vom Träger unter Einsatz von Zeit (Unterrichts- und Lernzeit) persönlich geleistet werden muss, was Entbehrungen mit sich bringen kann. Das Kapitalvolumen kann anhand der Dauer des Bildungserwerbs und der Primärerziehung in der Familie gemessen werden, wobei Letztere sich auch negativ auswirken kann, wenn sie nicht den Erfordernissen des schulischen Markts entspricht (vgl. ebd.: 186f.).
Inkorporiertes Kulturkapital wird zum Habitus, also zum festen Bestandteil des Akteurs und ist daher nicht kurzfristig transferierbar. Die Verinnerlichung kann durch soziale Vererbung auch unbewusst, also ohne geplante Erziehungsmaßnahmen vonstattengehen, weshalb das inkorporierte kulturelle Kapital leicht als bloß symbolisches Kapital aufgefasst wird, das vor allem dort zum Tragen kommt, wo das ökonomische Kapital nicht voll anerkannt ist. Die Tatsache, dass es nicht über die Aufnahmefähigkeit des Trägers hinaus akkumuliert werden kann, bestimmt den Wert des inkorporierten Kulturkapitals, ebenso wie ein möglicher Seltenheitswert, von dem besonders profitiert werden kann. Letzterer entsteht durch die ungleiche Verteilung von ökonomischem und kulturellem Kapital, aufgrund derer nicht alle dieselbe Bildung genießen können (vgl. ebd.: 187f.), so dass es zu den spezifischen Wirkungen von Kapital [kommt], nämlich die Fähigkeit zur Aneignung von Profiten und zur Durchsetzung von Spielregeln, die für das Kapital und seine Reproduktion so günstig wie möglich sind (ebd.: 188). Die Akkumulation kulturellen Kapitals ist besonders wirksam, wenn die dafür verwendete Zeit mit der Zeit der Sozialisation gleichgesetzt werden kann, was allerdings nur auf Familien mit besonders starkem Kulturkapital zutrifft (vgl. ebd.).
Daraus folgt, daß die Übertragung von Kulturkapital zweifellos die am besten ve

Erscheint lt. Verlag 14.8.2014
Reihe/Serie Studienarbeit
Sprache deutsch
Maße 155 x 220 mm
Gewicht 85 g
Themenwelt Sozialwissenschaften Pädagogik Allgemeines / Lexika
Schlagworte Chancengleichheit • Chancenungleichheit
ISBN-10 3-95820-087-7 / 3958200877
ISBN-13 978-3-95820-087-6 / 9783958200876
Zustand Neuware
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