Aggression und Gewalt: Unterschiede bei Mädchen und Jungen? - Christine Töltsch

Aggression und Gewalt: Unterschiede bei Mädchen und Jungen?

Buch | Softcover
120 Seiten
2014
Diplomica Verlag
978-3-8428-8065-8 (ISBN)
44,99 inkl. MwSt
Jugendgewalt ist ein Thema, das in regelmäßigen Abständen medienwirksam in Szene gesetzt wird. Bislang standen meist männliche Gewalttäter im Mittelpunkt der Diskussionen. Neu in der Debatte ist nun, dass Jugendgewalt zunehmend auch als Mädchengewalt thematisiert wird. Parallel zu der Zunahme weiblicher Gewaltkriminalität, wie sie die Kriminalitätsstatistiken nachweisen, mehren sich Schilderungen von Pädagogen und Pädagoginnen aus der Praxis, die sich in ihrer Arbeit vermehrt mit gewalttätigen Mädchen konfrontiert sehen. Sie schilderten verschiedene Fälle aus dem Schulalltag, die das Bild der friedfertigen Frau nachhaltig in Frage stellen. Die Palette an gewaltförmigen Handlungen zog sich von Intrigen und Mobbing über verbale Anfeindungen bis hin zu brutalen körperlichen Schlägereien. Mit ihren Ausführungen strebten die anwesenden Pädagogen vor allem nach Aufklärung eines Ausschnitts mädchenspezifischer Realität, damit Mädchengewalt nicht länger tabuisiert oder ignoriert wird.
Dieses Buch beleuchtet die geschlechtsspezifischen Aspekte der Gewalt und Aggression unter Mädchen und Jungen.

Textprobe:
Kapitel 4, Soziale Determinanten und ihr Einfluss auf die Entwicklung gewaltförmigen Verhaltens:
Die Lebenswelt eines Menschen ist, wie bereits erwähnt, gesellschaftlich durchdrungen. Gesellschaftliche Strukturen beeinflussen seine Gestaltungs- und Interaktionsmöglichkeiten. In diesem Kapitel werden die Bereiche der Familie, der Schule, der Medien und der Gleichaltrigengruppe unter Berücksichtigung ihrer Bedeutung für beide Geschlechter und im Hinblick auf Gewalt näher beleuchtet. Dabei werden die Sozialisationsinstanzen gesondert behandelt, sie müssen jedoch als sich wechselseitig beeinflussend und ineinander verwoben gesehen werden.
4.1, Gewalterfahrung in erster Instanz - die Familie:
Bestimmte Problemkonstellationen können nur bezwungen werden, wenn auch die sozialen Ressourcen maßgeblich zur Bewältigung beitragen. Essenziell ist dabei die Unterstützung durch wichtige Bezugspersonen. Gewalttätiges Verhalten Jugendlicher wird vielfach auf die Einflüsse des Elternhauses zurückgeführt.
Die Dynamik der Familiensituation und das Verhältnis zu Eltern und Erziehungsberechtigten ist auch für Jugendliche immer noch sehr entscheidend. Diese familiären Beziehungen vermitteln im Kern die Erfahrung, im unmittelbaren Umfeld emotional angenommen und akzeptiert oder aber abgelehnt und nicht unterstützt zu werden. Über die Familie können individuelle Problemlagen abgepuffert oder aber auch verstärkt werden. (PFEIFFER, WETZELS, ENZMANN 1999, S. 4)
Als Risikofaktoren gelten dabei vor allem ein wechselhafter, vernachlässigender oder indifferenter Erziehungsstil, autoritäre Eltern-Kind-Beziehungen wie auch machtbetonte Formen sozialer Kontrolle (LÖSEL 1993; OLWEUS 1996).
Im Allgemeinen besteht die Vorstellung, dass unzureichende Unterstützung in der Familie, als Ausdruck mangelnder sozialer Kontrolle und Unverbindlichkeit in den sozialen Beziehungen, die Wahrscheinlichkeit für abweichendes Verhalten erhöht (OLWEUS 1996). Doch ist es gerade bei der Erklärung gewaltbereiten Verhaltens besonders wichtig, dass kausale und korrelative Schlüsse deutlich voneinander getrennt werden.
Eine Vielzahl von Forschern geht davon aus, dass Gewalterfahrungen in der Familie eine nicht zu unterschätzende Rolle bei der Entwicklung gewaltbereiten Verhaltens spielen. STEINMETZ (1977) spricht vom Cycle of Violence und zielt damit auf die Tatsache ab, dass Gewalttäter (hier wird nicht auf das Geschlecht eingegangen) häufig selbst Opfer elterlicher Gewalt gewesen sind (LÖSEL 1993; HURRELMANN 1997). So stellt HEITMEYER (1995) fest, dass Jugendliche, die in ihrer Kindheit Gewalt ausgesetzt waren, in höherem Maße Gewalt befürworteten. Ferner wiesen Jugendliche, die in der Kindheit Opfer von Gewalt waren, deutlich höhere Viktimisierungsraten und eine erhöhte Wahrscheinlichkeit eigener Gewalttätigkeit auf.
Dennoch, nicht alle Kinder, die geschlagen wurden, wenden später selbst Gewalt an. Aber die, die Gewalt anwenden, waren auffällig oft selbst Opfer elterlicher Gewalt in ihrer Kindheit. Dabei hat sich gezeigt, dass sie Gewalt, die unter den Eltern angewandt wurde entweder beobachteten und sich als Kinder nicht dagegen zur Wehr setzen konnten und/oder, dass sie selbst misshandelt wurden. Demnach hat elterliche Gewalt gegen Kinder dann besonders problematische Effekte, wenn sie in eine Familiensituation eingebettet ist, in der die Eltern auch untereinander ihre Konflikte gewaltförmig austragen. Sie geben so den Kindern ein negatives Modell des Umgangs mit Streitigkeiten (WETZELS 1997).
Partnergewalt reduziert die Fähigkeiten von Eltern, einfühlsam und vor allem auch konsistent auf die Bedürfnisse von Kindern einzugehen und diese adäquat zu erziehen. Nach MANSEL und HURRELMANN (1998) spielt die Inkonsistenz elterlichen Erziehungsverhaltens, das heißt dessen Nichtvorhersagbarkeit und Nichtbeeinflussbarkeit, eine wichtige Rolle für die Entstehung von Gewaltbereitschaft auf Seiten der Jugendlichen. Inkonsiste

Erscheint lt. Verlag 15.12.2014
Sprache deutsch
Maße 155 x 220 mm
Gewicht 211 g
Themenwelt Sozialwissenschaften Soziologie Allgemeine Soziologie
Sozialwissenschaften Soziologie Gender Studies
Sozialwissenschaften Soziologie Spezielle Soziologien
Schlagworte Geschlechterrolle / Geschlechterbeziehung • Jugendgewalt
ISBN-10 3-8428-8065-0 / 3842880650
ISBN-13 978-3-8428-8065-8 / 9783842880658
Zustand Neuware
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