Abbau sozialer Bildungsungleichheiten durch die Ganztagsschule? Chancen und Probleme aus bildungssoziologischer Perspektive - Christine Tausch

Abbau sozialer Bildungsungleichheiten durch die Ganztagsschule? Chancen und Probleme aus bildungssoziologischer Perspektive

Buch | Softcover
40 Seiten
2014
Bachelor + Master Publishing (Verlag)
978-3-95820-050-0 (ISBN)
14,99 inkl. MwSt
Die 2006 als Vordiplomsarbeit angefertigte und 2014 als Buch veröffentlichte Studie fragt danach, ob Ganztagsschulen einen Beitrag zur Bewältigung der sozialen Ungleichheit im deutschen Bildungswesen leisten können. Die Arbeit weist zwei Schwerpunkte auf. Der erste Teil fokussiert das Ausmaß und die Ursachen sozialer Bildungsungleichheiten in Deutschland. Dazu werden die bildungssoziologischen Ansätze von Raymond Boudon und Pierre Bourdieu kontrastiert und in der Auseinandersetzung mit dem Forschungsstand familiale Sozialisation und institutionelle Strukturen als wichtige Ursachenkomplexe herausgearbeitet. Der zweite Teil der Studie wendet sich der Ganztagsschule zu. Nach einer kurzen Skizze ihrer Entwicklung und Expansion in Deutschland wird ihr Potential zum Abbau sozialer Bildungsungleichheiten betrachtet. Dafür werden zentrale Charakteristika der Ganztagsschule aus der bildungssoziologischen Perspektive danach befragt, ob von ihnen eine Verringerung sozialer Bildungsungleichheiten zu erwarten ist. Dabei zeigt die Studie, dass die Ganztagsschule durchaus die Bildungschancen sozial benachteiligter Kinder verbessern kann, sie jedoch nicht das Wundermittel ist, als das sie in mancher Diskussion dargestellt wird.

Textprobe:
Kapitel 4, ANNÄHERUNG DER BILDUNGSCHANCEN DURCH DIE GANZTAGSSCHULE?:
4.1, Entwicklung von Ganztagsschulen in Deutschland:
Im 19. Jahrhundert war in Deutschland wie in vielen anderen Staaten eine ganztägige Organisation der Schule üblich, bei der an Vor- und Nachmittag unterrichtet wurde und die Schüler in der Mittagspause zum Mittagessen nach Hause gingen. Dass sich daraus in Deutschland die Halbtagsschule entwickelte, hatte mehrere Ursachen (vgl. Radisch/Klieme 2003: 19-21): Erstens ging es darum, dass die Kinder nachmittags in Landwirtschaft oder Haushalt mithelfen konnten, zweitens entstand Halbtagsunterricht zunächst vielerorts aus Personal- und Raumnot, drittens wurde gerade in der höheren Bildung angesichts umfassender Lerncurricula vor der Überbürdung der Schüler gewarnt, und viertens war es Ziel konservativer Politik, Schule auf Unterricht zu beschränken und Erziehung den Familien vorzubehalten (vgl. Gottschall/Hagemann 2002: 15f.). Zwar gab es in Deutschland trotzdem immer auch ganztägige Schulangebote, die aber nur sehr wenige Schüler erfassten. Die Ganztagsschule war im 20. Jh. jedoch wiederholt als Gegenmodell in der bildungspolitischen Diskussion, zumeist war sie dabei mit reformpädagogischen Konzepten verbunden (vgl. auch Ludwig 2004). Zu einem ersten Aufschwung von Ganztagsschule trugen die Empfehlungen des Deutschen Bildungsrates von 1968/1969 bei, in denen Ganztagsschule vor allem mit dem Ziel, Chancengleichheit herzustellen, begründet wurde (vgl. Radisch/Klieme 2003: 19-26; Kiper 2005: 173f.). Ganztagsschulen waren häufig zugleich als integrierte Gesamtschulen konzipiert. Erst das Investitionsprogramm des Bundes 2002 führte dazu, dass sich die für die Bildungspolitik zuständigen Bundesländer auf breiter Ebene intensiver mit der Thematik auseinandersetzten (vgl. Fees 2005: 125-127) und eine deutliche Ausweitung von Ganztagsschulangeboten festzustellen ist. 2002 gab es in Deutschland an 4.951 Verwaltungseinheiten Ganztagsbetrieb, das entspricht einem Anteil von 16,3 % aller Verwaltungseinheiten. Dabei nahmen 9,8 % aller Schüler an allgemeinbildenden Schulen an Ganztagsangeboten teil. 2004 boten bereits 6.810 Verwaltungseinheiten einen Ganztagsbetrieb an (das sind 23,2 % aller Verwaltungseinheiten), und über eine Millionen Schüler das sind 12,5 % aller Schüler allgemeinbildender Schulen nahmen daran teil (vgl. KMK 2006: 6f; 15). In den ersten beiden Jahren der Laufzeit des Investitionsprogramms wurde die Zahl der an Ganztagsangeboten teilnehmenden Schüler also bereits um 25 % erhöht.
4.2, Was ist Ganztagsschule?:
Auch im bisherigen System der Halbtagsschule werden, gerade in höheren Klassen, aus schulorganisatorischen Gründen Unterrichtsstunden auf den Nachmittag verschoben. Auch zusätzliche Projektangebote (etwa Schulchor, Theatergruppe und anderes.) finden gewöhnlich nachmittags statt. Aus diesem Grund ist die Frage, wie Ganztags- und Halbtagsschule voneinander abgegrenzt werden können, keineswegs überflüssig. Zur Definition von Ganztagsschule gibt es verschiedene Ansätze. Die wichtigsten stammen von der Kultusministerkonferenz (KMK) sowie vom Ganztagsschulverband. Für die KMK ist eine Schule dann Ganztagsschule, wenn erstens an mindestens drei Tagen in der Woche ein Ganztagsangebot von insgesamt mindestens sieben Zeitstunden besteht, zweitens an den Tagen mit Ganztagsbetrieb ein Mittagessen bereitgestellt wird und drittens die nachmittäglichen Angebote in Absprache und unter Verantwortung der Schulleitung durchgeführt werden und in einem konzeptionellen Zusammenhang mit den Vormittagsschulen stehen (zitiert nach Kiper 2005: 175). Die Definition der KMK eröffnet einen großen Spielraum für die konkrete Ausgestaltung und Organisation von Ganztagsschulen. Die KMK unterscheidet dabei die voll gebundene Form, bei der das Ganztagsangebot für alle Schüler verpflichtend ist, die teilweise gebundene Form, bei der sich nur ein Teil der Schüler zur Teilnahme verpf

Reihe/Serie Studienarbeit
Sprache deutsch
Maße 155 x 220 mm
Gewicht 82 g
Themenwelt Sozialwissenschaften Pädagogik Allgemeines / Lexika
Sozialwissenschaften Soziologie
Schlagworte Bildungssoziologie • Ganztagsschule • Soziale Ungleichheit
ISBN-10 3-95820-050-8 / 3958200508
ISBN-13 978-3-95820-050-0 / 9783958200500
Zustand Neuware
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