Die Form des Kindes

Kind, Familie, Gesellschaftsstruktur Mit einem Vorwort von Dirk Baecker

(Autor)

Buch | Hardcover
360 Seiten
2012 | 1., Auflage
Velbrück (Verlag)
978-3-942393-46-1 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Die Form des Kindes - David Klett
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Spätestens seit der Geschichte der Kindheit von Philippe Ariès wird der Verdacht genährt, dass Kindheit und Familie keinen anthropologischen Konstanten folgen. Doch wie kommt es zum Wandel vom mittelalterlichen Familienhaushalt zur modernen Familie? Wie schließen beide das Kind jeweils in sich ein und bieten ihm den Sozialisationskontext, den es für sein weiteres Fortkommen braucht? David Klett greift zur Beantwortung dieser Fragen auf die Gesellschaftstheorie Niklas Luhmanns zurück und zeigt, dass eine 'Entdeckung des Kindes' mit einem radikalen Umbau der Gesellschaft zusammenfällt, der diese Entdeckung erst möglich macht. Die Untersuchung erschöpft sich dabei nicht in historisch-soziologischen Analysen, sondern leistet auch einen längst überfälligen Beitrag zur Systemtheorie der modernen Familie.
Die Form des Kindes ist ein Beitrag zur soziologischen Systemtheorie der Familie. Ausgangspunkt der Untersuchung sind die von Niklas Luhmann vorgeschlagenen Bedingungen familiärer Kommunikation: Die Familie inkludiert als einziges System der Gesellschaft ihre Mitglieder als Vollpersonen. Alles, was diese jenseits der Familie betrifft, sei es als Wähler, als Patient, als Konsument, als Kunstgenießer etc., kann die Familie zu ihrer Angelegenheit machen. Damit setzt sie sich auffallend ab von den Inklusionsbedingungen anderer gesellschaftlicher Bereiche, die in der modernen Gesellschaft immer nur hochselektiv auf ihre Beteiligten zurückgreifen.Hier deutet sich ein Zusammenhang zwischen Inklusionsverhältnissen der Familie und Gesellschaftsstruktur an, der die theoretische Klammer der Untersuchung bildet. Sie geht der Frage nach, wie die Familie (oder deren alteuropäisches Äquivalent, der Familienhaushalt) das Kind, seinen Körper, seine Psyche und seine (im weitesten Sinne) Karriere sozial berücksichtigt. Da alle drei Horizonte durch die gesellschaftlichen Verhältnisse dimensioniert werden, muss die Familie ihrerseits Strukturen aufbauen und erhalten, um mit diesen sich aufschließenden Horizonten ihres Personals zurechtzukommen. Entsprechend sind die Konditionen des Aufwachsens in der stratifizierten Gesellschaft des Mittelalters kaum mit denen der modernen Gesellschaft vergleichbar.Die zentrale These des historischen Teils der Arbeit betrifft die Ausdifferenzierung der Familie als selbstreferentiell geschlossenes System: Zu ihr kommt es erst mit der 'Entdeckung des Kindes', die wiederum im Familiengeschehen ihre entscheidenden Anregungen findet. So ist das Kind Produkt und Ursache der Schließung und Ausdifferenzierung der modernen Familie. Mit der Sensibilität für das Kind und seine drei Horizonte, die erst in der modernen Gesellschaft eröffnet werden, verdichtet sich die familiäre Kommunikation zeitlich, sachlich und sozial so weit, dass es zum 'Takeoff' eines sich rekursiv reproduzierenden Systems kommt. Auf dieser Grundlage sortiert die Familie die Möglichkeiten der Beteiligung an ihr neu. So gewinnt die Unterscheidung von eigenen Kindern und übrigem Personal des Hauses an Gewicht. Das Gesinde wird räumlich abgetrennt - und erhält so die Aussicht, selbst eine Familie gründen zu können. Vorerst nur im Bürgertum schließt sich die Familie immer weiter ein und den Rest der Welt aus. Sie entdeckt als entscheidenden Sozialisationskontext des Kindes - sich selbst. Sie schaltet sich als Zurechnungsadresse vor Gott und Natur, Dämonen und Ammen, Hauslehrer und Schule. Sie exponiert sich als einzig legitimer Ort für alle erdenklichen Ansprüche und Zumutungen ihres Personals. Derlei ist nicht die Folge einer (irgendwie aufkommenden) affektiven Hinwendung zum Kind, wie so oft behauptet wird, sondern deren Voraussetzung.Damit bleibt zu beantworten, wie die Familie diese hochgetriebene interne Resonanzfähigkeit für das Kind organisiert. Bereits in der Kybernetik Heinz von Foersters findet sich der Verdacht, dass Systeme ihren Umweltbezug über Unterscheidungen realisieren. Durch deren rekursive Verwendung erlauben sie, Strukturen auszubilden, die mit diesem Umweltbezug kompatibel sind. Das ist in der Soziologie längst angekommen, nicht nur in Form von binären Codes in der Gesellschaftstheorie Niklas Luhmanns, sondern auch in Studien Andrew Abbotts oder Everett Hughes. Auch Carl Schmitts Differenz von 'Freund und Feind' als Agens des Politischen lässt sich unter Umständen so verstehen. In Anlehnung an den Form-Begriff Spencer Browns wird die These entfaltet, dass die Familie sich über eine Form von 'formierbar/nichtformierbar' strukturell für das Kind resonanzfähig hält. Während die Form im Mittelalter noch 'offen' gehandhabt wurde - das heißt: man musste wissen, wie das Kind je nach Lebensalter formierbar oder nichtformierbar war -, eröffnet die moderne Familie ein reflexives Formiertwerden. Sie sieht sich selbst als Sozialisationskontext d

David Klett arbeitet als Manager für die Stuttgarter Klett-Gruppe und ist Mitglied des Forschungskolloquiums 'formlabor' am Lehrstuhl für Kulturtheorie und -analyse bei Prof. Dr. Dirk Baecker an der Zeppelin University, Friedrichshafen.

1. Einleitung2. Funktion und System der Familie3. Kind, Familienhaushalt und stratifizierte Gesellschaft4. Kind, Familie und Ausdifferenzierung der modernen Gesellschaft5. Inklusion des Kindes und moderne Familie6. Literatur

Erscheint lt. Verlag 21.10.2012
Verlagsort Weilerswist-Metternich
Sprache deutsch
Maße 140 x 220 mm
Gewicht 540 g
Einbandart gebunden
Themenwelt Sozialwissenschaften Soziologie Empirische Sozialforschung
Sozialwissenschaften Soziologie Spezielle Soziologien
Schlagworte Familiensoziologie • Geschichte der Kindheit • Kind • Kindheitsforschung • Soziologie • Systemtheorie
ISBN-10 3-942393-46-8 / 3942393468
ISBN-13 978-3-942393-46-1 / 9783942393461
Zustand Neuware
Informationen gemäß Produktsicherheitsverordnung (GPSR)
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