Inklusion und Exklusion: Analysen zur Sozialstruktur und sozialen Ungleichheit (eBook)
378 Seiten
VS Verlag für Sozialwissenschaften
978-3-531-91988-1 (ISBN)
Dr. Rudolf Stichweh ist Professor für Soziologische Theorie und Allgemeine Soziologie an der Universität Luzern.
Dr. Paul Windolf ist Professor für Soziologie im Fachbereich IV an der Universität Trier mit dem Schwerpunkt Arbeit, Personal, Organisation.
Dr. Rudolf Stichweh ist Professor für Soziologische Theorie und Allgemeine Soziologie an der Universität Luzern. Dr. Paul Windolf ist Professor für Soziologie im Fachbereich IV an der Universität Trier mit dem Schwerpunkt Arbeit, Personal, Organisation.
Inhalt 5
Vorwort und Danksagung 7
1 Einleitung und Theorie 8
Einleitung: Inklusion und soziale Ungleichheit 9
Leitgesichtspunkte einer Soziologie der Inklusion und Exklusion 26
2 Bildung und Kultur 40
Die Auserwählten. Die verborgene Geschichte der Zulassung und Exklusion in Harvard, Yale und Princeton1 41
Wer wird Manager? Soziale Schließung durch Bildungsabschlüsse und Herkunft im internationalen Vergleich 66
Soziale Inklusion und Exklusion: die Rolle von Bildung 80
3 Armut, Marginalisierung und Ausgrenzung 96
Ist die Armutsbevölkerung in Deutschland exkludiert? 97
Beschäftigungsflexibilisierung in Deutschland – Wen betrifft sie und wie hat sie sich auf die Veränderung sozialer Inklusion/ Exklusion in Deutschland ausgewirkt? 117
Erwerbsverläufe in Ostdeutschland – Inklusion und Exklusion seit 1989 133
Räumliche Segregation und innerstädtisches Ghetto 151
4 Historische Analysen 168
Von der Exklusion zur Inklusion – Die Heimatvertriebenen und Flüchtlinge in Westdeutschland zwischen 1944/ 1945 und den sechziger Jahren. Zur empirischen Geltung des Luhmann- Stichweh’schen Theorems 169
Weltwirtschaftskrise und Arbeitslosigkeit 1929-1933 195
5 Geld und Finanzmärkte 212
Geld als universales Inklusionsmedium moderner Gesellschaften 213
Geld und Eigentum – Inkludierende und exkludierende Mechanismen in der Wirtschaft 230
Die Konstruktion des Finanzpublikums: Eine genealogische Analyse 248
6 Netzwerke 262
Das Netzwerk der jüdischen Wirtschaftselite – Deutschland 1914- 1938 263
Globalisierung und Entgrenzung – Die Auflösung der ‚ Deutschland AG‚ 290
7 Arbeitsbeziehungen und Inklusion 309
Mitbestimmung in globalen Finanzmärkten – Inklusion/ Exklusion durch institutionalisierte Mitbestimmung 310
Inklusions- und Exklusionsmechanismen gewerkschaftlicher Mitgliedschaft – Ein europäischer Vergleich 326
8 Zusammenfassung 345
Wo stehen wir in der Soziologie der Inklusion und Exklusion? 346
Autorinnen und Autoren 356
Einleitung: Inklusion und soziale Ungleichheit (S. 11)
Paul Windolf
1. Solidarität und funktionale Differenzierung
Was die Gesellschaft im Innersten zusammenhält, war für Durkheim die soziale Solidarität, die die Individuen aneinander bindet und ihnen reziproke Verpflichtungen auferlegt. In seiner Studie zur Arbeitsteilung konzipiert Durkheim zwei Typen sozialer Solidarität. Diese beschreiben unterschiedliche Formen gesellschaftlicher Integration und zugleich die Art und Weise, wie Individuen in die Gesellschaft „inkludiert“ werden.
In traditionalen Gesellschaften sind es die gemeinsamen Normen und Werte, die die Gleichheit der Institutionen und der Sitten und Gebräuche garantieren. Sie uniformisieren das Verhalten und Bewusstsein der Individuen (Kollektivbewusstsein). Durkheim bezeichnet diese Form der kulturellen Integration als mechanische Solidarität bzw. als „solidarité par similitude“.
In modernen Gesellschaften ist es die Arbeitsteilung, die die Individuen in eine funktionale wechselseitige Abhängigkeit einbindet. Sie sind in die Gesellschaft integriert, weil sie voneinander abhängig sind und deshalb nicht weglaufen können (organische Solidarität). Die Gesellschaftsmitglieder werden autonomer und „individualisieren“ sich, gleichzeitig werden sie voneinander immer abhängiger.
Luhmann ersetzt diese Solidaritäts-Typen durch eine Klassifikation von unterschiedlichen Formen der Differenzierung, die im Prozess der gesellschaftlichen Evolution einander ablösen. Sie unterscheiden sich nicht voneinander hinsichtlich des Grades der Differenzierung, sondern es sind qualitativ unterschiedliche Typen der Differenzierung: „Segmentäre Differenzierung unter dem Gesichtspunkt der Gleichheit gesellschaftlicher Teilsysteme, stratifikatorische Differenzierung unter dem Gesichtspunkt der rangmäßigen Ungleichheit der Teilsysteme, funktionale Differenzierung unter dem Gesichtspunkt sowohl der Ungleichheit als auch der Gleichheit der Teilsysteme. Funktionssysteme sind in ihrer Ungleichheit gleich.“
Luhmann argumentiert weiterhin, dass die Bedingungen, unter denen Personen in gesellschaftliche Systeme inkludiert werden, mit der Form der Differenzierung variieren. Inklusion in eine stratifikatorisch differenzierte Gesellschaft vollzieht sich nach anderen Regeln als Inklusion in eine funktional differenzierte Gesellschaft.
Die Form der Inklusion/Exklusion hängt also davon ab, wie die Gesellschaft strukturiert ist. In Gesellschaften, deren Struktur durch einen Primat funktionaler Differenzierung geprägt ist, kann es keine auf die Gesamtperson bezogene Totalinklusion mehr geben. Die Teilsysteme haben ihre jeweilige Funktion monopolisiert, sie operieren als autonome und nach außen geschlossene Systeme. Dies hat Folgen für die Inklusionsbedingungen: „Man kann nicht Menschen den Funktionssystemen derart zuordnen, daß jeder von ihnen nur einem System angehört, also nur am Recht, aber nicht an der Wirtschaft, nur an der Politik, aber nicht am Erziehungssystem teilnimmt.
Das führt letztlich zu der Konsequenz, daß man nicht mehr behaupten kann, die Gesellschaft bestehe aus Menschen, denn die Menschen lassen sich offensichtlich in keinem Teilsystem der Gesellschaft ... mehr unterbringen.“ Wenn man Durkheims Typologie mit den Differenzierungsformen von Luhmann vergleicht, wird deutlich, dass die organische Solidarität der funktionalen Differenzierung korrespondiert, während die mechanische Solidarität auf ihren strukturellen Aspekt reduziert wird (segmentäre Differenzierung).
Eine Inklusion über Normen und Werte kommt in der Typologie von Luhmann nicht mehr vor. Man kann jedoch zeigen, dass diese Form der Inklusion für einige Teilsysteme bedeutsam ist (z.B. politische Parteien, Gewerkschaften), und wir kommen in Abschnitt 3 darauf zurück. Die Frage, wie Personen in Funktionssysteme inkludiert werden, lässt sich in zwei Teilfragen zerlegen: Erstens, welche Positionen stellt ein Teilsystem zur Verfügung, in die Personen dann inkludiert werden können?
Durch welche Strukturmerkmale lässt sich dieses Positionssystem charakterisieren (z.B.: soziale Ungleichheit)? Zweitens, unter welchen Bedingungen und nach welchen Regeln werden Personen in die jeweiligen Teilsysteme inkludiert (z.B. Chancengleichheit)? Die erste Frage wird in Abschnitt 2, die zweite Frage in den Abschnitten 3 und 4 diskutiert.
Erscheint lt. Verlag | 13.10.2009 |
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Zusatzinfo | 378 S. 9 Abb. |
Verlagsort | Wiesbaden |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Sozialwissenschaften ► Politik / Verwaltung |
Sozialwissenschaften ► Soziologie | |
Schlagworte | Arbeitslosigkeit • Arbeitsmarkt • Bildungssystem • Chancengleichheit • Marginalisierung • Sozialstruktur • Soziologie • Systemtheorie • Ungleichheit |
ISBN-10 | 3-531-91988-1 / 3531919881 |
ISBN-13 | 978-3-531-91988-1 / 9783531919881 |
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