Aggression und Gewalt (eBook)

Ein biologischer, psychologischer und sozialwissenschaftlicher Überblick

(Autor)

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2009 | 1. Auflage
X, 204 Seiten
Spektrum Akademischer Verlag
978-3-8274-2389-4 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Aggression und Gewalt -  Klaus Wahl
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Aggressives Verhalten zeigt sich of schon früh in der Kindheit. Gilt das auch für das In- resse an Aggression? Als Kind sei ich recht friedlich gewesen, wurde mir erzählt. Doch im Archiv meiner Kindheitsprodukte fanden sich Notizbücher voller aggressiver Zeichnungen: Pistolenhelden und Panzerschlachten. Klammheimlich - oder of enbar - hat mich eines meiner späteren wissenschaf lichen T emen schon früh fasziniert. Oder war es nur eine bei Jungen allgemeine Vorliebe für solche Zeichnungen (Freedman 1976)? Viele Jahre danach führte ich mit mehreren Forschungsgruppen empirische Untersuchungen über Aggression und Gewalt durch: zu Gewalt in Familien (Wahl 1989; 1996), Aggressionen von Jugendlichen und jungen Gewalttätern, insbesondere jener, die ihre Taten fremdenfei- lich und rechtsextrem begründeten (Wahl 1995; 2001; 2002; 2003; Wahl et al. 2001). Dabei konzentrierte ich mich darauf, wie sich aus biotischen, psychischen und sozialen Quellen ab der Kindheit Aggressionspotenziale entwickeln. Mein Interesse galt auch den entscheidenden Phasen in der Lebensgeschichte, in denen mit pädagogischen, sozialen oder therapeutischen Mitteln aggressivem Verhalten vorgebeugt werden kann, und der Frage, wie sich präventive Maßnahmen und Interventionen verbessern lassen (Wahl et al. 2005; Wahl 2007a; Wahl u. Hees 2009; Jung u. Wahl 2008). Diese Untersuchungen waren sehr unterschiedlich angelegt: teils große repräsentative Stichproben und Vollerhebungen mit Tausenden von Fällen, teils intensive Studien an kleineren Stichproben, die zusammen Hunderte von Fällen ausma- ten.

Prof. Dr. Klaus Wahl ist Sozialwissenschaftler mit interdisziplinärem Interesse an der Integration psychologischer, natur- und sozialwissenschaftlicher Untersuchungsergebnisse. Er forscht und lehrt insbesondere zu Aggression und Gewalt bei Familien, Kindern und Jugendlichen am Deutschen Jugendinstitut, an der Universität München, der Venice International University in Venedig sowie am Hanse Wissenschaftskolleg in Delmenhorst. Er hat zahlreiche wissenschaftlich und populärwissenschaftlich gestaltete Buchpublikationen (u. a. bei Suhrkamp, Velbrück, Rowohlt, Beltz, Cornelsen, Reinhardt) veröffentlicht.

Prof. Dr. Klaus Wahl ist Sozialwissenschaftler mit interdisziplinärem Interesse an der Integration psychologischer, natur- und sozialwissenschaftlicher Untersuchungsergebnisse. Er forscht und lehrt insbesondere zu Aggression und Gewalt bei Familien, Kindern und Jugendlichen am Deutschen Jugendinstitut, an der Universität München, der Venice International University in Venedig sowie am Hanse Wissenschaftskolleg in Delmenhorst. Er hat zahlreiche wissenschaftlich und populärwissenschaftlich gestaltete Buchpublikationen (u. a. bei Suhrkamp, Velbrück, Rowohlt, Beltz, Cornelsen, Reinhardt) veröffentlicht.

Inhaltsverzeichnis 5
Vorwort 8
1Aggressionsforschung: Klüfte und Brücken 10
2Streit der Fakultäten: Aggression und Gewalt im interdisziplinären Blick 14
Defi nitionen und Kampfbegriff e 15
Aggression als evolutives Erbe 16
Gewalt als gesellschaftlich normierte Aggression 19
Ursachensuche 22
Erkenntnisstrategien 22
Analyseebenen für Aggression und Gewalt – Ein erstes Modell 25
Bio-psycho-soziale Mechanismen 25
3Nimmt Gewalt zu? Frequenzen und Tendenzen 29
Häufi gkeit ausgewählter Aggressionsund Gewaltformen 30
Kindliche Aggressionen 30
Aggression an Schulen und unter Jugendlichen: Von Tätern zu Opfern und zurück 30
Gewaltkriminalität: Täter und Opfer 32
Politisch motivierte Gewalt und 34
Kollektive Gewalt: Gruppenaggression und Kriege 34
Männliche und weibliche Aggression: Qualität und Quantität 35
Historische Wende? Die Entwicklung von Opferzahlen 36
4Bio-psycho-soziale Überlebensmechanismen: In Gefahr und großer Not 39
Alternative Reaktionen: Wo aber Gefahr ist, wächst das Rettende auch 40
Aggressionshemmende Mechanismen 42
Heiße und kalte Aggression: Aff ektive und kalkulierte Aktionen 44
5Sozialdynamik von Aggressionssituationen 48
Vorgeschichte, Krise und Auslöser 49
Katalysatoren, Eskalation und Folgen 50
Oft vergessen: Die Opfer 52
6Aggression im Gehirn : Ströme und Säfte 54
Aggressionsbezogene Strukturen und Prozesse im Gehirn 55
Blicke unter die Schädeldecke: Methoden der Gehirnforschung 58
Allgemeine Gehirnaktivität und Aggression 60
Limbisches System: Von Emotionen zu Aggression 61
Präfrontaler Cortex: Kontrolle der Aggression 63
Neuroaktive Substanzen und ihre Mechanismen 67
Serotonin: Angst und Aggression 67
Dopamin, Noradrenalin, GABA: Treibstoff und Bremse für Aggression 70
Testosteron: Das gefährliche Hormon der Sieger 71
Glucocorticoide: Stress, Erregung und Aggression 72
Hirnstrukturen, neuroaktive Substanzen und Aggression: Komplexe Ergebnisse, off ene Fragen 75
7Aggressionsfördernde Emotionen 77
Emotionen als Aktivierungsmechanismen 78
Frustration, Ärger und Hass 80
Furcht und Angst 82
Trauer, Depression und Autoaggression 84
Macht-, Lustund Selbstwertgefühle 85
Emotionen und Aggression: Ein wechselvolles Verhältnis 87
8Gewaltfördernde Kognitionen 88
Zusammenspiel von Gedanken und Gefühlen 89
Verzerrte Wahrnehmung: Übersteuertes Sozialradar 91
Rationalisierung und Legitimierung von Gewalt 93
Kognitionen und Aggression: Ein doppeltes Spiel 94
9Geerbte Aggression: Gene und Gewalt 96
Gene: Bewegliche Beweger 97
Verhaltensgenetik: Zwillinge und Adoptivkinder 98
Molekulargenetik: Wie Gene Neurotransmitter programmieren 101
10Doppelpässe zwischen Genen und Umwelt 104
Gene und Erziehung 105
Epigenetik: Eine neue wissenschaftliche Baustelle 109
Sex versus Gender: Aggression bei Männern und Frauen 110
Gene, Gehirn, Geschlecht und Gewalt 116
11Keine Kurzgeschichte: Wie sich Aggression bei Kindern und Jugendlichen entwickelt 119
Nur kleine Tyrannen? Episodische und dauerhafte Aggressivität 120
Antisoziale Entwicklungspfade 122
12Eine sehr lange Geschichte: Evolution der Aggression 125
Hobbes oder Rousseau: Wie aggressiv ist der Mensch von Natur? 126
Sex, Status, Ressourcen: Evolutionspsychologie versus Sozialwissenschaften 127
13Gelernte und erlittene Aggression: Familienbande und Gewalt 131
Familien als Beziehungsund Lernorte 132
Schwangerschaft 132
Bindung 133
Eltern-Kind-Beziehung und Familienklima 135
Erziehungsstile: Und bist du nicht willig … 137
Moralerziehung 140
Gewalt und Vernachlässigung in Familien 142
Frühkindliche Belastungen, Gehirnentwicklung und Aggressivität 143
14Öff entliche und heimliche Erzieher: Einübung in Gewalt? 145
Krippe und Kindergarten: Frühe gesellschaftliche Lernorte 146
Schule: Mehr als Unterricht 148
Freunde und Peergroups: With a little help from your friends 150
Medien: Unheimliche Erzieher? 152
Von der Prävention bis zur letzten Ausfahrt vor der Kriminalitätskarriere: Kinderund Jugendhilfe 154
15Wetter, Werte, Wirtschaft: Die üblichen Verdächtigen 156
Natürliches und soziales Klima 157
Sozial-kulturelle Lage und Gewalt 159
Werte, Menschenbilder, Weltbilder 160
Maximen, Ideologien und Persönlichkeit 160
Religion und Gewalt 163
16Exkurs: Kollektive Gewalt und Kriege 165
Frühe Formen und Geschichte kollektiver Gewalt 166
Ursachen, Abläufe, Mechanismen 168
17Ein Modell bio-psycho-sozialer Mechanismen für Aggression 170
Vorliegende Aggressionsmodelle 171
Ein Modell interdisziplinärer Aspekte von Aggression und Gewalt 172
18Prävention: Tschto delat?What works? 174
Literatur 180
Stichwortverzeichnis 201

3.1 Häufigkeit ausgewählter Aggressions- und Gewaltformen (S.22) 

Wenn man der öffentlichen Meinung trauen würde, wäre der Trend klar: Es gibt mehr Gewalttätigkeiten als früher. Doch was zählen die Wissenschaften? Hier schlägt zunächst die oben besprochene Vielfalt an Definitionen von Aggression und Gewalt zu Buche: Wenn man die strafrechtlichen Kategorien von Polizeistatistiken zugrunde legt, wenn man psychologische Klassifikationen für Aggression benutzt, wenn man Täter oder Opfer zu ermitteln sucht, gelangt man zu anderen Ergebnissen. Manche Statistiken, wie die der Polizei, beginnen erst ab einem bestimmten Alter der Gewalt Ausübenden, andere erfassen auch schon kleine Kinder. Nachstehend einige quantitative Bestimmungsversuche zu ausgewählten individuellen und kollektiven Aggressions- und Gewaltformen.

3.1.1 Kindliche Aggressionen

Nach internationalen Forschungsergebnissen weisen je nach Alter und Geschlecht zwischen 2 und 7 % aller Kinder aggressive Störungen auf. Psychische Auffälligkeiten insgesamt, neben Aggressivität insbesondere Ängstlichkeit, Hyperkinetik und Depression, die ebenfalls den Beginn aggressiver Entwicklungen markieren können, finden sich bei etwa 20 % der Kinder (Kuschel 2000; Miller u. Hahlweg 2000). Aktuelle Ergebnisse für Deutschland liefert der von 2003 bis 2006 durchgeführte Kinder- und Jugendgesundheitssurvey (KiGGS), in dem etwa 6 600 Jungen und Mädchen über Gewalterlebnisse als Täter und Opfer berichteten. Haupt- und Gesamtschüler sowie Jugendliche mit Migrationshintergrund taten dies häufiger als andere; sie tolerierten auch eher Gewalt als Gymnasiasten, Realschüler und Nichtmigranten (Schlack u. Hölling 2007). In einer repräsentativen Unterstichprobe dieser Studie bei 2 863 Familien mit Kindern im Alter von sieben bis 17 Jahren zeigten 6 bis 7 % dieser Kinder und Jugendlichen Aggressivität (Ravens-Sieberer et al. 2007).
Dieser Verbreitungsgrad ähnelt dem von der repräsentativen Längsschnittstudie bei mehreren Tausend Kindern, ihren Müttern und Vätern im Kinderpanel des Deutschen Jugendinstituts (DJI) ermittelten. Von der Altersgruppe der elf- bis 13- jährigen Kinder (n = 583) im Jahre 2005 schätzen sich selbst 5,5 % als sehr aggressiv ein. Das ist umgerechnet etwa jedes 18. Kind in diesem Alter oder im Durchschnitt mehr als ein Kind je Schulklasse. Jungen neigen mit 6,0 % signifikant häufiger zu sehr aggressivem Verhalten als Mädchen mit 4,3 %. Wenn man nicht nur diese überdurchschnittlich aggressiven Kinder berücksichtigt, sondern auch die tendenziell aggressiven einschließt, kommt man auf etwa jedes achte Kind, nämlich 15,3 % der Jungen und 11,0 % der Mädchen. Die Eltern schätzen die Aggressivität der Jungen wie auch der Mädchen etwas höher ein (Jung u. Wahl 2008).

3.1.2 Aggression an Schulen und unter Jugendlichen: Von Tätern zu Opfern und zurück

Die Formen der Gewalt an Schulen bewegen sich entlang eines breiten Spektrums – von den häufigen verbalen Attacken und der Beziehungsaggression (andere verpetzen, Intrigen schmieden usw.) über das Schlagen von Mitschülern bis zu äußerst seltenen Schulschießereien (Amokläufen).
Dan Olweus ist seit den 1980er Jahren der Pionier der Forschung über das Bullying (engl. für Tyrannisieren) zwischen Schülern. Mit seinen Untersuchungen in Norwegen regte er international viele ähnliche Studien an. Bullying zielt darauf, einen Schwächeren wiederholt zu schikanieren und ihm Leid zuzufügen. Es reicht vom Schlagen bis zum Gerüchte über jemanden verbreiten. Olweus’ Untersuchungen an 5 035 Schülerinnen und Schülern zwischen 11 und 15 Jahren in der Stadt Bergen 1997 ergaben, dass 2,5 % mindestens einmal in der Woche Täter waren (Jungen 3,6 %, Mädchen 1,3 %), 4 % zwei- bis dreimal im Monat, 27,4 % ein- oder zweimal insgesamt. Zwei Drittel der Schüler waren nie Täter oder Opfer von Bullying (Solberg u. Olweus 2003). Neuere Untersuchungsergebnisse aus Deutschland dokumentieren eine weitere Verbreitung von Bullying: 5 bis 9 % der Schüler und Schülerinnen waren mindestens einmal in der Woche Täter bzw. Bullies, 5 bis 11 % wurden im gleichen Zeitraum zu Opfern (Scheithauer et al. 2007, S. 143).

Erscheint lt. Verlag 30.9.2009
Zusatzinfo X, 204 S.
Verlagsort Heidelberg
Sprache deutsch
Themenwelt Geisteswissenschaften Psychologie Persönlichkeitsstörungen
Geisteswissenschaften Psychologie Sozialpsychologie
Sozialwissenschaften Pädagogik
Schlagworte Aggression • Aggression und Gewalt • Einfluss • Evolution • Familie • Gewalt • Hirnforschung • Jugendliche • Kriminalität • Kriminologie • Pädagogik • Psychologie • Sozialwissenschaft
ISBN-10 3-8274-2389-9 / 3827423899
ISBN-13 978-3-8274-2389-4 / 9783827423894
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