Erfolgskriterien föderaler Transition (eBook)
327 Seiten
VS Verlag für Sozialwissenschaften
978-3-531-91612-5 (ISBN)
Claudia Wasmeier war Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Politikwissenschaft der Universität der Bundeswehr in Neubiberg. Sie ist derzeit in der Hochschulleitung einer privaten Hochschule tätig.
Claudia Wasmeier war Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Politikwissenschaft der Universität der Bundeswehr in Neubiberg. Sie ist derzeit in der Hochschulleitung einer privaten Hochschule tätig.
Inhaltsverzeichnis 5
Abbildungsverzeichnis 10
Tabellenverzeichnis 11
Abkürzungsverzeichnis 12
1 Einleitung 14
2 Einordnung und Grundlagen der Untersuchung 23
3 Das Modell der föderalen Transition 38
4 Ausgangsbedingungen in den untersuchten Staaten 52
5 Spaniens föderale Transition 91
6 Belgiens föderale Transition 155
7 Russlands gescheiterte föderale Transition 205
8 Das Beziehungsgeflecht der wesentlichen Strukturprinzipien 257
9 Fazit 283
Quellen- und Literaturverzeichnis 293
6 Belgiens föderale Transition (S. 161-162)
Die Verfassung Belgiens ist seit 1831 in Kraft und wurde bis zum Jahr 1970 nur zwei Mal geändert.1 Im Gegensatz zu Spanien war in Belgien eine demokratische Transition überflüssig. Während die föderale Transition Spaniens binnen weniger Jahre abgeschlossen war, benötigte diejenige Belgiens mehrere Jahrzehnte, obwohl bereits zwischen 1931 und 1962 neun gescheiterte Gesetzentwürfe eine weitgehende Föderalisierung Belgiens vorgesehen hatten.
Dass sich der Prozess der föderalen Transition trotz dieser Initiativen so lange hinzog, hat drei Gründe: Erstens waren föderale Ideen in Belgien zu dieser Zeit noch wenig populär.3 Zweitens kostete es im konsensdemokratischen Belgien viel Zeit, Lösungen auszuarbeiten, mit denen alle Beteiligten einverstanden waren. Hinzu kommt, dass Verfassungsänderungen in Belgien auch aufgrund der hohen Hürden sehr langwierig sind. Nach dem früher in Artikel 131, heute in Artikel 195 der Belgischen Verfassung festgelegten Verfahren war und ist es zunächst erforderlich, dass das Parlament unter Benennung der jeweiligen Artikel den Beschluss fasst, diese zu verändern. Nach der Veröffentlichung dieser Erklärung werden beide Parlamentskammern aufgelöst und neu gewählt. Das neue Parlament kann die Revision mit einer Zweidrittelmehrheit beschließen.
Drittens kamen die Kompromisse aufgrund der langen Verhandlungsdauer jeweils so spät, dass es zum Zeitpunkt ihrer Umsetzung bereits neue Forderungen gab. Ein gelungener Reformschritt löste so stets einen nächsten aus. Die föderale Transition Belgiens wurde in mehreren Etappen bewerkstelligt. Dabei gab es kein von Beginn an feststehendes Ziel. Die Voraussetzungen für den Prozess wurden mit der im November 1962 beschlossenen endgültigen Festlegung der Sprachgrenzen und der im August 1963 verwirklichten Unterteilung Belgiens in vier Sprachgebiete geschaffen.
Damit wurden die jeweils einsprachigen Gebiete der Niederländischsprachigen, der Französischsprachigen, der Deutschsprachigen sowie das zweisprachige Gebiet Brüssel mit den umliegenden Gemeinden ins Leben gerufen, die allerdings allesamt nicht über eigene substantielle Kompetenzen verfügten. Selbst die Grenzen der Sprachgemeinschaften waren administrativer Art und reglementierten den offiziellen Sprachgebrauch in der jeweiligen Region.
6.1 Stationen der föderalen Transition
Die Abschnitte der föderalen Transition werden durch die Verfassungsänderungen aus den Jahren 1970, 1980, 1988 und 1993 markiert,1 wenn auch der Dezentralisierungsprozess hierdurch nicht beendet wurde, wie etwa eine weitere Verfassungsreform aus dem Jahr 2001 zeigt. Artikel 1 des Verfassungstextes aus dem Jahr 1993 jedoch charakterisiert Belgien als Föderalstaat, sodass an dieser Stelle vorläufig angenommen wird, dass die föderale Transition zu diesem Zeitpunkt abgeschlossen war. Eine detaillierte Prüfung der Kriterien für das Vorliegen föderalen Strukturen erfolgt in Kapitel 6.3.
6.1.1 Schaffung der Gemeinschaften und Regionen
Bis 1970 war Belgien, trotz der 1963 eingeführten Sprachgebiete, ohne Zweifel ein unitarischer Staat.2 Die neun Provinzen, aus denen Belgien bestand, waren, oft in Zusammenarbeit mit dem Zentralstaat, lediglich für unumstrittene Aufgaben, wie etwa Provinzstraßen, Kultur- und Jugendzentren oder Wasserwege, zuständig. Sie waren dabei der Kontrolle des Zentralstaats unterworfen, während das Gesetzgebungsrecht allein auf dessen Ebene lag. Neben der schwachen politischen Stellung der Provinzen verfügten auch die Kommunen nicht über nennenswerten Entscheidungsspielraum.
Sie waren in erster Linie für die Umsetzung der zentralstaatlichen Gesetze verantwortlich und bekamen die hierfür erforderlichen Mittel vom Zentralstaat zugewiesen.3 Allerdings nahmen in den 1960er Jahren die zentrifugalen Tendenzen zu, wie Erfolge derjenigen Parteien zeigen, die mehr oder weniger weitgehende Autonomieforderungen für ihren Teil Belgiens erhoben. Die regionalen Parteien hatten im Jahr 1965 zusammen 15,7%, drei Jahre später bereits 22,4% der Stimmen erreicht und stellten damit 32 bzw. 45 Abgeordnete der Ersten Kammer des Parlaments.4 Die etablierten Parteien waren daher gezwungen, eine Lösung für dieses Problem zu erarbeiten, wenn sie die Stimmenbasis ihrer Parteien sichern wollten.
Erscheint lt. Verlag | 27.7.2009 |
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Zusatzinfo | 327 S. 10 Abb. |
Verlagsort | Wiesbaden |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Sozialwissenschaften ► Politik / Verwaltung ► Politische Systeme |
Sozialwissenschaften ► Politik / Verwaltung ► Staat / Verwaltung | |
Schlagworte | Demokratisierung • Föderalismus • Institutionen • Region • Systemwandel • Transformation • Vergleich |
ISBN-10 | 3-531-91612-2 / 3531916122 |
ISBN-13 | 978-3-531-91612-5 / 9783531916125 |
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