Auf Crashkurs -  Helmut Becker

Auf Crashkurs (eBook)

Automobilindustrie im globalen Verdrängungswettbewerb
eBook Download: PDF
2007 | 1. Auflage
267 Seiten
Springer-Verlag
978-3-540-27690-6 (ISBN)
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Die großen Automobilmärkte der Welt (Triade) befinden sich in der Sättigung, die neuen Wachstumsmärkte Asien und Osteuropa können auf lange Zeit die fehlende Nachfrage nicht ersetzen. Als Folge befindet sich die gesamte Automobilbranche global in einem mörderischen Verdrängungswettbewerb, vorgetragen mit immer neuen Modelloffensiven und aggressiven Rabattschlachten. Die Folge sind sinkende Erträge bei allen Beteiligten, Arbeitsplatzabbau und Produktionsverlagerung in Niedriglohnländer.

Dieses Buch bietet eine beeindruckende Bestandsaufnahme der Weltautomobilindustrie und gibt eine fundierte Prognose über die Zukunftsfähigkeit der elf verbliebenen Volumenhersteller (IWK-Survival-Index). Es beantwortet wegweisende Fragen: Wie entwickelt sich der Weltautomobilmarkt in den nächsten zehn Jahren? Wer überlebt, wer scheidet aus? Wie wirkt die Konzentration auf die Zulieferer, und was müssen diese tun, um selbst zu überleben? Kann Deutschland Automobilstandort bleiben und in welchem Umfang?



Dr. Helmut Becker, Diplom-Volkswirt und Diplom-Kaufmann, leitet seit 1989 das von ihm gegründete Institut für Wirtschaftsanalyse und Kommunikation (IWK), das sich vor allem mit makroökonomischen Analysen und Prognosen zur Vorbereitung strategischer Unternehmensentscheidungen sowie Fragen der Unternehmenskommunikation beschäftigt. Im besonderen Fokus steht dabei die 'old economy', speziell die Unternehmen der Automobilindustrie. Die erforderlichen Kenntnisse erwarb er sich im Laufe seiner langjährigen Berufslaufbahn in Wissenschaft und Industrie, zunächst beim Sachverständigenrat ('5 Weisen') und ab 1974 als Chefvolkswirt der BMW AG. In dieser Zeit hat er zahlreiche Funktionen in der deutschen Wirtschaft (BDI, VDA etc.) wahrgenommen.

Vorwort zur erweiterten und aktualisierten Fassung 5
Vorwort 7
Inhalt 11
Einführung 15
1 Zur aktuellen Lage: Märkte im Umbruch, Branchenoligopol in Turbulenzen 23
1.1 Überblick 23
1.2 Strukturelle Wachstumsschwäche in der Triade 26
1.3 Wettbewerbsverschärfung durch asiatische Hersteller 30
1.4 Wachsende Überkapazitäten, sinkende Kapazitätsauslastung 35
1.5 Atomisierung der Modellpaletten 41
1.6 Wandel im Kaufverhalten der „Automobil-Verbraucher“ 44
1.7 Verschärfter Preis- und Kostenwettbewerb auf allen Stufen 47
1.7.1 Zur Lage der Branche als Ganzes 47
1.7.2 Ertragsdruck im Kerngeschäft, nur nicht bei allen 50
1.8 Verlustrückwälzung auf die Zulieferindustrie 53
1.9 Fazit: Branche unter zunehmendem Ertragsdruck 54
2 Deutsche Automobilindustrie: Kostenstress und Ertragsdruck 57
2.1 Externe Belastungsfaktoren 57
2.1.1 Kosten-Unterschiede im internationalen Vergleich 57
2.1.2 Intensivierung des globalen Standortwettbewerbs 73
2.1.3 Aufholwettbewerb asiatischer OEMs bei Qualität / Performance / Styling 82
2.1.4 „First we take Manhattan, then we take Berlin!“ – Asiatische Marken auf dem Vormarsch 85
2.2 Hausgemachte Belastungsfaktoren 89
2.2.1 Ausufernde Modellpaletten 89
2.2.2 Explodierende Entwicklungskosten, sinkende Deckungsbeiträge 93
2.2.3 Fehlende Modell-Flexibilität und sinkende Kapazitätsauslastung 97
2.2.4 Verdrängungswettbewerb/Überkapazitäten/Margendruck 99
2.2.5 Operative Verluste in den Kern-Segmenten der „produktiven“ Wertschöpfungskette / Managementfehler 101
3 Globale Mega-Trends bis 2015: Verschärfter Ausleseprozess 103
3.1 OECD-Volumenmärkte: In der Sättigung 103
3.2 Wachstums-Champions der Zukunft: BRIC-Staaten 109
3.3 Neuausrichtung der globalen Produktionsstandorte 114
3.4 Markenorientierung der Käuferpräferenzen 121
3.5 Asiatische Wettbewerber im Vormarsch 129
3.6 Konzentration auf allen Stufen: Wertschöpfungskette im Umbruch 136
3.7 Bildung von strategischen Allianzen bei OEMs 143
3.8 Veränderte Rahmenbedingungen der Energie- und Rohstoffversorgung 145
3.9 Fazit: Erhebliche Strukturveränderung in der Weltautomobilindustrie 149
4 Weitere Konzentration bei Automobilherstellern bis 2015 153
4.1 Verdrängungswettbewerb zeigt Wirkung 153
4.2 Bewertung der 12 größten OEMs nach „Survival-Kriterien“ 157
4.2.1 Vorgehensweise bei der Analyse 157
4.2.2 Ermittlung des „IWK-Survival-Index“ 159
4.2.3 Informationsquellen 159
4.2.4 Bewertungsmodell 160
4.3 „IWK-Survival-Index“: Bewertungen in den einzelnen Kategorien 161
4.3.1 Current Economic Situation (CES) 161
4.3.2 Zukunftsfähigkeit 167
4.3.3 Strategie 173
4.4 Gesamtergebnisse des Rankings 174
4.5 Fazit: Wer hat die besten Chancen im Verdrängungswettbewerb? 176
5 Konsequenzen für die Zulieferindustrie 181
5.1 Typologie der Wertschöpfungskette 181
5.2 Konzentration im Hersteller-Oligopol birgt Risiken für die Zulieferer 184
5.2.1 Kostendruck durch OEMs wird noch rigider 184
5.2.2 Verschärfter Wettbewerb durch fortschreitende Konzentration 186
5.2.3 Überforderung mittelständischer Organisationsstrukturen 189
5.2.4 Überforderung der Finanzkraft bei unzureichender Kapitalausstattung 190
5.2.5 Fazit: Sinkende Erträge, steigende Risiken, weitere Konsolidierung 192
5.3 Strategische Erfolgsfaktoren 194
5.3.1 Innovationsstrategie 194
5.3.2 Kostensenkungsstrategie durch Produktivitätssteigerungenoder Verlagerung in Low-Cost-Länder 199
5.3.3 Expansionsstrategie durch Ausweitung der Aktivitäten innerhalb der Wertschöpfungskette 206
5.3.4 Wachstumsstrategie durch Economies of Scale und Kosten-Synergien 208
5.3.5 Nischenstrategie durch Spezialisierung 209
5.3.6 Kooperationsstrategie durch Clusterbildung 211
5.3.7 Standortstrategie “go where the OEMs are” 216
5.3.8 Finanzierungsstrategie zur Sicherstellung des wachsenden Kapitalbedarfs 218
5.3.9 Fazit: Rentables Wachstum ist möglich 221
6 Wie gefährdet ist der Automobilstandort Deutschland? 225
6.1 Bestandsaufnahme 225
6.1.1 Industriestaaten im Sog der Globalisierung 225
6.1.2 Zunehmende Standortattraktivität der NIC’s 229
6.2 Perspektive der Automobilindustrie in Westeuropa und Deutschland 231
6.2.1 Die europäische Dimension 232
6.2.2 Die deutsche Dimension: Standort-Schwergewicht Automobilindustrie 238
6.3 Bestimmungsfaktoren der volkswirtschaftlichen Wettbewerbsfähigkeit 240
6.4 The Job-Machine Automobilindustrie: Zenit überschritten 245
6.4.1 Kurzfristig: Schleichender Abschmelzprozess 245
6.4.2 Langfristig: Reduktion auf das Wesentliche 251
6.5 Zusammenfassung 258
Anhang 261
Abbildungsverzeichnis 267
Tabellenverzeichnis 271
Abkürzungsverzeichnis 273
Literaturverzeichnis 275
Autor 285

6 Wie gefährdet ist der Automobilstandort Deutschland? (S. 211-212)

6.1 Bestandsaufnahme

6.1.1 Industriestaaten im Sog der Globalisierung


Die Dimension wirtschaftlichen Handelns hat sich für Wirtschaft wie für Politik innerhalb weniger Dekaden dramatisch verändert. War das Hauptaugenmerk liberaler Nationalökonomen und Politiker über Jahrhunderte hinweg vor allem darauf gerichtet, die Vorzüge von freiem Welthandel über wechselseitigen Warenaustausch zu beschreiben und ihnen in der Wirtschaftstheorie wie in der internationalen Wirtschaftspolitik über Handelsabkommen (GATT, WTO) zum Durchbruch zu verhelfen, so tritt spätestens seit den 70er Jahren des vergangenen Jahrhunderts die Weltwirtschaft in eine neue Phase der wirtschaftlichen Arbeitsteilung. In den vergangenen zwei Jahrhunderten ging es in der Wirtschaftspolitik fast ausschließlich um die Frage der optimalen internationalen Allokation in der Verteilung von Waren und Gütern, d.h. um den optimalen Güteraustausch und die Freiheit des Welthandels.

Die nationale Ausstattung mit natürlichen Ressourcen sowie mit den Produktionsfaktoren Arbeit und Kapital an den industriellen Produktionsstandorten in der Alten Welt wurde dabei als unverrückbar und fest vorgegeben unterstellt. Nachdem diese Freiheit des Welthandels Ende des 20. Jahrhunderts weitgehend erreicht ist, rückt stattdessen die Frage der optimalen Allokation der Standorte für die Produktion dieser Waren und Dienstleistungen in den Vordergrund. An welchen Standorten lassen sich identische Güter am kostengünstigsten, d.h. mit dem geringsten – in Geld und Wechselkurs bewerteten – Faktoreinsatz herstellen? Diese Freiheit der Wahl des besten internationalen Produktionsstandorts ist der Kern der Globalisierung.

Die bis dahin festgefügte weltwirtschaftliche Arbeitsteilung (Rohstoffe aus der Dritten Welt, Industrieprodukte aus der Ersten Welt) geriet schleichend ins Wanken. Mehr und mehr Entwicklungs- und Schwellenländer klinkten sich über eigene industrielle Fertigungen in die weltwirtschaftli che Arbeitsteilung ein und wurden so unmerklich zu Wettbewerbern der etablierten Industrieländer. Japan machte dabei nach dem 2. Weltkrieg den Vorreiter, die asiatischen Tigerstaaten und – in Grenzen – Lateinamerika folgten nach. Eine neue Qualität gewann der Aufholprozess der Dritten Welt jedoch erst Anfang der 90er Jahre mit dem Zusammenbruch des Sozialismus in Mittel- und Osteuropa sowie mit der schrittweisen Einführung marktwirtschaftlicher Wirtschaftsprinzipien in China und Indien. Inzwischen leben über 90% der Menschheit unter marktwirtschaftlichen Prinzipien.

Damit begann ein neues Kapitel der internationalen Wirtschaftsordnung, nämlich das der Globalisierung. Der Prozess der Errichtung von Produktionsstätten in Niedriglohnländern, von Lateinamerika bis Asien, ist also im Prinzip kein neues Phänomen, sondern läuft bereits seit vielen Jahrzehnten ab. In den etablierten Industrieländern der Alten Welt wurde diese Entwicklung von der Öffentlichkeit, geschweige denn von der hoch technisierten Automobilindustrie mit ihrem technologischen und organisatorischen Spezial-Know-how, indessen kaum zur Kenntnis genommen.

Zumindest wurde sie nicht als Bedrohung der eigenen Wettbewerbsposition betrachtet, sondern eher als sozialere Form des früheren Kolonialismus: Bau von Fabriken in der Dritten Welt und damit Schaffung von Beschäftigung, Einkommen, steigendem Lebensstandard und Erhöhung der Importfähigkeit für teure Güter der Alten Welt dort, Steigerung des Realeinkommens durch Versorgung mit billigen Importgütern ohne Erbringung von Mehrleistung oder Hinnahme von Beschäftigungseinbußen hier. Über viele Jahrzehnte begünstigten die Terms of Trade eindeutig die hoch entwickelten Industrieländer, da die Entwicklungs- und Schwellenländer nicht in der Lage waren, selber hochwertige Industriegüter für den Eigenbedarf zu produzieren, geschweige denn als Wettbewerber der etablierten Industrieländer auf dem Weltmarkt aufzutreten.

Erscheint lt. Verlag 3.2.2007
Sprache deutsch
Themenwelt Sozialwissenschaften Politik / Verwaltung
Wirtschaft Betriebswirtschaft / Management Unternehmensführung / Management
ISBN-10 3-540-27690-4 / 3540276904
ISBN-13 978-3-540-27690-6 / 9783540276906
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