Vor dem Anfang (eBook)

Eine Geschichte des Universums

(Autor)

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2015 | 1. Auflage
352 Seiten
S. Fischer Verlag GmbH
978-3-10-560850-0 (ISBN)

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Vor dem Anfang -  Martin Rees
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Gibt es neben unserem noch andere Universen? Wie und wann sind sie entstanden? Welche physikalischen Gesetze herrschen dort? - Die Grundfragen der Kosmologie, beantwortet von Martin Rees, einem der renommiertesten Astronomen der Welt. (Dieser Text bezieht sich auf eine frühere Ausgabe.)

Sir Martin Rees, geboren 1942, britischer »Astronomer Royal« und emeritierter Professor für Astronomie in Cambridge, ist einer der führenden Wissenschaftler auf dem Gebiet der kosmischen Evolution, der Schwarzen Löcher und Galaxien. Er ist Mitglied zahlreicher britischer und internationaler Akademien.Literaturpreise:Bower Award and Prize in Science des Franklin Institute

Sir Martin Rees, geboren 1942, britischer »Astronomer Royal« und emeritierter Professor für Astronomie in Cambridge, ist einer der führenden Wissenschaftler auf dem Gebiet der kosmischen Evolution, der Schwarzen Löcher und Galaxien. Er ist Mitglied zahlreicher britischer und internationaler Akademien. Literaturpreise: Bower Award and Prize in Science des Franklin Institute

Der aussichtslose Kampf für die Steady-State-Theorie


Selbst wenn sich unser Universum weiterentwickelt, sind die Veränderungen so langsam, daß sie sich nur im Lauf von Jahrmilliarden zeigen. Um eine Entwicklungstendenz aufzuspüren (oder um zu sehen, ob das Universum wirklich immer gleichbleibt), muß man Galaxien untersuchen, die so weit entfernt sind, daß ihr Licht sich vor mehreren Milliarden Jahren auf den Weg zu uns machte. Solche Bemühungen begannen schon in den fünfziger Jahren mit Hilfe des Teleskops auf dem Mount Palomar in Kalifornien, das mit seinem 5-Meter-Spiegel das damals bei weitem größte der Erde war. Die Ergebnisse waren nicht eindeutig. Die Leuchtkraft normaler Galaxien mit hinreichend großer Rotverschiebung reicht nicht aus, selbst wenn sie mit einem so mächtigen Gerät wie dem 5-Meter-Spiegel auf photographischen Platten sichtbar gemacht werden soll.

Die besten optischen Teleskope standen in den fünfziger Jahren in den USA, insbesondere in Kalifornien. Diese Verlagerung des Schwergewichts der astronomischen Forschung von Europa nach Amerika hatte sowohl klimatische als auch finanzielle Gründe: Es machte einfach wenig Sinn, riesige Teleskope in Tiefebenen zu bauen, besonders nicht in Gegenden mit englischen Klimaverhältnissen. Der (nach Hubbles Entdeckung der kosmischen Expansion) nächste Durchbruch in der beobachtenden Kosmologie aber kam durch ein ganz anderes Verfahren – die Radioastronomie. Radiowellen aus dem Raum können Wolken durchdringen, deshalb hatte Europa in diesem neuen Forschungsbereich keine klimatisch bedingten Nachteile.

Schon Anfang der fünfziger Jahre, als die Verfahren noch primitiv waren, hatten Radioastronomen in England und Australien bei bestimmten Ausrichtungen ihrer Antennen ein besonders starkes »Rauschen« bemerkt. Einige dieser kosmischen Radioquellen ließen sich leicht identifizieren. So war beispielsweise das Zentrum des Milchstraßensystems eine starke Strahlungsquelle und auch der Krebsnebel, der in Kapitel 1 beschrieben wurde.

Die Deutschen Walter Baade und Rudolf Minkowski, die in Kalifornien arbeiteten, wiesen 1954 nach, daß die zweitstärkste himmlische Radioquelle eine ungewöhnlich ferne Galaxie ist. Während ihr sichtbares Licht zu schwach war, um beobachtbar zu sein, war ihre Radiostrahlung so stark, daß Radioteleskope sie selbst dann hätten bemerken können, wenn sie um ein Mehrfaches weiter entfernt gewesen wäre. Die Entdeckung von Baade und Minkowski bedeutete, daß die neuen Verfahren der Radioastronomie eine Untersuchung des frühen Universums ermöglichten: Radioteleskope konnten die Strahlung einiger ungewöhnlich »aktiver« Galaxien empfangen (man vermutet heute in ihrer Mitte massereiche Schwarze Löcher – siehe Kapitel 5), die wegen ihrer großen Entfernung nicht mit optischen Instrumenten beobachtet werden konnten.

Radioteleskope können erstaunlich schwache Signale empfangen. Der Pionier der Radioastronomen, Martin Ryle, veranschaulichte das auf besonders eindrückliche Weise. Als sein Observatorium vor den Toren von Cambridge einen »Tag der offenen Tür« durchführte, bat er die Besucher, ein winziges Blatt von einem Stapel Papier zu nehmen. Darauf stand: »Indem Sie dies hochgenommen haben, haben Sie mehr Energie aufgewandt, als alle Radioteleskope der Welt empfangen haben, seit sie gebaut wurden.«

In der Anfangszeit der Radioastronomie war es schwierig, die Richtungen zu bestimmen, aus der kosmische »Radiogeräusche« kamen. Ryle erfand ein Verfahren, das diese Schwierigkeit behob und das erlaubte, den Nordhimmel zu durchmustern und mehrere hundert Quellen zu lokalisieren. Mit Hilfe dieser Daten schloß er in geradezu genialer Weise, daß unser Universum sich verändert, also nicht immer gleichbleibt.

Ryle kannte die Entfernungen seiner Radioquellen nicht (die meisten hatten keine sichtbare Entsprechung, deshalb konnten die optischen Astronomen ihre Rotverschiebungen nicht messen), aber er nahm an, daß die schwächeren Quellen im Mittel weiter entfernt waren als jene, die stärkere Signale lieferten. Er zählte, wie viele Quellen jeweils eine bestimmte scheinbare Radiohelligkeit hatten, und fand im Verhältnis zur Anzahl stärkerer und näherer Quellen überraschend viele schwache Quellen, die also vorwiegend sehr weit entfernt waren. Wir sind, so schien es, in der Mitte einer riesigen Kugel, die einen Radius von mehreren Milliarden Lichtjahren hat und auf der die Radioquellen in der Nähe der Kugeloberfläche viel stärker konzentriert sind als in der Mitte. Das schien mit einem Steady-State-Universum unvereinbar zu sein, in dem die Radioquellen laut Definition zu allen Zeiten und deshalb in allen Entfernungen ähnlich häufig sein müssen. Wohl aber vertrug sich das Ergebnis mit einem sich fortentwickelnden Universum. Ryle vermutete, daß die rätselhaften Ausbrüche, bei denen starke Radiostrahlung ausgesandt wird, sich eher in jungen Galaxien abgespielt haben, also vor mehreren Milliarden Jahren. Die älteren (und näheren) Galaxien, die sich schon »beruhigt« haben, sollten kaum noch als Radioquellen nachzuweisen sein.

Als Ryles Überlegungen in den fünfziger Jahren bekannt wurden, lösten sie eine lautstarke (und oft unsachliche) Auseinandersetzung aus, die sich über mehrere Jahre hinzog. Als ich Anfang der sechziger Jahre auf sie aufmerksam wurde, fand ich Ryles Beweisführung genial und zwingend, und die fortdauernde Opposition der Vertreter der Steady-State-Theorie überraschte mich. Erst später erfuhr ich von der Vorgeschichte, daß nämlich Ryle Anfang der fünfziger Jahre mit ähnlicher Hartnäckigkeit Behauptungen vertreten hatte, die nicht gut begründet gewesen waren.

So hatte Ryle beispielsweise Radioquellen, als sie zum erstenmal entdeckt wurden, für »Radiosterne« in unserer eigenen Galaxis gehalten. Sie waren anscheinend nicht in der Ebene der Milchstraße konzentriert, aber das hätte bedeuten können, daß sie (nach astronomischen Maßstäben) sehr nahe waren: Denn gerade wenn die aufspürbaren Quellen alle näher sind als die Dicke der galaktischen Scheibe, also nur wenige 100 Lichtjahre entfernt, sollten sie gleichförmig über den Himmel verteilt sein. Gold und andere behaupteten, die Quellen seien nicht in der Ebene des Milchstraßensystems konzentriert, weil sie nichts mit ihm zu tun hätten und viel weiter entfernt seien. Ryle widersetzte sich diesem Vorschlag anfangs leidenschaftlich (später jedoch spielte gerade die gewaltige Entfernung dieser Objekte für seine kosmologischen Überlegungen eine entscheidende Rolle).

Ein weiterer Grund zum Zweifeln war, daß sich Ryles erste Radiodurchmusterungen als fehlerhaft erwiesen hatten – sie ergaben eine so verschwommene Karte des Radiohimmels, daß zwei oder mehr verschiedene Quellen oft als eine gezählt wurden. Als Ryle jedoch 1958 seine Begründung für ein sich entwickelndes Universum der Royal Society vortrug, waren die gröbsten Fehler behoben und seine Daten zuverlässig; im wesentlichen wurde im Lauf der Zeit alles, was er in diesem Vortrag sagte, bestätigt.

Die Steady-State-Theorie stellte einige liebgewordene Überzeugungen in Frage und machte Vorhersagen, welche die Beobachter anspornte, sie zu widerlegen. Die Urheber der Theorie, ein einfallsreiches Triumvirat, das mit seiner Meinung nicht zurückhielt und sich gern auf Auseinandersetzungen einließ, leisteten gute Öffentlichkeitsarbeit. Insbesondere Hoyle war jemand, der die wissenschaftlichen Erkenntnisse geradezu glänzend einer weiten Öffentlichkeit nahezubringen verstand; viele jüngere Kosmologen (zu denen auch ich gehöre) verdanken seinen Büchern und Radiosendungen den ursprünglichen Ansporn, sich mit Astronomie zu beschäftigen. Die Konfrontation zwischen den Vertretern eines immer gleichbleibenden und eines sich fortentwickelnden Universums traf deshalb jedenfalls in England auf großes Interesse in der Öffentlichkeit. Auf dem europäischen Festland und in den USA dagegen fand die Theorie von Bondi, Gold und Hoyle wenig Verbreitung und wurde nicht sehr ernst genommen. Gerade die Radioastronomen in England und Australien (von denen einige ihr Können bei der Arbeit mit Radarsystemen im Zweiten Weltkrieg erworben hatten) waren zur Durchführung der entscheidenden Durchmusterungen der Radioquellen am besten ausgerüstet.

Ryle wollte mit seinen Radiodurchmusterungen Einfluß auf die Kosmologie gewinnen, und dazu mußte die Theorie des immer gleichbleibenden Universums widerlegt werden. Er steckte deshalb jahrelang viel Mühe in die Planung und den Bau neuer Instrumente und auch in die Sammlung und Verarbeitung der Daten. Heutzutage kann kein einzelner Mensch alle notwendigen Verfahren beherrschen; Ryle war ein Musterbeispiel für die Pioniere der Radioastronomie, die ihre neuartige Ausrüstung selbst erfanden und auch selbst Schlüsse aus den Daten zogen. Niemand könnte je ein so ehrgeiziges Projekt durchführen, wenn er nicht (vielleicht übertrieben viel) Vertrauen in dessen mögliche Bedeutung oder Aussagekraft hätte. Anspruchsvolle und langwierige Forschungsprogramme werden gewöhnlich gerade von solchen Persönlichkeiten vorangetrieben.

Obwohl Ryle schon 1958 die besseren Argumente hatte (jedenfalls scheint es in der Rückschau so zu sein), zog sich die Auseinandersetzung noch über mehrere Jahre hin. Die Radioquellen blieben ein Rätsel. Man hielt sie für eine Art Galaxie, aber nur wenige relativ nahe »Radiogalaxien« waren tatsächlich von optischen Astronomen beobachtet worden. Ryle hatte behauptet, die anderen Quellen seien ihnen ähnlich, lägen aber jenseits der Reichweite optischer Teleskope. Es gab keine Hinweise (etwa aus Messungen der Rotverschiebung...

Erscheint lt. Verlag 15.12.2015
Übersetzer Anita Ehlers
Verlagsort Frankfurt am Main
Sprache deutsch
Themenwelt Schulbuch / Wörterbuch Lexikon / Chroniken
Technik
Schlagworte Antimaterie • Expansion • Fluktuation • Fred Hoyle • Galaxie • Galaxis • Helium • Isaac Newton • lambda • Lee Smolin • Materie • Neutronenstern • Planet • pulsar • Quasar • Robert Dicke • Röntgenstrahlung • Sachbuch • Schwarzes Loch • Schwerkraft • Stephen Hawking • String • Universum • Urknall • Weltall
ISBN-10 3-10-560850-8 / 3105608508
ISBN-13 978-3-10-560850-0 / 9783105608500
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