Schriften zur Psychoanalyse (eBook)

Auswahl in zwei Bänden - Band I

(Autor)

Michael Balint (Herausgeber)

eBook Download: EPUB
2015 | 1. Auflage
358 Seiten
S. Fischer Verlag GmbH
978-3-10-560355-0 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Schriften zur Psychoanalyse -  Sándor Ferenczi
Systemvoraussetzungen
14,99 inkl. MwSt
  • Download sofort lieferbar
  • Zahlungsarten anzeigen
Band I der ?Auswahl in zwei Bänden? enthält die wichtigsten zwischen 1908 und 1919 entstandenen Arbeiten Sándor Ferenczis. Dazu gehören seine großen Studien über Introjektion, Übertragung und Entwicklung des Wirklichkeitssinnes, die seinen Ruhm begründeten, sowie bahnbrechende Untersuchungen zu Homosexualität, Paranoia und Symbolbildung. Ferner sind Ferenczis Erkenntnisse nichtsprachlicher Ausdrucksweisen und seine Forschungen auf den Gebieten der Pädagogik und der Kriminologie für Diskussionen um Körperlichkeit, aufgeklärte Erziehungsmethoden und Humanisierung des Strafvollzugs von besonderem Interesse. (Dieser Text bezieht sich auf eine frühere Ausgabe.)

Sándor Ferenczi, 1873 in Ungarn geboren, Arzt und Psychoanalytiker, hatte Sigmund Freud 1908 kennengelernt und schnell Freundschaft mit ihm geschlossen. Seine technischen Experimente (»aktive Therapie«, »mutuelle Analyse«), die ihn Freud entfremdeten, wurden später von anderen Psychotherapeuten aufgegriffen und vor allem für die Therapie sogenannter früher Störungen genutzt. Ferenczi starb 1933.

Sándor Ferenczi, 1873 in Ungarn geboren, Arzt und Psychoanalytiker, hatte Sigmund Freud 1908 kennengelernt und schnell Freundschaft mit ihm geschlossen. Seine technischen Experimente (»aktive Therapie«, »mutuelle Analyse«), die ihn Freud entfremdeten, wurden später von anderen Psychotherapeuten aufgegriffen und vor allem für die Therapie sogenannter früher Störungen genutzt. Ferenczi starb 1933. Michael Balint (1896–1970), Dr. med., Dr. phil., begann seine psychoanalytische Ausbildung in den frühen zwanziger Jahren in Berlin. Im Stab der Ersten Medizinischen Universitätsklinik praktizierte er erstmals eine Art psychosomatischer Klinik. Sein Interesse an der Anwendung psychoanalytischer Funde auf die Probleme der praktischen Medizin hielt lebenslang an. Als Schüler Sándor Ferenczis setzte er seine psychoanalytischen Studien in Ungarn fort. Er war maßgebend am Aufbau der Budapester Psychoanalytischen Klinik beteiligt, die er von 1935 bis 1939 leitete. 1939 emigrierte er nach England und führte dort seine analytische Tätigkeit weiter. Dabei leistete er umfangreiche Forschungsarbeiten für die Schulung von Sozialarbeitern und praktischen Ärzten, u. a. in dem nach ihm benannten Modell der Balint-Gruppen. Er galt als bedeutender Lehranalytiker des British Institute of Psychoanalysis. Von 1968 bis zu seinem Tode war er Vorsitzender der British Psychoanalytic Society. Michael Balint (1896–1970), Dr. med., Dr. phil., begann seine psychoanalytische Ausbildung in den frühen zwanziger Jahren in Berlin. Im Stab der Ersten Medizinischen Universitätsklinik praktizierte er erstmals eine Art psychosomatischer Klinik. Sein Interesse an der Anwendung psychoanalytischer Funde auf die Probleme der praktischen Medizin hielt lebenslang an. Als Schüler Sándor Ferenczis setzte er seine psychoanalytischen Studien in Ungarn fort. Er war maßgebend am Aufbau der Budapester Psychoanalytischen Klinik beteiligt, die er von 1935 bis 1939 leitete. 1939 emigrierte er nach England und führte dort seine analytische Tätigkeit weiter. Dabei leistete er umfangreiche Forschungsarbeiten für die Schulung von Sozialarbeitern und praktischen Ärzten, u. a. in dem nach ihm benannten Modell der Balint-Gruppen. Er galt als bedeutender Lehranalytiker des British Institute of Psychoanalysis. Von 1968 bis zu seinem Tode war er Vorsitzender der British Psychoanalytic Society.

I


Unter den Pionieren der Psychoanalyse ist Ferenczi zweifellos einer der rätselhaftesten Charaktere; so mag eine kurze, seine Persönlichkeit und seine Stellung innerhalb der psychoanalytischen Bewegung beleuchtende Einleitung willkommen sein.

 

Im Jahre 1914 bemerkte Freud in seiner ›Geschichte der psychoanalytischen Bewegung‹: »Das Österreich so nahe verbundene, ihm wissenschaftlich so entfremdete Ungarn hat der Psychoanalyse bisher nur einen Mitarbeiter geschenkt, Ferenczi, aber einen solchen, der wohl einen Verein aufwiegt.«[2] In seinem Nachruf 1933 schrieb Freud, Ferenczi habe Beiträge geleistet, »die alle Analytiker zu seinen Schülern gemacht haben«[3]. Dies ist die eine Seite eines komplexen Bildes, zu dem wir noch hinzufügen können, daß Ferenczi sicher der Freud vertrauteste der ganzen jüngeren Analytikergeneration war, die sich zwischen 1905 und 1910 um ihn zu scharen begann. Er war es, den Freud als ersten unter diesen jüngeren Analytikern in seinen Briefen als »Lieber Freund« ansprach; er war der einzige, den Freud je einlud, ihn auf seine eifersüchtig gehüteten Ferienreisen zu begleiten, und von dem wir wissen, daß Freud ganz zu Beginn ihrer Bekanntschaft, nur wenige Monate nach der ersten Begegnung, mit dem Gedanken spielte, Ferenczi könnte sein Schwiegersohn werden.

Die andere Seite des Bildes ist die historische Tatsache, daß gegen Ende seines Lebens, etwa von der zweiten Hälfte der zwanziger Jahre an, zwischen Ferenczi und Freud eine sich ständig vertiefende Meinungsverschiedenheit entstand, die sich zunächst auf technische Probleme zu beschränken schien, in Wirklichkeit aber alle möglichen, sehr wichtigen theoretischen Bereiche ergriff und 1932 zum offenen Widerspruch zwischen den beiden Männern führte.

 

Ferenczi entstammte einer recht interessanten Familie. Sein Vater, obwohl jüdischer Einwanderer aus Polen, hatte sich 1848 im Alter von achtzehn Jahren den ungarischen Freischärlern angeschlossen, die für die Befreiung Ungarns von Habsburg kämpften. Da er keinerlei höheren Rang bekleidet hatte, gestattete man ihm, sich 1849 nach der Kapitulation Ungarns vor der russischen Armee, die den geschlagenen Österreichern zu Hilfe gekommen war, in Miskolcz, einer ungarischen Provinzstadt, niederzulassen. Er heiratete bald darauf und wurde Buchhändler. Das Geschäft begann rasch zu blühen, und er betätigte sich auch als Verleger; einer seiner Autoren war der führende Dichter des ungarischen Widerstands, Michael Tompa, ein protestantischer Geistlicher. Er gründete eine große Familie. Von seinen elf Kindern waren sieben Söhne, die alle freie Berufe ergriffen. Der 1873 geborene Sándor war der drittjüngste der Söhne. Er verlor seinen Vater 1888, als er fünfzehn Jahre alt war. Seine Schulausbildung erhielt er am örtlichen Gymnasium und ging im September 1890, wenige Monate nach seinem siebzehnten Geburtstag, nach Wien, um Medizin zu studieren.

Wie unter solchen Umständen nicht anders zu erwarten, idealisierte Ferenczi seinen Vater, erwarb einen starken »Bruderkomplex« und hatte zu seiner Mutter eine höchst ambivalente Beziehung. Nach dem Tode ihres Ehemannes hatte die Mutter die Leitung der Buchhandlung übernehmen müssen, und bei elf Kindern konnte sie für keines viel Zeit übrig gehabt haben. Aber wie dem auch gewesen sein mag – Ferenczi hatte Zeit seines Lebens ein unersättliches Bedürfnis, von Frauen wie von Männern geliebt zu werden. Wohl besaß er selbst eine warmherzige, strahlende Persönlichkeit und erwiderte freigebig jede Zuneigung; aber er schien eigentlich niemals wirklich zufrieden mit dem, was ihm zuteil wurde, er brauchte immer noch mehr.

Seine Studienjahre in Wien waren sein erstes selbständiges Wagnis in die Welt. Er hat uns oft erzählt, daß er, im Gegensatz zu seinen Schuljahren, kein sehr eifriger Student gewesen sei, sondern ein lustiges Leben geführt habe. Nichtsdestoweniger beendete er sein Studium ohne Zeitverlust im Juni 1895, legte sein Abschlußexamen aber erst ein Jahr später, im Juni 1896, ab, übrigens ohne Sigmund Freud jemals gesehen oder auch nur von ihm gehört zu haben. Er kehrte daraufhin nach Budapest zurück und ließ sich als praktischer Arzt und Neuropsychiater nieder. Später wurde er zum psychiatrischen Sachverständigen beim Gerichtshof berufen. Er führte seine Hausarztpraxis bis 1910 fort; dann gab er sie auf, um sich ganz der Psychoanalyse zu widmen. Die Tätigkeit als Sachverständiger beim Gerichtshof behielt er noch einige Jahre bis nach dem Ersten Weltkrieg bei.

Als Freund Max Schächters, des Herausgebers einer führenden ungarischen medizinischen Fachzeitschrift, begann er bald, mit Originalarbeiten und Buchbesprechungen regelmäßig an dieser Zeitschrift mitzuwirken. Mehrmals hat er aus dieser Zeit die Geschichte erzählt, wie er aufgefordert worden war, die ›Traumdeutung‹ zu rezensieren, dies aber abgelehnt habe, nachdem er beim flüchtigen Durchblättern des Buches zu der Überzeugung gekommen war, es sei nicht wissenschaftlich genug, um eine Besprechung zu verdienen.

Einige Jahre später hörte er von einer in Zürich entwickelten Methode, das Funktionieren des menschlichen Geistes mit der Stoppuhr zu messen. Diese Möglichkeit schien exakt genug, ihn zu fesseln; er kaufte sich eine Stoppuhr, und niemand war vor ihm sicher. Wen immer er in den Budapester Kaffeehäusern traf – Schriftsteller, Dichter, Maler, die Garderobefrau, die Kellner usw. –, jedermann wurde dem ›Assoziationsexperiment‹ unterworfen. Dies hatte immerhin die Folge, daß Ferenczi ein Versäumnis nachholte: er las die gesamte damals vorhandene psychoanalytische Literatur.

Anfang 1908, Ferenczi war damals vierunddreißig Jahre alt, schrieb er an Freud und bat, ihn besuchen zu dürfen. Freud war offenbar so beeindruckt von Ferenczi, daß er ihn einlud, auf dem Ersten Internationalen Psychoanalytischen Kongreß in Salzburg im April 1908 einen Vortrag zu halten und mit nach Berchtesgaden zu kommen, wo die Familie Freud die Sommerferien zu verbringen gedachte – ein noch nie dagewesenes Ereignis. Als Freud im darauffolgenden Jahr, 1909, nach Amerika fuhr, erschien es beiden selbstverständlich, daß Ferenczi ihn begleiten würde. Das war der Anfang einer während vieler Jahre ungetrübten Freundschaft. Viele gemeinsame Ferienreisen und zahllose wissenschaftliche Gespräche schlossen sich an, aus denen nicht nur Ferenczi Nutzen zog. Freud erwähnt an vielen Stellen in seinen Briefen, daß dies oder jenes aus diesen Gesprächen ihm geholfen habe, über irgendeine Schwierigkeit hinwegzukommen. Auf der anderen Seite versäumte Ferenczi nie, in seinen Schriften zu erwähnen, daß er die Anregung zu dieser oder jener Idee Freud verdanke.

In all diesen Jahren war Ferenczi allem äußeren Anschein nach ein überzeugter Junggeselle, der bereits seinem vierzigsten Lebensjahr entgegenging. Nur seine engsten Freunde wußten, daß er seit vielen Jahren mit einer ausnehmend reizenden, verheirateten Frau, Gizella, verbunden war, die ihren von ihr getrennt lebenden Ehemann jedoch nicht dazu zu bewegen vermochte, in die Scheidung einzuwilligen. Sie war sieben Jahre älter als Ferenczi, so daß er nicht mehr hoffen konnte, mit ihr ein Kind zu haben, obwohl Kinder zu haben zu seinen sehnlichsten Wünschen zählte.

Den Hauptteil des Jahres 1912 und praktisch das ganze Jahr 1913 hindurch war Ferenczi tief in die Kontroverse zwischen Freud und Jung verstrickt. Er war von Anfang an unbedingt dagegen gewesen, Jung nachzugeben; als der Bruch öffentlich bekannt wurde, fiel Ferenczi, dem bedeutendsten Analytiker nach Freud, die Aufgabe zu, Jungs Ideen in einem großen kritischen Aufsatz zurückzuweisen.

Bei Kriegsbeginn 1914 brach Ferenczis Praxis, die inzwischen ausschließlich analytisch geworden war, zusammen; Freud erging es ebenso. Ferenczi war damals über vierzig Jahre alt und mußte daher nicht an die Front. Da Leute seines Alters aber mit der Einberufung zum Dienst in der Heimat rechnen mußten, benutzte er die Zwischenzeit, bei Freud seine Analyse zu machen. Dies war ein von beiden Männern seit langem gehegter Plan. Ich meine, in ihrem Briefwechsel ist er zum erstenmal Ende 1912 oder Anfang 1913 erwähnt. Er kam als Regimentsarzt nach Pápa, in die Heimatgarnison eines Husarenregiments, eine Kleinstadt im westlichen Ungarn, nur wenige Bahnstunden von Wien entfernt. Dort blieb er das ganze Jahr 1915 hindurch und verwendete fast alle seine Urlaubstage dazu, nach Wien zu fahren und seine Analyse fortzusetzen. Ein- oder zweimal besuchte auch Freud ihn in Pápa. Anfang 1916 wurde Ferenczi nach Budapest versetzt, wo er halbtags als Neuropsychiater an einem Militärlazarett tätig war. Dies erlaubte es ihm, seine analytische Arbeit teilweise wieder aufzunehmen.

Seine Analyse bei Freud hat in ihm einen tiefen Eindruck hinterlassen. Diesmal erlebte er die analytische Situation aus der Perspektive des Patienten. Ferenczi gehörte zu jenen Menschen, die auf sympathetische, kongeniale Ansprache sofort und mit ihrem ganzen Wesen antworten. Man kann sich die Atmosphäre vorstellen, die sich zwischen den beiden Männern, Freud und Ferenczi, entwickelte, nachdem sie diese Beziehung seit mehr als einem Jahr geplant, ihre Notwendigkeit erkannt, darüber miteinander gesprochen, korrespondiert und sich auf jede Weise darauf vorbereitet hatten. Es müssen in der Tat...

Erscheint lt. Verlag 15.6.2015
Einführung Michael Balint
Verlagsort Frankfurt am Main
Sprache deutsch
Themenwelt Schulbuch / Wörterbuch Lexikon / Chroniken
Technik
Schlagworte Ernst Mach • Fehlhandlung • Georg Groddeck • Homoerotik • Homosexualität • Hypnose • Introjektion • Muskelinnervation • Onanie • Pathoneurose • pollution • Psychoanalyse • Psychogenese • Sachbuch • Salomon Hirzel • Sexualtheorie • Sigmund Freud • symptombildung • Unbewußte • Wien
ISBN-10 3-10-560355-7 / 3105603557
ISBN-13 978-3-10-560355-0 / 9783105603550
Haben Sie eine Frage zum Produkt?
EPUBEPUB (Wasserzeichen)
Größe: 949 KB

DRM: Digitales Wasserzeichen
Dieses eBook enthält ein digitales Wasser­zeichen und ist damit für Sie persona­lisiert. Bei einer missbräuch­lichen Weiter­gabe des eBooks an Dritte ist eine Rück­ver­folgung an die Quelle möglich.

Dateiformat: EPUB (Electronic Publication)
EPUB ist ein offener Standard für eBooks und eignet sich besonders zur Darstellung von Belle­tristik und Sach­büchern. Der Fließ­text wird dynamisch an die Display- und Schrift­größe ange­passt. Auch für mobile Lese­geräte ist EPUB daher gut geeignet.

Systemvoraussetzungen:
PC/Mac: Mit einem PC oder Mac können Sie dieses eBook lesen. Sie benötigen dafür die kostenlose Software Adobe Digital Editions.
eReader: Dieses eBook kann mit (fast) allen eBook-Readern gelesen werden. Mit dem amazon-Kindle ist es aber nicht kompatibel.
Smartphone/Tablet: Egal ob Apple oder Android, dieses eBook können Sie lesen. Sie benötigen dafür eine kostenlose App.
Geräteliste und zusätzliche Hinweise

Buying eBooks from abroad
For tax law reasons we can sell eBooks just within Germany and Switzerland. Regrettably we cannot fulfill eBook-orders from other countries.

Mehr entdecken
aus dem Bereich