Schriften zur Psychoanalyse (eBook)

Auswahl in zwei Bänden - Band II

(Autor)

Michael Balint (Herausgeber)

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2015 | 1. Auflage
512 Seiten
S. Fischer Verlag GmbH
978-3-10-560356-7 (ISBN)

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Schriften zur Psychoanalyse -  Sándor Ferenczi
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Band II der ?Auswahl in zwei Bänden? enthält die wichtigsten zwischen 1919 und 1933 entstandenen Arbeiten Sándor Ferenczis. Im Zentrum stehen seine berühmten und umstrittenen behandlungstechnischen Experimente. Wie der erste, so dokumentiert auch dieser Band Ferenczis intensives Interesse an pädagogischen Anwendungen der Psychoanalyse. Ebenfalls enthalten ist der ?Versuch einer Genitaltheorie?, den Sigmund Freud als Ferenczis »glänzendste, gedankenreichste« Arbeit bezeichnet hat, »vielleicht die kühnste Anwendung der Analyse, die jemals versucht worden ist«, eine »Höhenleistung«. (Dieser Text bezieht sich auf eine frühere Ausgabe.)

Sándor Ferenczi, 1873 in Ungarn geboren, Arzt und Psychoanalytiker, hatte Sigmund Freud 1908 kennengelernt und schnell Freundschaft mit ihm geschlossen. Seine technischen Experimente (»aktive Therapie«, »mutuelle Analyse«), die ihn Freud entfremdeten, wurden später von anderen Psychotherapeuten aufgegriffen und vor allem für die Therapie sogenannter früher Störungen genutzt. Ferenczi starb 1933.

Sándor Ferenczi, 1873 in Ungarn geboren, Arzt und Psychoanalytiker, hatte Sigmund Freud 1908 kennengelernt und schnell Freundschaft mit ihm geschlossen. Seine technischen Experimente (»aktive Therapie«, »mutuelle Analyse«), die ihn Freud entfremdeten, wurden später von anderen Psychotherapeuten aufgegriffen und vor allem für die Therapie sogenannter früher Störungen genutzt. Ferenczi starb 1933. Michael Balint (1896–1970), Dr. med., Dr. phil., begann seine psychoanalytische Ausbildung in den frühen zwanziger Jahren in Berlin. Im Stab der Ersten Medizinischen Universitätsklinik praktizierte er erstmals eine Art psychosomatischer Klinik. Sein Interesse an der Anwendung psychoanalytischer Funde auf die Probleme der praktischen Medizin hielt lebenslang an. Als Schüler Sándor Ferenczis setzte er seine psychoanalytischen Studien in Ungarn fort. Er war maßgebend am Aufbau der Budapester Psychoanalytischen Klinik beteiligt, die er von 1935 bis 1939 leitete. 1939 emigrierte er nach England und führte dort seine analytische Tätigkeit weiter. Dabei leistete er umfangreiche Forschungsarbeiten für die Schulung von Sozialarbeitern und praktischen Ärzten, u. a. in dem nach ihm benannten Modell der Balint-Gruppen. Er galt als bedeutender Lehranalytiker des British Institute of Psychoanalysis. Von 1968 bis zu seinem Tode war er Vorsitzender der British Psychoanalytic Society.

Einleitung


von Judith Dupont

Diese Einführung in den zweiten Band der ›Schriften zur Psychoanalyse‹ Sándor Ferenczis hätte eigentlich von Michael Balint, Ferenczis Schüler, Freund und schließlich Testamentsvollstrecker, geschrieben werden sollen, dessen eigene Arbeiten am Anfang sicherlich einen starken Impuls vom Werk Ferenczis empfangen hatten. Balint hat den Grundplan und die Form der Einführung, die an die für den ersten Band dieser Ausgabe geschriebene anknüpfen sollte, noch selbst entworfen. Wir haben es daher für richtig gehalten, weitgehend auf die Gedanken zurückzugreifen, die Balint in mehreren Arbeiten zur Person und zum Werk Ferenczis niedergelegt hat, speziell auf seine Äußerungen zu der hochwichtigen Periode, aus der die Arbeiten dieses zweiten Bandes stammen. Selbstverständlich trägt gleichwohl der jetzige Verfasser die volle Verantwortung für den vorliegenden Text.

Die Periode, die wir hier betrachten, ist arm an äußeren, um so reicher an »inneren« Ereignissen. Sie erstreckt sich von 1919 bis 1933, dem Todesjahr Ferenczis, und ist durch die wachsende Spannung gekennzeichnet, die sich zwischen Ferenczi und Freud, man kann sogar sagen, zwischen Ferenczi und fast der gesamten analytischen Welt entwickelte und die dazu führte, daß Ferenczi am Ende seines Lebens praktisch allein dastand.

Ferenczis wissenschaftliche Neugier, seine Redlichkeit und auch sein starkes Bedürfnis, allen zu helfen, die sich um Hilfe an ihn wandten, veranlaßten ihn zu immer neuen technischen Experimenten. Es soll jedoch sogleich betont werden, daß seine technischen Vorschläge stets theoretisch untermauert waren, wie er es auch niemals unterließ, alle theoretischen Folgerungen, die sich aus seinen technischen Experimenten ergaben, gründlich zu durchdenken. Es sei in diesem Zusammenhang an das Buch erinnert, das er zusammen mit Rank über das von Freud vorgeschlagene Wettbewerbsthema ›Beziehung zwischen der analytischen Technik und analytischer Theorie‹ schrieb.[2]

Ferenczi hat es niemals hinnehmen wollen, daß eine Theorie zum Dogma erhoben wird oder daß eine technische Maßnahme als unveränderlich gelten soll. Er war jederzeit bereit, alles, was bisher als sicher galt, umzustoßen, falls klinische Beobachtungen zeigen sollten, daß ein Phänomen mit den vorhandenen Hypothesen nicht erklärt werden könnte. Es ist jedoch festzuhalten, daß seine Forschungen ihn niemals veranlaßt haben, auch nur eine einzige der Grundannahmen der Psychoanalyse zu verwerfen. Er wollte vielmehr das Äußerste aus der psychoanalytischen Theorie herausholen, um die therapeutischen Möglichkeiten der Psychoanalyse zu verbessern und zu steigern. Ferenczi war immer vor allen Dingen Arzt.

Es ist hier nicht der Ort, die tieferen Gründe für Ferenczis starkes Heilbedürfnis zu erforschen, obwohl diese Motive gewiß dazu beigetragen haben, das Unbehagen, das sich zwischen ihm und seinen Kollegen ausbreitete, zu verstärken. Wer sich für dieses Thema interessiert, sei auf das achte Kapitel von Balints Buch Therapeutische Aspekte der Regression; Die Theorie der Grundstörung[3] verwiesen, wo Balint die Unstimmigkeiten zwischen Freud und Ferenczi erörtert.

Freilich war Ferenczi ein gefühlsstarker Mensch, der auf alles und alle sehr stark reagierte. Unter dem Ansturm der lebhaften Eindrücke, die er empfing, gab er seinen Beobachtungen und Gedanken sofort spontanen Ausdruck und legte sie sozusagen noch frisch zugleich sich und den Kollegen zur Beurteilung vor. Daher fand er sich oft in der Situation, die eine oder andere seiner Schlußfolgerungen abschwächen oder gar zurücknehmen zu müssen. Immerhin waren auch seine Irrtümer selten ganz fruchtlos.

Es ist jedenfalls gewiß nicht verwunderlich, daß die Entdeckungen, die Ferenczi der analytischen Welt (wenigstens eine Zeitlang) mit naiver Freude vortrug, von seinen Kollegen als eine Form von Aggressivität, zumindest als Schock erlebt wurden. So kam es, daß Ferenczi sich nach und nach mit einer wachsenden Zahl seiner Fachkollegen und schließlich sogar mit seinem Meister und Freund, Freud selbst, in Schwierigkeiten befand. Dieser sich verstärkende Mißklang zwischen Freud und Ferenczi ist das einschneidende Ereignis der vierzehn Jahre, die der vorliegende Band umspannt. In den letzten Lebensjahren Ferenczis, in denen er mit der Relaxationstechnik, mit Toleranz und Nachgiebigkeit, ja Verwöhnung experimentierte, wurde der Mißklang immer deutlicher. Und obgleich der Ton niemals gehässig wurde, war er für beide doch äußerst schmerzhaft, es ist sogar die Ansicht geäußert worden, Ferenczi sei vielleicht daran gestorben, daß er für diesen Konflikt keine Lösung wußte.

 

In jenen vierzehn Jahren konzentrierte sich Ferenczis Interesse hauptsächlich auf technische Probleme. Seine Forschungen und Experimente sind so reich und in ihren Folgen und Implikationen so bedeutend und umfassend, daß sie auch heute noch weder von der Psychoanalyse noch von der Psychiatrie, der praktischen Medizin, der Pädagogik, der Soziologie und anderen Wissenschaften vom Menschen voll ausgeschöpft sind.

Im großen und ganzen können wir diesen Zeitraum in zwei Teile teilen: (1) die Periode der sogenannten »aktiven« Technik und (2) die Periode der Relaxations-, Toleranz- und Verwöhnungstechnik.

Die erste Periode reicht von 1919, dem Jahr, in dem der Artikel ›Technische Schwierigkeiten einer Hysterieanalyse‹ erschien, bis 1926, dem Publikationsjahr seiner 1925 vor dem Psychoanalytiker-Kongreß in Bad Homburg vorgetragenen Mitteilung ›Kontraindikationen der aktiven Psychoanalytischen Technik‹. In diesem Artikel, dem letzten, den er der aktiven Technik widmete, hat Ferenczi sich veranlaßt gesehen, einige seiner vorher vertretenen technischen Maßnahmen zu kritisieren und zuzugeben, daß er auch eine Reihe von Mißerfolgen zu verzeichnen gehabt habe. Freud, der eine Zeitlang Ferenczis Experimente gutgeheißen und sogar die Vaterschaft für die ihnen zugrunde liegende Idee beansprucht hatte, da es sich um eine Fortführung der Abstinenz- und Versagungsregel handele, hatte seine Zustimmung inzwischen bereits zurückgezogen, und man findet sie in seinen nach 1919 veröffentlichten Schriften nicht mehr erwähnt.

Worin besteht nun die aktive Technik? Schon der Name ist irreführend. Entgegen dem, was er zu besagen scheint, und entgegen dem, was vielfach geglaubt wird, ist es keineswegs der Analytiker, der aufgefordert wird, Aktivität zu entfalten, sondern der Patient. Wenn die Behandlung stagniert und die Assoziationen aufhören zu fließen, veranlaßt der Analytiker mit Hilfe von Geboten oder Verboten den Patienten, sich aktiv zu verhalten, d.h. etwas zu tun oder zu unterlassen. So wird etwa ein Phobiker ermutigt, sich der von ihm gefürchteten Situation zu stellen, oder ein anderer Patient wird aufgefordert, eine bestimmte sexuelle Praktik aufzugeben usw.

Michael Balint beschreibt das Vorgehen bei der aktiven Technik in seinem Artikel über ›Die technischen Experimente Sándor Ferenczis‹[4] folgendermaßen:

»Der zugrunde liegende Gedankengang war, daß in vielen Fällen, in denen der freie Fluß der Assoziationen stagniert und unergiebig wird, die Ursache im Schwinden der Libido aus der analytischen Arbeit und ihr Aufgehen in unbewußten Phantasien und unbewußten körperlichen Triebbefriedigungen liege; natürlich war diese Verschiebung von einer Krise in der Übertragungsbeziehung provoziert worden und repräsentierte diese Krise. Die analytische Aufgabe bestand nun darin, den Bereich ausfindig zu machen, auf welchen die Libido verschoben worden war, und sie zu mobilisieren, damit sie für die produktive Arbeit wieder verfügbar wurde. Das bedeutete, daß der Analytiker nach den entsprechenden Zeichen Ausschau halten mußte, besonders im Verhalten des Patienten in der analytischen Situation, um zu erkennen, in welchem Bereich der analytische Prozeß einen unbewußten Konflikt aufgerührt hatte, der die Libido von der analytischen Arbeit abzog; das führte dann zu erhöhter libidinöser Besetzung, die die Triebrepräsentanzen bis nahe ans Bewußtsein brachte; im letzten Moment aber erzwang die Verdrängung einen Kompromiß, und eine bis dahin ruhende oder latente Verhaltensgewohnheit machte sich bemerkbar. Diese Verhaltensweise war determiniert 1. durch die Übertragungskrise, 2. durch die ursprüngliche Triebrepräsentanz, 3. durch die Kräfte der Verdrängung.

Der Analytiker könnte nun auf zweierlei Weise aktiv werden. Er könnte vorschlagen, daß der Patient von dieser betreffenden Verhaltensgewohnheit abläßt, also die dahinter verborgene Befriedigung seiner verdrängten Wünsche aufgibt; oder aber er könnte den Patienten ermutigen, sich diese Befriedigung offen und frei zu gestatten. Eine erfolgreiche Intervention des Analytikers würde dann im Patienten zu einem erheblichen Spannungsanstieg führen, wodurch zweierlei erreicht werden könnte: Durchbruch einer bis dahin verdrängten Triebregung ins Bewußtsein, was ein unlustvolles Symptom in lustvolle Befriedigung verwandeln und die Ich-Herrschaft des Patienten stärken und ausweiten würde; ferner würden durch die Aufhebung des Widerstandes die versiegten oder stagnierenden Assoziationen des Patienten wieder zu fließen beginnen.«[5]

Im vorliegenden Band wird die aktive Technik in fünf wichtigen Artikeln behandelt. Außer den beiden bereits genannten sind es die Arbeiten ›Weiterer Ausbau der »aktiven Technik« in der Psychoanalyse‹ (1921), ›Über forcierte Phantasien‹ (1924)...

Erscheint lt. Verlag 15.6.2015
Einführung Judith Dupont
Verlagsort Frankfurt am Main
Sprache deutsch
Themenwelt Schulbuch / Wörterbuch Lexikon / Chroniken
Technik
Schlagworte Anna Freud • Begattungsakt • Brückensymbolik • Budapest • Geistesstörung • Genitaltheorie • Homosexualität • Kinder • Pädagogik • Psychoanalyse • Sachbuch • Sexualgewohnheit • Sigmund Freud • Stigma • Symbolik • Unbewußte • Unlustbejahung • Wien
ISBN-10 3-10-560356-5 / 3105603565
ISBN-13 978-3-10-560356-7 / 9783105603567
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