Klassische Mechanik (eBook)

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2015 | 1. Auflage
130 Seiten
S. Fischer Verlag GmbH
978-3-10-560321-5 (ISBN)

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Klassische Mechanik -  Frank Linhard
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Frank Linhard: Lehrbeauftragter und Privatdozent für Mathematik, Physik und Wirtschaftsstatistik; zahlreiche Veröffentlichungen zur Geschichte der Mechanik und zu anderen Bereichen der Physikgeschichte

Frank Linhard: Lehrbeauftragter und Privatdozent für Mathematik, Physik und Wirtschaftsstatistik; zahlreiche Veröffentlichungen zur Geschichte der Mechanik und zu anderen Bereichen der Physikgeschichte

Grundriss


Massepunkte in Bewegung


Mechanische Systeme


Die Modelle der Mechanik gründen auf Idealisierungen. Unsere alltägliche Welt, voller Störeffekte und kaum mathematisch elegant modellierbarer Phänomene wird von ihnen nicht eingefangen. Um zu sehen, warum und wieweit die Modelle diesen Phänomenen trotzdem angemessen sind, werden die Störeffekte in Laborsystemen ausgefiltert. Doch ein Laborsystem kann nie am Anfang der Untersuchung stehen. Zuerst müssen die möglichen Störeffekte überhaupt als solche konzeptualisiert werden. Die Galilei’sche Aussage beispielsweise, dass alle Körper unabhängig von ihrer Masse im Schwerefeld gleich schnell fallen, ist ein solches Absehen von »störenden« Gegebenheiten der Alltagswelt. Lässt man einen leichten und einen schweren Körper aus gleicher Höhe fallen, so wird das gewünschte Ergebnis im Allgemeinen nicht erzielt werden: Die fundamentale Aussage über den freien Fall lässt sich somit nicht aus der »Erfahrung« ableiten. Man denke nur an das Standardbeispiel von Feder und Stein, die gleich schnell fallen sollen. Sind Störeffekte aber erst einmal ausgemacht, lassen sich Laborbedingungen ersinnen, die auf experimentelle Evidenzen führen können. Galileis Idee, zwei gleichgroße Stücke aus verschieden schwerem Material anzufertigen, ist ein Verfahren zur Ausfilterung von Störeffekten. Die Erzeugung eines Vakuums, also die Entfernung des Luftwiderstandes, ist ein anderes.

Ein weitgehend störungsfreies System ist das der himmlischen Sphären, also der Fixsterne und Planeten. Entsprechend entwickelt sich auch die Astronomie zur ersten Leitwissenschaft, in der auf Geometrie und Arithmetik basierende Modelle von Anfang an beherrschend sind. Die Forderung nach Sphären und Kreisbahnen, auf denen die Planetenbewegung erfolgen soll, stammt weniger aus der Beobachtung, als vielmehr aus der pythagoräischen Idealvorstellung vom Kreis als optimaler Flächenform und der Sphäre als optimalem Körper. Darüber hinaus erfordern die komplizierten Rückläufigkeiten und Stillstände, die man bei der Planetenbewegung beobachtet, eine Aussage über Rotationen des Gesamtsystems: Beispielsweise die Behauptung, die Erde ruhe in der Mitte des Universums und alle anderen Körper umkreisten sie.

Galileo Galilei (1564–1642), kolorierte Zeichnung von Ottavio Leoni. Der Topos vom ›Buch der Natur‹ hatte bereits eine lange Geschichte, als Galileo Galilei festhielt, dass dieses Buch in der Sprache der Mathematik abgefasst sei: Nicht zuletzt in dieser Einsicht lag der Durchbruch zur neuen Wissenschaft der Mechanik beschlossen.

Auch der Gegenstandsbereich der Astronomie ist mechanisch. So war es die große Leistung Newtons, die Systeme der irdischen Mechanik, die Galilei (Fallbewegung) und Huyghens (Pendelbewegung) bereits beschrieben hatten, mit denen der Himmelsmechanik – wie durch Kepler beschrieben – in einem einheitlichen formalen Zugang zu vereinigen. Möglich wurde das durch seinen Kräfteansatz: Die Newton’sche Mechanik setzt die Bewegungsänderung den auf den Körper wirkenden Kräften gleich. Damit kann eine Bewegung genau dann beschrieben werden, wenn alle in einem System wirkenden Kräfte bekannt sind, das heißt angegeben werden können. Die Lösung der Newton’schen Kraftgleichung ist dann die so genannte Bewegungsgleichung. Diese beschreibt die Bewegung von Massen in Raum und Zeit. Von besonderem Interesse sind dabei die Kräfte, die auf jede Masse wirken: Trägheitskraft und Gravitation.

Mathematische Beschreibung


In mechanischen Systemen wird die Wirkung von Kräften auf Objekte betrachtet, die eine bestimmte Masse m besitzen. Häufig werden diese Objekte als Massepunkte beschrieben. Ein Massepunkt ist ein Körper, dessen Ausmaße und Feinstruktur man bei der Beschreibung seiner Bewegung vernachlässigen kann. Man sieht also von Form, Größe und Drehbewegung des Körpers ab und betrachtet nur seine Bewegung im Raum. Ein Planet kann beispielsweise dann, wenn es darum geht, seine Bewegung um die Sonne zu beschreiben, als Massepunkt verstanden werden; will man seine Eigenrotation beschreiben, so genügt das nicht. Das Ziel der Untersuchung mechanischer Systeme ist die Aufstellung der so genannten Bewegungsgleichung. Die Bewegungsgleichung beschreibt die Bewegung des Systems vollständig, das heißt alle Informationen über die Bewegung der Massen sind in ihr enthalten. Im Allgemeinen gewinnt man die Bewegungsgleichung, indem man ein System von Differentialgleichungen löst.

Die Aufstellung der Differentialgleichung erfordert eine vollständige Analyse des mechanischen Systems, die einher geht mit einer mathematischen Beschreibung. Das mechanische System wird konstituiert durch die Körper, die auf diese wirkende Kräfte und die Eigenschaften des Raumes. Die Beschreibung der Lage eines Massepunktes im Raume erfolgt durch seinen Radiusvektor r. Der Raum selbst wird durch ein Koordinatensystem beschrieben. In der Newton’schen Mechanik verwendet man meist das für die Euklidische Geometrie geeignete cartesische Koordinatensystem. Wir werden bald sehen, dass es Vorteile bringt, die Systemgeometrie bei der Koordinatenwahl zu berücksichtigen. Im cartesischen Koordinatensystem ist der Radiusvektor r die gerichtete Größe mit den Komponenten x, y und z, die den Koordinatenursprung (Nullpunkt) mit der Position des Körpers oder Punktes P verbindet.

Im Verlaufe der Bewegung wird P unterschiedliche Orte im Raum einnehmen, so dass eine Bahn des Punktes P entsteht.

Der Punkt P hat also zu jedem Zeitpunkt im Bewegungsverlauf andere Koordinaten, und die Koordinaten x, y und z sind entsprechend Funktionen der Zeit t. Auf diese Weise ist der Ortsvektor r abhängig von der Zeit, also:

Die Bewegungsgleichung ist also diejenige Gleichung, die eine Punktposition im Koordinaten-Raum in Abhängigkeit von der Zeit t beschreibt.

Abbildung 1: Der Radiusvektor r und seine Komponenten im cartesischen Koordinatensystem

Abbildung 2: Die Bahn (Trajektorie) eines Massepunktes im dreidimensionalen cartesischen Koordinatensystem

Sehen wir uns das konkret an einem Beispiel aus der Alltagswelt an: Betrachten wir einen Zug, der von Frankfurt nach Hamburg fährt, sagen wir er hält nur in Fulda, Kassel, Göttingen und Hannover. Den Zug auf seinem Gleis beschreiben wir abstrakt als Massepunkt. Er ist zwar ausgedehnt, vielleicht sogar ziemlich lang, kann aber als starrer Körper betrachtet werden. Dann haben alle Punkte, aus denen er sich zusammensetzt, während der Reise immer denselben Abstand voneinander. Das ist natürlich eine Näherung. Der Zug hat ja Gelenke und es treten beispielsweise Erschütterungen und Materialspannungen auf, aber für unsere Betrachtung sehen wir ihn einfach als Punkt an, eben als den Massepunkt. Die Strecke Frankfurt – Hamburg legt er auf den Gleisen der Bahntrasse zurück. Diese können wir als eindimensionale Kurve abstrakt beschreiben. Der Zug muss den Gleisen folgen und er durchläuft jeden Punkt darauf. Somit kann für jeden beliebigen Zeitpunkt t der Reise ein Punkt x auf der Strecke gefunden werden. Betrachten wir das für die Haltestellen und nehmen wir an, der Zug fährt um 10.00 Uhr in Frankfurt los:

Frankfurt (M)

10.00

Fulda

10.50

Kassel

11.55

Göttingen

12.25

Hannover

13.05

Hamburg

13.30

Es liegt also eine eindeutige Zuordnung von Raum und Zeitpunkten vor, die man in diesem Fall ›Fahrplan‹ nennt. Im Prinzip kann man jedem Streckenpunkt einen Zeitpunkt zuordnen, weil eben jeder der Punkte auf der Strecke durchlaufen wird. Der Ort x ist dann eine Funktion der Zeit t, also x(t) = f(t). Wie die Kurve f aussieht, kann man im Allgemeinen nicht sagen. Man kann sie jedoch empirisch bestimmen, indem man misst und die Messpunkte verbindet. Die Verbindung ist bei den Systemen der klassischen Mechanik dadurch gerechtfertigt, dass man die obige Annahme machen kann, nämlich, dass jeder der Punkte auf der Strecke durchlaufen wird. Man erhält eine ähnliche Kurve wie in Abbildung 3.

Leider ist hier die exakte mathematische Form der Kurve nicht bekannt, man verfügt also über keinen algebraischen Ausdruck für f. Mit dem Fahrplan oder der Graphik in Abbildung 3 liegt praktisch eine Form der Bewegungsgleichung vor, jedoch eben nicht in algebraischer Form. Ist das ein Problem? Nun, das kommt auf die Aufgabenstellung an. Wenn ich in den Zug zusteigen möchte und habe den Fahrplan, der mir sagt, dass Göttingen um 12.25 Uhr erreicht ist, so kann ich mit dieser Information das Zusteigeproblem lösen. Ich bin einfach rechtzeitig in Göttingen am Bahnhof. Stellt sich aber eine andere Frage, zum Beispiel: ›Wie schnell ist der Zug zwischen Göttingen und Hamburg?‹, so sieht es schon anders aus. Man kann zwar rechnen, hat aber zu wenig Informationen. Bestimmen kann man jedoch die Differenzen der Orts- und Zeitwerte,...

Erscheint lt. Verlag 15.6.2015
Verlagsort Frankfurt am Main
Sprache deutsch
Themenwelt Schulbuch / Wörterbuch Lexikon / Chroniken
Technik
Schlagworte Bewegungsgleichung • Emmy Noether • Erhaltungsgröße • Fischer Kompakt • Hamiltonfunktion • Isaac Newton • Johannes Kepler • Joseph Louis Lagrange • Keplerproblem • Koordinate • Koordinatensystem • Lagrangefunktion • Lehrbuch • Massepunkt • Mechanik • Planet • Sachbuch • Theorem • Vektor • Vielkörperproblem • Zentralkörper
ISBN-10 3-10-560321-2 / 3105603212
ISBN-13 978-3-10-560321-5 / 9783105603215
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