Die Berliner Schnauze (eBook)

Die besten Sprüche, Schimpfwörter und Redensarten
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2015 | 1. Auflage
144 Seiten
Bebra Verlag
978-3-8393-4122-3 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Die Berliner Schnauze -  Matthias Zimmermann
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Die Hauptstädter sind berühmt-berüchtigt für ihre schnoddrige Schnauze und ihre unnachahmliche Schlagfertigkeit in jeder Lebenslage: Vom Essen und Trinken bis hin zur Alltagsphilosophie, vom Kompliment bis zum deftigen Fluch. Matthias Zimmermann wirft einen Blick auf typische Berliner Redewendungen und erklärt, woher sie kommen und was sie bedeuten. Mit einem Seitenblick auf Witze, Reime, Lieder und Aussprüche ergibt sich ein unterhaltsamer Streifzug durch 200 Jahre Sprachgeschichte.

Matthias Zimmermann, geboren 1980 in Halle/Saale, studierte Germanistik, Philosophie und Medienwissenschaften in Potsdam und im dänischen Roskilde. 2011/12 war er auf radioeins immer dienstags als 'Der Redewender' zu hören. Im be.bra verlag erschienen von ihm die Titel 'Von nackten Rotkehlchen und furzenden Wölfen' und 'Sprich mit meinem Arsch, mein Kopf ist krank'.

Matthias Zimmermann, geboren 1980 in Halle/Saale, studierte Germanistik, Philosophie und Medienwissenschaften in Potsdam und im dänischen Roskilde. 2011/12 war er auf radioeins immer dienstags als "Der Redewender" zu hören. Im be.bra verlag erschienen von ihm die Titel "Von nackten Rotkehlchen und furzenden Wölfen" und "Sprich mit meinem Arsch, mein Kopf ist krank".

Uns kann keener, ooch nich eener!


Das Bekannteste am Berliner ist, so lässt sich vermuten, sein Mundwerk, die Kodderschnauze. Dank ihr gilt er in seinem Wesen als frech, meckerig, von sich selbst eingenommen und größenwahnsinnig. Und machen wir uns nichts vor: Es stimmt. All das »berlinert«, es gehört dazu. Auch. In seinem Vorwort zum wichtigsten Wörterbuch des Berlinischen, Hans Meyers »Der richtige Berliner«, bringt es der Schriftsteller und geborene Berliner Walter Kiaulehn auf den Punkt: »Das Geheimnis des richtigen Berliners ist, dass er nicht berlinern muss, sondern, dass er es auch kann.« Aber er kann eben zugleich stets anders, und wenn er meckert, motzt oder frotzelt, dann (zumeist) bewusst. Wer auf die Schippe genommen wird, der hat es verdient. Ton, Grammatik und Witz des Berlinischen dienen ihm als Mittel. Und wenn man einmal genauer hinsieht, sind die Eigenheiten des Berlinischen keineswegs sinnfreie, selbstverliebte Sprachspielereien, sondern Ausdruck der ganz besonderen gewachsenen Umstände dieser Stadt und fast immer zugleich nur die eine Seite der Medaille.

Der schnoddrije Ton zum Beispiel, der sich tatsächlich vom niederdeutschen Wort für den Nasenschleim (snodder) ableitet. Egal, ob nun kiebig, rotzig, pampig oder riedig, der Berliner gilt in jeder Form als ausverscheemt. (Da unverscheemt schon für unfassbares Glück reserviert war, drehte man einfach ein bisschen an der Vorsilbe und fortan stand ausverscheemt für frech.) So sehr, dass im großen Brandenburgisch-Berlinischen Wörterbuch für die Dreisten der Eintrag kess wie ein Berliner zu finden ist und zu einem Berliner mit Quadratschnauze der Spruch kursiert: Wenn der mal stirbt, muss de Schnauze extra dotjeschlaren wer’n! Schon der Geheimrat Goethe bemerkte nach einem Besuch in der Stadt: »Es lebt aber, wie ich an allem merke, dort ein so verwegener Menschenschlag beisammen, daß man mit der Delicatesse nicht weit reicht, sondern daß man Haare auf den Zähnen haben und mitunter etwas grob sein muß, um sich über Wasser zu halten.«

An die durchaus anerkennende Beschreibung der Berliner als »verwegener Menschenschlag« schließt der Dichterfürst jene Beobachtung an, die Licht ins Dunkel des Vorwurfs ungeschlachter Grobheit bringt: Obwohl es erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts zur Millionenstadt anwachsen sollte, war Berlin schon seit Langem ein Schmelztiegel unzähliger Heimatsuchender, Glücksritter und Zuwanderer, die sich dort ein neues Leben aufbauen wollten. Ein Umstand, der auch ihre Sprache beeinflusste. Franz Lederer, der Anfang des 20. Jahrhunderts in seinem Büchlein »Ick lach ma’n Ast« versucht hat, »Sprache, Wesen und Humor des Berliners« zu ergründen, erklärte dies folgendermaßen: »Die Einwohnerschaft, von Anfang an auf eigene Kraft gestellt, gewöhnte sich frühzeitig daran, Schwierigkeiten aus dem Weg zu räumen. Eine solche Bevölkerung neigt naturgemäß zur Kritik, und diese Kritik geht leicht in derben Spott über – (…).«

Was mitunter grob erscheint, ist – von einer anderen Seite aus betrachtet – schlicht Offenheit ohne falsche Pietät. Wo Zurückhaltung nicht angebracht ist, vertreiben ein paar klare Worte beizeiten den Nebel. Wenn einer anjibt wie’ne Tüte Mücken, lässt sich der Berliner nicht zweimal bitten und stutzt den Großkotz auf Normalmaß herunter: Mach ma det Fenster uff, det riecht hier mächtig nach Eichenlaub. Oder wie Adolf Glaßbrenner seinen Nante über einen Prahlhans sagen lässt: Dunderwetter, wenn ick det wäre, wat der sich inbildt, denn kooft’ ick mir Deutschland, un setzte mir uff’t Riesenjebirje un sagte: Blast mir’n Stoob wech!

Dabei ist die Kritik des Berliners in der Regel kein Mittel, um sich einen Vorteil zu verschaffen. Zumeist entlarvt sie die Lüge, benennt das Verquere und tadelt das Falsche. Wer heiße Luft daherredet, dem weht ohne Zögern entgegen: Quatsch man keene Wellen, sonst kippt der Kahn um! Folgerichtig macht der Berliner vor seiner eigenen Person nicht halt und nimmt sich, wo es angebracht ist, selbst auf die Schippe. Ganz nach dem Motto: ’n jeder blamiert sich so jut er kann!

Nicht selten ist für kritische Töne Ironie das Mittel der Wahl. Mit ihrer Hilfe lässt sich ansprechen, was offen zu scharf, zu schwere Kost oder gar gefährlich wäre. Das ironische Lob ist eine Berliner Paradedisziplin: Wunderscheen is jarnischt dajejen! An einem langweiligen Abend hat er sich amüsiert wie Mops im Tischkasten – also gar nicht, weil er eingesperrt ist – und was schlicht nicht passt, det passt wie de Faust uff’s Ooge. (Mittlerweile passt die Faust übrigens sehr wohl und gilt als Ausdruck der Zustimmung, während die negative Bedeutung nahezu verloren gegangen ist.) Theodor Fontane hat diesen Hang zur Ironie mit mangelnder Redefreiheit in der Hauptstadt Preußens erklärt: »Man hat dies ironische Wesen auf den märkischen Sand, auf die Dürre des Bodens, auf den Voltairismus König Friedrichs II. oder auch auf die eigentümliche Mischung der ursprünglichen Berliner Bevölkerung mit französischen und jüdischen Elementen zurückführen wollen – aber, wie ich glaube, mit Unrecht. Alles das mag eine bestimmte Form geschaffen haben, nicht die Sache selbst. Die Sache selbst war Notwehr, eine natürliche Folge davon, daß einer Ansammlung bedeutender geistiger Kräfte die großen Schauplätze des öffentlichen Lebens über Gebühr verschlossen blieben.«

Für Fontanes These spricht, dass die kritisch-kreative Ader der Berliner Sprache seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs nach und nach einzuschlafen schien. Mit der Gründung eines demokratischen Staates auf deutschem Boden waren die »Schauplätze öffentlichen Lebens« zugänglich und die Rede frei. Allein in Ost-Berlin, das zur »Hauptstadt der DDR« erhoben wurde, bewahrte das Berlinische seine subversive Funktion und deshalb auch Kraft. In kritischer Distanzierung schuf der hiesige unhörbare Volksmund sogar noch neues Vokabular, wie das Kaderwelsch (aus Kader und Kauderwelsch) für das unsägliche Palaver der – ausgerechnet überwiegend sächsischen – Parteioberen, die Pionöse (aus Pionier und einer der beliebten französisierenden Endungen -öse von -euse) oder einen Beitrag zur eigentlich längst begrabenen Abkürzungsmanie: SED stand fortan nicht mehr für die Sozialistische Einheitspartei Deutschlands, sondern galt als Synonym für »selten etwas dran«. Manch einer zog sogar ein Fazit unter das sozialistische Gesellschaftsexperiment, noch ehe es beendet war: Lieber von Zille jemalt, als vom Sozialismus jezeichnet.

Gerade am Beispiel der Ironie gilt es aber, Fontane, der mit dem Berlinischen persönlich eher auf Kriegsfuß stand, an anderer Stelle entgegenzutreten. So behauptete dieser, der Berliner habe keinen »Sinn für feinere Lebensform, liebenswürdiges Entgegenkommen. Durch derbe Grobheit stößt er nur zu leicht ab. Seine Stacheln kehrt er gern nach außen, kritisiert ohne Rücksicht zu nehmen.« Doch das Berlinische kennt die Liebkosung, die freundliche Geste und die ehrliche Anteilnahme sehr wohl. Nur sind sie, wie vieles, oft in Ironie oder gar einen etwas derben Ton gehüllt. Nirgendwo sonst könnte wohl Olle so viel Anerkennung für die Mutter, Frau oder Geliebte enthalten wie in Berlin, und meint einer zu einem Freund, er sehe aus wie Braunbier mit Spucke, darf dies als Ausdruck wohlwollender Sorge über dessen kränkliche Erscheinung angesehen werden.

Als besonders groß gilt die Schandschnauze des Berliner aber, weil er (und sie) den Nabel der Welt zu bilden scheinen. Er sieht besser aus (so bin ick an janzen Körper), ist schlauer (der Berliner lernt nischt inne Schule und weeß doch allet) und hat von allen seltenen Tugenden nur die besten, von Schisslaweng (Schwung) bis Pli (Witz). In Berlin haben sie ’n Wetter, inne ärmere Jejend würden se zwee draus machen, während alles jenseits der Stadtgrenzen nischt wie Jejend ist, dem Credo folgend: Wo wir sind, is vorn. Wenn wir hinten sind, is hinten vorn. Ein waschechter Berliner ist die moderne Fassung des Niebelungen-Siegfried. Mit Spreewasser jedooft, hält er sich für unverwundbar. Als Motto der Stadt kann daher getrost gelten: Uns kann keener – ooch nich eener!

Gut möglich, dass diese Haltung dem einen oder anderen sauer aufstößt. Wo bleibt da die Demut, wo das »rechte Maß«, das der Berliner mit seiner derben Kritik und den mitunter allzu offenen Worten...

Erscheint lt. Verlag 20.5.2015
Verlagsort Berlin
Sprache deutsch
Themenwelt Schulbuch / Wörterbuch Wörterbuch / Fremdsprachen
Technik
Schlagworte Berlin • Berlinerisch • Berliner Mundart • Berliner Redewendungen • Dialekt • Mundart • Sprachwissenschaft • Sprüche
ISBN-10 3-8393-4122-1 / 3839341221
ISBN-13 978-3-8393-4122-3 / 9783839341223
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