Adelige Frauen im bürgerlichen Jahrhundert (eBook)

Hofdamen, Stiftsdamen, Salondamen 1800-1870
eBook Download: EPUB
2015 | 1. Auflage
280 Seiten
S. Fischer Verlag GmbH
978-3-10-560094-8 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Adelige Frauen im bürgerlichen Jahrhundert -  Christa Diemel
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Zwischen Macht und Langeweile -  Christa Diemel beschreibt die vielfältigen Rollen und Wirkungsbereiche, die adelige Frauen in der Gesellschaft innehatten. Wie wuchsen sie auf, welche Erwartungen wurden an sie gestellt, wie sah ihre rechtliche und wirtschaftliche Situation aus, welche Zukunftsvorstellungen, welche Sehnsüchte hegten sie und wie reagierten sie auf die gesellschaftlichen Veränderungen? (Dieser Text bezieht sich auf eine frühere Ausgabe.)

Christa Diemel, geboren 1964, Verlagsbuchhändlerin, studierte Geschichte und Empirische Kulturwissenschaft in Tübingen und in St. Louis/Missouri (USA).

Christa Diemel, geboren 1964, Verlagsbuchhändlerin, studierte Geschichte und Empirische Kulturwissenschaft in Tübingen und in St. Louis/Missouri (USA).

Einleitung


Das 19. Jahrhundert wird häufig als »bürgerliches Zeitalter« bezeichnet. Mit dem Untergang des Ancien régime verlor die adelige und höfische Welt an Bedeutung, das Bürgertum gewann hingegen zunehmend an Macht und Einfluß. Dennoch konnte sich der deutsche Adel bis zum Ende der Monarchie als gesellschaftliche Führungsschicht in Politik, Verwaltung und Militär behaupten. Eine der wichtigsten adeligen Domänen blieb der Hof. Hier gelang es dem Adel, sich trotz der Bürokratisierungs- und Demokratisierungsprozesse, die den Weg zu höheren staatlichen Ämtern sozial öffneten, den exklusiven Zugang zu den höheren Hofdiensten und damit politische Einflußmöglichkeiten und wirtschaftliche Versorgungschancen zu erhalten und zu sichern.

Hof und Hofgesellschaft waren aber auch ein Bereich, in dem Frauen wichtige Funktionen innehatten. Als Hofdamen, Oberhofmeisterinnen oder Gouvernanten bekleideten sie Hofämter und konnten sich hohes Ansehen verschaffen. Als Gattinnen und Töchter von Hofwürdenträgern, Staatsbeamten, Offizieren oder Botschaftern nahmen sie an Hoffesten und zeremoniellen Veranstaltungen teil, mit denen Macht und Reichtum des Hofadels zur Schau gestellt wurden. Als tonangebende Gastgeberinnen von Festlichkeiten konnten sie gesellschaftlichen Einfluß nehmen. Als Mätressen oder Ehefrauen von Fürsten gelang es manchen sogar, bis in die höchsten Ebenen der Macht aufzusteigen. Frauen prägten die adelig-höfische Kultur entscheidend mit. Dennoch hat die historische Forschung diesen Aspekt von Frauenleben im 19. Jahrhundert bisher fast völlig vernachlässigt.

Ein Grund dafür ist, daß die Erforschung der Sozialgeschichte des Adels im 19. Jahrhundert gerade erst begonnen hat. Während in den 1970er Jahren das sozialgeschichtliche Interesse sich vorwiegend auf Arbeiterbewegung und Arbeiterschaft konzentrierte und in den 1980ern ein zentraler Forschungsschwerpunkt auf der Geschichte des Bürgertums lag, sind in den letzten 20 Jahren nur wenige Untersuchungen zur Geschichte des deutschsprachigen Adels seit 1800 erschienen. Erst in den letzten Jahren wandte sich die Aufmerksamkeit dem Adel zu, und es wurden auch einige Studien zu Hof und Hofgesellschaft im 19. Jahrhundert veröffentlicht.[1]

Die meisten Untersuchungen fragen nach den Voraussetzungen für die Selbstbehauptung des Adels als Führungsschicht, nach seiner Anpassungsfähigkeit an die Wandlungsprozesse des 19. Jahrhunderts und nach seinen Strategien zur Wahrung des Status als Elite. Im Vordergrund stehen dabei die Übernahme oder Sicherung von hohen Positionen in Politik, Verwaltung, Diplomatie und Armee sowie die – wenn auch nur zögerliche – Anpassung an moderne Wirtschaftsformen in Landwirtschaft und Industrie. Eine der leitenden Fragestellungen ist dabei, ob eine ›Verbürgerlichung‹ des Adels oder eine ›Aristokratisierung‹ des Bürgertums oder auch beides zugleich stattgefunden hat.[2] Die Rolle adeliger Frauen wird in diesen Veröffentlichungen in der Regel nicht angesprochen. Sie tauchen allenfalls als statistische Größe im Kontext der Frage nach adelig-bürgerlichem Konnubium auf. In einigen Untersuchungen zu deutschsprachigen Höfen finden sich knappe Anmerkungen zu Rang und Ämtern von Frauen am Hof.[3] Systematisch wurde das Leben adeliger Frauen im 19. Jahrhundert jedoch noch nicht untersucht.

Auch die historische Frauenforschung, die sich – den Interessenschwerpunkten der Sozialgeschichte folgend – bisher auf Arbeiterinnen und Bürgerliche konzentrierte, hat adelige Frauen kaum berücksichtigt. Nur für die frühe Neuzeit sind in letzter Zeit einzelne Aufsätze zum Thema erschienen. Außerdem wird in einigen Überblicksbänden die Rolle von Frauen an den absolutistischen Höfen geschildert.[4] Für das 19. Jahrhundert gibt es jedoch noch keine entsprechenden Darstellungen.

Dieser Band fragt nach dem Anteil von Frauen an der Beharrungskraft des deutschen Adels. Er stellt die verschiedenen Rollen von Frauen am Hof und in der Hofgesellschaft des 19. Jahrhunderts vor. Norbert Elias hat Frauen an den absolutistischen Höfen »größere Macht als in irgendeiner anderen gesellschaftlichen Formation« zugeschrieben.[5] Läßt sich diese Feststellung auch auf die Höfe des 19. Jahrhunderts übertragen? Welchen Status und welche Einflußmöglichkeiten hatten adelige Frauen am Hof und in der Hofgesellschaft? Des weiteren wird gefragt, inwiefern sich die Stellung adeliger Frauen im Zuge der ›Verbürgerlichung‹ der Gesellschaft im 19. Jahrhundert veränderte. Übernahm der Adel vom Bürgertum die Einteilung ›öffentlicher‹ und ›privater‹ Lebensbereiche und die damit verbundene hierarchisierte Geschlechterrollenzuweisung? Kann diese Trennung von ›Öffentlichkeit‹ und ›Privatheit‹ überhaupt für das Leben in der Hofgesellschaft angewendet werden? Gerade Frauen trugen durch die Weitergabe ›kulturellen Kapitals‹ – als Mütter, Ehefrauen, in der Öffentlichkeit sozialer Beziehungen und symbolischer Repräsentanz – zur Gestaltung und Bewahrung adeligen Lebens wesentlich bei. Deshalb stellt sich die Frage: Welchen Beitrag leisteten Frauen zum Erhalt der adelig-höfischen Kultur? Inwiefern waren sie an der Behauptung des Adels als gesellschaftlicher Führungsschicht im 19. Jahrhundert beteiligt? Konnten sie ihre ständische Exklusivität bewahren? Oder fanden bürgerliche Frauen und Frauenbilder zunehmend Zugang zum Hof und in die Hofgesellschaft? Ein wichtiger Aspekt ist außerdem die subjektive Wahrnehmung adeliger Frauen. Wie empfanden sie selbst das Leben am Hof und in der Hofgesellschaft und ihre eigene Rolle darin? Welche Erwartungen, welche Sehnsüchte, welche Zukunftsvorstellungen hegten sie? Wie nahmen Frauen eventuelle Veränderungen wahr und wie bewerteten sie sie?

Deutsche Geschichte ist eine Geschichte der föderativen Vielfalt. Deshalb wird der Blick auf verschiedene Höfe gerichtet. Im Zentrum stehen die Hofgesellschaften in Preußen und in Süddeutschland, also Berlin, München und Stuttgart. Außerdem wird zum Vergleich auch punktuell der Wiener Hofadel betrachtet. Im Mittelpunkt der Darstellung stehen Frauen des städtischen Hofadels, der sich zum größten Teil aus Angehörigen des niederen Adels zusammensetzte. Der Untersuchungszeitraum erstreckt sich vom Anfang des 19. Jahrhunderts bis zur Reichsgründung. Mit der Bildung des Nationalstaats verloren die alten höfischen Brennpunkte in München und Stuttgart an Bedeutung, und auch am Kaiserhof in Berlin sowie in Wien veränderte sich die Situation. In Teilbereichen werden aber auch Rückblicke ins 18. Jahrhundert und Ausblicke auf die Kaiserzeit mit eingeschlossen.

In diesem Zeitraum kam es zu einschneidenden Veränderungen in der politischen und sozialen Stellung des Adels. Der deutsche Adel[6] war im 19. Jahrhundert eine äußerst heterogene Gruppierung, die anhand unterschiedlicher Kriterien differenziert werden kann. Zum einen läßt sich zwischen Hochadel und niederem Adel unterscheiden. Zur ersten Gruppe gehörten die regierenden Dynastien der kaiserlichen, königlichen, herzoglichen und fürstlichen Landesherren. Ihnen folgte der nicht regierende Hochadel, der vor allem in Süddeutschland ansässig war. Ihm gleichberechtigt waren die sogenannten Standesherren. Diese fürstlichen oder gräflichen Familien hatten durch die Mediatisierungen der napoleonischen Zeit ihre Reichsunmittelbarkeit verloren, galten aber als den regierenden Häusern ebenbürtig und genossen zahlreiche Privilegien. Der niedere Adel bestand aus dem landsässigen Adel der einzelnen Territorien, der seit den Mediatisierungen auch die ehemalige Reichsritterschaft mit einschloß, und dem nobilitierten Verdienstadel. Die Titulaturen des niederen Adels reichten vom Grafen über den Freiherrn oder Baron bis zum einfachen »von«.[7] Neben dieser vertikalen Differenzierung müssen außerdem regionale Unterschiede berücksichtigt werden. Die standesherrlichen Familien fanden sich vor allem in Süddeutschland. Württemberg besaß einen großen Anteil ehemaligen reichsritterschaftlichen Adels und nur wenig landsässigen Niederadel. Der bayerische Adel war aufgrund des Gebietszuwachses während der napoleonischen Ära sehr heterogener Herkunft. Er setzte sich aus dem altbayerischen Landadel, fränkischen und schwäbischen Reichsrittern, Standesherren, adeligen Reichsstadtpatriziern und neunobilitierten Beamten zusammen. In Preußen dagegen fand sich weniger Hochadel, statt dessen dominierten dort die landsässigen Gutsbesitzer, die sogenannten Junker. Auch die Einkommensgrundlage kann als Unterscheidungskriterium dienen: Landadel einerseits, Hofadel, Beamtenadel und Militäradel andererseits bezogen ihre Einkünfte aus unterschiedlichen Quellen. Nicht zuletzt war auch das Alter des Adels ein wichtiges Distinktionsmerkmal, zumal die Zahl der Nobilitierten seit Beginn des 19. Jahrhunderts erheblich anstieg. Bei letzteren muß außerdem noch zwischen Personaladel, der nicht vererbt wurde, und erblichem Adel unterschieden werden.

Während des 19. Jahrhunderts veränderten sich adeliger Einfluß, Status und Lebensstil nachhaltig durch Mediatisierungen und Säkularisation, durch neue Zugangsvoraussetzungen für Staatsämter sowie Reformen in Recht, Politik und Wirtschaft. In der Reformära verlor der deutsche Adel...

Erscheint lt. Verlag 15.4.2015
Verlagsort Frankfurt am Main
Sprache deutsch
Themenwelt Schulbuch / Wörterbuch Lexikon / Chroniken
Technik
Schlagworte Adel • Bayern • Berlin • Ehevertrag • Etikette • Friedrich Wilhelm III. • Hofamt • Hofdame • Hofgesellschaft • Katharina von Württemberg • Leipzig • Liebesheirat • Lola Montez • München • Sachbuch • Salondame • stiftsdame • Stuttgart • Thronfolge • Wien • Wilhelmine von Lichtenau • Wohltätigkeit
ISBN-10 3-10-560094-9 / 3105600949
ISBN-13 978-3-10-560094-8 / 9783105600948
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