Anschlag auf Mekka
Blessing, Karl (Verlag)
978-3-89667-335-0 (ISBN)
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Am Morgen des 20. November 1979 besetzen bewaffnete Rebellen die Große Moschee in Mekka. Sie fordern die sofortige Abkehr Saudi-Arabiens vom Westen und einen radikalen Umbruch in der gesamten muslimischen Welt. Der erste islamistische Terrorakt der Moderne beginnt. Er sollte Schule machen. Erstmals wird in dieser spannenden und umfassenden Reportage ein Ereignis untersucht, das zur Geburtsstunde von al-Qaida und des globalen Dschihad wurde.
Es war die größte anzunehmende Katastrophe. Eine fanatische, internationale Gruppe um den charismatischen Anführer Dschuhaiman stürmte die bedeutendste aller heiligen Stätten, die Große Moschee, nahm Tausende Pilger als Geiseln und stellte die Saud-Dynastie als Herrscher und als Hüter des Heiligtums infrage. Erst eine Fatwa der obersten Gelehrten des islamischen Rechts erlaubte es dem Königshaus, mit Waffengewalt gegen die Rebellen vorzugehen. Zwei verlustreiche Wochen später hatten Soldaten das Gelände zurückerobert. Dschuhaiman und seine Gefolgsleute wurden kurz darauf öffentlich enthauptet. Um ihr Gesicht zu wahren, setzte die saudische Regierung nun die konservative, dogmatische Auslegung der heiligen Schriften durch just jene, die Dschuhaiman gefordert hatte und förderte den grenzüberschreitenden Kampf gegen Ungläubige allerorts, so auch gegen die sowjetischen Truppen, die im Dezember 1979 in Afghanistan einmarschierten. Einer der ersten unter den Radikalen, die Dschuhaiman bewunderten und Saudi-Arabien in Richtung Hindukusch verließen, war ein 22-jähriger Eiferer namens Osama bin Laden.
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Auswertung bislang geheimer CIA-Akten und Aussagen noch heute verfolgter Beteiligter
Yaroslav Trofimov, geboren 1969 in der Ukraine, arbeitete als Journalist in den USA, Frankreich und der Sowjetunion. In Jerusalem lernte er Arabisch und Hebräisch, mehrmals bereiste er Saudi-Arabien und den Nahen Osten. Er ist Autor eines Buches über die
Die heilige Stadt Mekka wirkte täuschend ruhig, als der erste Morgen des neuen Jahrhunderts hinter den zerklüfteten Bergen graute. Der bärtige Imam der Großen Moschee spritzte sich kaltes Wasser ins Gesicht, dann legte er seinen beigefarbenen Umhang um die Schultern und murmelte ein Dankgebet. In wenigen Minuten würde er das Morgengebet leiten. Unter seinem Fenster füllte sich der mit Flutlicht überstrahlte Innenhof der Moschee rasch. Die Zeit der Hadsch, der großen Pilgerfahrt, in der insgesamt über eine Million Pilger den Hof von der Größe eines Stadions besuchten, war bereits zu Ende. Trotzdem war Mekka immer noch gerammelt voll mit Pilgern. Viele von ihnen hatten die Nacht am heiligsten Ort des Islam verbracht und sich auf einem Wollteppich in einem der fast tausend Räume des vielstöckigen Labyrinths der Großen Moschee zusammengerollt. Wie üblich kampierten diese Pilger mit ihren Bündeln, Matratzen und Koffern, und niemand hatte sich die Mühe gemacht, das Gepäck zu durchsuchen. Wie es Brauch war, hatten viele sogar hölzerne Särge mitgebracht in der Hoffnung, dass der Imam einem verstorbenen Verwandten den kostbaren Segen spenden würde, der nur an diesem heiligen Ort gespendet werden konnte. An diesem Tag hatten einige der Särge einen ganz anderen Inhalt: Kalaschnikow-Sturmgewehre, in Belgien hergestellte FN-FAL-Sturmgewehre, Patronengurte und diverse Pistolen. Die Männer, die dieses Waffenarsenal in die Moschee geschmuggelt hatten, verfolgten ein ehrgeiziges Ziel: Sie wollten den Lauf der Weltgeschichte umkehren und einen Weltkrieg auslösen, der mit dem totalen Sieg des Islam und der Vernichtung der arroganten Christen und Juden enden sollte. Es war der erste Muharram des Jahres 1400 nach islamischer Zeitrechnung, der in den Kalendern der westlichen Ungläubigen dem 20. November 1979 entsprach. Für die Einwohner von Mekka, einer Stadt, die von dem Menschenstrom lebt, der seit undenklicher Zeit durch ihre heiligen Stätten fließt, galt es an diesem Dienstagmorgen, ein besonders freudiges Ereignis zu feiern: den Neujahrstag, an dem die Einwohner Mekkas traditionell selbst zur heiligen Moschee pilgern. In der Dunkelheit zogen Tausende zu den Randbezirken der Stadt, legten nach einer Dusche ihre Alltagskleidung ab und kehrten im schneeweißen ihram, dem Gewand der Pilger (zwei handtuchartigen Kleidungsstücken, die Reinheit symbolisieren und die rechte Schulter ihres Trägers unbedeckt lassen) zurück in das Zentrum der Stadt. Unter die Mekkaner hatten sich etwa 100 000 Besucher aus aller Welt gemischt: Pakistaner und Indonesier, Marokkaner und Jemeniten, Nigerianer und Türken. Manche waren nach der Hadsch noch in der Stadt geblieben: Pilger mit unternehmerischem Ehrgeiz versuchten, sich jedes Jahr ihre Reisekosten zu verdienen, indem sie in Mekkas Basaren exotische Güter aus ihren fernen Heimatländern verkauften. Andere waren eigens nach Mekka gekommen, um dort die Jahrhundertwende zu erleben, ein Ereignis, das nur einmal im Leben stattfand. Mitten in diesem Menschenmeer schwammen Hunderte von Rebellen, viele mit dem traditionellen rot karierten Tuch der Beduinen als Kopfbedeckung. Einige waren schon seit Tagen in der Moschee und hatten das Labyrinth ihrer Korridore erkundet. Andere waren in der Nacht zuvor von ihnen freundlich gesinnten Koranschulen mit Bussen hergefahren worden. Wieder andere waren an diesem Morgen mit dem eigenen Auto in Mekka eingetroffen, in letzter Minute und mit Frau und Kindern, damit die Wächter keinen Verdacht schöpften. Die meisten Verschwörer waren Saudis oder Beduinen, obwohl es auch zahlreiche Ausländer in ihren Reihen gab, falls dieser Begriff für Menschen, die an ein islamisches Weltbürgertum glauben, überhaupt eine Bedeutung besitzt. Unter den Ausländern waren auch afroamerikanische Konvertiten im Hochgefühl ihres neuen Glaubens und gestählt durch die Rassenunruhen in ihrer Heimat. Der graue wolkenlose Himmel färbte sich langsam rosa, als das Morgenritual begann, das zu dieser Jahreszeit um 5 Uhr 18 stattfinden muss. »La ilaha ila Allah«, intonierte eine tiefe Stimme den Gebetsruf über die neuen Lautsprecher, die auf den sieben hohen Minaretten der Moschee installiert waren: »Es gibt keinen Gott außer Gott.« Barfüßig knieten die Gläubigen in dem mit Marmor gepflasterten Hof der Großen Moschee. Der Imam räusperte sich und nahm das Mikrofon in die Hand, um den Segen zu sprechen. Auf seinen Wink warfen sich die Gläubigen zu Boden, in einem gewaltigen Ring konzentrischer Kreise, der die Kaaba umschloss, ein uraltes würfelförmiges Gebäude, das sich - in goldbestickte, schwarze Seide gehüllt - in der Mitte des Innenhofs erhob. Dann, gerade als der Imam das Gebet mit der Bitte um Frieden beendete, krachten Schüsse. Das knatternde Geräusch wurde von den Wänden des Innenhofs wie in einem Hallraum zurückgeworfen. Die schockierten Gläubigen sahen einen jungen Mann mit erhobenem Gewehr auf die Kaaba zurennen. Ein weiterer Schuss scheuchte Schwärme von Tauben auf, die meist auf dem Platz außerhalb der Großen Moschee herumpickten. Blitzschnell schwirrten Gerüchte durch die Menge. Was hatte das zu bedeuten? Warum der ganze Lärm? Sicher gab es eine harmlose Erklärung. Vielleicht waren die Männer mit den Gewehren Leibwächter irgendeines hochrangigen saudischen Prinzen oder vielleicht sogar des saudischen Königs Chalid selbst. Vielleicht waren die Gewehrschüsse nur eine besondere saudische Art, das neue Jahr zu begrüßen. Viele besser informierte Gläubige waren starr vor Entsetzen. Sie wussten, dass es eine schwere Sünde war, in der Großen Moschee ein Gewehr abzufeuern. Und sie konnten sich nicht daran erinnern, dass ein solches Sakrileg je geschehen war. Ängstlich sahen sie zu, wie immer mehr Männer auf die Kaaba zuliefen, die sich mit Gewehren aus den Särgen bewaffnet hatten. Die offizielle Polizeitruppe der Großen Moschee war nur mit Stöcken ausgerüstet, um ausländische Gläubige zu züchtigen, die sich danebenbenahmen. Sie zerstreute sich in alle Winde, als zwei ihrer Mitglieder versucht hatten, Widerstand zu leisten, und an den Toren erschossen worden waren. In all dem Aufruhr kam Dschuhaiman al-Uteibi aus dem Inneren der Moschee. Der 43-jährige Beduine mit den hypnotischen schwarzen Augen, den sinnlichen Lippen und dem schulterlangen Haar, das bruchlos in einen schwarzen, lockigen Bart überging, strahlte trotz seiner schlanken Erscheinung große Autorität aus. Dem Beispiel des Propheten Mohammed folgend trug der Rebellenführer ein weißes saudisches Gewand, das zum Zeichen des Verzichts auf materielle Güter auf Wadenhöhe abgeschnitten war. Im Gegensatz zu vielen seiner Anhänger war er barhäuptig und hielt seine widerspenstigen Locken nur durch ein schmales grünes Stirnband im Zaum.
Erscheint lt. Verlag | 14.10.2008 |
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Übersetzer | Helmut Dierlamm |
Sprache | deutsch |
Original-Titel | The Siege of Mecca: The Forgotten Uprising in Islam's Holiest Shrine and the Birth of Al Qaeda |
Maße | 135 x 215 mm |
Gewicht | 546 g |
Einbandart | gebunden |
Themenwelt | Sachbuch/Ratgeber ► Geschichte / Politik ► Zeitgeschichte ab 1945 |
Schlagworte | Anschlag • Islamistischer Terrorismus • Mekka; Politik/Zeitgeschichte |
ISBN-10 | 3-89667-335-1 / 3896673351 |
ISBN-13 | 978-3-89667-335-0 / 9783896673350 |
Zustand | Neuware |
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